Der Standard - 21.03.2020

(Ron) #1

K 6 | SA./SO., 2 1./ 22 .MÄRZ 202 0DBildung & Karriere ERSTANDARDWOCHENENDE


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J


etzt zeigt sich, was atmo-
sphärisch wirklich los ist
in Organisationen. Alle
stehen unter enormem Druck
–sooder so. Es ist wie Baden
bei Ebbe, wenn nicht mehr
nur der Kopf aus dem Wasser
ragt, sondern das Badekostüm
sichtbar wird–oder eben die
Nacktheit.
Die technische Infrastruktur
für die aktuelle Krisenarbeit
kann noch so State of the Art
sein: Wenn Führungs- und
Unternehmenskultur bis jetzt
de facto aus Ignoranz, Abwer-
tung, Konkurrenz und Effi-
zienzhammer zusammenge-
setzt waren, dann werden die
Leute weder im Homeoffice
noch physisch am Betriebsort
wirklich mithelfen und sicher
nicht an die Grenzen gehen,
um das Gemeinsame, die Fir-
ma, zu erhalten.
Wenn technisch alles hol-
pert, aber das Gefühl des
Kümmerns da ist, wenn bis
jetzt die Arbeit okay war und
das Miteinander ehrlich und
fair, dann entsteht gerade ein
neues Mindset: Alle fühlen
sich verantwortlich und ren-
nen unzählige Extrameilen,
damit es von Tag zu Tag best-
möglich klappt.
Dort gewinnen auch gerade
die Führungskräfte, die sich
das nehmen, was gerade kaum
da ist–Zeit. Die immer wieder
fragen, auf ihre Leute aktiv zu-
gehen und die sich für das Be-
finden wirklich interessieren
statt floskelhaft das Zauber-
wort „danke sehr“ in die Räu-
me zu streuen. Die klassische
Gralsfrage „Wie geht es dir?“
braucht Zeit, um beantwortet
zu werden. Es geht um Reso-
nanz. Da kommen dann aber
die vielen Ängste, Besorgnisse
und elementaren Wegweiser
für die Organisation zutage.
Wer sich jetzt den Vorge-
setzten und Kollegen auf die
Gralsfrage lediglich zu antwor-
ten getraut, „Alles gut, danke
schön“, hat wohl gut gelernt,
sein Ich zu Hause zu lassen
und dem Arbeitgeber aus gu-
ten Gründen ein schablonen-
haftes Job-Ich zu liefern. Um-
gekehrt ist dann aber ganz si-
cher nicht zu erwarten, dass
das Job-Ich aus „normalen“
Zeiten in der Krise zur loyalen
Hochperformance aufläuft,
sondern das Heil verständli-
cherweise im Selbstschutz
sucht und sich abwendet.


Wiegehtesdir


wirklich?


PERSONAL MOVES


Die Kolumne
von KarinBauer

H


austiere machen uns fröhlich, wenn wir
mit ihnen spielen. Sie lenken uns ab, wenn
wir traurig sind. Tiere haben eine positive
Wirkung auf uns Menschen, das ha-
ben auch Studien belegt. Durch das
Streicheln und die Aufmerksamkeit,
die wir ihnen beim Spielen widmen,
kommen wir auf andere Gedanken,
und unsere Laune verbessert sich.
Kranken Menschen tut der Kon-
takt zu Tieren besonders gut. Ihre
Schmerzen können gelindert werden, und sie ver-
gessen für einen Moment ihre Krankheit. Tiere ge-
ben den Patienten Mut, bauen Stress und Ängste
ab. Es gibt sogar Aufzeichnungen der alten Römer,
dass verletzte Soldaten von Pferden getröstet wur-
den. Auch Mönche im 18. Jahrhundert setzten an-

geblich schon bei der Behandlung von seelisch
kranken Menschen auf tierische Unterstützung.
Und heutzutage sind Tiere als Besuchshunde in
Altersheimen und Schulen oder als Helfer kran-
ker und behinderter Menschen im Einsatz. Wäh-
rend gesunde Menschen oft Hemmungen haben,
mit behinderten Menschen Kontakt aufzuneh-
men, kennen Tiere diese Vorbehalte nicht.

