weiseGott-gleichenHöhenaufsoet-
was wie Normalmaß zurück? Ich
habe,leider,meineZweifel.
Warum?Weil ich es anders erlebt
habe.Als die Bundesliga schon ein-
malgeschlossennachSolidarität,die
zentrale TV-Vermarktung hieß,rief,
wardas Branchenführer FCBayern
ziemlichschnuppe.Erzeigtesicherst
dann„solidarisch“,alsihmdieKirch-
Gruppe sein drohendesVeto gegen
die Zentralvermarktung, damals un-
vorstellbar gigantisch, mit 40Millio-
nenD-Markabkaufte.
An diesenSkandaldenke ich, als
ich jüngst beim ZDF-
Sportstudio hängen
bleibe.Der Rahmen
gespenstisch,weil sich
in der Dekoration ne-
ben ModeratorinKat-
rinMüller-Hohenstein
nur Rouven Schröder
verliert, VorstandSport
beimFSVMainz05.
Wienahezuüberall
fallen auch hier die
Worte„Solidarität“,
„Respekt“ und, ja, so-
gar „Moral“. Doch ge-
naudiestößtmirsauer
auf. Denn der 05-Ma-
nager istsich nicht zu
schade,mit einem
Werbe-Buttonansei-
nemPullover zu er-
scheinen. Ichweiß,
dass Sponsoren vielWert aufderar-
tigeKlauselnlegen.Aberjetzt,dadie
Welt de nAtemanhält? Geht’s noch?
Einede rartigeInstinktlosigkeitmacht
mich fassungslos.Andererseits:Was
habe icherwartet selbstvoneinem,
dernichtunbedingtzumganzgroßen
Establishment zu zählen ist?Dass er
dasauchlebt,worübererspricht?
Nach de mersten Maz-Einspiel
geht dasInterview weiter.Der But-
ton?Verschwunden!IstdieseBigotte-
rieauchdem Regisseur zu blöde ge-
kommen oder einem Redakteur?
Hatteder KameramannmehrGefühl
oder Frau Müller-Hohenstein?Wie
peinlichfürRouven Schröder.
Insofernglaube ich in diesem
Business nicht anSolidarität, anIn-
nehaltenundschongarnichtanMo-
ral.Nurzug ernwürdeichmichtrotz-
demwiderlegenlassen.
VonAndreas Baingo
S
tillstand.InnereEinkehr.So-
lidarität. GegenseitigerRe-
spekt. Hilfsbereitschaft.Sich
besinnen auf die wahren
Werte. Wegvom „Höher,Schneller,
Weiter“,dem„Citius,Altius,Fortius“,
der eigentlich olympischenIdee,die
sich in unsererGesellschaft längst
verselbstständigt und die scheinbar
ungebremst unser aller Leben zu-
mindestauchschneller,rasanter,da-
beiabernichtunbedingtsozialerge-
machthat.Wasgutinein„Wortzum
Sonntag“ passt, ist in
der Krise wieder über-
allzu vernehmen. Fast
möchte man sagen:
zumGlück,endlich,es
wurde allerhöchste
Zeit. Vielle icht besinnt
sich die Gesellschaft
aufeinetwasgesünde-
resMaß an Wirbel, an
Trubel,an Rasanz.Und
aufein klein wenig
mehrBodenhaftung.
Dasgehtauchden
Fußballwasan.Voral-
lem den professionel-
len,indemauchder1.
FC Union mitmischt
mit seinem aktuellen
Jahresetatvon74,
Millionen Euro.Viele
Fans wären froh, hät-
tensiealsfinanziellesPolsterwenigs-
tensdiedritteZahlhinter mKomma.
Aber dasw ar wahrscheinlich schon
vorCovid-19 so .Andererseits gibt es
dieErfahrung, die mancher womög-
lich zum erstenMalmacht :Inder
Krise lernt man dieMitmenschen,
sein Gegenüber,seinenN achbarn
erstrichtigkennen.Manche,dienur
immer strahlen, entpuppen sich als
blanke Egoisten. Andere, vondenen
das kaum jemand erwartet,zeigen
unvermutetMenschlichkeit.DieUl-
tras ,diezuletztauchbeimireherdie
Gallehabe nüberlaufenlassen,rufen
viel erortszu Solida ritätaufun dstar-
tenkreativeHilfsaktionen,diemich
ans„BlutenfürUnion“erinnern.
