Berliner Zeitung - 25.03.2020

(Joyce) #1

Berlin


12 Berliner Zeitung·Nummer 72·Mittwoch, 25. März 2020 ·························································································································································································································································································


Zum


Arztoder


nicht?


Selbstversuch:EineAppsoll
helfen,Coronazuerkennen

VonStefanie Hildebrandt

D


ie Charité bietet ab soforteine
Appals Entscheidungshilfe an.
IsteinTestaufdasneueCoronavirus
nötig? Muss ich zum Arzt, soll ich
vorsorglich zuHause bleiben?Die
„CovAPP“ soll helfen, die starkaus-
gelastetenUntersuchungsstellen zu
entlasten.
Zu große Erwartungen habe ich
hinsichtlich einer möglichen Dia-
gnostik nicht.DieCharité teilt mit,
Nutzer erhielten lediglich Hand-
lungsempfehlungenwennsieonline
einenFragebogenbeantworten.Die
Antworten aus dem Fragebogen
könnendurcheinenQR-Codeandie
Charitéübermitteltwerden.Auchso
sollenAbläufeoptimiertwerden. Die
„CovApp“ ist browserbasiertund
über die Adresse https://co-
vapp.charite.de/zuerreichen.
IchklickeaufdengelbenButton,
fünfMinutensolldasGanzedauern.
Nach den obligatorischen Fragen
nach Alter undWohnsituation geht
es um meineReisen in den letzten
Wochen. Ichbin zwar innerhalb
Deutschlandsverreist, aber nicht in
eines der ausgewiesenen Risikoge-
biete.Bishierherfühleichmichauf
dersicherenSeite.
Weiter geht es mitFragen nach
Kontakt zuVerdachtsfällen oder be-
stätigtenCorona-Fällen.EngerKon-
takt,solerneich,heißt:Kontaktvon
AngesichtzuAngesichtlängerals
Minuten, direkter,physischerKon-
takt mit Berührung, Händeschüt-
teln,Küssen.Auchwerlängerals
Minutendirektnebeneinerinfizier-
ten Person verbracht hat oder sogar
Körperflüssigkeiten austauschte
oder in einerWohnung zusammen-
lebt,istinengemKontaktgewesen.

Habe ich’s? Oder habe ich’snicht. Bei der
Antwortkann die Corona-App helfen.IMAGO

Auch hier habe ich keine konkreten
Befürchtungen, ichweiß vonnie-
mandem in meinem direktenUm-
feldinfiziertist.
SchnellsindnundieFragennach
Symptomen durchgeklickt.Fieber?
Nein. Schlapp,Husten, Schnupfen,
Schüttelfrost, schneller außerAtem
als sonst?Einbisschenvonallem,
wie bei einer normalenErkältung
halt,denkeichundplatzierehierei-
nenKlickbei„Ja“.GefragtnachVor-
erkrankungen passe ich.Auch bei
Schwangerschaft, Cortison-Ein-
nahme undGrippeimpfung muss
ich verneinen. In weniger als fünf
MinutenistderTesterledigtundich
erschrecke beimErgebnis.„Melden
Siesich“ steht da.Ichsoll bei der
Hotline derSenatsgesundheitsver-
waltung(Tel. 030/9028 28 28) oder
dem ÄrztlichenBereitschaftsdienst
(Tel: 116 117) anrufen oder mich in
einerderUntersuchungsstellenvor-
stellen.
„Wenn Siedas Haus verlassen,
halten Sieausreichend Abstand
(mindestenszweiMeter)zuanderen
Personen, fassen Siemöglichst
nichtsanundachtenSieaufdie Re-
geln fürrichtiges Husten undNie-
sen“,rätmirdieAppweiter.DieApp
ist in Kooperation mit der gemein-
nützigen Potsdamer Organisation
Data4Life entwickelt worden. Sie
wirdvonder Hasso-Plattner-Stiftung
finanziert.

Polizeischließtmehrals40Läden


AucheinSupermarktwurdedichtgemacht–wegenVerstoßgegenCorona-Regeln.300PolizistenimEinsatz


VonJens Blankennagel

D


ieneuenAbstandsregeln
sollte eigentlich inzwi-
schen jeder kennen –
aber einige halten sich
noch immer nicht daran.Deshalb
musste nach einemPolizeieinsatz
amMontagabendeinSupermarktin
Charlottenburg-Wilmersdorfge-
schlossenwerden. Eine Polizeispre-
cherin sagte,dass es in dem Laden
vielzu vollgewesensei,unddassdie
vielenKundendennunvorg eschrie-
benenSicherheitsabstandnichtein-
gehaltenhätten.DiePolizistenstell-
tensich vordenEingangdesEdeka-
Ladens in derBerk aer Straße und
kontrolliertendenweiteren Zugang.
„Der Betreiber wurde mehrfach
aufdie Abstandsregelhingewiesen“,
sagtedieSprecherin.Dochdashabe
nicht funktioniert. DerBetreiber
habe sich schließlich entschieden,
dasGeschäftganzzuschließen.

