Handelsblatt - 27.03.2020

(Tina Meador) #1
Eckart Seith

Aufklärer und Feindbild


A


nfeindungen sind für Eckart
Seith nichts Neues. Seitdem
der Stuttgarter Jurist vor sie-
ben Jahren das Mandat des Droge-
rieunternehmers Erwin Müller über-
nahm, hat er Ärger: Banker und Kol-
legen ächten Seith wie einen Aussätzi-
gen. Viele aus der Geldbranche sehen
ihn als Nestbeschmutzer. Die Schwei-
zer Justiz setzte den heute 63-Jähri-
gen sogar auf die Anklagebank. Vom
Vorwurf der Wirtschaftsspionage
wurde Seith freigesprochen, wegen
Geheimnisverrat erhielt er eine Be-
währungsstrafe. Er nannte das Urteil
„schmutzig“ und legte Berufung ein.
Nun hat die Bank J. Safra Sarasin in
einem „Rechtsbegehren“ eine exorbi-

tante Forderung gestellt: Potenziell
58 Millionen Euro Schadensersatz
verlangt die Bank von Seith und zwei
ehemaligen Angestellten, die sich mit
ihm zusammengetan hatten. Der ver-
meintliche Geheimnisverrat des Trios
habe die Bank so viel Geld gekostet.
Am 28. Februar 2020 schickten die
Bankanwälte das Schreiben an das
Friedensrichteramt in Oberägeri.
Die Szenen des Falls wirken wie
aus einem Film über die italienische
Mafia, aber sie spielen in der Welt ei-
ner Schweizer Bank. J. Safra Sarasin
half Investoren dabei, den deutschen
Staat auszunehmen. Mit sogenann-
tem Cum-Ex-Handel wurde den Fi-
nanzämtern vorgegaukelt, es gebe
zwei Eigentümer ein und derselben
Aktie. Einer von ihnen führte eine
Kapitalertragsteuer ab, beide ließen
sie sich diese „erstatten“. Sarasin bot
Fonds an, bei denen die zweistelligen
Renditen der Investoren direkt aus
der deutschen Steuerkasse stammten


  • insgesamt 462 Millionen Euro. Seith
    war maßgeblich daran beteiligt, dies
    aufzudecken.
    Sein Wirken war nicht ganz unei-
    gennützig. 2013 kam Erwin Müller zu
    ihm. Der Drogerieunternehmer hatte
    zweimal je 50 Millionen Euro in
    Cum-Ex-Fonds investiert. Müller gibt
    bis heute an, nicht gewusst zu haben,
    dass es sich dabei um Cum-Ex-Pro-
    dukte handelte. Die Rendite von je-
    weils gut zehn Prozent strich er ein.
    Beim dritten Mal investierte er wie-
    der 50 Millionen Euro, diesmal ver-
    mittelt von Sarasin. Dann ging alles
    schief. Das Finanzamt verweigerte
    die Steuererstattung, Müller wartete
    nicht nur vergeblich auf die Rendite,
    sondern verlor seinen Einsatz. Die
    Bank wartete auf die 25 Millionen
    Euro, die er sich für das Geschäft ge-
    liehen hatte. Müller wandte sich an
    Seith.
    Dem Anwalt gelang dann etwas Er-
    staunliches. Seith fand einen Insider


bei Sarasin. Der Jurist hatte intern
vor großen Risiken mit Cum-Ex ge-
warnt, war aber nicht durchgedrun-
gen. Davon erzählte er Seith – und
gab ihm ein Gutachten, das Müller
große Chancen auf Schadensersatz
zusprach. Seith nutzte das Doku-
ment, um Sarasin zu verklagen, und
gewann. Die Bank musste 55,8 Millio-
nen an Müller zahlen, Anwaltskosten
für Seith inklusive. Hinzu kamen ei-
gene Prozesskosten.
Weil Seith belastende Bank-Doku-
mente auch an die Staatsanwaltschaft
Köln weiterreichte, kamen Verfahren
gegen Verantwortliche bei Sarasin
wegen Steuerhinterziehung ins Rol-
len – und Investor Müller konnte er-
folgreich vor Gericht argumentieren,
er sei betrogen worden. Auf Handels-
blatt-Nachfrage wollte die Bank
nichts zu dem Streitfall sagen.

