Frankfurter Allgemeine Zeitung - 08.04.2020

(Ann) #1
Seite18SSeite20 eite

Das System is tgroßzügiger als


anderswo.Aber wir desjetzt


missbraucht?


Nach der Kriseverändertsichunser


Lebenkaum, sagt ein Physiker und


Science-Fiction-Autor.


Das Land istDeutschland einen


Schrittvoraus. Docheslauern


Gefahren.


KURZARBEIT IN FRANKREICHALLESWIE IMMER CHINAFÄHRTHOCH

E


inem ganzen Landstockt der
Puls. DieNachricht, das sPre-
mierministerBoris Johnson
mit seiner Corona-Erkrankung auf
die Intensivstation verlegt wurde, hat
die Briten tiefgetrof fen. Sie lösteine
parteiübergreifendeWelle des Mitge-
fühls aus. In derStunde derNotsteht
das VereinigteKönigreich, das in den
Brexit-Streitjahren so zerrissen
schien, in bewundernswertzivilisier-
terWeise zusammen.
In dieser Krise wirdden Briten be-
sondersschmerzlichbewusst,wie
krank ihrstaatliches Gesundheitssys-
temist.Der National Health Service,
ein Kolossmit 1,5 Millionen Ange-
stellten, istbis zumZerreißen ange-
spannt.Esfehlt an vielem: Der NHS
verfügt über zuwenig Intensivbetten,
Ärzt eund Pflegepersonal bekamen
nicht die nötigeSchutzbekleidung.
Ein Viertel desPersonals fällt derzeit
aus wegenCorona-Infektionen,-Ver-
dacht oder alsVorsichtsmaßnahme.
Die verbleibenden Ärzteund Kran-
kenschwesternleiden unter Dauer-
stress,Operationen müssenverscho-
ben werden.
Über Jahrewurde der NHS unterfi-
nanziert, nun hat die Johnson-Regie-
rung in aller Eile fünf Extra-Milliar-
den bereitgestellt.Dochdas kommt
zu spät; die aufgestauten Defiziteer-
weisen sichinder Corona-Krise als
besondersgefährlich. Großbritan-
nien liegt auchbei denKapazitäten
für Corona-Testszurück. Erst Ende
April sollen täglich100 000Testser-
reicht werden, dabei istflächende-
ckendesTesten vonentscheidender
Bedeutung zur Bekämpfung der Epi-
demie.Fortschrittegibt es indes bei
Beatmungsgeräten: Mehr als 20 000
bauen gerade mehrereUnterneh-
menskonsortien inWindeseile. Hier
zeigt sich, zuwelcher Dynamik die
britischeWirtschaf tfähig ist.
Schnell und überzeugendwarauch
die finanz- und wirtschaftspolitische
Reaktion derRegierung. Der erst seit
kurzem amtierende Schatzkanzler
Rishi Sunak hatriesigeSchutzschir-
me aufgespannt undUnterstützungs-
programme eingeführt. Der kompe-
tent auftretende jungeFinanzminis-
terist in nurwenigenWochen zum
beliebtestenPolitiker des König-
reichs aufgestiegen. Schon jetzt ist
aber klar,dassKreditgarantien der
mittelständischenWirtschaf tnur be-
grenzt helfenkönnen. Bei einer viele
Wochen dauernden erzwungenen
Schließung istihreSubstanz aufge-
bracht.Tausende Einzelhandelsge-
schäf te,Dienstleis terundSelbständi-
ge sind existenzgefährdet.
Daher istmit wachsendem Druck
zu rechnen, eine Exit-Strategie aus
dem Lockdown zu entwickeln und zu
beginnen,wenn die Corona-Infektio-
nen zurückgehen.Notwendig istein

stufen weises Vorgehen, bei dem die
gesundheitlichweniger gefährdeten
Teile der Bevölkerung als Erstewie-
der Bewegungsfreiheit bekommen.
Absehbarrutscht Großbritannien
derzeit in eine Mega-Rezession, die
sogar den Einbruchinder Finanzkri-
se 2008/2009wohl übertreffenwird.
EinigeVolkswirte rechnen mit sechs
ProzentRückgang des BIP,die Wirt-
schaf tliegt selbstauf der Intensivsta-
tion. Aufgrund derstaatlichen Ein-
nahmeausfälle und der Mehrausga-
ben droht das Haushaltsdefizit ex-
trem zusteigen. Bis zu 200 Milliar-
den PfundNeuverschuldung und ein
Defizitvonfast zehn Prozent sind
realistisch.
Mit der Corona-Krisegeht ein neu-
es Schuldendrama einher.Großbri-
tannien liegt schon jetzt bei über 80
Prozent Schuldenquote. Besonders
gefährlic hwirddieser Schuldenschub