Wasmiraber Sorgemacht,is tfol-
gendes: Besinnen sich auchdieVer-
eine,undzwaralle,aufda sWesentli-
che?Kommen auchsieausihrenteil-
VonMicha el Jahn
H
erthasgrößterGegnerist
unsichtbar,unbere-
chenbar und tückisch.
DasCoron avirus hält
auch denBundesligisten inAtem.
Dennochgabesjazuletztaucheinige
erfreulicheNachrichtenvom Haupt-
stadtklub.DemProfiausder Bundes-
liga-Mannschaft, den dasViruser-
wischt hatte,gehtesgut.Die Symp-
tome seien nicht sehr schwer gewe-
sen, war zu erfahren. Dennoch
musstenalleSpielerineine14-tägige
Quarantäne bis Ende
März gehen. Infiziert
aber,das war wieder
einepositiveMeldung,
warkeinerderMitspie-
ler und auch niemand
ausdemTrainerstab.
MitManager Mi-
chaelPreetz, Finanz-
chef Ingo Schiller und
Präsident Werner Ge-
genbauer stehen bei
Hertha jedenfalls er-
fahrene Persönlichkei-
ten in derVerantwor-
tung, den 37000-Mit-
glieder-Verein Hertha
BSCmöglichst vor
ganz schweren Er-
schütterungen zu
schützen.DerVorteil:
Alle drei haben schon
Krisen beiHertha erlebt und durch-
gestanden–zweiAbstiegeunterihrer
Ägide2 010 und 2012 waren schwer-
wiegend.Beide Male gelang der so-
fortige Wiederaufstieg.
2012 verloren einigeMitarbeiter
ausder GeschäftsstelleihrenArbeits-
platz.Erstligastrukturen,wiesienach
dem Abstur zinL iga zwei 2010 in ei-
nem Kraftakt noch erhalten wurden,
waren nicht mehr möglich.Damals
verzichtetenPreetz und Schiller auf
40Proz entihrerGehälter.
Krisen zu meisterngehörtzur
schillerndenGeschichte derHertha.
Undesg abSituationen,diedurchaus
existenzbedrohend waren. Schon
nachderzweitenSpielzeitinder
eingeführtenBundesligaverurt eilte
der Deutsc he Fußball-Bund (DFB)
Hertha zum Zwangsabstieg. Der
Grund: DieBerliner hatten über-
höhte Gehälter und viel zu hohe
HandgelderbeiTransfersgezahlt.Die
Stadt war eingemauertund deshalb
fürSpieleraus Westdeutschlandnicht
attraktiv .Nur mitG eld waren sie in
dieInselstadtWestberlinzulocken.
Dienächste große Krise erreichte
Hertha 1971, weil 15 Spieler in den
Bundesliga-Skandalverwickelt wa-
ren. DieBerliner Fans verziehen das
nicht und ignorierten lange die
Heimspiele.Rund6,5MillionenMark
betrugendieSchulden,Herthastand
vorder Pleite.Der damals neu ge-
wähltePräsidentHeinzWarneke,der
vorTagenseien89.Ge-
burtstagfeierte,warals
Krisenmanager erfolg-
reich. Er ve rkaufte
schwerenHerzens das
beliebte Stadion, „die
Plumpe“,für6,2Millio-
nen Mark an eine
Münchner Baugesell-
schaft. DerVerein war
gerettet und spielte
sportlich viele Jahre
einesehrguteRolle.
ErstMitteder Acht-
zigerjahreerfolgte der
nächste Tiefpunkt,
Hertha stürzte bis in
die Amateuroberliga
abundhattekeinGeld.
Mitglieder des Fan-
klubs „Oberring“ hiel-
ten zu Weihnachten
1985 Passanten auf demKurfürsten-
damm Blechbüchsenvordie Nase
und bettelten „HamSe nich mal ne
Mark für ne juteSache?“ Erst 1990
glücktedieRückkehrinLigaeins.
AlldieseKrisenaberwarenimGe-
gensatzzurCorona-Kriseeinstselbst-
verschuldet.HerthaistdiesesMalge-
wappnet und kann vielleichtDank
der Millionen durchInvestor Lars
Windhorst dieSituation meistern.
BetriebsbedingteKündigungenseien
derzeit nicht notwendig,vermeldet
derVerein.Die150Angestelltenwur-
denbiszum3.AprilinB etriebsferien
geschickt und einAusgaben-Stopp
vero rdnet. DieProfis schwitzen zu
Hause auf ihrenSpinning-Rädern.
Und: Über einen Gehaltsverzicht
werdeinterndiskutiert.DerKampf
umdenKlassenerhaltistimMoment
jedenfallssehrweitweg.
