Wann ist das alles vorbei? Szenarien von Forschern –WissenschaftSeite
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Mittwoch, 25. März 2020 Nr.72HA-76. Jahrgang
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Wetter Seite 2
-2°/8°
Asterix inTrauer:
Albert Uderzo ist tot
Seite
IOCundJapanverschieben
OlympischeSommerspiele
Tage sthemaSeite2, Kommentar Seite
Dosiert: Die Geschichte
des Toilettenpapiers
Panorama Seite
Der dritte
Coronatote
inBerlin
Senatorin empfiehlt strenge
Quarantäne für Senioren
VonElmar Schütze
I
nBerlin gibt es einen drittenCo-
rona-Todesfall.Dasteilte dieSe-
natsgesundheitsverwaltung am
Dienstagabendmit.„Zudenzweiam
neuartigenCoronavirus erkrankten
verstorbenenPatientenisteindritter
gekommen“, hieß es.„Es handelt
sichumeinen42-jährigenMann.“
Ebenfalls amDienstag meldete
die Verwaltung 1425 bestätigteEr-
krankungsfälle aus Berlin. Davon
sind 791 männlichenGeschlechts.
BesondersbetroffensinddieAlters-
gruppen 30 bis 39 sowie 50 bis 59
Jahre. AmMontagwaren1219Fälle
gemeldet worden.Inzwischen habe
das Robert-Koch-Institut aber die
Falldefinitionangepasst,hießes.„Es
wirdjetzt auch alsCovid-19-Fall ge-
zählt, wenn jemandKontaktperson
eines bestätigtenCovid-19-Falls ist
undSymptomezeigt“,soderSenat.
GesundheitssenatorinDilek Ka-
layci (SPD) hat dieweitreichenden
Maßnahmen desSenats zurKon-
takt-undAusgangssperreverteidigt.
„Es geht bei allen Maßnahmen
darum,derVerbreitungdesVirusdie
Wuchtzun ehmen. Wirmüssen die
Kurveabflachen“,sagtesiederBerli-
ner Zeitung. AmMontag hatte die
SenatorinimGesundheitsausschuss
desAbgeordnetenhausesältereMit-
bürger angesprochen und sie gebe-
ten, konsequent zuHausezub lei-
ben:SelbstquarantänefürdieGene-
ration 70 plusvordem Hintergrund
derErkenntnis,dassder Abstan dzu
anderenMenschen die größte Si-
cherhe itvoreinerInfektionbietet.
Kritik kam vomSozialverband
VdK Deutsc hland, mitrund zwei
MillionenMitgliederndiegrößteso-
zialpolitische Interessenvertretung
desLandes.VdK-PräsidentinVerena
Bentele zeigte keinVerständnis für
den Senatorinnen-Vorschlag und
verwiesaufdenUmstand,dassauch
ältereMenschenamSoziallebenteil-
habenmüssen,einkaufenundandie
frische Luft gehen sollen,wenn sie
sich dabei an dieRegeln halten, die
für die ganzeBevölkerung gelten:
Abstandz uden Mitmenschen wah-
ren, nichts berühren, regelmäßig
und sorgfältig die Hände waschen.
„AusgangssperrenfürÄlteresinddas
falscheMittel“,so Bentele.(mit pn.)
KommentarSeite7,BerlinSeite
Großaktionär
mitWillenzur
Macht
VonThomas Magenheim
J
ede Krise hat ihreGewinner.Das
dürfte sogar für dieCorona-Pan-
demie gelten.Diedadurch schwer
ins Trudeln gerateneLufthansa hat
jedenfalls mit derFamilienholding
desMünchnerManagersHeinzHer-
mann Thiele einen neuenGroßak-
tionär bekommen.Derkaufte nach
dem Absturzder Dax-Aktie in drei
Schrittenrund ein Zehntel der An-
teileim Wertvon
aktuell rund 440
MillionenEuro.
Werden 78-
jährigen Multi-
milliardär kennt,
kannsichschwer
vorstellen, dass
er sich als stiller
Gesellschafter
sieht.Eheristan-
zunehmen, dass
der gebürtige
Mainzer weiteraufstockt.Dasnötige
Geld,umdannzukaufen,wenndie
Kanonendonnern–wieeseinealte
Börsenweisheiträt–hatThiele.Sein
Privatvermögen wurde zuletzt auf
eine zweistelligeMilliardensumme
geschätzt. 2019 lagen er und seine
FamilieaufPlatzsechs der Listeder
vermögendstenDeutschen.
