Frankfurter Allgemeine Zeitung - 25.03.2020

(Joyce) #1

SEITE N4·MITTWOCH,25. MÄRZ2020·NR.72 Forschung und Lehre FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Trotzintensiver Plagiatsaufarbei-
tung in der deutschen Wiss enschaft
werden weiterhin neue Rechtferti-
gungs strategien entworfen. Vonder
Behauptung, es sei allesweniger
schlimm,wenn nurTeile einerAr-
beit betroffensind, bis z um Verweis
auf dieKunstfreiheit,die schließlich
auchCollagenwie Samplesinder
Musik umfasse, sind sichTäter und
ihreVerteidi gerfür keine Entgeg-
nung zu schad e. Er folg habensie da-
mit vorden Verwaltungsgerichten
nicht .Plagiate über der Erheblich-
keitsschwelleverstoßen gegendie
Prüfungsordnung und erlauben den
Entzug einesDoktortitels sowie die
Ächtungdes Werkes.
Nunwirddagegen ein neues Argu-
mentvorgebracht,beidemPlagiate
als Fußnotenfehlerverharmlostund
zugleichmit der vermeintlichen Ori-
ginalität einesTextes verrechnet wer-
den. „Juristenund Wissenschaftler
sollten sichvon der öffentlichen Dis-
kussion nicht irremachen lassen“,
meint der BielefelderStaatsrechtler
AndreasFisahn in der „Neuen Juristi-
schenWochenschrift“ undfordert,
man solle daraufdrin gen, „dassder
Erkenntnisgewinn einer Arbeit bei
deren Bewertung mindestens ebenso
zu berücksichtigen istwie der Fußno-
tenapparat“. Letztendlichsei alles
eine Frageder Abwägung. Unddiese
Abwägung sei imFall der Darmstäd-
terSoziologin CorneliaKoppetsch
„ganz offensichtlichunterblieben“,
kritisiertFisahn, der bislang nicht
mit Expertisen zum ThemaWissen-
schaftsbetrug aufgefallenwar.
Nunwissenwir nicht,obdievonFi-
sahn verlangteAbwägung bei den
Verlagen, dieKoppetschs plagiatsbe-
haftete BüchervomMarkt genom-
menhaben, stattgefundenhat.Sicher-
lichbraucht esdafürjedochkeineAb-
wägung, da der behauptete Erkennt-
nisfortschritt einerVeröffentlichung
mit objektivfeststellbaren Plagiaten
nicht direktrzutunhat .DerAugsbur-
gerHochschullehrer Thomas Möllers
hat in seiner eindrucksvollen „Juristi-
schen Methodenlehre“genau darge-
legt, wann Abwägungen möglich
sind. Dazu brauche es eineKollision
vonRechtsprinzipienundeinenAb-
wägungsauftrag. An beidemfehlt es
hier:Weder istdasPlagiierenein Prin-
zip, das abwägungsfähig ist, noch
existier tanirgendeinerStelleimdeut-
schenRechtder Auftrag, dievonFi-
sahn vorgebrachten Punkte abzuwä-
gen.
Dassuns der Juristtrotzdem auf
diesenWegführen will, begründeter
damit,dass„dieAbwägungimEinzel-
fall das Brot der Juristerei“ sei. Das
Brot der Juristereiist freilichnicht
der einfachzue rlernendetechnische
Prozessder Abwägung an sich, son-
derndie sic hmühsam zu erarbeiten-
de Er kenntnis,wann und inwelcher
Weise abzuwägen ist. Das ist, wie
LarsKlenk jüngstinseinem preisge-
krönten Werk „Die Grenzen der
Grundfreiheiten“ nachgewiesenhat,
eine Fähigkeit, die selbstdem Euro-
päischen Gerichtshof oftnicht gege-
ben ist, der „seine inhaltlichenAus-
führungen mit Leerformeln durch-
setzt“. Diese Beschreibu ng passt
auchaufFisahnsAufsatz ,denderVer-
lag C. H. Beckvon vornhereinvor-
sichtshalber als „Kommentar“ titu-
lierthat und bei dem inzwischen,we-
genandererFehler,inderOnline-Ver-
sion ein Satz und eineFußnote „aus
redaktionellenGründen“ersatzlosge-
strichen werden mussten.
Einzigkönnteman Fisahn zugute-
halten, dasssichinden vielen Ge-
richtsentscheidungen der letzten Jah-
re ein einzelner Satzfindet, der sich,
aus demZusammenhanggerissen, in
eine ähnliche Argumentationsrich-
tung interpretieren lässt und der des-
halb auchvon den Anwälten der
SPD-PolitikerinFranziskaGiffeyher-
angezogenwurde.DasBundesverwal-
tungsgericht meint, dassdie Plagiats-
stellen „die Arbeitquantitativ,quali-
tativ oder in einer Gesamtschau bei-
der Möglichkeiten prägen“ müssten.
EinequantitativePrägung seizubeja-
hen,wenndieAnzahlderPlagiatsstel-
lenundderenAnteilander Arbeitan-
gesichts des Gesamtumfangs über-
handnehmen.
Das greiftFisahn aufund fa sstes
mit eigenen Worten zusammen:
„Nur wenn die Plagiate in der be-
rühmtenGesamtschau die Arbeit
quantitativ undqualitativ prägten,
so dass die Eigenleistungind en Hin-
tergrund tr ete, könne man einen Ti-
telaberkennen.“ Indesfindetsichwe-
der dievonFisahn beschriebeneKu-
mulationvonQuanti tätund Qualität
im Urteil noc hdas Merkmal, dass
„di eEigenleistunginden Hinter-
grund“ treten müsse. DerAutor
schiebtdem GerichtzweiAussagen
unter ,die es nichtgetätigt hat, und
stricktsoneueLegenden, dieRecht-
fertigungenfür Plagiatesind.Aufdie-
se Weisedokumentiert Fisahn an-
schaulich, wiewenigbelastbar Er-
kenntnisse sind,wenn man es mit
Quellen undBelegen nicht so ernst
nimmt. JOCHEN ZENTHÖFER

