Frankfurter Allgemeine Zeitung - 25.03.2020

(Joyce) #1
CoronastopptRäumungen
In Berlinwerden wegender Corona-
Krise nachAngabenvonJustizsena-
torDirkBehrendt derzeitkeine Woh-
nungengeräumt.AuchSperrenwe-
gennicht gezahlterRechnungen für
Gas, Wasser oderStrom seien ausge-
setzt, teilteder Grünen-Politiker mit.
Wenn Menschen in der Krisensituati-
on auf derStraßelanden würden oder
ohne Heizung leben müssten,wäre
das eine unzumutbareHärte. Zudem
wärenRäumungen oder Sperrungen
fürGerichtsvollzieherausgesundheit-
lichen Gründen schwierig. dpa

Fristenwerde nknapp
Der Sozialverband VdKfordertange-
sichts der umfassenden Alltags-Ein-
schränkungenwegender Corona-Kri-
se, Fristen vorSozialgerichten zuver-
länger noder auszusetzen. Der VdK
verwies darauf, dassinVerfahren
etwa um Pflegegrade, Erwerbsminde-
rungsrenten oder den Grad einer Be-
hinderungFristeneinzuhalten seien.
Schon unter normalenUmständen sei
es schwierig,Unterlagen zukopieren,
ärztliche Gutachten einzuholen und
sichmit Juristen abzustimmen. dpa

Verzicht aufFreizügigkeit
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-
Brandenburghat die angeordneten
Maßnahmen bestätigt, durch die eine
rasche Ausbreitung des Coronavirus
in Brandenburgverhindertwerden
soll. Die Richter wiesen am Montag
den Eilantrag eines Bürgers aus Pots-
dam ab, der sichgegen dieVerord-
nung wehrte.Die Regeln, diegrößere
Versammlungen und denAufenthalt
im öf fentlichenRaum verbieten, ver-
letzten ihn nachAnsicht des Gerichts
nicht in seinemRecht au fFreizügig-
keit.Angesichtsderbishergesammel-
tenErfahrungen in anderen Ländern
seien die Schutzmaßnahmengeeig-
net, erforderlic hund angemessen,
um derPandemie zu begegnen. mj.

HANNOVER. Leichterer Zugang zu
Kurzarbeitergeld, Aussetzung der Insol-
venzantragspflicht, schnellereKredit- und
Bürgschaftsgewährung: Die Bundesregie-
rung versucht, die wirtschaftlichen Folgen
des Coronavirus einzudämmen.Viele Un-
ternehmen sehen darin eine Chance, die
Krise wirtschaftlich zu überstehen.Doch
die angekündigten Staatshilfen klingen
nur im ersten Moment gut.Auf den zwei-
tenBlickerhöhen sichhierdurch für viele
UnternehmendieRisiken.Werverantwor-
tungsvollmitderaktuellenSituationumge-
hen will,musslangfristiger planen.
In einigenBranchen und Betrieben ist
absehbar,dasssicheine Insolvenz nicht
vermeidenlässt.BeispielTouristik: Sicher
ist, dassjede Reisetätigkeit aufWochen,
vermutlich Monatezum Erliegenkommt.
ImFalleeinesdeshalberforderlichenInsol-
venzantrags zahlt dieAgenturfür Arbeit
den vollen Lohn für drei Monate.Wurde
aber unmittelbar zuvorKurzarbeitergeld
beantragt, wirdinden kommendenTagen
lediglichgekürztesGehaltausgezahlt.Dar-
über hinausist die Arbeitskraftfaktisch
halbiert. Damitgilt in derTendenz:Wer
früh Kurzarbeitergeld beantragt, spart
dem StaatGeld, verkürzt aber auchseine
eigenenRettungschancen,wenn es dann
zeitnah dochzur Insolvenz kommt.Auch
schnellereKredit-oderBürgschaftsgewäh-
rungen lösen das Problem der Illiquidität
nur scheinbar:Zahlungsunfähigkeitkönn-
te,wenn das Geld denn wirklichzeitnah
käme,abgewendetwerden,jedochistlang-
fristig eineÜberschuldung dasResultat.
Das Bundesjustizministerium plant au-
ßerdem eineAussetzung der Insolvenzan-
tragspflicht bis zum 30. September 2020,
am heutigen Mittwochsoll der Bundestag
die neuenRegeln schon beschließen. Zwei
Bedingungenwerden an dieseAussetzung
geknüpft: die Sanierungsfähigkeit und die
Corona-Betroffenheit.Schon die Infekti-
on eines Mitarbeiterskann selbstgrößere
Betriebe zum Erliegen bringen. Die soge-
nannteBetroffenheit istalso problemlos
möglich. Anderssieht es dann schon mit
der Sanierungsfähigkeit aus.Werkönnte
sagen, ob dieReisebranche in absehbarer
Zeit gesundet? Hier istkein Platz fürUnsi-
cherheiten.DennwerdenFristennichtein-

