Süddeutsche Zeitung - 27.03.2020

(ff) #1

Ich mach mein Ding


In MBA-Klassen sitzen immer mehr Teilnehmer, die ein Start-up gründen wollen. Inwiefern profitieren Unternehmer in spe


von der Ausbildung an einer Business School? Und braucht es dafür unbedingt ein spezielles Programm?


22 SZ SPEZIAL – LERNEN Freitag,27. März 2020, Nr. 73 DEFGH


Eine lukrative Traffic-Generiermaschine, die
sich gutfür den Einzelhandel oder die Gastro-
nomie eignet, haben Saif Qazi und Susanna
Ingalls erfunden. Bereits im Jahr 2015 entwi-
ckelten die beiden dafür Urban Point, eine
App, die trendaffine Verbraucher und regio-
nale Anbieter zusammenbringt. Die beiden
lernten sich in der MBA-Klasse 2013 an der
Mannheim Business School kennen. „Die Ge-
schäftsidee kam uns bei der Abschlussar-
beit“, erzählt Saif Qazi. Die beiden Absolven-
ten entwickelten einen Masterplan für das
gleichnamige Start-up und kamen dabei auf
den Geschmack. Als Geldgeber fanden sie
einen Geschäftsmann aus dem Emirat Katar,
dessen Sohn auch gerade in Mannheim
studierte. Ihm gefielen die Idee, die Gründer
und der Businessplan. „Von diesem Ge-
schäftsmann bekamen wir das Startkapital
und den Vorschlag, in Katar als Testmarkt
anzufangen“, sagt Susanna Ingalls. „Der mitt-
lere Osten ist zwar nicht die ruhigste Weltre-
gion, aber aus strategischen Gründen schien
uns Katar ideal zu sein: Es ist ein kleines
Land, sodass wir schnell beginnen, lernen
und danach auf größere Märkte würden
gehen können. Katar war eine rein aka-
demische Entscheidung.“ Seit drei Jahren ist
Ingalls mit Saif Qazi nicht nur geschäftlich,
sondern auch privat eng verbunden – er ist
ihr Ehemann.
Im Februar 2015 stand die Firma, und seit-
her feiert Urban Point einen Markttriumph
nach dem anderen. „Wir haben einige Preise
gewonnen und wurden sogar beim World
Economic Forum vorgestellt“, verkündet
Gründer Qazi, und in seiner Stimme klingt
Stolz mit. Urban Point habe mittlerweile
mehr als zwei Dutzend Mitarbeiter in Katar,
Kuwait und in Oman, Entwicklungsinge-
nieure in Pakistan und Programmierer auf
den Philippinen, berichtet Ingalls. Die Verwal-
tung sitzt in London. „Wir haben weltweit
nach Talenten gesucht“, berichtet sie, „und
sind innerhalb eines guten Jahres um das

Achtfache gewachsen.“ Ein Spaziergang sei
das allerdings nicht gewesen, räumt Qazi
ein: „Es war schon stressig. Erst mussten wir
Investoren, dann Mitarbeiter und Kunden
suchen und bei all dem ständig die Zahlen im
Blick haben.“ In Katar schreibt Urban Point
inzwischen schwarze Zahlen. Jetzt hat das
Ehepaar Europa im Blick.
Hätte sich das Start-up ohne den MBA der
Gründer so gut entwickelt? „Nein“, sagt Saif
Qazi sehr bestimmt. „Das Studium und das
damit verbundene Netzwerk waren unver-
zichtbar. Ohne den MBA gäbe es uns nicht.“
Für andere müsse das aber nicht gelten. „Um
eine Firma zu gründen, ist der MBA nicht
zwingend nötig“, stimmt seine Frau zu. „Der
MBA nutzt vor allem Managern mit Karriere-
ambitionen in großen Industrien. Man lernt,
bestehende Firmen auf Wachstumskurs zu
halten und weiterzuentwickeln. Das zu wis-
sen, ist für uns aber kein Nachteil.“
CHRISTINE DEMMER