I


mzweiten Teil des „Faust“ wirft der
WeimarerFinanzministerGoethe ei-
nen frühen Blickindie virtuelle
Welt. Ihr Medium istdie Notenpres-
se, angeworfenvon Mephistopheles und
Faustmit demVersprechen, die maroden
Finanzendes Kaiserszusanieren. Der
ahntFrevel, ungeheurenTrug. Dochso
sehr’s ihn wundert,lässt er’s gelten. Bo-
denschätzesind der in Aussichtgestellte
Gegenwert,und so wirddem liebenden
Einsiedlerpaar Philemon und Baucislang-
samderBodenunterdenFüßenweggeg ra-
ben. Geldist für Goethe eine dynamische
und teils irrationale Gewalt.
Die Zentralbankenwollennun als Ant-
wort auf dasCoronavirusmassiv neues
Geld in die Märktepumpen. Die amerika-
nischeNotenbankhatdenKaufvonSchuld-
papierenvonUnternehmen imWertvon
bis zu einerBillio nEuroangekündigt. Die
EuropäischeZentralbankwillfür750Milli-
arden EurozusätzlichStaatsanleihenkau-
fen, wasdie an geschla gene Wirtscha ft und
die StaatsfinanzenetwaItaliens stabilisie-
rensoll. Allgemein beraten die europäi-
schen Zentralbankendarüber, wie sie
Staatsanleihen für privateInvestorenat-
traktiv haltenkönnen. Denn nachUnions-
rechtdürfensie da sGeld nicht direkt dem
Staat leihen, der damitstärkerindie Ab-
hängigkeit vonInvestore ngerät.
Es sind heutewieder Summen im Spiel,
wiemansieaus derFinanzkrisekennt.Da-
mit verschärft sichein spätestens seit der
Finanzkrise wahrgenommenes Problem:
der wachsendeAbstand zwischenReal-
und Finanzwirtschaft. Schon in denver-
gangenen zehn Jahren hatsichdie vonder
EuropäischenZentralbankgemesseneof-
fizielle Geldmengemehr al sverdoppelt,
ohnedassdie Wirtschaf timgleichen Zug
gewachsen wäre.Vielmehr hat sichdas
Verhältnis umgekehrt. Betrug dieglobale
Geldmenge1960 nochrund 51 Prozent
der Wirtschaftsleistung, sowarenes2018
schonrund 125 Prozent, mit steigender
Tendenz. DasÜbermaß der Geldmenge
istein Pfand auf die Zukunft. Es mussab-
gearbeitetwerden durch weiter eInvest i-
tionundProduktion,diegünstigenfallsna-
turfreundlichund klimaneutral sind.
DassdieGeldschöpfungeineuntergeord-
nete Rolle in derWirtschaftswissenschaft
spielt, wie der Ökonom MathiasBinswan-
gerkritisiert,hörtmanangesichtsihrergro-
ßenpolitischenundsozialenFolgenmitEr-
staunen.Indem Portal Soziopolisnehmen
sichjetzt die SozialwissenschaftlerFriedo
Karth, Carolin Müller undAaronSahr der
Geldschöpfungmit einer dreiteiligen Serie
an. Leitmotiv is tdie monetäre Souveräni-
tät: Hat derStaat nochdie Kontrolle über
die Geldmenge, die zu den Merkmalen sei-
ner Souveränitätgehört?
Fürdie Geldschöpfung braucht man
heute keine Notenpresse mehr. Es reicht
der Eintrag in derBilanz.Welche Risiken
damit einhergehen, wurde in derFinanz-

