München– Basil Bustami ist Hausarzt im
Lehel. Seit drei Wochen ist er nach seiner
Sprechstunde aber fast nur noch unter-
wegs, um Abstriche bei Corona-Verdachts-
fällen zu machen. Der 54-jährige vierfa-
che Vater wechselt im Halbstundentakt
von der Schutz- zur Zivilkleidung und ist
für seine Patienten viel mehr als nur ein
medizinischer Ansprechpartner.
SZ: Was beschäftigt die Menschen, die Sie
besuchen, denn am meisten?
Basil Bustami: Natürlich die Frage, ob sie
sich infiziert haben. Aber viele sind auch
durch wirre Gerüchte sehr verunsichert.
Dass etwa Essen rationiert wird oder sol-
cher Quatsch. Die Leute kriegen schlim-
me Falschmeldungen mit. Gerade ältere
Menschen kriegen dann Angst.
Also kommen Sie nicht nur als Arzt, son-
dern auch als beruhigender Berater.
Ja, das bin ich als Hausarzt ja schon auch
in normalen Zeiten. Viele Patienten sind al-
leine – und da ist für manchen der Haus-
arzt fast der wichtigste soziale Kontakt.
Sie sind vormittags in der Praxis und im
Anschluss oft bei Hausbesuchen. Das
sind derzeit nur Corona-Verdachtsfälle?
Ja. Natürlich gibt es auch noch akute ande-
re Patienten mit hohem Blutdruck oder
Herzbeschwerden. Aber die Zentrale der
KV(Kassenärztliche Vereinigung, Anm. d.
Red.)versucht, alles, was nicht ganz drin-
gend ist, in die Notfallpraxen zu lenken, so-
dass wir im Fahrdienst möglichst viele Ab-
striche machen können.
Wie viele sind das dann in einer Schicht?
Also am Mittwoch war ich von 14 bis 22
Uhr unterwegs, man schafft etwa zwei
Hausbesuche pro Stunde. Und weil es
auch mal pro Haushalt mehrere Abstriche
sind, komme ich in acht Stunden so auf et-
wa 30. Das Stadtgebiet ist in vier Bereiche
aufgeteilt, in jedem sind zwei Fahrdienste
unterwegs, derzeit auch mal drei. Je mehr
Abstriche wir schaffen, desto besser, klar.
Warum?
Es geht nicht nur um die Patienten, son-
dern auch um eine belastbare Statistik.
Wir tragen dazu bei, dass am Ende politi-
sche Entscheidungen getroffen werden
können. Nur durch möglichst viele Proben
erfährt man, was draußen wirklich los ist
in den verschiedenen Stadtvierteln.
Wie läuft so ein Hausbesuch ab?
Wenn jemand bei der Hotline angerufen
hat und mit einem Infizierten Kontakt
hatte, oder aus einem Hochrisikogebiet
kommt, oder selbst extreme Symptome
aufweist wie hohes Fieber über 39 Grad
und Atemnot, dann kommt er auf die Lis-
te. Dann kann es aber schon noch ein biss-
chen dauern, bis jemand vorbeikommt.
Wie lange?
Maximal ein oder zwei Tage derzeit. Wenn
ich dann bei einem Patienten bin, ziehe
ich den Schutzanzug an und mache den
Abstrich. Dafür nimmt man einem langen
Spatel, an dessen Ende ein Wattebausch
ist, und streicht damit über den Gaumen.
Anschließend kommt der Spatel in ein ver-
schließbares Röhrchen und in eine Tüte,
die zusammen mit einem Papier mit den
Personendaten in einen weiteren Beutel
kommt und am Ende des Tages ins Labor
gefahren wird. Ich lasse beim Verlassen
der Wohnung das ganze Schutzmaterial in
einer speziellen Tüte da, die erst einmal
beim Patienten bleibt. Dann gehe ich aus
der Wohnung raus, ziehe die Schutzaus-
rüstung aus und lege sie auf den Boden.
Der Patient holt sie später in die Woh-
nung, steckt sie in die Spezialtüte und war-
tet auf das Ergebnis.
Wohin soll diese Tüte dann?
Wichtig ist, dass die Tüte nicht frisch in
den Hausmüll kommt. Nach zwei Wochen
geht das dann schon.
Dann fahren Sie weiter.
Vorher wird alles noch einmal desinfi-
ziert, die Tasche, man selbst.
Werden Sie nicht verrückt, wenn Sie das
acht Stunden so machen?
Das ist schon belastend für die Nerven.
Denn eigentlich ist es ja wunderbar gera-
de, Sonne, Frühling, der Sommer kommt.