in Ländernwie Italien, das schonvor
der Krise eine drückende Schulden-
quotevon fast 135 Prozent hatte. Bri-
tannien verfügt über eine dynami-
sche Wirtschaft, dieausderSchulden-
miserelängerfristig wieder heraus-
wachsen kann. Absehbar ist, dassein
Großteil der Schuldpapiereletztlich
bei derNotenbank landen, die damit
–wieauc hdieEZB–monetäre Staats-
finanzierung betreibt.Das is teine
hochbedenkliche Entwicklung.
Angesichts der Corona-Krise ist
der langeerbitterte St reit über den
Brexit völlig in den Hintergrund ge-
treten. DieVerhandlungen über ein
künftigesFreihandelsabkommen mit
der EUkommen aber nichtvoran,
die Chefunterhändlerware nvon Co-
rona gelähmt.Eswirdfür die John-
son-Regierung wohl unumgänglich
sein,indensaurenApfeleineVerlän-
gerung der Brexit-Übergangsfristzu
beißen. Andernfallsriskiertsie Ende
2020 einen schockartigen Ausstieg
aus dem EU-Markt,waseine durch
Corona geschwächteWirtschaft
nicht verkraf tenkönnte.
Geschwächt istauchdie britische
Opposition. Der neue Labour-Vorsit-
zendeKeir Starmer hat die Hardcore-
Sozialistengruppe seinesVorgängers
Corbynweitgehendentmachtet,doch
wirddie Opposition derzeit kaum
wahrgenommen. LautUmfragen ist
die Wählerzustimmung zu Johnson
und den Konservativen derzeit so
hochist nie. In der Corona-Krise
schar tsichdas Land um dieRegie-
rung. Dochbei einer Eskalation der
Krise könntesichdas Blattwenden.

E


swirkt wie eine Heldentat:
Die Gewerkschaf tVerdi und
ein kleinerer Pflege-Arbeitge-
berverband haben beschlossen, dass
alle Altenpflegekräfte 1500 EuroSon-
derprämieerhaltensollen–fürbeson-
dere Leistung in der Corona-Krise.
Der Plangreifteine gesellschaftliche
Stimmungauf, die sichneuerdings so-
gardurchApplauskonzertevonBalko-
nen undFensterbänken äußert. Und
werkönnteheuteernsthaftdie Positi-
on vertreten, Pflegekräfte verdienten
nicht auchfinanziellRespekt für ihre
„systemrelevante“ Arbeit?
Wohl aber darfman auchverfas-
sungsrechtliche Grundsätzegege ndie
Corona-Pandemieverteidigen. Dazu
zählt dieKoalitionsfreiheit.Kurzge-
fasst: Auch ein sympathischer Zweck
heiligtnicht jedes lohnpolitische Mit-
tel. Werdas Wohlwollengegenüber
PflegekräftenmitKalkülfüreigeneor-
ganisationspolitische Interessen ein-
spannt,verdient durchaus auchKri-
tik.InderTatgeht es Verdiund jenem
Arbeitgeberverband, der vorallem
aus der Arbeiterwohlfahrt(Awo) be-
steht, nicht nur um Prämien für Pfle-
ger. Sie suchen einVehikel, sichtarif-
und verfassungsrechtlichneue Wege
zu bahnen: DerStaat soll derganzen