Angesichts der 4,4 Milliarden
Euro,die Lufthansa an der Börse
nochwertist,pr ovoziertdasFragen
zuThielesBewe ggründen. AmTele-
fonheißtesbeiseinerInvestmentge-
sellschaft KBHolding im Münchner
NobelviertelGrünwaldnur:„Wirge-
ben dazu keinerleiInformationen.“
MillionenindenSandgesetztzuha-
ben, weil Lufthansa wegen Corona
pleitegeht, muss Thiele aber kaum
fürchten.DieBundesregierung wird
denDax-Konzernnotfallsstützen.
Dass der neueGroßaktionär fast
achtzig ist, sollte nicht täuschen.Er
ist keinRentner wie jeder andere.
„Letztlich entscheidet Thiele“, hieß
es beim MünchnerBremsenspezia-
listen Knorr-Bremse bis zuletzt.Mit
dem Konzer nhat er seinVermögen
gemacht.DerinWeltkriegszeitenge-
borene und in bescheidenenVer-
hältnissen aufgewachseneJurist be-
gann 1969 alsSachbearbeiter in der
Patentabteilung.20Jahrespäterwar
er Chef und Alleineigentümer.Er
machte den Mittelstandsbetrieb
zum Weltmarkführer beiBremsen
für Züge und Lastwagen.Auch den
Bahntechnik-KonzernVossloh kon-
trollier tThiele heute.Ihn machtbe-
wusst zu nennen, wäreeine Unter-
treibung.Manager,die nicht tun,
waserwill,werdenim StileinesDo-
naldTrumpgefeuert.
BeiKnorr-B remse müssenBe-
schäftigte42StundenproWochear-
beiten, ohne Lohnausgleich.Tarif-
lichgelten35Stunden.AusdemAr-
beitgeberverband ist dasUnterneh-
men 2004 ausgetreten.Spätestens
seitdemistThieleeinLieblingsfeind
der IG Metall. Auch vorder eigenen
Familie schreckt derPatriarch nicht
zurück.SohnHendrik,deralsNach-
folgergalt,setzteer2015vordieTür.
Lufthansa-ChefCarstenSpohrkann
sichaufeinigesgefasstmachen.
Lufthansa
Heinz Hermann
Thiele,
Multimilliardär
VonGabrielaKeller und Christine Dankbar
D
asöffentlicheLebenliegt
lahm, der Bundestag
aber muss auch inNot-
zeiten handlungsfähig
bleiben.Deshalb hatteBundestags-
präsidentWolfgang Schäuble in der
verg angenenWoche imGespräch
mit den Parlamentarischen Ge-
schäftsführernder Fraktionen eine
Grundgesetzänderungangeregt.
Konkret ging es darum, den Arti-
kel53 adesGrundgesetzesumeinen
Absatz b) zu erweitern. DerAbsatz
beschreibt einen „gemeinsamen
Ausschuss“,derzuzweiDrittelnaus
AbgeordnetendesBundestagesund
zueinemDrittelaus Mitgliederndes
Bundesrates besteht und im Kriegs-
fall regelt, dassweiterhin Gesetze
verabschiedetwerdenkönnen.
Abgeordnete gehen aufAbstand
Einvereinfachtes und vorallem
schnellesVerfahren brauchen auch
dieGesetzesentwürfe,dieFinanzmi-
nister Olaf Scholz undWirtschafts-
ministerPeter Altmaier amMontag
vorg estellt haben.Damit Milliarden
Euroindie Wirtschaftgepumptwer-
denkönnen,mussderBundestagan
diesem Mittwoch zusammentreten.
Mehrer ehundertAbgeordnete im
Plenarsaal–dasschienallenFraktio-
nenkeineguteLösungzusein.Eine
Grundgesetzänderung aber auch
nicht. Stattdessen einigte man sich
aufeineÄnderungderGeschäftsord-
nung:ÜbergangsweisesollderBun-
destag auch mit nur einemViertel
der Parlamentarier beschlussfähig
sein. AmMittwoch werden im Ple-
narsaalnur250Abgeordnetesitzen–
mitgenügendAbstandzueinander.