Da will man diese Situation auch ausblen-
den. Das muss ich auch, sonst komme ich
mit der Situation nicht zurecht. Aber man
muss sich eben auch immer wieder diszi-
plinieren und sich ans Protokoll halten.
Wenn Sie durch die Innenstadt fahren,
treffen Sie derzeit noch einige Menschen,
die den Frühling draußen genießen.
Ich wundere mich schon, gerade bei der
jüngeren Bevölkerung scheint das noch
nicht richtig angekommen zu sein. Die
sitzen da noch zu Hunderten an der Isar,
zumindest am Mittwoch war das noch so.
Aber jetzt muss man eben vernünftig sein.
Wenn einer alleine im Wald ist oder allei-
ne auf der Wiese sitzt – von mir aus. Aber
eben nicht in Massen wie an der Isar oder
am Wörthsee, wo ich wohne.
Sprechen Sie die Menschen darauf an?
Habe ich schon gemacht. Aber man wird
da als Miesepeter wahrgenommen. Nach
dem Motto: Was für eine Spaßbremse.
Welches Argument zieht denn am bes-
ten?
Ganz einfach der Satz: Denken Sie an Ihre
Eltern und an Ihre Großeltern. In einer so-
zialen Gesellschaft müssen alle an alle den-
ken. Gerade jetzt, nach Trump und sei-
nem America first, da müssen wir doch de-
monstrieren, dass wir Europäer anders
sind.
Sie sind seit Wochen so im Einsatz. Wie
fühlt man sich da? Wie in einem Tunnel?
Ja, man arbeitet das einfach nur noch ab.
Anders geht das gar nicht, wenn man zu
Beginn der Schicht gleich mal 26 Aufträge
aufs Handy geschickt bekommt. Immer-
hin ist schon weniger los und man be-
kommt überall Parkplätze. Ich will auch
nicht dauernd über das Thema nachden-
ken und mir schlimme Szenarien ausden-
ken. Ich hoffe, dass wir die Kurve kriegen
und es gar nicht so schlimm wird. Man
darf mir dann gerne vorwerfen, dass wir
viel zu kritisch waren. Damit kann ich gut
leben.
Was sagen Ihre Kinder zu Papas Dauerein-
satz? Lass es, du begibst dich in Gefahr?
Ja. Alle meine vier Töchter sagen das. Aber
es ist in der Hausärzteschaft auch so: Wir
sind stark überaltert, und viele Kollegen
sind schon über 60. Die sollen solche Fahr-
ten natürlich erst recht nicht machen.
interview: philipp crone
Oberammergau – Die Passionsspiele
Oberammergau müssen wegen der Coro-
na-Pandemie auf das Jahr 2022 verscho-
ben werde. Das entschied der Gemeinde-
rat Oberammergau am Mittwochabend in
Absprache mit der Passionsspielleitung.
Dem vorausgegangen war eine Entschei-
dung des Landratsamts Garmisch-Parten-
kirchen und des Gesundheitsamts, die ei-
ne Absage der Spiele 2020 aufgrund des In-
fektionsschutzgesetzes veranlassten.
In der Meldung heißt es: „Das Gesund-
heitsamt hat eine Risikoeinschätzung vor-
genommen. Hiernach ist eine Durchfüh-
rung der Passion bis in den Herbst hinein
nicht möglich.“ Auch wenn davon auszuge-
hen sei, dass die Beschränkungen des öf-
fentlichen Lebens bis dahin wieder zurück-
gefahren werden könnten, bleibe ein Risi-
ko: „Es ist zu dem jetzigen Zeitpunkt schon
eindeutig vorherzusagen, dass eine Veran-
staltung in der Größenordnung der Passi-
onsspiele nicht durchführbar ist. Das Risi-
ko ist zu hoch, dass neue Infektionsketten
entstehen. Aus gesundheitspräventiver
Sicht ist die Veranstaltung daher zu unter-
sagen.“ Spielleiter Christian Stückl gibt
sich notgedrungen optimistisch: „Es ist
nur eine Verschiebung der Premiere. Wir
machen weiter. Anderen Menschen geht es
jetzt viel schlechter.“ Stückl leitet auch das
Münchner Volkstheater, das ebenfalls ge-
schlossen ist.
Das neue Premierendatum soll der 21.
Mai 2022 sein. Es hat logistische Gründe,
dass die Passion auf 2022 und nicht nur
um ein Jahr auf 2021 verschoben wird.
