D
ie Corona-Hotline der Berliner
Senatsverwaltung, schönen
guten Morgen. Wer das hört,
hat womöglich das Schlimms-
te schon überstanden. Das ewi-
ge Besetztzeichen. Die Warteschleife.
In der Viruskrise macht Berlin seinem
Ruf als Chaoshauptstadt alle Ehre. Das ist
zumindest die Wahrnehmung da draußen
auf den Straßen, beziehungsweise da drin-
nen in den Home-Offices. Während der Kri-
senmanager Markus Söder offenbar von
seinem Tatendrang beseelt vorwegmar-
schiert, scheint die Berliner Verwaltung
eher orientierungslos umherzutapsen, ein
Schrittchen nach rechts, zwei nach links,
dann wieder ein halbes nach vorne. Man
brauchte im Lauf der vergangenen Woche
schon einen sehr detaillierten Faltplan die-
ser Stadt, um zu markieren, in welchen Kie-
zen die Spielplätze selbstverständlich wei-
terhin geöffnet waren und in welchen lei-
der schon geschlossen.
Berlin vermarktet sich unter anderem
als Sportmetropole. Im Moment ist es mal
wieder eine Spottmetropole. Laut der
Corona-Variante des BER-Witzes, von dem
man eigentlich annahm, es seien längst al-
le Varianten ausgereizt, wird Berlin inzwi-
schen in aller Welt um seinen nicht funktio-
nierenden Flughafen beneidet.
Eines muss man der Berliner Senatsver-
waltung aber lassen: Mit ihrem Corona-
Sorgentelefon war sie schneller als der
Rest des Landes, Bayern eingeschlossen.
Schon am 28. Januar wurde diese Hotline
freigeschaltet. Es war der Tag, als im Land-
kreis Starnberg der erste positive Test in
Deutschland publik wurde. Drei Tage spä-
ter spielte im Olympiastadion Hertha BSC
gegen Schalke 04 vor 47863 Zuschauern.
Eine Ewigkeit scheint das her zu sein.
Seit diesem Tag wurden nach Auskunft
des Berliner Senats über 17000 Beratungs-
gespräche geführt. Im Moment nimmt das
Callcenter demnach täglich 1000 bis 1800
Anrufe entgegen. Allerdings weiß nie-
mand, wie hoch die Dunkelziffer derjeni-
gen ist, die nicht durchkommen.
Gibt man in sozialen Netzwerken die Be-
griffe „Corona“, „Berlin“ und „Hotline“ ein,
erhält man zumindest eine ungefähre Ah-
nung vom Ausmaß der Frustration. „Wenn
die es nicht mal hinbekommen, ne erreich-
bare Hotline zu schalten, wie soll der Rest
dann funktionieren?“ – „Kind liegt mit Fie-
ber im Bett. Wir keimen hier rum und kom-
men nirgends weiter.“ Mit den Kommenta-
ren ließe sich die ganze Zeitung füllen.
Donnerstag vergangener Woche, 9 Uhr.
Die Fallzahlen in Deutschland erreichen an
diesem Tag den fünfstelligen Bereich. Auf
dem Türschild von Raum 5148 im Gebäude
der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pfle-
ge und Gleichstellung steht: „Hotline Coro-
na. Platz 1 und 2.“ Und „Krisenstab“ steht
da auch.
Das Zimmer sieht wie eine Call-Amtsstu-
be aus, mit Aktenschrank und Lochordner-
Ordnung. An Platz eins sitzt in dieser Früh-
schicht Manja Betz, 41, an Platz zwei Arka-
dius Goik, 49. Betz ist eine Medizinstuden-
tin, die kurz vor der Approbation steht. Sie
arbeitet hier freiwillig für eine kleine Auf-
wandsentschädigung, zusätzlich zu ihren
Diensten in der Klinik. Goik ist Intensiv-
pfleger, aber einer mit derzeit gebroche-
nem Daumen. Da stehe man im Kranken-
haus nur im Weg. Er will sich wenigstens
am Telefon nützlich machen. Headset auf
und los. Wenn Goik seinen Anrufern kei-
nen schönen guten Morgen wünscht, dann
wünscht er ihnen einen wunderschönen
guten Morgen.
Aus Gründen des Datenschutzes und
des Anstandes ist nicht erlaubt, zu hören,
was Goik hört. Man hört aber, was er sagt.