MBA &

Executive
MBA

Der Master of Business Administration,
abgekürztMBA, ist ein generalistisch aus-
gerichtetes Management-Studium, das
mit einem akademischen Titel abschließt.
Ziel der Weiterbildung ist es, Fachkräfte zu
Führungskräften eines Unternehmens zu
machen. Die meisten MBA-Programme
sind auf ein oder zwei Jahre ausgelegt und
finden als Vollzeitstudium, Fernstudium
oder berufsbegleitend statt. Der Executive
MBA (EMBA) bietet Managern die Mög-
lichkeit, sich für noch höhere Management-
Positionen zu qualifizieren.
MBA-Studiengänge vermitteln grundle-
gendes Managementwissen wie Betriebs-
und Personalführung, Rechnungswesen,
Finanzen und Marketing. Gleichzeitig sol-
len die persönliche Führungskompetenz
sowie das unternehmerische Denken der
Studierenden gefördert sowie ihre inter-
kulturellen und kommunikativen Fähig-
keiten ausgebaut werden.
Entwickelt wurde der Master of Busi-
ness Administration Anfang des 20. Jahr-
hunderts in den USA. Dadurch sollte die
theoretische wirtschaftswissenschaftliche
Ausbildung an Universitäten deutlich an-
wendungsorientierter werden. Seitdem
wächst die Anzahl der weltweit angebote-
nen MBA-Studiengänge kontinuierlich. In
dem 2019 erschienenen MBA-Guide des
Staufenbiel-Instituts werden allein für
Deutschland circa 300 Programme aufge-
listet. Sie werden hauptsächlich von Busi-
ness Schools, aber auch von Universitäten
und Fachhochschulen angeboten. Da der
Titel MBA nicht gesetzlich geschützt ist,
sollen Akkreditierungen von Prüfungs-
agenturen wie der FIBAA oder der AACSB

die Qualität der Studiengänge sicherstel-
len. Daneben bieten MBA-Rankings – etwa
der britischen ZeitungenFinancial Times
oderThe Economist– Orientierung bei der
Auswahl des passenden Programms.
Voraussetzung für ein MBA-Studium in
Deutschland ist ein erster akademischer
Abschluss sowie meist mehrere Jahre Be-
rufserfahrung. Die Mehrheit der Business
Schools verlangt außerdem ein Motivati-
onsschreiben des Bewerbers sowie ein
Empfehlungsschreiben des Vorgesetzten.
Da ein Großteil der Programme internatio-
nal ausgerichtet ist und zahlreiche Kurse
auf Englisch stattfinden, müssen Aspiran-
ten oftmals eine Mindestpunktzahl beim
TOEFL- oder IELTS-Sprachtest nachwei-
sen. Um zum Assessment-Center und da-
mit zu einem Auswahlgespräch eingela-
den zu werden, müssen sie zudem den welt-
weit standardisierten Graduate Manage-
ment Admission Test, kurz GMAT, beste-
hen. Dieser misst die analytisch-logischen
Fähigkeiten der Bewerber. Zudem sind die
Kosten der Ausbildung nicht zu unterschät-
zen: Die Studiengebühren liegen zwischen
circa 8000 und 50 000 Euro oder deutlich
darüber, wenn man eine der renommier-
ten Business Schools außerhalb Deutsch-
lands wählt.
Neben den generalistischen Program-
men etablieren sich immer mehr MBAs
mit spezifischer Ausrichtung, zum Bei-
spiel Gesundheitsmanagement. Die belieb-
testen Branchen der MBA-Absolventen
sind allerdings schon seit einigen Jahren
nahezu unverändert: Dazu zählen Consul-
ting, IT und Telekommunikation sowie
Banking. rebekka gottl