Knapp 500 000 Tickets, von denen die Hälf-
te ins Ausland verkauft wurden, müssen
zurückgebucht, alle Verträge mit den Mit-
arbeitern aufgelöst und neu geschlossen
werden. christiane lutz
München– Geschlossen verabschiedete
der Landtag am Donnerstag den Nachtrags-
haushalt und damit ein Zehn-Milliarden-
Euro-Hilfspaket zur Überbrückung der Co-
rona-Krise. Es ist das erste Mal seit mindes-
tens 30 Jahren, dass Opposition und Regie-
rung einen Haushalt gemeinsam verab-
schieden. „Historisch“, nannte Finanzmi-
nister Albert Füracker (CSU) deshalb die-
sen Moment und bedankte sich bei allen
Abgeordneten für die Unterstützung.
Die Regierung kann damit zehn Milliar-
den Euro Schulden aufnehmen. Die Schul-
denbremse darf dafür ausgesetzt werden,
weil eine außergewöhnliche Notsituation
herrscht. Ob das Geld ausreiche sei nicht
klar, sagte Füracker: „Wir fahren auf
Sicht.“ Sicher aber sei, dass die wirtschaftli-
che Krise in Bayern noch lange anhalten
werde. „Diese Krise wird uns Jahre beschäf-
tigen“, sagte er. Das Geld soll in den Ge-
sundheitssektor, aber vor allem in die Wirt-
schaft fließen. Der Bürgschaftsrahmen für
Unternehmen bei der Förderbank LfA sol-
len von 100 Millionen Euro auf 500 Millio-
nen Euro erhöht werden. Zudem soll der
Staat sich durch einen „Bayernfonds“ zeit-
weise an Unternehmen beteiligen können.
Unternehmen, aber auch Kulturschaffen-
de, die wegen der Coronakrise in Not gera-
ten sind, können Soforthilfen beantragen.
Schon am Freitag werde das Geld auf dem
Konto sein, kündigte Wirtschaftsminister
Hubert Aiwanger (Freie Wähler) an. Die
zehn Milliarden Euro sollen von 2024 an,
ein Jahr nach der Landtagswahl, mit je-
weils 500 Millionen Euro pro Jahr zurück-
gezahlt werden.
Alle Fraktionen betonten die Notwendig-
keit von schnellen Hilfen und sprachen
sich für ein überparteiliches Handeln in
der Krise aus. Grüne und SPD sprachen
aber auch von einer hohen Belastung für
zukünftige Generationen und dem großen
Vertrauensvorschuss, den sie der Regie-
rung gewährten. Für was genau das Geld
ausgegeben wird, kann die Staatsregie-
rung weitgehend frei entscheiden. Auch
wenn er nötig sei, verursache ihm dieser
Freibrief „große Bauchschmerzen“, sagte
Tim Pargent (Grüne). Harald Güller (SPD)
erinnerte die Regierung daran, dass der Op-
position Kooperation zugesagt worden sei
und Helmut Kaltenhauser (FDP) kündigte
an, die Opposition werde ihre Kontrollfunk-
tion sehr ernst nehmen. nell
von lisa schnell
und kassian stroh
München– Der Landtag bei einer Regie-
rungserklärung klingt üblicherweise so:
Klatschen, Klopfen, Stampfen, Zwischen-
rufe. Der Landtag an diesem Donnerstag:
Es ist so still, dass man hört, wenn ein Blatt
Papier gewendet wird. Die erste Reihe ro-
ter Stühle ist vollkommen leer, nur etwa 40
der rund 200 Abgeordneten sitzen weit ver-
streut, auf den meisten Sitzen liegt ein wei-
ßer Zettel: „Bitte freihalten“. Kaum je-
mand spricht, nur ein Wort fällt immer wie-
der: „gespenstisch“.
Seit 72 Stunden gilt in Bayern der Katas-
trophenfall, nun debattiert der Landtag
über die Coronavirus-Pandemie. In einer
Regierungserklärung erläutert Minister-
präsident Markus Söder (CSU), wie er die
Lage sieht („sehr ernst“) und warum seine
Regierung Schulen und Geschäfte und vie-
les mehr geschlossen hat (weil es notwen-
dig sei). Und sollten all diese Maßnahmen
nicht wirken und die Verbreitung des Erre-
gers nicht verlangsamen, dann bleibe nur
eine Ausgangssperre. Für ganz Bayern.
„Das muss jedem klar sein“, sagt Söder. Er
sei dazu „entschlossen, wenn es notwen-
dig ist“. Eine unkontrollierte, rapide Aus-
breitung wie etwa im nordrhein-westfäli-
schen Landkreis Heinsberg oder im Tiroler
Skiort Ischgl dürfe man nicht zulassen.