„Welche Symptome weisen Sie denn auf,
wenn ich fragen darf?“ Pause. „Ja, Sie kön-
nen selbstverständlich einkaufen gehen,
solange Sie keine Symptome haben.“ Pau-
se. „Das könnte auch ein grippaler Infekt
sein, das bitte ich immer zu bedenken.“
Am Nebentisch, bei Manja Betz, klingt
das so: „Wenn Sie unsicher sind, melden
Sie sich bitte beim Gesundheitsamt Ihres
Bezirks. Das kann aber dauern, bitte nicht
die Geduld verlieren.“ Kurze Pause. „Nein,
Sie sind jetzt nicht beim Gesundheitsamt,
sondern bei der Senatsverwaltung für
Gesundheit. Ich weiß, das ist verwirrend.“
Auch wenn es am längeren Ende der
Warteschleife kaum einer glaubt, aber hier
werden tatsächlich Anrufe am laufenden
Band entgegengenommen. Jeweils fünf Te-
lefonisten und Telefonistinnen arbeiten
auf mehrere Räume verteilt in einem Zwei-
Schichten-System. Sie sind motiviert, sie
wollen ihre Sache gut machen, sie versu-
chen, Fakten von Mythen zu trennen, sie
glauben, dass es wichtig ist. Aber jeder von
ihnen hat auch nur zwei Ohren.
Eine Schicht dauert sechs Stunden, oh-
ne Unterbrechung. Die Telefone blinken
von morgens bis abends durch. Kekse, Kaf-
fee, Tee und belegte Brötchenhälften wer-
den wann immer möglich verzehrt. Wäh-
rend das Telefon zweimal klingelt.
Anruf Apparat Betz. Sie hört ein paar Se-
kunden zu, schaut rüber zur Magnettafel,
wo „Keep Smiling“ steht, ringt sich ein Lä-
cheln ab, sagt: „Also langweilig ist mir
nicht, aber legen Sie mal los.“ Pause. „Viel-
leicht versuchen Sie, das Gassigehen auf
die Zeiten zu verlegen, wo möglichst weni-
ge unterwegs sind.“ Pause. „Auf der ande-
ren Seite, wenn ich das jedem rate, dann
treffen sich plötzlich am späten Abend alle
Hundebesitzer im Park.“
Die Medizinstudentin Betz hat Callcen-
ter-Erfahrung, das ist nicht zu überhören.
Vor allem hat sie die große Gabe, in diesen
ernsten Zeiten in nahezu jedes Gespräch ei-
nen Moment der Leichtigkeit zu bringen.
Manchmal meint man, einen eben noch
völlig entrüsteten Anrufer am anderen En-
de der Leitung lächeln zu spüren. Zwi-
schen zwei Telefonaten sagt Betz: „Die we-
nigsten sind pampig, die meisten sind su-
per flauschig. Ich habe in meinem Leben
noch nicht so viel danke gehört wie hier.“
Flauschig dankbar sind viele schon da-
für, dass sie überhaupt jemanden errei-
chen. Im Kreis der Hotline-Kollegen hei-
ßen diese Glücklichen auch die Lottogewin-
ner. Manche von ihnen sind so geschockt,
wenn sie plötzlich durchkommen, dass sie
ganz vergessen, was sie fragen wollten.
Arkadius Goik mag vielleicht nicht das
Improvisationstalent seiner Sitznachbarin
besitzen, aber auch er erledigt diesen stres-
sigen Job mit beneidenswerter Ruhe. Da-
bei hilft ihm ein Merkblatt. Er arbeitet sich
streng nach der Linie des Robert-Koch-In-
stituts (RKI) durch seine Gespräche: „Erst
mal ist die Frage, ob Sie ein Verdachtsfall
sind: Haben Sie sich in einem der Risiko-
gebiete aufgehalten? Wurden Sie infor-
miert, dass Sie Kontakt zu einer infizierten
Person hatten?“ In den meisten Fällen en-
det das Gespräch dann mit dem Rat, ein-
fach mal 14 Tage zu Hause zu bleiben und
sich auszukurieren.