Branche durch Allgemeinverbindlich-
keitserklärungeinennichtrepräsenta-
tiven Tarifvertragvorschre iben –ein
Regelwer k, über dessen Inhalt eine
Minderheit bestimmt:Verdi, Awound
befreundete Organisationen.
Dafür hatten sie schon zuvorge-
kämpft.Nur erzeugt es jetzt besonde-
renDruck:Kann dieRegierung das
Ansinnen einer Corona-Zwangstarif-
prämieverweigern, weil der Schutz
der Tarifautonomie höherstehe? Lei-
der rächtsichnun umso mehr,dass
sie sic hbisher kaum um die eigentli-
cheFrage gekümmerthat –wer denn
für höherePflegelöhne zahlen soll.
Gäbe es mehr Geld aus der Beitrags-
oder Steuerkassefür die Pflege, wür-
dendieLöhnewievonselbststeigen–
ohnefragwü rdigeMachthebelfürVer-
di,Awo &Co. Aber dieRegierung
wolltesich liebervorder Kostenfrage
drückenund gabdamit schiefenKon-
zeptenvon Zwangstarifpolitikunnöti-
genRaum.
Wieviel Respekt der neue Prämi-
en-Tarifvertrag und seine Protagonis-
tenverdienen,könntesich indes bald
zeigen–daran, wie sehr sichdie di-
rektbe teiligtenArbeitgeberan ihnge-
bundenfühlen,fallsdarausdochkein
Tarifzwang für allewerden sollte.

W


er derzeit nochmit dem
Auto unter wegs ist, der hat
es an derTankstellelängst
gemerkt :Die Preise für
Krafts toffeund Energie sind im Zuge der
Corona-Pandemie deutlichgesunken.
DieNachfrageist insgesamt rückläufig,
dasdrückt den Preis.Der umgekehrte Ef-
fekt is tdagegen bei manchen Lebensmit-
teln zu beobachten.Werind iesen Tagen
zumBeispielSpargelkauft, mussvieler-
orts tief in dieTasche greifen. Zwar ist
der Einreisestopp für Erntehelferinzwi-
schen gelockert,aber nochist unklar, wie
vielevonihnen tatsächlichnachDeutsch-
land kommen. Daskönntedie Preise
hochtreiben,warntVolker Wieland, Mit-
gliedimSachverständigenrat zur Begut-
achtung dergesamtwirtschaftlichen Ent-
wicklung.Vorausgesetzt natürlich, der
Spargelfindetnochgenügendverzehrwil-
lige Abnehmer.
Die spannendeFrageist nun: Welcher
Effekt is tstärker? Werden jetzt vielePro-
dukte des täglichen Bedarfs teurer, weil
die Produktion brachliegt?Nutzen Händ-
ler die vorüber gehende Knappheitfür
kräftigePreise rhöhungen, wie diesteils
schon bei Klopapier zu beobachten ist?
Oder wirddas Leben für Verbraucher
eher billiger,weil durch die Rezession
die Nachfrag eeinbricht?
„Kurzfristig überwiegt der Öl-Effekt“,
meintHolgerSchmieding,derChefvolks-
wirt des HamburgerBankhausesBeren-
berg: „Auchwenn Toilettenpapier im
März besondersgefragtwar, so spielt es
doch im Warenkorb der Inflationkeine
große Rolle.“Insgesamtzeigt sicheher
ein Trend zu sinkenden Inflationsraten:
Im Märzstiegdas Preisniveau nur noch
um 1,4 Prozent.ImJanuar und imFebru-

arlagdieTeuerungsratenochbei 1,7Pro-
zent. EnergieverbilligtesichimMärzge-
genüberdemVorjahresmonat um0,9 Pro-
zent,Nahrungsmittel wurden 3,7 Prozent
teurer und die Mietenstiegen im Durch-
schnitt um 1,5 Prozent.Noch st ärkerwar
der Rückgang der Inflation für die Euro-
zone insgesamt:Nach1,4 Prozent im Ja-
nuar und1,2 Prozent imFebruar lag die
Teuerung dortimMärznur nochbei 0,
Prozent.Von einem Preisanstieg durch
knappe Güter istalso in diesenZahlen
nichts zu sehen.
Beim Öl istdagegen einregelrechter
Preisverfallzubeobachten, wiesichander
Nordseesorte Brent zeigt. Von58,40 Euro
jeBarrel(Fass zu 159 Liter) im Dezember
2019 ging der Preis bis Märzauf 29,
Eurozurück.Das drückteüberall auf der
Welt die Energiepreise.Auch Benzin wur-
de in Deutschland zuletzt billiger,im
Schnittkostet eder Liter Super E10 1,
Euro, der LiterDiesel 1,11 Euro. Eine Ga-
rantie, dassdas so bleibt,gibt es nicht. Öl-