krise schmerzhaftdeutlich, die das Ergeb-
nis eines Handels mit leerenVersprechen
war, den toxischen Derivaten.Zurallge-
meinenÜberraschung erklärte dieWirt-
schaftswissenschaftdamals,die Rolle der
Bank kaum er forschtzuhaben, da sie im
neoklassischen Marktmodell, das Geld als
neutralenMittlerversteht,nureineNeben-
rolle spiele.
Geld,lautet die Annahme, istimmer da
und in erwünschter Menge.Faktischist
das richtig,wie die Autorenzeigen, denn
die Zentralbanken, die theoretischüber
das Monopol der Geldschöpfungverfü-
gen,habenkeinMandat,dasReal-Geldzu-
rückzuhalten,wenn Privatbanken esvon
ihrfordern.IllusionäristdamitdieAnnah-
me geworden, dieZentralbanken und der
Staat würden die Geldschöpfungweiter
kontrollieren und so lenken, dasssie in ei-
nem ausgewogenen Verhältnis zurReal-

wirtschaftsteht.Die Mengedes Bar gelds,
also desstaatlic hgeschaf fenen Geldes,
liegt in Deutschland heutebei neun Pro-
zent. Der Rest istvon Banken, also privat
geschaffenes Geld.
Das alles istkein Geheimnis, trotzdem
hat sichweithin die Ansichtgehalten, der
Staat habe die Geldschöpfung in der
Hand. AlsFacebook imvergangenen Jahr
mit der Privatwährung Libra zum Angriff
auf das staatliche Geldmonopol blies,ver-
sandt eOlaf Scholz einen entrüsteten
Tweet: „Die Herausgabe einerWährung
gehörtnicht in die Hände eines Privat-
unternehmens, denn sie istein Kernele-
mentstaatlicher Souveränität.“
Dem Finanzministerwar entgangen,
dassder überwiegendeTeil der Geld-
schöpfung längstinder Hand privater
Banken liegt. Mit diesem Irrtum steht er
nicht allein. Die Lehrbücher derWirt-