„KeineSupermarktstreifen“
Alle Passanten sind aufgefordert, ei-
nen Mindestabstandvon1,5 Metern
zu anderenMenschen einzuhalten.
ÖffentlicheVerkehrsmittel sind da-
vonausgenommen, wenn engere
Kontakteunvermeidlichsind.
„WirkontrollierennichtgezieltSu-
permärkte,habenalsokeinespeziel-
len Supermarktstreifen“, sagte eine
Polizeisprecherin der Berliner Zei-
tung.„Wir fahren nur hin,wenn wir
vonden Betreiber ngerufen werden
oder weil sich Bürger beschwertha-
ben.“Aberdie Polizistenwürdenauf

ihren Streifen natürlich schauen, ob
sie etwasAuffälliges sehen. „Derzeit
sind etwa 300Polizisten in derStadt
unterwegs,umzuschauen,oballdie
neuen Regelungen undVerbote ein-
gehaltenwerden“,sagtesie.Dasseien
wohlgemerktdiezusätzlichenKräfte,
denn die einzelnen Polizeiwachen
würden ihreübliche Arbeit ja auch
fortsetzen.
DieBilanz für denMontag und
DienstagsiehtnachAngabenderPo-
lizeifolgendermaßenaus:AmMon-
tagkontrolliertenPolizistenvon6bis
18 Uhrinsgesamt 154 Objekte und
stellenin53FällenZuwiderhandlun-
gen fest,weil zum Beispiel Kunden
die Bäckerei nichtverlassen hatten,
sonderndortdrinaßen. Es wurden
37 Läden sofortgeschlossen und 43
Strafanzeigengestellt.
VonMontag18UhrbisDienstag
Uhrwurden 87Kontrolle durchge-

führt,64Verstößefestgestelltund
Anzeigen aufgenommen. Sieben
Objektewurdengeschlossen.
Meistfunktioniertesind erReali-
tät mit den Abstandsregeln am
Dienstagvormittag ziemlich gut.Je-
denfalls tagsüber.Sos ind zumBei-
spiel bei einemEdeka-Supermarkt
in Friedrichshain ganz klareRegeln
eingeführtworden. DerLaden hat
nicht mehr bis 23Uhr, sondernnur
noch bis 20Uhrgeöffnet. DieZahl
derEinkaufswagenwurdeauf20re-
duziertundauchdiederKörbe.
Wenn zu viele Leute nur mit den
eigenenTaschen in den Laden wol-
len, werden sie aufgehalten. An der
TürstehteinWachmannmitSchutz-
maske und sagt freundlich: „Halten
SiesichbitteandieRegeln.“Essind
nun nur noch drei statt der sonst
üblichen fünfKassen geöffnet. Für
die Warteschlange sind extradie

Mindestabstände auf dem Boden
gezeichnet –und die Leute halten
sich dran.DieFrauand er Fleisch-
thekesagt,dassesamMontagabend
sehrvollwar .„Vielewarenwohldoch
überrascht wordenvonden Verbo-
ten“, sagte sie.„Aber sie halten sich
überraschenderweise wirklich vor-
bildlichandieRegeln.“
EbensoistesbeimDM-Drogerie-
markt.DortfreutsichdieKassiererin,
dass wirklich fast alle nun mitKarte
bezahlen. „Dann brauchen wir kein
Geld anfassen.“Siedesinfiziertauch
regelmäßig die Knöpfe amKartenle-
segerät, damit sich die Leute dort
nicht gegenseitig anstecken.Beiei-
nemRewesindzusätzlichdieKassen
mit großen Plexiglasscheiben von
denKundengetrennt,damitdieKas-
siererinnen geschützt sind.In allen
großenLädengibtesinzwischendie
AufkleberamBodenim Abstandvon
1,50Metern.
DieRegalesindüberallmindes-
tenszueinemDrittelleer .DieVor-
liebensindklar:FSpinatistseitTa-
gen ausverkauft, nicht aberGrün-
kohl undRosenkohl.Wasser darf
nur begrenzt eingekauftwerden –
maximal 24Flaschen proEinkauf.
Auch bei vielenKosmetikartikeln
ist die ObergrenzedreiStück. Die
Sprecherin des Rewe-Konzerns,
Kristina Schütz, sagte: „Wir sehen
inunserenMärkten,dassdieabso-
luteMehrzahlderKundensehrbe-
sonnen und verständnisvoll sind
im Umgang untereinander,aber
auch imAustausch mit denMitar-
beitern.“

Abstand halten. In den meisten Geschäften funktioniertdas inzwischen auch ganz gut. Es gibt allerdings auch Ausnahmen. DPA

SUPERMÄRKTE

Märkte:Edeka hat deutlich
mehr Sicherheitspersonal im
Einsatz.Auch Rewe will nun –
je nach Notwendigkeit in den
einzelnen Läden–die Zahl
der Einkaufswagen reduzie-
ren und schärfere Einlass-
kontrollen durchführen.