preiseschwankenoftstark.ImMomentist
aber ein dauerhafter Preisanstiegeherun-
wahrscheinlich.
Auch dieEuropäischeZentralbank
(EZB) treibt im Momentvorallem die
Sorge um sinkende Preise um.Die ge-
samte letz te PressekonferenzvonEZB-
PräsidentinChristine Lagarde drehte
sichimGrunde nur um dieseFrage. Der
Auftragder EZB istes, die Preisestabil
zu hal ten, als Richtschnur gilt dabei „un-
ter, aber nahe2Prozent“Inflation. La-
gardesagte, dassder Aussagewertder
jüngs tenZahlen begrenzt sei,weilder
Schoc kdurch dieCorona-Epidemie so
groß sei. Deshalbgehedie Nachfrag ezu-
rück, diePreise fielen –die EZB müsse
handeln.
Die Ökonomen JörgKrämer und
RalphSolveenvonder Commerzbankda-
gegenargumentieren, langfristig könnte
die Inflationkrisenbedingt durchaus et-
wassteigen. Andersals dieWeltwirt-
schaftskrise der dreißiger Jahreoder die

Finanzkrisevorgut zehn Jahren lasse die
Corona-Krise das AngebotanGütern
und Dienstleistungenstärker sinken als
die Nachfrage. Letzterewirdmit staatli-
cher Hilfegestützt,etwadurch das Kurz-
arbeitergeld, die finanzielle Soforthilfe
für Selbständigeund den erleichterten
Zugang zu Hartz IV–alles Maßnahmen
aus dem Hilfspaket,das die Bundesregie-
rung gerade auf denWeggebracht hat,
um dieWirtschaf tzustützen. EinNach-
frageüberhang sprechegrundsätzlichfür
mehr Inflation,argumentieren die Öko-
nomen der Commerzbank,wobei dieser
Effekt derzeit nochdurch krisenbedingt
niedrigereLohnabschlüsseunddengefal-
lenen Ölpreisweitgehendkompensiert
werde. Allenfalls auf längere Sichtkönn-
te die Inflationetwassteigen, heißt es –
dann nämlich,wenn Unte rnehmen ihre
ProduktiontatsächlichstärkerinE uropa
konzentrieren sollten und dieKostener-
sparnis durch die Globalisierungwegfal-
len würde.

Großbritannien unter Schock


VonPhilip Plickert,London

Wer Respekt verdient


VonDietrichCreutzburg

ami. WIEN.Plakativ und provokativ
kommt dieKampagne derWirtschafts-
kammerWien daher,die 140 000Unter-
nehmen und Gewerbetreibendevertritt:
„Wenn Sie bei mir einkaufen,finanzieren
Sie keinem amerikanischen Online-Boss
die zweiteLuxusjacht, sondernmeinen
Mitarbeiterndas Gehalt“, sagt der freund-
liche Ladenbetreiber in dieKamera. „Wer
Wien liebt,kauftinWien ein“, heißt die
der Kammer zufolgeerfolgreiche Kampa-
gne, die Amazon zwar nicht direkt nennt,
aber klar den amerikanischen Online-Rie-
sen insVisier nimmt, der auchinÖster-
reichein Auslieferungslager betreibt.
Aktuelltun sichviele Unternehmenan-
gesichts derstrengen Ausgangsbeschrän-
kungen und Ladenschließungen in Öster-
reich schwer,überhauptüber dieRunden
zu kommen. Österreichs Bundesregie-
rung will ihnen nun dabeihelfen, schnell

eigene Online-Präsenzen aufzubauen –
und „großen internationalenKonzernen
die Stirnzubieten“, wie Landwirtschafts-
und DigitalministerinElisabethKöstin-
ger(ÖVP) dasformuliert. Ganz im Sinne
der „Wien-kauft-in-Wien-Kampagne“
will die Regierung regionale Händler
über eine spezielle Internetseite mit loka-
len Kunden vernetzen. Eindringlich
mahntWirtschaftsministerinMagar ete
Schramböck vonder eigentlichfür of fene
Märkt estehenden Österreichischen
Volkspar teiihre Landsleute: „Kaufen Sie
nichtauf internationalenPlattformen,ge-
benSieösterreichischen Plattformen eine
Chance“.Dazu hatauchsiesic heinenein-
prägsamen Sprucheinfallen lassen:
„Kauf lokal, dasgeht auc hdigital.“
Aber längstnicht alle Betriebe sind
schon so langeimInternetzuhause wie
die Wiener „Stoffschwestern“, die auch