schaftswissenschaft en,sodieAutoren ,ha-
ben den Souveränitätsverlustder Staaten
über die Geldschöpfung erst teilweise
nachvollzogen. Souveränwärensie, wenn
jede Kreditvergabe durch Zentralbank-
geldgedeckt wäre,wasdenAutorenzufol-
ge der Realität nicht entspricht.
Eine besondere Situationbesteht in der
Eurozone,inder die Mitglieds taaten ver-
traglic hzum Verzicht auf eigene Geld-
schöpfungverpflichtet sind.Die Staaten
müssen ihreZahlungsfähigkeit übe rden
Privatmarkt sicherstellen,erstimzweiten
Schritt darfdie je weiligeZentralbankdie
Schuldenvonden In vestoren aufkaufen.
Die Kompetenzzueigener Geldschöpfung
hat sie nicht.ImNormalbetrieb istdas un-
problematisch,weil Staaten als sichere
SchuldnergeltenundihreAnleihenausrei-
chendnachgefragtwerden.Griechenland
bracht ediese Regelungdagegen in der
Euro-Krise an denRand der Insolvenz,
wasnur durchdie Schaffung einesRet-
tungss chirms abgewendetwerdenkonnte
–jenseits demokratischer Verfahren.
Die vonOlaf Scholzreklamiertegeld-
politischeSouveränität istalso auch im
europäischen Maßstabeine Fiktion. Das
mag sein Gutes haben,verbietetesden
Staaten docheine maßloseSchuldenwirt-
schaf tüber dieDruckerpresse. DenAuto-
rennachhat es aber auchden Nachteil,
dasssie bei InvestitionenüberdasSteuer-
Budgethinaus zunächstder Profit-Logik
des Marktesgehorchen müssen und dass
einekleine Gruppevon Kapitaleigen-
tümer ndurch die privatwirtschaftliche
Geldschöpfung überproportional be-
lohnt werde. Mit dem Coronaviruszeich-
netsichjetzt eineWiederholung der
Euro-Krisen-Erfahrung ab: dassstaat-
liche Anleihen bestimmterLänder für
den Privatmarkt nicht mehr attraktiv
sind, dieseLänder aber nicht aus eigener
Kraftfür ihr eSolvenz sor genkönnen.
Wirfahren auf Sicht, lautetedie Ant-
wort der Bundesregierung auf dieFinanz-
krise. Damalswurde an denParlamenten
vorbei ein Schutzsystem aufgebaut, das
politischkeinesfallseine neutraleRolle
spielt. Zentraler Akteur istdie Europäi-
sche Zentralbank,die mit dem massiven
Aufkauf vonStaatsanleihen(bisher2,6Bil-
lionenEuro) und ihrer Niedrigzinspolitik
ihr Mandat überdehnt und eine (wirt-
schafts-)politischeFunktion übernimmt.
So basiert die Geldpolitik der Europäi-
schenUnion auf einerverstecktenUm-
schuldungdurch demokratischnichtlegiti-
mierte Akteureanstelle eines transparen-
tenund geordne tenSystems. Das bewirkt
einen deutlichenVerlustanpolitischer
Souveränität und demokratischer Legiti-
mität für die Mitgliedstaaten, mit den be-
kannten Nebenwirkungen: Verlustvon
Sparguthaben, Immobilienkrise, Parla-
mentarismuskritik,EU-Kritik.
Mit derFinanzkrise istdie Be wegung
der Vollgeldreformer entstanden, die das
MonopolaufGeldschöpfung wiederindie
Hände des Staates legen will. Ob auf diese
WeisederunvorhersehbareundflexibleFi-
nanzbedarfinkapitalistischenWirtschaf-
tengedecktwerden kann, mag man be-
zweifeln.Die Alternative zur privaten
Geldschöpfungwär eeine Stärkung der
Zentralbankenund derRegierungen bei
der Geldschöpfung, aber auchhier stellt
sichdie Frage, ob diese Entscheidung zen-
tralisiertwerden sollte. DieForderung der
Autorennach einer offenen Debatteist je-
denfalls berechtigt,wenn Geldpolitik
nicht im Krisenreaktionsmodus betrieben
werden soll. THOMAS THIEL

DieNovellierungdesWissenschaftszeit-
vertragsgesetzesvon 2016 sollte Aus-
wüchse einerrechtlichenAusnahmestel-
lung beseitigen, die mittlerweile für
rund 180 000 wissenschaftlicheMitar-
beiter an den deutschen Hochschulen
gilt und die zu einerFlut vonbefris te-
tenVerträgengeführthatte. Das Ziel
der Novelle warnie, Befristungengene-
rell abzuschaffen. Siesolltenaber durch
die Bindung an Qualifikationsziele be-
grenzt werden.
Sind die Ziele derNovellierung des
Gesetzes erreicht worden? Das Bundes-
wissenschaftsministerium will sichmit
der Beantwortung dieserFragebis 2022
Zeit lassen. Erst dann sollen Ergebnisse
einer vomMinisterium ausgeschriebe-
nen Evaluationvorliegen. Die Bildungs-
gewerkschaf tGEW hat allerdings eben-
falls eine solche Evaluation inAuftrag
gegeben,derenBefundeschon jetztklar-
stellen, dassdie gewünschteWirkung
der Novellierung bestenfalls marginal
ausfällt.Das wir ddie Hochschulenver-
mutlichfreuen, aberwasbedeutet es für
die Betroffenen?
Nahezu alle wissenschaftlichen Arbei-
teraneiner deutschen Hochschule ha-
bennureinenbefristetenVertrag .Dasei-
gentliche Problem sind aber die Laufzei-
tendieser Verträge und derUmstand,
dasssie mit Qualifizierungsvorhaben
wiederPromotionimmerwenigerzutun
haben.Die vonFreya Gassmann durch-
geführte Studie kommt zu dem Ergebnis,
dassdie durchschnittlicheVertragslauf-
zeit wissenschaftlicher Mitarbeitervor
der Novelle bei 24 Monaten lag und da-