gehalten, drohen schwerwiegendeKonse-
quenzen.KommtamEndejeman dzumEr-
gebnis, es hätte dochschon einen Insol-
venzantraggebraucht,so droht schnell der
Vorwurfder Insolvenzverschleppung.
Wird die Insolvenz wahrscheinlich, so
hat einUnternehmer zwei Möglichkeiten:
abzuwartenundstaatlicheHilfenanzuneh-
men in demWissen, dasssie nicht wirk-
lichhelfen. Die zweite: handeln. Dafür
gibt es die Insolvenzantragstellung wegen
„drohender“ Zahlungsunfähigkeit. „Dro-
hend“, das bedeutet:Eigentlichbesteht
nochkein Zwang, zum Insolvenzgericht
zu gehen. Aber man darfdas tun,wenn
man verantwortungsvoll mit dem eigenen
Unternehmenverfahren möchte. DieVor-
teile des frühen Insolvenzantrags: Alle Ar-
beitnehmer sind nochanBord, dieKun-
dentreu, die Qualität gut und sogargewis-
se Geldmittel nochverfügbar.Ganz ent-
scheidend hier: EinVerwalter kann noch
rech tzeitig den Hebel ansetzen.Wenn er
oder sie esrichtig anstellt, sind die Chan-
cen einergelungenenRettung hoch.

Wic hti gist,allesauf das Ende hin aus-
zurichten: auf denMoment, in dem ein
Verwalter das(Unte rnehmens-)Schiff
wiede raus dem sicheren Hafen des In-
solvenzverfahren sentlassen kann. Das
gelingt nicht immer, und inZeiten der
weltweiten Corona-Krise sind Vorher-
sagen dazupraktischunmöglichgewor-
den. Aber es kann gelingen ,und nurwer
sichdas Ziel setzt,wirdes erreichen kön-
nen.
SimpleRezepte und den Heilsbringer
Politik mitRettungsgarantie gibt es in der
Corona-Krise nicht.Unternehmenslen-
kermüssen ihrewirtschaftliche Situation
mit kühlem Kopf analysieren undrealisti-
sche Optionen durchdenken. Angstoder
Panik sind nie guteRatgeber.Auchwenn
die Corona-Krise gerade er st so richtig
einsetzt, solltejetzt keine Zeit verspielt
werden: Ein frühzeitiger Insolvenzantrag
kann zumindestlangfristig die bessere
Wahl sein.

DerAutoristFachanwalt für Insolvenzrecht.