zu normalenZeiten etwa die Hälfte ihres
Umsatzes imNetz abwickeln. Jetzt sorgt
diehoheStoffnachfragezuLiefer verzöge-
rungen. Aufder Homepagebittet der Be-
trieb umVerständnis für „längereLiefer-
zeiten“. InZeiten vonCorona mitwo-
chenlang geschlossenen Ladenlokalen
schnelltdie Zahl der Onlinebesteller in
die Höhe.Weniger Briefe, mehrPakete,
bringt GeorgPölzl, derVorstandsvorsit-
zende der österreichischenPost,das auf
einenNenner.ImeigenenPost-Web-Shop
hätten sichAufruf einder Krise „um den
Faktor zehn erhöht“.Künftig sollen es
nochmehr werden, wie auchbei dervon
jedem zweiten Österreicher benutzten
Handelsplattform„willhaben.at“. Denn
auchderen Betreiber,die Styria-Gruppe,
hat sichbereit erklärt, digitale Spezialan-
gebote für kleinereHändler zu günstigen
Konditionen anzubieten. DieWebsiteist

in die „Schau auf Dich, schau auf mich“-
Corona-Kampagne derRegierung einbe-
zogen. Das Logo amrechten Rand, unten
je eine Schaltfläche für Händler undKäu-
fer, oben die Ermunterung: „Jetztgezielt
Produkteonlineverkaufen und kaufen
bringtganz Ös terreichweiter.“ Insbeson-
derefür kleine Händler sei es an derZeit,
digital aufzurüsten, sagt Schramböck.
Man dürfteGeschäftsmodelle wie den
E-Commerce „nichtnurdengroßeninter-
nationalen Anbietern überlassen“.
Beide Ministerinnen machten klar,dass
sie darin nicht nur ein zeitlichbegrenztes
Corona-Hilfsprojekt sehen. Post-Chef
GeorgPölzl sagtezwar, er wisse, dassman
nicht gegenMarkttrends antreten könne.
Dennochhoffe er,zumindestden Anteil
vonaktuell 40 Prozent heimischerVersen-
der anPäckchenund Paketen halten oder
leicht ausbauen zukönnen.

Dauertder Lockdown
zu lange, drohen Massen-
pleiten.Notwendig ist
daher eine Exit-Strategie.

sju./niza.FRANKFURT. Die Folgen der
Corona-Krisetreffen die deutsche Indus-
trie mitvoller Wucht. In denkommen-
den drei Monaten dürfte die Produktion
massiv einbrechen.Das zeigenUmfrage-
ergebnisse, die dasMünchnerIfo-Institut
am Dienstagveröf fentlichthat.Der In-
dexder Produktionserwartungen sank
im März vonplus 2Punkteauf minus
20,8Punkte.Das is tder stärksteRück-
gang sei tErhebungsbeginn imJahr 1991
-nicht einmalnachAusbruc hder Finanz-
krise warder Indexderart eingebrochen.
UndnachEinschätzung der des Münch-
ner Institutskönntedie Produktionnoch
stärkerzurückgehen,als es dieZahlen er-
warten lassen.„Vermutlichist die Ent-
wi cklungnochunterzeichnet,weil die
meisten Antwortenschon bis Mittedes
Monats Märzeingingen“, sagte der Ifo-
Ökonom KlausWohlrabe.

Am stärkstenverdüs terten sic hdie Er-
wartungen in der Automobilindustrie.
Hierstürzt ederIndexvonplus4,2Punkte
aufminus36Punkteab.Auc hdie Aussich-
tenderdeutschenMaschinenbauerverrin-
gerten sic hvon minus 10 auf minus 24
Punkte und rangieren damit imgleichen
Bereichwie die Erwartungen der Herstel-
ler vonBekleidung undTextilien. Einen
Rück gang der Produktion erwarten zu-
dem die Produzenten pharmazeutischer
Erzeugnisse. Etwasweniger betroffenist
die Chemiebranche,wo der Index"nur"
auf minus 10 Punktenachgab.Trotzstar-
kemRückgang nochpositiv sind einzig
die Erwartungen der Hersteller vonLe-
bensmitteln und Getränken.
Damit beendetdie Corona-Krise ab-
rupt die leichteErholungder Industrie,
die sichzuBeginndes Jah resabgezeich-
nethatte. Wiedas Statistische Bundes-