nachbei 28 Monaten. Eine statistischsi-
gnifikante, aber insgesamt sehrbeschei-
dene Verbesserung.
Zu einemähnlichen Er gebnis gelangte
kürzlichdie Doktoranden-StudieNacaps
durch direkt eBefragungder Betroffenen
(F.A.Z.vom11. März). Demzufolgela-
gendieVertragslaufzeitenvonDoktoran-
denbeidurchschnittlich27Monaten. Al-
lerdingswies dieStudieauchviele auf
wenigeMonatebefris tete Verträgenach.
Bedenkt man,dassdas Hauptziel des
neuen Gesetzes die Eindämmung un-
sachgemäßerKurzbefristungen ist, muss
man wie die GEW zu demUrteil kom-
men, dassesgeschei tertist.
Nundürfteesunstrittig sein, dassBe-
fristungen an sichfür die Hochschulen
unverzichtbar sind.Aber warumdie
kleinlicheStückelung aufwenige Mona-
te?Selbst wenn man davonausgeht, dass
ein befristete rVertrag einen motivieren-
den Effekt auf einen Doktoranden haben
dürfte, so bleibtfestzuhalten,dassdie
Kurzverträge mitformaler Qualifizie-
rung immerwenigerzutun. Dabei istdie
Bindung derStelle an eine solcheforma-
le Qualifizierungschließlich das einzige
Kriterium,das die Befristung erlaubt.
Möglichmacht dasdie beliebigeDefiniti-
on vonQualifizierun gimGesetz. So
ziemlichjedeTätigkeitanderUniversität
könne als Qualifizierungsmaßnahme
durchgehen, klagt die GEW.Mitarbeitan
Forschungsprojekten sowieso,aber auch
die Lehre, Projektmanagementoderein-
fach Mitarbeiterführung gelten als wis-
senschaftlicheKompe tenzen.
Der Zusammenhang zwischen einer
Anstellung als wissenschaftlicherMitar-

beiter und einer akademischenKarrie-
re wirdimmer schwächer.Schließlich
istdie Abkopplung der wissenschaftli-
chen Beschäftigungvonder Promotion
eine der erstaunlichst en Entwicklungen
der vergangenen 25 Jahre an denUni-
versitäten. Gab es 1994 nochjährlich
22 000 Promotionen bei 80 000 wissen-
schaftlichen Mitarbeitern, so sindes
heuterund 27 000 Promotionen bei
180 000 Mitarbeitern. Da ein Großteil
der wissenschaftlichen Mitarbeiter die
Wissenschaftohnehinverlässt,geht es
für diesetemporärenWissenschaftler
eigentlichnur noc hdarum, sichfüreine
nichtwissenschatlicheKarrierezuquali-
fizieren.Welche Kompetenzenauchim-
mer dafür nützlich sind: Wissenschaft-
lichkann man sie jedenfalls nicht ein-
grenzen. „Eswäre damit zu diskutie-
ren“, resümiertdieGEW-Studie, „inwie-
weit die Rechtfertigung der Anwen-
dung eines Sonderbefristungsgesetzes
vertretbar ist,wenn innerhalb der Be-
fristung nicht vornehmlichformale
Qualifizierungen erworben werden.“
Die GEW-Studie zieht daraus den
Schluss, dassesmit der Besonderheit
der wissenschaftlichen Anstellung nicht
mehr viel auf sich hat: Einegroße Zahl
der wissenschaftlichen Mitarbeiter seien
„normale Erwerbsarbeiter geworden“,
die in erster Linie „Dienstleistungen in
Lehreund Forschungsprojekten“ er-
brächten. Das einzigBesonderescheint
nochihreausgeprägte „normativeBin-
dung an die InstitutionUniversität“ zu
sein, wassie besondersanfällig mache
für die Bereitschaft, Mehrarbeitzul eis-
ten. GERAL DWAGNER

Achtung,


Fußnot e!