MÜNCHEN.Auf Krisen wie die Coro-
na-Pandemie sind dieRegeln des Bür-
gerlichen Gesetzbuches (BGB) ebenso
wenig vorbereitet wie dieWirtschaft
und das Gesundheitssystem. Überwie-
gend treffenParteien in gutenZeiten
für solche Situationenkeine vertragli-
chen Regelungen; sie ahnen nicht ein-
mal, dasssie auftreten können. Das
BGBhilftlediglichrudimentärmitdem
§313, der die „Störung der Geschäfts-
grundlage“regelt und einerPartei, der
aufgrundeinerschwerwiegendenÄnde-
rung derUms tände einFesthalten am
Vertrag nicht zugemutetwerd en kann,
ein Rechtauf Vertragsanpassung und,
soweit diesnicht möglichoderderande-
renParteinicht zumutbar ist, aufRück-
tritt vomVertrag einräumt.
Grundsätzlich bleibt der Schuldner
aber auchinKrisenzeiten zur Leistung
verpflicht et;ermussalso eineWare lie-
fern oder eine Dienstleistung erbrin-
gen. Der Gläubigerkann die Leistung
verlangen und musssie bezahlen.
Kommt es bei der Erbringung der Leis-
tung zuVerzögerungen,kann der Gläu-
biger nachAblauf einer angemessenen
Fristvom Vertrag zurücktreten. Is tdie
Erbringung der Leistung–warum auch
immer–unmöglich,kann der Gläubi-
gersie nichtverlangen; er musssie aber
auchnicht bezahlen undkann wieder-
um zurücktreten.
Das hat derzeitganz konkreteAus-
wirkungen: Werden infolgevon Corona
bestimmte Leistungen unmöglich, zum
Beispiel die Durchführung einesKon-
zerts oder einerReise, oderverzögern
sie sich, wieetwa die Lieferung be-
stimmter Güter,kann sichder Gläubi-
gervom Vertrag lösen.Für die betroffe-
nen Unternehmen istdas fatal: Weil sie
Aufträgemöglicherweise nurvorüber-
gehendnicht erfüllenkönnen, verlieren
sieihr eVerträg eunddiedarausresultie-
renden Vergütungsansprüche. Sie tra-
genalso das mit der Kriseverbundene
wirtschaftliche Risikoallein. Dasge-
setzlicheRechtauf Vertragsanpassung
oder Rück tritt schützt sie davornicht –
im Gegenteil: Esschützt den Gläubiger,
nicht den Schuldner.Wäredas eineRe-

gelung, auf die sichdie Parteien geei-
nigthätten,wennsie dieCorona-Pande-
mie vorausgesehen hätten? HättenUn-
ternehmen dieses Risikofreiwillig
ohne zusätzliche Kompensationauf
sichgenommen?Wohl kaum!
Der Gesetzgeber solltedaher das
Rechtkrisengerecht umgestalten. Hel-
fenwürde dertaumelndenWirtschaft
einevorübergehendeSuspendierungge-
setzlicher Gläubigerrechte: eine zumin-
destteilweise Aufrechterhaltung des
Vergütungsanspruchs,wenn die Leis-
tung (nur!)wegenCorona unmöglich
wird(unter Anrechnung ersparterAuf-
wendungen des Schuldners), einAus-
schlus sdes Rücktrittsrechts,wenn sie
deswegenausbleibt oder sichverzögert.
Ein Teil des Krisenrisikos würde da-
durch in der Handelskette nachhinten
verlager t: Der Endabnehmer müsste
die bestellteWareoder Dienstleistung
auchdann bezahlen,wenn sie ausfällt –
selbstwenn es sichumeinen Verbrau-
cher handelt.Das wäre ohne Zweifel
schmerzhaft, würde aber denjenigen
wirtschaftlich treffen, der sichdie Ware
oder Dienstleistung ohnehin hätteleis-
tenkönnen. Er würdeweniger finan-
ziellbelastet,sondernprimärdurchent-
gangenen oderverzöger tenKonsum.
Möglicherweise ließen sich durch die
so bewirkteVerteilung des Schadens
auf eineVielzahlvonGläubigernam
EndederHandelskettezahlreicheInsol-
venzen vonSchuldnernabwenden.
Wäredas nicht die in diesenTagenviel-
beschworene „Solidarität“?
Der Gedanke, dassinKrisenzeiten
gesetzlicheRecht eund Pflichten sus-
pendiertwerden, istnicht neu. So hat
das Bundesjustizministerium angekün-
digt,dieInsolvenzantrags pflichtfürUn-
ternehmenausz usetzen, die aufgrund
der Corona-Pandemie in Schieflagege-
rate n. Dieser Schritt istohne Zweifel
sinnvoll. Vorrangig gilt es aber,mög-
lichs tdieZahlder Unternehmenzuver-
ringern,dieüberhauptineinesolcheSi-
tuation kommen.CASPAR BEHME