Offenbar gibt es ein großes Bedürfnis in
der Bevölkerung, sich testen zu lassen. Die
Leute, egal ob sie Schnupfen haben oder
kerngesund sind, sehnen sich nach einem
negativen Ergebnis – als ob es sich dabei
um eine Art Persilschein für die Viruskrise
handelte. Sie reagieren dann regelrecht be-
leidigt, mitunter auch entrüstet, wenn sie
in der Hotline erfahren, dass sie nach den
RKI-Kriterien nicht als Verdachtsfall gel-
ten. Und dass, wer kein Verdachtsfall ist,
an den überlasteten Berliner Testzentren
wieder weggeschickt wird. Betz und Goik
versuchen diesen Anrufern dann zu erklä-
ren, dass ein negatives Testergebnis ohne-
hin wenig aussagt, außer, dass man zum
Zeitpunkt des Abstrichs noch nicht infi-
ziert war. Aber das kann sich ja jederzeit än-
dern. Beispielsweise in der Menschenmen-
ge vor den Testzentren. Betz sagt einer An-
ruferin: „Sie müssen bedenken, Sie stehen
am Virchow-Klinikum heute acht Stunden
in einer Schlange mit hustenden Men-
schen. Ob das epidemiologisch so sinnvoll
ist, wage ich zu bezweifeln.“
17 000 Beratungsgespräche. Es haben
hier schon Leute angerufen, die fragten, ob
sie noch italienisches Obst essen dürfen,
ob Homöopathie vor Corona schütze und
wo sie verdammt noch mal jetzt Klopapier
herkriegen sollen. Es war einer dabei, der
einen halben Tag investierte, um das Be-
setztzeichen zu überwinden, nur um sich
darüber zu beschweren, dass er davor 64
Mal beim Gesundheitsamt angerufen ha-
be, ohne durchzukommen. Ein Mann woll-
te seinen Chef verpetzen, weil der sich wei-
gerte, sich testen zu lassen, obwohl er Kon-
takt zu Friedrich Merz gehabt habe, der
sich bekanntlich angesteckt hat. Die Betrei-
berin eines Intim-Waxing-Studios wollte
wissen, ob sie ihren Laden öffnen dürfe,
weil sie ja auch nichts anderes mache als
die Friseure, nämlich Haare entfernen.
Das war, bevor auch die Friseure zuma-
chen mussten. Es rufen Hausärzte an, die
Nachschub für Masken und Schutzklei-
dung bestellen wollen. Es hat sich auch
schon ein Rettungssanitäter gemeldet, der
fragte, was er mit seinem Patienten anstel-
len solle. Er hing dafür hoffentlich nicht ei-
nen halben Tag in der Warteschleife. „Der
ganz normale Wahnsinn“, sagt Betz.
Aber sie spüren hier im Krisenstab
auch, dass dieser Wahnsinn Höhen und Tie-
fen durchläuft. Am Anfang, also Ende Janu-
ar, sagen Betz und Goik, sei die Verunsiche-
rung maximal gewesen. Da hatten sie Leu-
te dran, die dachten, Berlin sei abgeriegelt,
so wie damals im Kalten Krieg. Wenn die
Menschen nicht wissen, was los ist, dann in-
formieren sie sich auf Youtube. Und dann
fangen sie zum Beispiel an, zu hamstern.
So sieht Betz das. Seit es mehr vertrauens-
würdige Informationen gibt, etwa durch
die Pressekonferenzen des Robert-Koch-
Instituts, merkt sie hier, dass auch die Fra-
gen präziser werden. Die meisten Anrufer
scheinen jetzt ungefähr zu wissen, worum
es geht: soziale Distanz, Kurve abflachen.
Zwischenzeitlich haben sie bei der Hot-
line sogar daran gezweifelt, ob sie über-
haupt noch gebraucht werden. An einem
Tag Ende Februar klingelte hier nur 18 Mal
das Telefon. Und dann kam Italien.
Seitdem sind die Leitungen chronisch
verstopft. Aber an diesem Donnerstag
scheint es besonders schlimm zu sein. An-
fangs rätseln sie im Callcenter noch, woran
das liegen könnte: An der Fernsehanspra-
che von Angela Merkel? An den Bildern aus
Norditalien, die zeigen, wie die Särge der
Corona-Toten von der Armee abtranspor-
tiert werden? Je mehr Anrufer Betz und Go-
ik entgegennehmen, desto konkreter wird
ihr Verdacht, dass es mit einer einzigen
App zu tun haben könnte.