Berliner Zeitung·Nummer 72·Mittwoch, 25. März 2020–Seite 10
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Sport
Schon so oft
enttäuscht
Schon so oft
erschüttert
Hertha BSC 1. FC Union
EinAbend
mit
Folgen
WieeinFußballspieldie
KriseinItalienbeschleunigte
VonJulius Müller-Meiningen
A
m19.FebruarschiendasCorona-
virusnochweitentfernt.Auchin
Italien.DasLandhattezwarseitEnde
Januar Direktflüge aus China unter-
bunden. Doch erst zweiTage später
wurdendieerstenCoronavirus-Fälle
indersüdlichenLombardeibekannt
undanschließendSperrmaßnahmen
ergriffen.Der19. Februar könnte je-
doch ein fatalerTagfür Norditalien
gewesen sein. An diesemMittwoch-
aben dfand in Mailand einFußball-
spielstatt,dassichalsBeschleuniger
der Epidemie in derGegend ausge-
wirkthabenkönnte.
DiegenauenWege des Virussind
im Nachhinein kaum zuverfolgen.
Dochin ItaliensindimmermehrEx-
perten überzeugt, dass der Cham-
pions-League-Abend zwischenAta-
lantaB ergamounddemFC Valencia
verhängnisvolle Folgen hatte.Am
Dienstag äußerte sich in dieserHin-
sichterstmalsauchderobersteKatas-
trophenschützer des Landes.Angelo
Borrelli, Chef des italienischenZivil-
schutzes, sagtei neinem Interview
mitLa Repubblica:„DasSpielwarein
potenziellerZünder.“
Ausgerechnet der historischeEr-
folg der Mannschaft vonAtalanta
Berg amo beschleunigte offenbar die
Ausbreitung desVirus. Niezuvor in
seiner Vereinsgeschichte hatteBer-
gamo das Achtelfinale der Cham-
pions League erreicht.Ausdiesem
Grundentschied dieVereinsführung
für dasSpiel denUmzug aus der
KleinstadtimNordenMailandsindie
Metropole .WährendinBergamonur
21000 ZuschauerinsStadionpassen,
sind es im Mailänder Giusep pe-
Meazza-Stadionwesentlichmehr,die
Einnahmenwarenhöher.44236Zu-
schauer besuchten dasSpiel letzt-
endlich.2500FanswarenausValen-
ciaangereist.
Zehntausendefeierten
Unter den Tifosi waren damals auch
BewohnervonGegenden bei Ber-
gamo,diebaldalsCorona-Infektions-
herde bekanntwerden sollten.Mehr
als500AnhängerkamenausdemVal
Seriana,einerIndustriegegend,inder
sichdas Virusraschverbreitete .Einer
der erstenInfektionsherde inItalien
war das Krankenhaus vonAlzano
Lombardo,einer Kleinstadt beiBer-
gamo.Vom Krankenhaus,won icht
genügendSchutzmaßnahmenergrif-
fenwurden,verbreitetesichdasVirus
weiteraus .ImM ailänder Stadiontrug
sich dann gleichzeitig Fußballge-
schichte,aber offenbar auchVer-
hängnisvolles zu.Berg amogewann
4:1, Zehntausende feierten, umarm-
tensich,schrienundwarenbeglückt
–und steckten sich gegenseitig an.
„Wirkönnensagen,dassAtalanta-Va-
lencia dasSpiel null gewesen ist“,
sagtederrömischeInfektiologeFran-
cesc oLeF oche.ZweiWochen nach
dem Spiel, dieZ eit, dieE xperten als
Inkubationdes Virusansetzen,explo-
dierten die Ansteckungszahlen in
Berg amo. Heuteist Berg amodie am
stärkstenvomCorona-Virus betrof-
fene Stadt in Italien. Mehr al s
Corona-Opfe rgabes bereitsimL and-
krei s, dieAnsteckungszahlensteigen
weiter.
Besonders bitter ist, dass ein kol-
lektives Glückser lebnis dieTragödie
vorwegnahm.Auchda sRückspielam
- Mä rz in einem menschenleeren
StadioninValencia gewannAtalanta
Bergamo, mit 4:3,doch zu mFeiern
gibt es schon länger keinenGrund
mehr .„Es istschrecklich, dass wir
dieseSpielegespielthaben“,sagtAta-
lanta-KapitänAlejandroGomez.„Vor
allemdasHinspielinMailand.“
Zwei BerlinerTeams in der Bundesliga,
zwei Kenner des Berliner Fußballs:
MichaelJahn undAndreas Baingogeben
jedeWoche ihre Expertise ab.