AufDistanzsollenindesauchdie
Bürger bleiben.Um dieVerbreitung
desCoronavirusaufzuhalten,gelten
derzeit weitreichendeVerbote.Das
bedeutet auch, dass vieleGrund-
rechte außer Kraft gesetzt sind.„Ich
habedenEindruck,dassdiemeisten
Menschenbereitsind,diegravieren-
den Beschränkungen hinzuneh-
men“, sagtPauline Weller vonder
Gesellschaft fürFreiheitsrechte in
Berlin,„zugleichmerkenwirinjuris-
tischen Fachkreisen, das viele alar-
miertsindundgenauhinschauen.“
Rechtlich stützen sich die meis-
tender MaßnahmenaufdasInfekti-
onsschutzgesetz.Damit ließen sich
aber nicht sämtlicheVerbote abde-
cken, sagt dieJuristin. Zwar gebe es
eine Generalklausel, aber ob die als
Basis ausreiche,sei zweifelhaft: „In
solchenNotlagen muss es möglich
sein–zeitlichbeschränkt–,dassdie
ExekutiveRegelungen trifft.Diese
müssenabererforderlich,alsowirk-
sam,seinundzeitlichbeschränkt.Es
brauchtaufjedenFallnocheinehin-
reichendeRechtsgrundlage für die
Ausgangsbeschränkungen.“
Wichtig sei auch, dass diePolitik
auf Verhältnismäßigkeit achte–die
ließe sich aber ohne wissenschaftli-
cheErkenntnisseüberdasCoronavi-
rusnichtbewerten.„Esistschwerzu
sagen,welcheMaßnahmenNeu-In-
fizierungen verhindernkönnen“,
sagtsie .„Unabhängigdavonseheich
die akuteGefahr,dass es in dieser
ExtremsituationzueinerErosionder
verfassungsrechtlichen Bindung
kommtundsichdamitdieMaßstäbe
fürdie Zukunftverändern.“
RechtlicheUnschärfen
Auch Tade Spranger,Professor für
Staats-undVerwaltungsrechtander
Universität Bonn, hält die Ein-
schränkungen zwar angesichts der
Pandemie für hinnehmbar:„Aber je
länger sie andauern, desto mehr
stelltsichdieFrage,obs ieausgewo-
gensind.“Rechtlic hseiDeutsc hland
jetzt in einerSituation, wie es sie in
derBundesrepubliknochniegab.
„BeivielemwerdenwirimNach-
hinein rechtlicheUnschärfen fest-
stellen,alsoobzumBeispieleinBür-
germeister eineMaßnahme ange-
ordnet hat, die zu schnell kam oder
unverhältnismäßig war.“ Spranger
rechnetdeshalbimAnschlussandie
akute Krise mit einerProz esswelle.
„Wir bewegen uns im trübenBe-
reich“,sagter.DiePolitikermüssten
Entscheidungentreffen,welcheEin-
richtungen undBerufe unverzicht-
bar sind: „Alle sagen natürlich:Das
sind die Ärzte,Pfleger,Apotheker.
AberdienächsteFrageist: Wieistdas
im Einzelhandel?Gilt das auch für
Bäcker oderMetzger,oder sind das
nur die Supermärkte?“Diemeisten
seien sich derGesundheitsgefahren
zwar bewusst. „Aber Tatsache ist
auch: Es geht hier um massiveVer-
dienstausfälle und eineZerrüttung
des gesellschaftlichen Miteinan-
ders.“LetztlichwürdendieGerichte
imEinzelfallklärenmüssen,obeine
Maßnahmerechtmäßigwaroderob
Schadensersatzanspruchbesteht.
Generell, sagt derJurist,müsse
sichderStaatschützendvordieGe-
sundheitderBürgerstellen,auchdas
gebedasGrundgesetz vor. Dahersei
esmöglich,Freiheitsrechtezeitweise
auszusetzen.TrotzdemgibtesStim-
men,dievordenpolitischenRisiken
warnen: „Es gibt einen Überbie-
tungswettbewerb vonBrachiallö-
sungen“, sagt René Schlott vom
Leibniz-Zentrum fürzeithistorische
Forschung inPotsdam. „Ich habe
denEindruck,dasssichdiePolitiker
und Experten keine Pausezum
Nachdenkengönnen.“
Zwar stelle er nicht dieMaßnah-
men an sich infrage,ess eien nur
auchdielangfristigenFolgenzube-
denken. „Es ist etwas insRutschen
geraten, bei dem wir nicht wissen,
woesamEndezum Haltenkommt“,
sagt derHistoriker .Seien derartige
EinschränkungeneinmalinderWelt,
könntensieimmerwiederzumEin-
satz kommen.Daher sei es wichtig,
dassinderKrisenichtnurVirologen
gehörtwerden, sondernauchWis-
senschaftlerandererDisziplinen.
Gesetzgebung im Eiltempo
Ausgangssperre, Handy-Ortung,Verschuldung:Staatsrechtler sehen Grundrechte in der Corona-Krise in Gefahr
Bundesfinanzminister Olaf Scholz am Dienstag vor der Beratung der SPD-Bundestagsfraktion über dieweitreichenden Gesetzentwürfe in der Corona-Krise. DPA/KAY NIETFELD
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