von christine demmer

V


or neun Jahren nahm Christian
Bachmann sein Abschlusszeugnis
der HHL Leipzig Graduate School of
Management in Empfang. Ein Jahr später
stand sein Name im Handelsregister. „Der
Fokus im MBA-Programm lag nicht auf
Unternehmensgründung“, sagt Bach-
mann, „aber das Thema war unterschwel-
lig da.“ Insofern zieht der heute 42-Jährige
rückblickend Bilanz: „Ja, das Studium hat
meine Entscheidung beeinflusst – man-
che Kurse spielten dabei mehr, manche
weniger eine Rolle.“ Man lerne Themen
kennen, in denen man selbst nicht so tief
drin stecke und die sich später für die eige-
ne Firma als nützlich erweisen würden.
Vor dem Masterstudium hatte sich der
Bauingenieur mit Energie- und Ressour-
ceneffizienz, Klimaschutz und Finanzie-
rung beschäftigt. Auch danach blieb Bach-
mann seinen Themen treu, mit „Klima oh-
ne Grenzen“, einer gemeinnützigen Con-
sultinggesellschaft, die sich für die Reduk-


tion von klimaschädlichen CO2-Emissio-
nen einsetzt und CO2-Kompensationspro-
jekte entwickelt. Von Leipzig aus beraten
er und seine Leute Unternehmen in ganz
Deutschland. „Dazu kommen noch ein
paar Kunden in Europa und unsere Klima-
schutzprojekte in Afrika.“ Bereut hat er
den Sprung ins Unternehmerdasein nicht.
„Ich habe durchaus zwischen einer Anstel-
lung und der Selbständigkeit abgewogen“,

sagt Bachmann. „Ausschlaggebend für
meine Entscheidung war mein Wunsch,
meine eigenen Ideen umzusetzen.“ In sei-
nem jetzigen Job kann er nicht alles von
dem anwenden, was er gelernt hat. Das sei
aber nicht schlimm: „Als Gründer braucht
man nicht die ganze Bandbreite der The-
men.“ Sein Rat an junge Menschen, die an
ein Start-up denken: „Studiert an einer

Hochschule, die Wert legt auf Unterneh-
mensgründung und Selbständigkeit.“
In den Vollzeit-Programmen deutscher
Business Schools studieren heute überwie-
gend junge Ausländer. Kommen sie nach
Deutschland, weil sie sich vom MBA eine
gute Grundlage für die Selbständigkeit
versprechen? „Nein, die meisten wollen
im deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen.
Zumindest wollen sie mit einer Konzern-
karriere beginnen und sich später selb-
ständig machen“, stellt Kai Stenzel klar. Er
ist Chief Market Officer an der Mannheim
Business School. Die Präferenzen der deut-
schen Teilnehmer allerdings hätten sich
verschoben. Früher habe es MBA-Absol-
venten vor allem zu Konzernen und gro-
ßen Beratungsgesellschaften gezogen.
Heute wollen viele ihr eigenes Ding ma-
chen. „Junge Leute denken in Projekten“,
sagt Stenzel. „Man will seine Ideen ver-
wirklichen, Eigenes schaffen und etwas be-
wegen.“
Die Mannheim Business School hat auf
diesen Trend reagiert. „Bis vor einem Jahr

haben wir unsere Lehre auf die traditionel-
le Corporate Career fokussiert“, sagt Kai
Stenzel. „Jetzt sind wir breiter unterwegs.“
Das unterstreicht ein Bündnis mit der
Stadt Mannheim. „Wir bilden die angehen-
den Unternehmer aus, denn der MBA befä-
higt sie, unternehmerisch zu denken“, be-
schreibt Stenzel den Deal. „Und die Stadt
fördert die Geschäftsmodelle junger Grün-
der mit Büroräumen und ideeller Unter-
stützung.“ Das heißt, die Stadt bemüht
sich auch, Jungunternehmern Kontakte
zu vermitteln und Ratgeber zur Seite zu
stellen. Praktische Hilfe zur Vernetzung
liefert zudem der Start-up-Club der örtli-
chen Business School: Viermal im Jahr
kommen Absolventen, die erfolgreich ge-
gründet haben, mit Studierenden, die an
ein Start-up denken, zusammen und tau-
schen Erfahrungen und Meinungen aus.
Kai Stenzel hält das im Management-
Studium entstehende Beziehungsgeflecht
für unentbehrlich, insbesondere für Grün-
der. Als Bestätigung dafür dienen Karrie-
ren wie die des Gründers Ali Mabrouk. Der