Drohschreiben an Seith
In dem Rechtsbegehren erklärt sich
ihre Logik so: Seith soll zahlen, weil
Sarasin ohne sein Handeln niemals
den Schadensersatz und all die An-
waltshonorare hätte zahlen müssen,
die in der Affäre Cum-Ex zu zahlen
waren. Seith habe dabei mit illegal er-
langten Informationen operiert, das
habe das Schweizer Strafgericht be-
stätigt.
Seith hält die Klage für absurd.
„Die Bank glaubt offenbar, dass ein
deutsches Zivilgericht auf Grundlage
eines wahrheitswidrigen Vortrags
entscheidet. Sehr seltsam.“ Sarasin
habe ihn nun aufgefordert, eine Ver-
jährungsverzichtserklärung abzuge-
ben, um die potenzielle Millionenfor-
derung gegen ihn offenzuhalten.
Die Sarasin-Attacke ist ein Ärgernis
für Seith, größere Sorgen bereitet
ihm aber ein Drohschreiben, das an-
geblich von einer Schweizer Bank
stammt. Seith wolle mit seinem Cum-
Ex-Prozess der Schweizer Finanzsze-
ne eins auswischen, ist dort zu lesen.
Er solle damit aufhören. „Machst du
es nicht, werden wir dieses Mal nicht
nur dein Auto bearbeiten“, steht in
dem Brief. Im Detail beschreibt der
Verfasser, was mit Seith und seiner
Familie passieren könnte.
Seith hat sofort Strafanzeige erstat-
tet. Jetzt ermittelt die Staatsanwalt-
schaft Stuttgart. Volker Votsmeier

James Dyson

Beatmungsgeräte statt Föhnen


U


nternehmer James Dyson be-
teiligt sich am Kampf gegen
die Corona-Epidemie: Sein
Unternehmen im britischen Malmes-
bury soll schon bald Beatmungsgerä-
te herstellen, kündigte Dyson an, der
vor allem mit Staubsaugern, Luftrei-
nigern und Haartrocknern sein Geld
verdiente. Dass Dyson aktiv wird,
überrascht nicht: Wegen seiner zahl-
reichen Erfindungen und verschiede-
nen Produkte gilt der 72-Jährige als
eine Art „Daniel Düsentrieb“.
Auch die finanziellen Mittel hat
Dyson, der schon mehrfach von der

Königin für seine Verdienste ausge-
zeichnet wurde und sich seitdem Sir
James nennen darf: Das nach wie vor
von ihm geführte Unternehmen
macht über eine Milliarde Euro Ge-
winn; das Vermögen der Familie wird
auf fast 14 Milliarden Euro geschätzt.
Premierminister Boris Johnson ha-
be ihn vor gut zwei Wochen angeru-
fen, berichtete Dyson in einer Mail an
seine Mitarbeiter. Seitdem habe er
zusammen mit der Firma The Tech-
nology Partnership daran gearbeitet,
sein Unternehmen auf die Herstel-
lung eines neuen Produkts umzustel-
len, den „CoVent“. Dieses sei auf die
spezifischen Anforderungen für die
klinische Behandlung von Covid-
19-Patienten zugeschnitten.
Bei der Entwicklung griff man bei
Dyson auf die Erfahrungen mit sei-
nem Luftreiniger zurück. „Die zentra-

le Herausforderung bestand darin,
ein neues, hochentwickeltes Medizin-
gerät in großen Mengen und in ex-
trem kurzer Zeit zu entwerfen und zu
liefern“, erklärte Dyson. In Kürze
wird mit einer Zulassungsgenehmi-
gung für das Gerät gerechnet, dann
soll die Produktion beginnen.
Dyson hatte im vergangenen Jahr
Kritik und einen herben Rückschlag
hinnehmen müssen: Die Entschei-
dung, den offiziellen Hauptsitz der
Zentrale nach Asien – wo auch die
Produkte hergestellt werden – zu ver-
lagern, empörte viele Briten, zumal
Dyson den Brexit befürwortet hatte.
Daneben stellte Dyson im vergange-
nen Jahr die Arbeit an einem eigenen
Elektroauto ein, weil man keine
Chance sah, das Fahrzeug wirtschaft-
lich rentabel zu machen.
Kerstin Leitel

James Dyson:
Das Vermögen des
bekannten britischen
Unternehmers wird
auf fast 14 Milliarden
Euro geschätzt.

Machst du es


nicht, werden


wir dieses


Mal nicht nur


dein Auto


bearbeiten.


Anonymer Verfasser

Andrew Testa/The New York Times//Redux/laif


Eckart Seith:
Schweizer Bank
fordert hohen
Millionenbetrag
dpa vom Anwalt.


Bis zu 58 Millionen Euro
fordert die Schweizer Bank
J. Safra Sarasin vom Anwalt
des Drogerieunternehmers
Erwin Müller.

Der britische Milliardär
schaltet sich in den Kampf
gegen die Corona-Pandemie
ein. Dyson entwickelt
lebensrettende Produkte.

Familienunternehmen des Tages


WOCHENENDE 27./28./29. MÄRZ 2020, NR. 62
61
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