amt am Dienstagmitteilte,war ihr ePro-
duktionimFebrua rgegenüber demVor-
monat saison-und kalenderbereinigtum
0,4 Prozentgestie gen. AuchimJanuar
hattesichdie Lag eaufgehellt.Dem Wirt-
schaftsministerium zufolgestellten die
Betriebe improduzierendenGewerbein
denMonatenJanuar undFebruar 2,3 Pro-
zent mehr herals noc himNovemberund
Dezember2019.
Dassdie deutscheWirtschaf tdieses
Jahrine ine Rezessionstürze nwird, gilt
unter Ökonomen als ausgemacht. Die
Schätzungen überdie Schwereund Dau-
er des Einbruchsgehen aber auseinan-
der,daoffen ist,wann der „Shutdown“
gelockert wird. Die führenden deutschen
Wirtscha ftsinstituteerwarteneinen
Rückgang desBruttoinlandsprodukts
(BIP) von4,2 Prozent.Das berichtetedie
Nachrichtenagentur Reute rs unter Beru-

fung aufeine mit jenenZahlen vertraute
Person, die dieRegierungsberater in ih-
remFrühjahrsgutachten an diesem Mitt-
woch präsentieren, und decktsich mit In-
formationen derF.A.Z.
Das Gutachten dient der Bundesregie-
rung als Grundlagefür ihr eeigene Kon-
junkturprognose, die Steuerschätzung
und die Haushaltsplanung,Autorensind
dasBerliner DIW,dasMünchnerIfo-Insti-
tut, dasIWH in Halle, dasRWIinEssen
und das IfW in Kiel. Der Sachverständi-
genrat der Bundesregierung hattevorige
WocheinseinemBasisszenario ein BIP-
Minusvon2,8 Prozentvorhergesagt, Bun-
deswirtschaftsministerPeter Altmaier
(CDU) dagegen sprachvon mindestens
sostarkenEinschnittenwieinderFinanz-
krise 2009. Damals schrumpfte die deut-
sche Wirtschaftsleistung im Jahresver-
gleichum5,7 Prozent.

Essen wirdteurer –Benzin günstiger


Österreichappelliertandie Heimatliebe


RegierungrätVerbrauchern, sie sollengroßen internationalenKonzernen „dieStirnbieten“


Produktion bricht ein wie nie zuvor


Frühjahrsgutachten: FührendeWirtschaftsinstitutesind nochpessimistischer als der Sachverständigenrat


Die Corona-Krisemacht


sich im Portemonnaie


beme rkbar. Viele Preise


verände rn sich –droht


am Ende eine hohe


Inflation?


VonChristian


Siedenbiedel,Frankfurt Deutschland


Mittelfristiger
Zielwertder EZB

Euroraum

Dienstleistungen
Wohnungsmieten

Nahrungsmittel
Energie

Verbraucherpreise2)

Einfuhr

Erzeugerpreise3)

Ausfuhr

Außenhandelspreise

%zum Vorjahr
%zum Vorjahr
%zum Vorjahr
%zum Vorjahr
%zum Vorjahr
%zum Vorjahr

%zum Vorjahr
%zum Vorjahr

+1,5 +1,
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–0,

+0,
–0,

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+1,
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+3,
+1,
+1,

Dez. 2019 Jan. 2020 Febr.2020 März
+1,
+3,
+2,
+1,

+3,
–0,
+1,
+1,
–0,2 +0,2 –0,

+1,

Deutschland

Verbraucherpreise(HVPI)1)
Veränderung gegenüber demVorjahresmonat in Prozent

+3,

+4,

+2,

+1,

0,

–1,
06 07 08 0910 11 13 1412 151617181920

F.A.Z.-Preisbericht

1) Nationale Daten, saisonbereinigt.2)Verbraucherpreisenach
nationalem Index. 3)Gewerbliche ProdukteimInlandsabsatz.
Quellen:Bloomberg; Destatis;DeutscheBundesbank
Foto Marcus Kaufhold/F.A.Z.-Grafik fbr./nbl.

FRANKFURTER ALLGEMEINEZEITUNG Wirtschaft MITTWOCH, 8.APRIL 2020·NR.84·SEITE

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