Maßnahmen:Viele Märkte
werden mehrmals täglichge-
reinigt. Bei Rewe gibt es
Schutzscheiben an den Kas-
sen, fast überallAufkleber
mit den Mindestabständen.
Mitarbeiterwerden über Hy-
gienevorschriften informiert.

Hygieneartikel:Obwohl sie
in den meisten Läden aus-
verkauft sind, statten die
Konzerne ihre Mitarbeiter
nun oft mit Handdesinfekti-
onsmitteln, Hygienehand-
schuhen und pflegenden
Handcremes aus.

DieStadtläuftaufSparflamme


TrotzdemunterstützensichdieBerlinergegenseitig–mitkleinenundganzgroßenGeesten


M


enschenvereinzelt, Parksver-
waist, Kinos undRestaurants
geschlossen,Kinder zuHause.Die
Hauptstadt läuftwegen des Corona-
virus nur noch auf Sparflamme.
Macht Notdie Berliner erfinderisch,
um klarzukommen?EinBlick in die
Stadtverrät,wasinBerlingeradealles
passiert,wieMenschensichengagie-
ren.

Nachbarschaftshilfe:Diebeiden Stu-
dentinnenKatha und Vera haben ei-
nen Zettel an einenStraßenbau in
Friedenaugeheftet.Siebietenan,für
Ältereind er Nachbarschaft in die
Apotheke zu gehen,Post abzugeben
odereinzukaufen–„damitSiesicher
zuhausebleibenkönnen“.Dieaufge-
druckten Telefonnummernsind
schonalleweg.

Gutscheine: Für existenzbedrohte
Gastronomen, Clubbetreiber,Inten-
dantenundGeschäftsinhaberistpri-
vate Hilfe auf einer neuenOnline-
Plattformangelaufen. Seit Freitag-
abendwurdenindenersten48Stun-

den nach Angaben derInitiatoren
Gutscheine imWert vonmehr als
30000 Euroverk auft.DamitsolleBer-
linerLieblingsortenkurzfristigLiqui-
ditätverschafftwerden.

Alternative Stundenpläne:Eine Mut-
ter in Lichtenberghat mit ihren bei-
denTöchterneinenPlanerstellt,da-
mitderAlltagnichtausdenFugenge-
rät.8UhrFrühstück,dannLernen,
UhrKochen, 15UhrGärtner nauf
dem Balkon. DieFünfjährige,die
noch nicht lesen kann, fragt:„Wann
istwiederBalkon?“

Ehrenamtliches Engagement:InNeu-
kölln unterstützt dasBezirksamt eh-
renamtlichesEngagement jetzt mit
10000 EurofürSachkosten.Einwoh-
ner erledigtenEinkäufe für Men-
schen, die nicht aus demHaus kön-
nen oder führtenHunde Gassi. Fi-
nanziellunterstütztwerdekönneda-
mit etwa die Ausleihe von
Lastenfahrrädernoder Mietautos,
auch Tankrechnungen könnten da-
mitbeglichenwerden.

deninhaberin. DieSchutzmasken
seienwaschbar–dasseiihrwichtig.
Eine Freundin, die in der Pflege ar-
beitet, habe sie auf dieIdee ge-
bracht. Anderswo in derStadt nä-
hen Frauen fürKinderkrebs-Klini-
kenbunteSchutzmasken.

Blumen zum Abholen:EinBlumen-
laden in Kaulsdorfist trotz der
Schließung für seineKunden da.
Rosa Tulpen, Ranunkeln inBlau
undRotsowieIrisstandenvordem
Laden zumAbholen bereit–mit
demZettel„Bestellung“.Aufeinem
Aufsteller war einAppell zu lesen:
„BitteunterstützenSieunsund vor
allemunsereGärtnereien.“

Krisenhotline: DerKreisverband
Müggespree desDeutschenRoten
Kreuzeshatunter0309893090eine
Krisenhotline eingerichtet. Damit
sollen Menschen erreicht werden,
die sich imUmgang mit den neuen
Medien unsicher fühlten oder diese
nichtnutzten,aberHilfebrauchten,
teiltederVerbandmit.(dpa)

Abstand halten:In einem Garten-
marktinMahlsdorfhatein Verkäu-
fer seinen Ärger über unvernünf-
tige Kunden, die nicht genügend
Abstand halten, noch nicht ganz
verdaut.Erhabeschonüberlegt,ei-
nen Bestatter aus der Nachbar-
schaft umVisitenkarten zu bitten.
„Die verteile ich dann an die ent-
sprechende Kundschaft“, meinte
ersarkastisch.