DerAutoristHabilitand an der
Ludwig-Maximilians-Universität München.

A


uchwenn die Coronavirus-Kri-
se in Europa und anderswo
nochnichtihrenHöhepunkter-
reicht hat,stellen Gesundheits-
expertenerste Überlegungen über die dar-
aus zu ziehenden Lehren an.Wiehat ein
Gesundheitssystem auszusehen, um mit
Krisen wie durch Covid-19 zurechtzukom-
men? Die Organisation für wirtschaftli-
cheZusammenarbeit und Entwicklung
(OECD) hat in einem Papier vierKernfor-
derungen aufgestellt:Forschung und Ent-
wicklung solltengestärkt und beschleu-
nigt werden, die Gesundheitssysteme
müssten raschauf densteilen Anstiegvon
Erkrankungenreagierenkönnen; für die
schwächsten Gliedereiner Gesellschaft
muss derZugangzurVersorgunggesichert
sein,unddigitaleLösungenundDatenaus-
tauschseien besser zu nutzen.
Deutschland istnach den internationa-
len Vergleichen für dieReaktion auf steil
ansteigendePatientenzahlenrelativgutge-
rüstet. BeidenIntensivbetten–„demgröß-
tenEngpassinder Covid-19-Krise“–hat
Deutschland unter elf ausgewählten Län-
dernmitfast 34Bettenje100 000Einwoh-
nernden höchsten Anteil, mehr als dop-
pelt so viel wie der OECD-Durchschnitt.
Bei den Betten für die breitergefasste
Akutbehandlung liegt Deutschland unter
allen 36 OECD-Ländernauf dem dritten
Rang hinter Japan undKorea. Auch beim
medizinischen Personal vermittelt
Deutschland mitrund 4,3 Ärzten und 13
Krankenpflegernje1000 Einwohnernein
vorteilhaftes Bild. Besonderswenig medi-
zinischesPersonal haben dagegen Mexi-
ko,die Türkei undPolen.
Die Industriestaatenorganisation emp-
fiehlt dennochnicht den deutschenWeg
„einesstarkauf das Krankenhauskonzen-
trier tenGesundheitssystems“,wiedieLei-
terinder OECD-Abteilung für Gesund-
heitspolitik,Francesca Colombo, der
F.A.Z. sagte. Denn ein Gesundheitssys-
temkönne nicht permanentKapazitäten
vorhalten für eine Krise, die hoffentlich
nur alle hundertJahrevorkomme. „Nie-