Neue Rechtfertigungen


für Plagiate


PersönlicheDaten müssen nachder Ver-
arbeitunggelöschtwerden. DiesesMan-
trades Datenschutzes habendie mei sten
inzwischenverinnerlicht.Allerdingsmüs-
sen persönliche Informationen inman-
chen Fällen auch dauerhaftgespeichert
werden, wenn sie übergeordneten Z we-
cken wie derWissenschaftoder den Ar-
chiven dienen. Hier giltes, die Interessen
abzuwägen.Wasbisher zum Leidwesen
der Archivenicht ausreichendgeschieht.
So klagt das Bundesarchiv,dassetwa
Einwohnermelde- und Migrationsdaten
gelöscht würden, anstatt dem Archiv an-
gebotenzuwerden. Dabei erlaubt das
Bundesdatenschutzgesetz ausdrücklich
die Weiter gabe vonsensiblen Informatio-
nenzu Archivzwecken.Undfür nicht sen-
siblePersonendatenergibt sichdieBefug-
nis, sie zu Archivzweckenzuspeichern,
unmittelbar aus der behördlichen Pflicht
zur rechtskonformenAufgabenerfüllung.
Die Pflicht der Archive, Daten aufzube-
wahren, wirdalso nicht durch eine daten-
schutzrechtliche Löschpflicht aufgelöst.
ÖffentlicheStellen müssen archivalisch
bedeutsameUnterlagenalsoweiterandie
Archiveweiter geben.
Das gilt nicht für Daten, die einer
Löschpflicht unterliegen.Werden persön-
liche Daten aber für das „kollektiveGe-
dächtnis“ benötigt, dann müssen sie den
Archiven angebotenwerden. Das istnach
derAnordnungderDatenschutzgrundver-
ordnunggrundsätzlichgestattet. Körperli-
ches Archivgut istfür die Behörde nach
derAbgabe andasArchivgelöscht. Digita-
les Ar chivgut mussdie abgebendeStelle
dagegen nachder Abgabe in derRegellö-

schen,weil für sie selbstkein Archivie-
rungsauftrag besteht.Damit istder Wille
des europäischen und deutschen „Daten-
schutz-Gesetzgebers“ für Archiveformu-
lier t:„ImZweifelfürdieErinnerung.“Da-
tendürfenfür Ar chivzwecke grundsätz-
lichgespeichertwerden,wenn sietech-
nischund or ganisatorischgegen Miss-
brauc hgeschützt sind.
Leider istdie Rechtslage zwischen Ar-
chiv-und Datenschutzrechtkomple xer,
weilsic haus einerVielzahlbereichsspezi-
fischer Gesetze spezielle Löschgebote er-
geben. Nach dem Soldatengesetz müssen
beispielsweise für Militärarchivebedeut-
sameDaten vonSoldaten, beispielsweise
über deren privateWohnsitze,gelöscht
werden, da sie aufgrund besondererAn-
ordnungvonMeldebehörden übermittelt
worden sind.Füranbietende Behörden
istdiese Kleinteiligkeit des Datenschutz-
rechts im Fachrechteine Zumutung. Im
Zweifel löscht man dann einfach.Für die
Archiveist das misslich.Undesstellt den
WillendesGesetzgebersder Datenschutz-
grundverordnung–bezogen auf Archiv-
zwec ke –auf denKopf: „Im Zweifel für
das Vergessen“, heißt es nun praktisch.
Es is talso nochnicht gelungen, Klar-
heitundSicherheitindas Di ckicht deseu-
ropäischen Datenschutzrechts zu brin-
gen. Eine Vielzahlvonspeziellen Lösch-
vorschriften dürftenochnicht dem neu-
en Datenschutzrechtangepasst sein –
weshalb es sich nochnicht entfalten
kann. ROLF SCHWARTMANN

DerAutoristProfessorfür Medienrecht
an der THKöln.

Kein Gegenwertmehr zur
frei flottierenden Geldmenge:
das Münzgeld
Foto Getty

Erinnern, vergessen?


DerDatenschutzstelltArchivevor Probleme


Die stillenRegentendes Geldes


Kurzarbeiter der Wissenschaft


Studie:Gesetzesnovelle verlänger tVertragslaufzeiten nurgeringfügig


In der Krise werden


Milli arden aus dem


Nichtsgeschaffen.


Werprofitier tvonder


Gelds chöpfung,und hat


der Staatsienochinder


Hand? Drei Soziologen


haken nach.

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