Hunde sind eine große Hilfe
Besonders Hunde können eine konkrete Unter-
stützung im Alltag bieten. Am bekanntesten ist die
„Arbeit“ des Blindenführhunds. Da-
mit ein Hund als Therapiehund ar-
beiten kann, braucht er eine speziel-
le Ausbildung. Dann kann er seinen
Besitzer sicher über die Straße brin-
gen und ihm dabei helfen, Hindernis-
sen auszuweichen. Der Hund macht
seinen Besitzer damit auch unab-
hängiger von der Hilfe anderer. Das steigert auch
das Selbstwertgefühl, weil Dinge eigenständiger
erledigt werden können.
Die nächsteÖ1-KinderuniamDonn erstag um 16.40Uhr widmet
sich dem Thema „Seit wanngibtesFake-News?“.
phttp://oe1.orf.at; http://www.kinderuni.at

Warum unsTiereguttun


Stefanie Leschnik

Sie bringen uns zum Lachen oder
trösten uns,wennwir traurig sind.
Tierehaben eine heilsameWirkung
auf unsMenschen.

Das Smartphone istder perfekte Spion in derTasche.
DerAutor eines aktuell erschienenen Buches zu dem
Themastellt dieFrage,welche DatengegenCorona
verwendetwerdensollen.

an denen man sich je bewegt hat,
wenn das Handy dabei war und
Ortungsdienste nicht abgedreht
waren, was offenbardie wenigsten
Menschenmachen. Alsbesonde-
res Service schickt Google seinen
Benutzern die monatliche Zusam-
menfassungper Mail zu: Schau!
Vergangenen Monat waren wir
hier auf Urlaubsreise! DieseBilder
haben wir gemacht! Wer würde
diesesServicenichtals Bereiche-
rung des Alltags empfinden.
All diese geografischen Daten
landen in einem „Sensorvault“ ge-
tauften System in Googles Rech-
nerfarmen –für immer gespei-
chert und nicht nur für zwei Jah-
re, wie bei der gekippten Vorrats-
speicherung. Die Zustimmung
seiner Benutzer erlaubt Google,
unermüdlich alle diese Daten auf-
zusaugen–eine Zustimmung, die
Handykunden bei der Vorrats-
datensammlung freiwillig nie ge-
geben hätten. Dabei stimmen die
Benutzer auch dem Weiterverkauf
dieserDatenzu:UmeineAppoder
Website verwenden zu können,
geben wir laufend unser Okay zu
seitenweisen Verträgen, ohne sie
je gelesen oder gar verstanden zu
haben. Der Handel mit Location-
Daten aus mittlerweile fünf Mil-
liarden Handys weltweit ist das
lukrative Geschäft dutzender Fir-
men, von denen wir noch nie ge-
hört haben.

D


iese Daten könnten in der
aktuellen Situation im Sin-
ne des Vorschlags der Epi-
demiologen zur Eindämmung ge-
nutzt werden, vorausgesetzt wir
wären bereit, den Schutz unserer
Privatsphäre vorübergehend auf-

W


owarenSieindenbeiden
letzten Wochen, wen al-
les haben Sie getroffen?
Den Weg der Corona-Infektionen
nachzuzeichnen und potenziell
Betroffene in Quarantäne zu schi-
cken ist das wichtigste Instrument
vonEpidemiologen,umdierasche
Ausbreitung einzudämmen. Die
Rekonstruktion aus dem Gedächt-
nis ist langwierig und höchst lü-
ckenhaft, darum haben Wissen-
schafter des Berliner Robert-
Koch-Instituts vor zwei Wochen
die Diskussion darüber eröffnet,
ob dies mit den Bewegungsdaten
von Handys erfolgen soll. Israel ist
vor wenigen Tagen gleich zum
entschlossenen Handeln überge-
gangen und zeichnet diese Spur
mit Handydaten nach.
Denn das Smartphone ist der
perfekte Spion in IhrerTasche,
und niemand weiß das besser als
militärische Geheimdienste, die
diese Daten seit langem zur Verfol-
gung von Terrornetzwerken nut-
zen. Zu wissen, wo sich ein Handy
befindet, gehörtzur DNA des Mo-
bilfunks:ohneStandort,keineVer-
bindungzurjeweiligenMobilfunk-
zelle. Mobilfunkbetreiber spei-
cherndiese Daten zur Rechnungs-
legung für drei bis sechsMonate,
was für die Auswertung im aktuel-
len Krisenfall ausreichend ist.
Jedoch wären die Daten eines
einzelnen Betreibers unvollstän-
dig –denn Kontakte gibt es nicht
nur zwischen Menschen, die das-
selbe Netz benutzen. Und zahlrei-
che Apps und Services am Smart-
phone zeichnen den Standort
ihrer Nutzer (netzübergreifend)
auf, allen voran Google und Face-
book. Erst wenn alle Schichten an
Daten verschiedenerQuellen
übereinandergelegt werden, kann
der potenzielle Ausbreitungsweg
verfolgt werden. Über dieses
Know-how verfügen wenige Ge-
heimdienste, Security-Anbieter