mandkannsic heinSy stemleisten, indem
Krankenhäuser leerstehen und Ärzteund
Krankenpfleger auf die nächste Krisewar-
ten.“Undselbst„dieambestenausgerüste-
tenGesundheitssysteme in Ländernwie
Deutschlandkönnen nicht einen plötzli-
chen Ansturmbewältigen“. Zudem sei
nicht zuvergessen, dassviele chronisch
Krank ewie Diabetes- und Krebspatienten
außerhalb des Krankenhauses zu behan-
deln seien. DieTendenz dervergangenen
Jahre, die ambulanten Leistungen auszu-
weiten, sei daherrichtig.
Allerdings räumt Colombo ein, dass
heut edieLänder„ohneÜberschusskapazi-
täten amstärksten in Bedrängnis“gerie-
ten. „Wir müssen innovativersein, wie wir
Überschusskapazitäten imSystemeinbau-
en, wie wiretwa normale Betten in Akut-
Bettenumwandelnoderwiewirdiesequa-
sieinmotten. Eine Artvon Reservearmee
vonGesundheitspersonal, die schnell zu
mobilisieren ist, istauchsinnvoll.“ Frank-
reichhat eine solche „Reservearmee“ aus
3500 pensioniertenMitarbeiterndes Ge-
sundheitswesens und Medizinstudenten
zur Mitarbeitaufgerufen.
Um die Krankenhausaufenthaltemög-
lichs tgering zu halten, müsstenvor allem
aber die Maßnahmen der sozialen Isolie-

rung streng eingehaltenwerden, fordert
die OECD. Sokönne ein Gesundheitswe-
senZeitgewinnen,ummitdemPatienten-
andrangfertig zu werden. „Die Schnellig-
keit, mit der einigeasiatische Länderrea-
giertund Maßnahmen in der Bevölke-
rung umgesetzt haben, istsicher ein
Punkt, den sichalle anschauen sollten“,
sagt Colombo.
Schnelligkeit istauf längereFrist auch
eine Lehrefür Forschung und Entwick-
lung. Die OECD kritisiert, dassnachder
Sars-Krisevon2003 dieForschung an ei-
nem Impfstoffeinges tellt wurde. „Eswar
bekannt, dassCoronaviren inTieren ein
Risikofür Menschen darstellen, dochdie
Forscher bekamen dieFinanzierung für
klinischeTestsnicht zusammen“, heißt
es. „Hätten wir einen Impfstoffgegen
Sarsentwickelt, könnten wir heute Co-
vid-19 vielleicht besser verstehen und
baldschon behandeln“,fügtColombohin-
zu. Die Entwicklung vonImpfstoffen
brauche zu vielZeit.Ein Impfstoff müsse
sieben Jahregetestetwerden, bis er zuge-
lassenwerde;inder erstenPhase derklini-
schenTestsliegedie Chance auf dieVer-
kaufsgenehmigung nur zwischen 12 bis
33 Prozent. Die Entwicklungkostehäufig
rund 700 Millionen Dollar.

Ein Mangel in der Bekämpfung der Co-
ronavirus-Krise sei auchdie geringeNut-
zunggroßerDatensätze.„DasGesundheit-
wesenliegtsehrweithinteranderenSekto-
renzurück, wenn es um die Entwicklung
einesharmonisierten Ansatzes der Daten-
regulierung,gemeinsamerStandards und
des Datenaustauschs geht“, meint die
OECD.Nurneun Länder (Finnland, Est-
land, Singapur,Israel, Dänemark, Öster-
reich, Kanada, die Slowakeiund Großbri-
tannien) erstellten brauchbarestandardi-
sierte Gesundheitsdaten auf nationaler
Ebene.Auch wenn das Thema sensibel
sei, dürften die Möglichkeiten elektroni-
scher Vernetzung und Beobachtunggera-
de in Pandemie-Zeiten nicht vonder
Hand gewiesenwerden. Stärkere Verbrei-
tung finde dagegen dieTele-Medizin, zu-
malsiegeradebeidrohenderVirenverbrei-
tung eine Alternativezum Arzt- oder
Kran kenhausbesuchdarstelle.InChina,Is-
rael undden Vereinigten Staaten würden
in den Krankenhäusernjetzt auc hzuneh-
mend Robotereingesetzt, „um den physi-
schen Kontakt auf dasNötigste zu begren-
zen“, berichtetdie Or ganisation. Sie wür-
den etwa bei der Essensauslieferung und
beim SterilisierenvonKrankenzimmern
zum Einsatzkommen.