Die Berliner Charité hat sie am Vortag ge-
startet. Sehr sicher in bester Absicht, näm-
lich mit dem Ziel, zu vermitteln: Wer ein-
mal hustet, muss nicht gleich in Panik gera-
ten. Die App soll dabei helfen, den An-
sturm auf die Berliner Testzentren abzu-
bremsen. Man kann als Benutzer 26 Fra-
gen beantworten, es geht um Symptome,
Reisen, Kontakte und Vorerkrankungen.
Am Ende gibt das Programm dann „indivi-
duelle Handlungsempfehlungen“.
Diese Empfehlungen sehen etwa so aus:
„Achten Sie auf Ihre Hand-Hygiene. Wenn
es schlimmer wird, melden Sie sich bei der
Hotline der Senatsgesundheitsverwaltung
(030/ 9028 2828).“ Oder so: „Kurieren Sie
sich aus und bleiben Sie ruhig. Wenn Sie
sich unsicher fühlen, kontaktieren Sie die
Hotline der Senatsgesundheitsverwaltung
(030 / 9028 2828).“
Man kann das ein paarmal durchspie-
len, egal ob man sich im Fragebogen als
rauchender Südtirol-Rückkehrer mit Fie-
ber ausgibt oder als gesundheitsbewusster
Dabeimbleiber ohne jedes Erkältungs-
symptom: Am Ende erscheint immer die
Nummer der Hotline von Manja Betz und
Arkadius Goik.
Viele Nutzer interpretieren das Aufblin-
ken dieser Telefonnummer offenbar als
Diagnose. Ein Anrufer sagt, in der App
stehe, er sei krank, dabei gehe es ihm
eigentlich prima.
Eine Auswahl derer, die diese App emp-
fohlen haben: dasÄrzteblatt, die dpa, RTL,
t-online, Computerwoche. Super Sache,
sagt einer in der Telefonzentrale und lä-
chelt. Ganz Deutschland ruft jetzt hier an.
Ganz Deutschland ist sogar noch ein biss-
chen untertrieben.
Anruf bei Manja Betz. Pause. „Sie woh-
nen in Lüneburg?“
Anruf bei Arkadius Goik. Pause. „I am
sorry, my French is not very good.“
Die Grenzen mögen teilweise geschlos-
sen sein, aber die Informationsschnipsel,
Halbwahrheiten und Gerüchte reisen wei-
terhin frei umher. Die Nummer des Berli-
ner Bürgertelefons hat sich in dieser Lage
offenbar europaweit verselbstständigt. Sie
rufen aus Frankreich an, aus Spanien, aus
Italien, aus den Niederlanden. Allein Goik
nimmt jeden Tag etwa ein halbes Dutzend
Anrufe aus dem Ausland entgegen. Und
das sind ja nur die Lottogewinner, die
durchkommen. Mitunter sind verzweifelte
Menschen dabei, die sich einen Ratschlag
von deutschen Medizinern erhoffen und
nicht ahnen, dass sie in Raum 5148 der Ber-
liner Senatsverwaltung gelandet sind. Was
sollen Betz und Goik diesen Leuten raten?
Das, was sie laut Gesprächsvorlage allen
Anrufern mit verdächtigen Symptomen
sagen sollen: Bitte wenden Sie sich an das
zuständige Gesundheitsamt ihres Bezirks?
Es gibt also auch andere Gründe, wes-
halb man hier nicht so einfach durch-
kommt. Die Berliner Gesundheitssenato-
rin Dilek Kalayci (SPD) hat auf das Problem
nun reagiert, indem sie einen Teil der Hot-
line outgesourct hat. In einem professionel-
len Callcenter sollen die Anrufe nach der
Relevanz des Anliegens vorsortiert wer-
den. Nur diejenigen, die tatsächlich eine ge-
sundheitliche Frage zum Virus haben, wer-
den noch zu Beratern wie Betz oder Goik
durchgestellt. Für die Anrufer bedeutet
das: weniger Dauerbesetztzeichen, mehr
Warteschleifenmusik, aber insgesamt
geht es etwas schneller. Diese loungige Mu-
sik kommt einem irgendwie bekannt vor,
sie klingt, als sei sie von der Telekom-War-
teschleifenband eingespielt worden. Wäh-
rend man wartet und sich so berieseln
lässt, fallen einem Alltagssorgen aus der
Prä-Corona-Ära wieder ein: Die telefoni-
schen Kundenberatungen der Telekom
oder der DHL brauchten ja gar keine Virus-
krise, um überfordert zu sein.