im Halbdunkel des „Sicherheits-
komplexes“ und Firmen, die welt-
weiten Datenhandel für kommer-
zielle Zwecke betreiben. Es fehlt
jedoch bei zivilen Agenturen, al-
lenvorandemEuropeanCentrefor
Disease Prevention and Control
(ECDC), das derzeit gefordert ist.

I


nder EU wurde die zum
Schutz vor Terror und Krimi-
nalität gedachte „Vorrats-
datenspeicherung“ nach erheb-
lichen Protesten und Klagen vom
Europäischen Gerichtshof (EuGH)
schließlich aufgehoben. Umso er-
staunlicher, dass Google seinen
Sammeleifer ungestört weiterbe-
treiben und ausbauen konnte. Da-
bei speichert Google nicht nur
die Bewegungsdaten seiner Be-
nutzer, sondern eine Unzahl zu-
sätzlicher Informationen, die weit
über die Vorratsdatenspeicherung
hinausgeht. Je nachdem, welche
weiteren Google-Angebote be-
nutzt werden, wächst das indivi-
duelle Datenprofil in den un-
ermesslichen Tiefen von Googles
Datenspeichern.
Die beste Tarnung ist offenbar
Sichtbarkeitvor aller Augen, denn
die Sammelaktivität von Google
passiert nicht heimlich.Seit 2009
bietet der Onlinedienst seinen Be-
nutzerntreuherzigjederzeit den
Blickaufderen„LocationHistory“:
Die Zusammenfassung aller Orte,

zuheben. Anonym oder freiwillig
wärensolcheAktionenlückenhaft
und sinnlos. Zweifelsohne ein
schwerer Eingriff in Grundrechte
–auf einer Stufe jedoch mit der
Beschränkung demokratischer
Grundrechte wie Versammlungs-,
Bewegungs- und Erwerbsfreiheit.
Zu diesem Schritt hat Österreich
wie viele EU-Mitglieder gegriffen:
Warum dann auf ein weiteres
Werkzeug zum Kampf gegen die
Pandemie verzichten?

L


eichtfertig und nur durch
einen Regierungsbeschluss
wie in Israel sollte dies nicht
geschehen. Epidemiegesetze und
das am vergangenen Sonntag in
einer Sondersitzung beschlossene
Covid-19-Gesetz zeigen einen
gangbaren Weg: mit einer qualifi-
zierten parlamentarischen Mehr-
heit, zeitlich befristet, mit einem
Verwertungsverbot für „Zufalls-
funde“ (wie die Steuerhinterzie-
hung bei der Haushaltshilfe) und
unter Aufsicht von Gerichten und
Nationalrat. Für diese Epidemie
wird dies technisch wie politisch
nicht mehr gelingen—aber der
nächste Anlass kommt bestimmt.

HELMUT SPUDICH ist freier Autor
und Journalist. Er war zuletzt Kommuni-
kationschef von T-Mobile Austria und
langjähriges Mitglied der Redaktion des
STANDARD.
Mit Bezug auf die aktuelle Diskussion ist
dieser Beitrag dem soeben erschienenen
Buch „Der Spion in meiner Tasche: Was das
Handy mit uns macht und wie wir es trotz-
dem benutzen können“ entnommen. Auf-
grund der Corona-Sperren derzeit nur im
Onlinehandel, auch als E- und Audio-Buch
erhältlich.

Foto: GoodLifeStudio

Spionegegen Corona rekrutieren?


GASTBEITRAG:Helmut Spudich

Google und Facebook
zeichnen den Standort der
Nutzer auf. Die individuellen
Datenprofile wachsen in die
unendlichen Speicher der
Konzerne. Und dann?
Foto: Getty Images

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