RECHTUND STEUERN


Das Gesundheitssystem vonmorgen


In den Arbeitsagenturen häufen sichdie Anträgeauf Kurzarbeitergeld. Fotodpa

jch. FRANKFURT. In der Berliner Se-
natsverwaltung fürFinanzenrufen in
diesenTagenunentwegtUnternehmer
an. Siewollen wissen, wie sie Hilfein
der Corona-Krise erhalten.Vorallem
Selbständigefragennach, wassie ma-
chen können, wennEinnahmen alsFol-
ge der Pandemieweitgehend ausfallen.
Der Staat bietetals ein Gegenmittel die
StundungvonSteuerzahlungen,dieSen-
kung vonVorauszahlungenundVerbes-
serungen im Bereichder Vollstrec kung
an. Das Bundeswirtschaftsministerium
spricht dabeivonSteuerstundungen in
Milliardenhöhe als „Liquiditätshilfe für
Unternehmen“. DerStaat zielt damit
daraufab,das sUnternehmenzahlungs-
fähig bleiben.
Dafür müssen Selbständigeund Un-
ternehmer selbstaktiv werden. Der
Wegzur Steuerstundung führtüber das
jeweiligeFinanzamt,das dem Bundes-
land untersteht.MehrereLandesregie-
rungen haben schonvordem Maßnah-
menpaket vonBundesfinanzminister
Olaf Scholz (SPD)und Bundeswirt-
schaftsministerPeter Altmaier (CDU)
eigene Programme mitSteuerstundun-
genvorgestellt.Der Ratschlag ausFi-
nanzbehörden an diejenigen, die ihre
Steuerzahlungen senkenwollen, lautet,
sichdirekt ans eigeneFinanzamtzu
wenden und dorteine Stundung mit
Verweis auf eine Corona-Betroffenheit
zu beantragen.
Bayernhat voreiner Wocheden Weg
zu Steuerstundungenbereit et.„Wirha-
ben schon am Montag als erstes Land
ein leichtverständlichesAntragsformu-
lar online zum Abrufbereitgestellt“,
sagteder ba yerische FinanzministerAl-
bertFürac ker(CSU)der F.A.Z.„Die ers-
tenBetroffenen haben bereitsStundun-
generhalten. “Durch anfallendeSteuer-
zahlungendürfe sichdie kritische Lage
vonUnternehmen nicht verschlech-
tern.„Insolvenzen durch die Corona-
Pandemie müssen unbedingt vermie-
den werden“, sagteer.
Der Bundesregierung zufolgesollen
Finanzbehörden ohnestrengeAnforde-
rungen Steuerzahlungenstunden und
Vorauszahlungen schnell senken,wenn
Einkünfte in diesem Jahrvoraussicht-
lichzurückgehen. Dafürmüssendie Be-
trof fenen den Schaden nicht im Einzel-
nen nachweisen, jedenfalls gilt das
nicht als Grund, einen Antrag abzuleh-
nen.Besonderszubegründen sindaller-
dings Anträgeauf StundungvonSteu-
ern, die imkommenden Jahr oder spä-
terfällig werden, und auchAnträg eauf
Anpassung derVorauszahlungen, die
nur Zeiträume nachdiesem Jahr betref-
fen. Fürunmittelbar Betroffene der Co-
rona-Auswirkungen soll es zudem bis