Manja Betz hat jetzt eine englischspra-
chige Anruferin dran, die nur mal eben sa-
gen wollte: „Your hotline is the hottest line
in town.“ Das kann man sowohl lobend als
auch kritisch übersetzen, etwa: Ihr seid der
heißeste Draht der Stadt. Oder: Ihr seid der
unerreichbarste Anschluss Berlins. Betz ge-
fällt das Wortspiel so gut, dass sie es als ihr
Zitat des Tages an die Tafel schreibt.
Jeder Tag bringt hier andere Überra-
schungen. Die Sorgen der Leute sind offen-
bar so dynamisch wie die Verbreitungs-
statistiken des Virus. Aus jedem Arbeitstag
in der Telefonzentrale ergibt sich eine Mo-
mentaufnahme der Verunsicherung in der
Bevölkerung. Mal geht es vor allem um die
neuen Ausgangsbeschränkungen. Mal um
die Frage, wann endlich auch hierzulande
ein Schnelltest zur Verfügung steht. Mal
kreist die Panik um eine App, die der Panik
doch eigentlich entgegenwirken soll.
Ein relativ konstantes Motiv ist aber,
dass viele Anrufer das Gefühl haben, sich
im Kreis zu drehen. Auch unter den Tele-
fonnummern vieler Berliner Hausarztpra-
xen läuft inzwischen ein Band, man solle
sich an die 116 117 vom ärztlichen Bereit-
schaftsdienst oder an die Hotline der Se-
natsverwaltung wenden. Bei der Hotline
wird dann empfohlen, das Gesundheits-
amt anzurufen. Wer dort nicht durch-
kommt, versucht es wieder beim Hausarzt,
und so weiter. „Die Kommunikation ist zu
einem Bumerang geworden“, sagt Goik.
Betz stellt in ihren Gesprächen auch
fest, dass viele Anrufer ihr Glück parallel
auf verschiedenen Leitungen probieren.
„Inzwischen gibt es ja Hotlines ohne En-
de“, sagt sie. Bayern, NRW und Baden-
Württemberg haben welche eingerichtet,
die Barmer, die DAK, das Bundesgesund-
heitsministerium. Und auch die Kirchen
bieten jetzt Corona-Seelsorge an. Wahr-
scheinlich wird man bald eine Hotline brau-
chen, bei der man beraten wird, wie man
sich in den vielen Hotlines zurechtfindet.
In diesem Chaos versucht Manja Betz, je-
dem Anrufer irgendetwas an die Hand zu
geben, woran er sich orientieren kann. Und
wenn es nur der simple Ratschlag ist, lie-
ber mal zu Hause zu bleiben und nicht jede
App runterzuladen. „Was wir machen, ist
richtig psychologische Arbeit“, sagt sie,
„da geht man schon geschlaucht raus.“
Sie kann es sich aber nicht leisten, in die-
sen Zeiten, ihre eigenen Ratschläge zu be-
folgen. Sie kann nicht einfach zu Hause
bleiben, wenn sie schlapp ist. Es sind
Zeiten, in denen die Telefonistinnen nach
Dienstschluss bei der Hotline auch noch in
der Klinik gebraucht werden.
Ruf doch mal an
Bei der Corona-Hotline der Berliner Senatsverwaltung laufen die
Fragen auf, die die Gesellschaft gerade beschäftigen. Und ja, es gibt tatsächlich
Leute, die wissen wollen, ob sie noch italienisches Obst essen dürfen
von boris herrmann
DEFGH Nr. 71, Mittwoch, 25. März 2020 (^) DIE SEITE DREI HF2 3
Ein Anrufer meint, in der App
stehe, er sei krank. Dabei gehe
es ihm eigentlich super
FOTO: IMAGO, COLLAGE: STEFAN DIMITROV
Raum 5148. An der Tür steht: „Hotline Corona. Platz 1 und 2.“
Hier sitzen Manja Betz und Arkadius Goik, die eines sicher wissen:
Jeder Tag hier bringt eine andere Überraschung.FOTO: BOHE
Sie arbeiten am laufenden Band,
auch wenn das keiner glaubt,
der in der Warteschleife hängt
Einen Test brauchen sie nicht.
Manche sind regelrecht beleidigt,
wenn ihnen das gesagt wird
Braucht man bald eine Hotline,
die einen berät in Sachen Hotline?
Es gibt ja immer mehr