Diesmal erinnertder eine an
die existenzbedrohenden Krisen in der
Geschichte der Blau-Weißen, der andere
äußerteinen hehrenWunsch.
Der Weisheit
letzter Schuss
Neun
Köpfe,ein
Entschluss
Bundesligasollmindestens
bis30.Aprilruhen
D
ieDeutscheFußballLiga(DFL)
haterneutaufdieCorona-Krise
reagiertundwilldieAussetzungdes
SpielbetriebsinderErstenundZwei-
ten Bundesliga mindestens bis zum
- Aprilverlängern.Eine entspre-
chendeEmpfehlungdesPräsidiums
werden die 36Profivereine auf der
Mitgliederversammlung am 31.
Märzmit höchsterWahrscheinlich-
keit beschließen, alles anderewäre
jedenfallsnurschwernachzuvollzie-
hen. Zuvo rwaren wegen derCo-
rona-Virus-Pandemieindenbeiden
ProfiligenschondieSpieltage26und
27abgesagtworden.
Angesichts der derzeitigen Situa-
tion hat das DFL-Präsidium zudem
entschieden,diegeplanteAusschrei-
bungderMedienrechtezuverschie-
ben. Anstelle des ursprünglich ge-
plantenTerminsim Maiistnuneine
Vergabeab JunidiesesJahres vorg e-
sehen.
DasBundeskartellamt hatte der
DFLamverg angenenFreitaggrünes
Licht für das eingereichteVermark-
tungskonzeptgegeben.ZielderDFL
sei es ,den Fokus zunächst auf die
BewältigungdergegenwärtigenHer-
ausforderungen zurichten, heißt es
ineiner MitteilungvomDienstag.
MehrstündigeVideokonferenz
Dasneunköpfige DFL-Präsidium
mitGeschäftsführerChristianSeifert
an der Spitzediskutierte amDiens-
tag in einer mehrstündigenVideo-
konferenz über einenNotfallplan,
wie die enormen finanziellenAus-
wirkungen derCoronakrise für den
deutschenProfi-Fußball abgefedert
werden könnten.Beieinem kom-
pletten Saison-Abbruch drohen der
gesamten Branche Einnahmever-
luste in Höhevonrund 750Millio-
nenEuro.
DieDFL arbeitet daher momen-
tanunterHochdruckanKonzepten,
SpielezugegebenemZeitpunktauch
ohneStadion-Zuschauerundmitei-
nem Minimal-EinsatzvonArbeits-
kräften in denBereichen Sport, all-
gemeine Organisation undMedien
durchzuführen.Ziel bleibe es trotz
aller Hindernisse,die Saison zu ei-
nemAbschlusszubringen.Mögliche
Szenarien und denkbareHand-
lungsoptionen sollen im Laufe der
Wocheweiterstrukturiertunddann
derMitgliederversammlungzurDis-
kussiongestelltwerden.
ImStand-by-Mo dus
Eintracht FrankfurtsSportvorstand
Fredi Bobic brachte sogar tägliche
Spiele ins Gespräch. „Ich habe den
Vorschlag gemacht, dass wir dann
eben jedenAbend Spiele ansetzen.
Daswärevon Montag bisSonntag
Prime-Time,daswär ejaa uchlukra-
tiv für die Anbieter“, sagte der ehe-
malige Nationalspieler in einemIn-
terview mit dem Streamingdienst
DAZNunddemInternetportalspox.
UmdiewirtschaftlichenSchäden
zu minimieren,verhandeln dieVer-
eine derzeit mit Spielern, Trainern
und Funktionären über einenGe-
haltsverzicht,aufdensichunteran-
deren der Rekordmeister Bayern
München,Borussia Dortmund,Bo-
russia Mönchengladbach und der
FSVMainz05bereitsgeeinigthaben.
Seit der Aussetzung desSpielbe-
triebs Mitte Mär zbefindet sich der
überwiegende Teil der Erst- und
Zweitligisten im Stand-by-Mo dus,
die Profis vonHertha BSC undEin-
tracht FrankfurtwegenpositiverCo-
rona-Fälle in derMannschaft sogar
in häuslicherQuarantäne.Lediglich
derVfL Wolfsburgund FC Augsburg
sindwiederinsMannschaftstraining
zurückgekehrt.(dpa)
„Krisen
zu meistern
gehört
zur
schillernden
Geschich te
der
Hertha.“
„Geht ’s
noch?
Eine
derartige
Instinktlo sig-
keit macht
mich
fassungslos.“