Freiwillige Helfer:DerBerliner Ar-
beiter-Samariter-Bundwillnunauf
einer Plattformfreiwillige Helfer
und Hilfesuchende zusammen-
bringen. „Bitten meldenSiesich,
wenn Siehelfen wollen oder aber
Hilfe benötigen“, appellierte der
Verein.

Atemmasken aus buntem Stoff: In
einem SchönebergerGeschäft näht
Textilkünstlerin PiaFischer Atem-
masken aus farbigenStoffen und
verk auftsiedurcheinkleinesFens-
ternachdraußen.„Damitichmeine
Miete zahlen kann“, sagte die La-

Vonovia


korrigiert


Betriebskosten


BalkonzuUnrechtvoll
alsWohnflächeangesetzt

VonUlrich Paul

F


ür Mieter kann es sich lohnen,
die Betriebskostenabrechnung
genauer anzusehen.Diese Erfah-
runghabenjetztmehrereMieterdes
größtendeutschenWohnungsunter-
nehmensVonovia gemacht, das in
Berlin mehr als 40000Wohnungen
besitzt. In drei Fällen in Lankwitz
und in Spandau hat der Alternative
Mieter-und Verbraucherschutz-
bund (AMV)erfolgreich bemängelt,
dassder Balkonzu100Proz entindie
Wohnfläche eingerechnet wurde –
erlaubt sind jedoch nur 25Proz ent.
Aufden eingelegtenWiderspruch
habedieVonoviadieBetriebskosten-
abrechnung anstandslos korrigiert,
berichtetAMV-ChefMarcelEupen.
Für eineMietpartei in der Lank-
witzer Wedellstraßewurdedieanre-
chenbareFlächefürdieBetriebskos-
tenvonzunächst67,58Quadratme-
ter auf 64,63Quadratmeterredu-
ziert. Folge:Statt1905,96Euromuss
der Haushalt jetzt für 2018 nur
1834,67EuroanBetriebskostenbe-
zahlen.Ersparnis:71,29Euro.Fürei-
nen weiteren Haushalt in derWe-
dellstraßekorrigiertedieVonoviadie
anrechenbareWohnfläche ebenfalls
um2,95 Quadratmeter.DieMieterin
zahlt wie der andereHaushalt 71,
Euro we niger.Ine inem Haus im
SpandauerEderkopfwegverringerte
dieVonoviadieanrechenbareFläche
um2,78 Quadratmeter.Ersparnisfür
denMieter:43,28Euro.


Lange zu viel gezahlt

„Natürlich habe ich mich sehr ge-
freut,gut70Eurovo nderVonoviaer-
stattetzubekommen“,sagteinebe-
troffene Mieterin.„Ichdarfnurnicht
daran denken, wie vielGeld die Vo-
novia in denVorjahren zuUnrecht
vonmirkassierthat.“AMV-ChefEu-


Erfolgreicher Widerspruch:Wohnanlage
in der LankwitzerWedellstraße. BLZ


pen zeigt sich zufrieden. Allerdings
hätte er sich „gewünscht, dass die
Vonovia vonsichausauchKorrektu-
renbei den übrigenMietern, die
nicht durch den AMVWiderspruch
eingelegt haben, vorg enommen
hätte“, sagt er.Sos eien bei der
Wohnanlage in Lankwitz 388Miet-
parteienundbeiderWohnanlagein
Spandau85Mietparteienbetroffen.
DieVonovia zeigt sich problem-
bewusst. „Wir möchten dieWoh-
nungen mit korrektenMaßen ver-
mieten“, sagt Unternehmensspre-
cher Matthias Wulff. „Es kann eine
Vielzahl vonGründen haben,wes-
halb Maße vonWohnungen nicht
korrekt sind“, erklärter. „Oftmals
sind dies historischeGründe,wenn
in früherenZeiten individuelle An-
passungenvorg enommen wurden,
wieetwaderEinbauvonKammern.“
Daher könne dieVonovia keine An-
gabenzuganzenHäusernmachen.
AMV-ChefEupen überzeugt das
nicht.DurchdenEinbaueinerKam-
mer veränderesich die Wohnfläche
nicht,sagter.Immerhin:DieVonovia
willkeinefalscheBerechnungenauf-
stellen.„WennwirFehlerbei Maßen
feststellen, korrigieren wir diese“,
sagt UnternehmenssprecherWulff.
DieVonovia sei bereit, nachzumes-
senundbestehendeFlächenzuprü-
fen–wennMieterZweifelanmelden.

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