Jahresende keine Kontopfändungen
und Säumniszuschlägegeben. Fürdie
Energiesteuer und Luftverkehrsteuer
soll dieZollverwaltung und für dieVer-
sicherungsteuer undUmsatzsteuer das
Bundeszentralamt fürSteuernebenso
verfahren. DenUnternehmenkönnten
die Stundungenetwas helfen, aber sie
dürftenkaumEinnahmerückgängeaus-
gleichen.
Vonden verschiedenen Möglichkei-
tenmachenSteuerpflichtigeregen Ge-
brauch, istaus dem hessischenFinanz-
ministerium zuhören. Dazu zählt eben-
falls die Möglichkeit fürUnternehmen,
den Gewerbesteuermessbetrag zurVor-
auszahlung zusenken. DerWegzur ra-
schen Hilfeführtüber das Elster-On-
line-Portal, das Programm zur elektro-
nischen Steuererklärungunterwww.els-
ter.de: Werdas verwendet, tragezur zü-
gigen Bearbeitung bei, wie HessensFi-
nanzministeriumrät. Hessen, Bayern
und andereLänderwollen Unterneh-
men zudem schongezahlteSondervo-
rauszahlungen der Umsatzsteuer auf
Antrag zurückerstatten.
Eines solltenUnternehmen und Bür-
gerjedochnicht machen,wenn siewei-
tere Fragen zu Steuerstundungen ha-
ben: persönlichimFinanzamt erschei-
nen. In derRegelsind die Behörden für
denPublikumsverkehrgeschlossen.Fra-
genbeantwortendie Finanzämter tele-
fonisch,per E-MailoderPost.VieleMit-
arbeiter derFinanzämter arbeitenvon
zu Hause aus. In Baden-Württemberg
sind nur diejenigenvorOrt,die für die
Funktiondes je weiligen Finanzamtser-
forderlic hsind. In Hessenwechseln
sichdie Mitarbeiter in einemrotieren-
den Verfahren mit ihrem Einsatz in der
Dienststelle und im Homeoffice ab.
Als Ratschlag an alle, die in diesen
Wochen vermehrtzuHause bleiben, ist
derzeit zu hören, dasssichdas ja gut
nutzen lasse, um dieSteuererklärung
abzuschickenoder zumindestvorzube-
reiten. DieFinanzämterhaben nun al-
lerdings viel mit Anträgen aufSteuer-
stundungenzutun,diesievorrangigbe-
arbeiten sollen. Dauertesdadurch län-
ger, bis die Behörden aufSteuererklä-
rungen reagierenkönnen –selbstwenn
diese nun bald abgegebenwerden? Für
Nord rhein-Westfalens Finanzministeri-
umsind dieFolgenfürdieBearbeitungs-
zeiten nochnicht absehbar.Baden-
Württembergrechne tmit Verzögerun-
gen, auc hweil die Belegschaftmomen-
tanausgedünntist.Bayernerwartet hin-
gegennur überschaubareAuswirkun-
gen.„Ic hrechnenicht miteinerwesent-
lichenVerlängerung der Bearbeitungs-
dauer bei denSteuererklärungen“, sag-
te FinanzministerFüracker.

Vorsicht vorder Kurzarbeit


Die Bundesregierunghat einigeNeuregelungen beschlossen, dieUnternehmen durch


dieCorona-Pandemie bringen sollen.Wasdavonhilft?VonVolkerRömermann


Verträge neu regeln


Dasdeutsche Zivilrecht istauf die derzeitigeKrise


nicht vorbereitet.Das musssichschnell ändern.


Mehr Forschung,


Überschussbetten,


Datenaus tauschund


Zugang fü ralle. Die


OECD zieht erste


Lehren ausderKrise.


VonChristian Schubert,


Paris


Aufdem schnellstenWeg


zurSteuerstundung


ErsteUnternehmenerhalten HilfeausMilliardentopf


Bettenauf
Intensivstationen

1) Oder jüngstes verfügbaresJahr. Quelle: OECD/Foto dpa/F.A.Z.-GrafikBrocker

je 100000 Einwohner 20201)

Intensivstation desProsper
Hospitals inReck ling hausen

Deutschland

34

Österreich

29

Vereinigte
Staaten

26

Frankreich

16

Kanada

13

England
(Teil Großbritanniens)

11

Spanien

10

Italien

9

Dänemark

8

Irland

5

SEITE 16·MITTWOCH,25. MÄRZ2020·NR.72 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

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