46-Jährige war 1993 als Stipendiat des
Deutschen Akademischen Austausch-
dienstes (DAAD) nach Deutschland gekom-
men und hatte an der Universität Stuttgart
Elektrotechnik und IT studiert. Nach dem
Executive MBA an der Uni Wien schrieb er
seine Doktorarbeit. Noch während seiner
Promotion gründete Mabrouk die Bera-
tungsfirma Sama Partners, die sich auf
den Schutz von Daten und Informations-
systemen spezialisiert hat. „Die Idee dazu
hatte ich früh“, erzählt der Ingenieur.
„Aber damals fehlte mir noch das Wissen,

wie ein Unternehmen zu führen ist.“ Heute
beschäftigt seine Mannheimer Firma 40
Mitarbeiter und in einer Niederlassung in
Tunis eine ebenso große Belegschaft. Der
MBA habe sein Denken „von Grund auf ver-
ändert“, und das sei „alle Anstrengung
wert“ gewesen. Der zweite Gewinn sei das
Netzwerk gewesen; Mabrouk spricht vom
„Ecosystem“, das er mit dem Studienpro-
gramm quasi frei Haus dazu bekam. „Man
findet Gleichgesinnte, Kollegen, potenziel-
le Kooperationspartner und konstruktive
Kritiker – Leute, die sagen, so kann das
nicht funktionieren.“
Die sind ebenso wichtig wie Mutma-
cher. „Die Gründerkultur bei uns ist nicht
sehr stark ausgeprägt“, sagt Kai Stenzel.
„Wir haben nicht die Risikomentalität der
Amerikaner. In Deutschland gründet man

lieber neben dem Beruf und springt erst
dann ganz ab, wenn man sich hundertpro-
zentig sicher ist, dass die Geschäftsidee
fliegen wird.“
Jackie Leuer-Hingsen ist mit ihrem
Start-up Cali Eats, der Verwirklichung ei-
nes kreativen Catering-Konzepts in Düs-
seldorf, ein Höhenflug geglückt. „Ich habe
eine Nase für Trends“, behauptet die
33-jährige Betriebswirtin aus dem MBA-
Abschlussjahrgang 2016 der WHU – Otto
Beisheim School of Management, die in
Vallendar bei Koblenz und in Düsseldorf
ansässig ist. Ihr erster Job in einer innova-
tiven Firma habe ihr gefallen, der folgende
Arbeitgeber sei langsam und verkrustet
gewesen. Danach wollte Leuer-Hingsen,
die aus der Modebranche stammt, nicht
mehr angestellt sein. „Ich arbeite sehr
gern und wollte meine Energie nach mei-
nem eigenen Zeitplan nutzen“, sagt die Ge-
schäftsfrau. „Gern mal zwölf Stunden in ei-
nem Rutsch durch und dafür Freizeit,
wenn ich es will.“ 18 Monate dauerte es, bis
der Betrieb richtig lief. Nun ist sie im drit-
ten Jahr Unternehmerin, und das Ge-
schäft brummt.
Was sie im Studium für ihr Start-up er-
mutigt hat, weiß Leuer-Hingsen genau.
„Die Professoren und die Kurse in Entre-
preneurship“, sagt sie. „Mit praxisnahem
Wissen werden die Dinge greifbar.“ Ge-
lernt hat sie auch von ihren Mitstudenten
und aus Vorträgen von Managern und Un-
ternehmern. Die hätten Klartext gespro-
chen. Denn das, worauf Unternehmer
wirklich achten müssten, stehe nicht im
Lehrbuch.

Gründer brauchen im Studium
auchMenschen, die ihnen mit
konstruktiver Kritik weiterhelfen

Zwei Ambitionierte und ihre App


Für Karrieretypen


Wem der MBA nützt und was Bewerber leisten müssen


Die Studenten profitieren stark
vonpraxisnahen Vorträgen,
die Unternehmer halten

Die Idee für ihre Traffic-Generierma-
schine hattenSaif Qazi und Susanna
Ingalls im MBA-Studium. FOTO: PRIVAT

Kostbare Netzwerke: Die Kontakte, die sie während der MBA-Ausbildung geknüpft haben, sind für viele Gründer unverzichtbar. FOTO: AUSTIN DISTEL / UNSPLASH


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