Fast 2300 offiziell bestätigte Infektio-
nen bis Donnerstagmorgen meldet Söder,
zehn Bayern seien an den Folgen gestor-
ben. Die Zahl ist schon ein paar Stunden
später überholt. Ansonsten kaum Neues:
Er berichtet, dass in zwei Kommunen im
Kreis Wunsiedel Ausgangssperren ver-
hängt würden. Dass Bayern vom Bund am
Freitag 800 000 Schutzmasken geliefert
bekomme. Dass er die Öffnungszeiten von
Lebensmittelgeschäften womöglich wei-
ter ausdehnen wolle. Und er fordert vom
Bund ein Hilfspaket für die Wirtschaft in
Höhe von 100 bis 150 Milliarden Euro.
An diesem Tag ist aber auch weniger
wichtig, was Söder Neues zu sagen hat. Son-
dern vielmehr, wie er es sagt. Er spricht lei-
se, aber verständlich. Er erhebt kaum die
Stimme, verzichtet auf besondere Betonun-
gen oder große rhetorische Kunstfiguren.
Bisher stand er am Rednerpult oft als ein
Mann, der vor allem eine Wahlempfehlung
abgab für sich selbst, jetzt gibt er Erklärun-
gen ab für das ganze Land. Und er erklärt
insbesondere noch einmal die vielen Maß-
nahmen, die seine Regierung in den ver-
gangenen Tagen verhängt hat, die Notwen-
digkeit von Schließungen. Er kündigt kei-
ne neuen an, sagt aber auch, dass keine Pro-
gnosen möglich seien, „wie lange es dau-
ern wird, wie schlimm es werden wird“.
Bayern stehe „vor einer historischen Be-
währungsprobe, ich bin mir sicher, der
größten seit dem Zweiten Weltkrieg“.
Nicht zuletzt betont Söder, so wie auch die
Bundeskanzlerin in ihrer Fernsehanspra-
che am Abend zuvor, die Verantwortung,
die jeder Einzelne trage. „Jeder kann und
jeder muss jetzt in der Krise seinen Beitrag
leisten.“ Da sind sich alle Fraktionen einig.
„Es ist Bürgerinnen- und Bürger-Pflicht,
die Ausbreitung zu verhindern“, sagt Ka-
tharina Schulze, die Fraktionschefin der
Grünen. Somit müsse jeder auch auf Lieb-
gewonnenes verzichten, auf Besuche oder
Freizeitvergnügen. „Ich wünsche mir, dass
wir uns darauf einigen können, um weiter-
gehende Maßnahmen zu verhindern.“
Bei den Reden schwingt immer eine Fra-
ge mit: Reicht das, was bisher beschlossen
ist? Nicht nur an Einschränkungen, son-
dern auch an Hilfen für das Gesundheits-
system? Das hiesige sei ja eines der besten
weltweit, sagt Söder. „Aber ob es reicht, ist
völlig unklar. Wir denken: nicht.“ Genau
deshalb müsse man nun die Verbreitung
des Erregers verlangsamen, um Zeit zu ge-
winnen und die Krankenhäuser auf den
Notfall vorzubereiten. „Und der kommt.“
Der Ernst der Situation ist zu hören und
zu sehen im Plenarsaal: Kaum ein Abgeord-
neter blickt auf sein Handy oder kramt in
Unterlagen, wie es sonst üblich ist. Nie-
mand unterhält sich mit dem Sitznach-
barn und das nicht nur, weil es keinen Sitz-
nachbarn gibt. Man kann vielleicht sagen:
Noch nie war die Zahl der Zuhörer so klein
und die Aufmerksamkeit so groß. Bei allen
Reden. Um zu verstehen, wie außerge-
wöhnlich dieser Donnerstag ist, muss man
auch all das aufzählen, was nicht ge-
schieht: Keine Zwischenrufe, kein unzufrie-
denes Grummeln, keine roten Köpfe. Da-
für immer wieder Applaus, nicht nur für Sö-
der, sondern auch für die Redner der Frak-
tionen von CSU und Freien Wählern.
Es ist nicht viel, was die Oppositionsfrak-
tionen an Söders Politik auszusetzen ha-
ben. Schulze hat ein paar Änderungswün-
sche, fordert Hilfen nicht nur für Unterneh-
men und Selbständige, sondern auch für
Minijobber, die zum Beispiel nicht von den
Vorteilen einer Kurzarbeiterregelung profi-
tieren. Und ihre Fraktion werde darauf ach-
ten, dass die einschneidenden Maßnah-
men „auch wieder beendet werden“, wenn
sie nicht mehr nötig sind, sagt Schulze.
SPD-Fraktionschef Horst Arnold mahnt
an, bei den Wirtschaftshilfen nicht die Kul-
turschaffenden und Bildungseinrichtun-
gen zu vergessen. Martin Hagen (FDP) for-
dert, Gutschriften bei der Einkommensteu-
er zu verteilen. Und Söder selbst attestiert
der Opposition, er finde es beeindruckend,
„wie wir zusammenstehen“ in einem Ernst-
fall wie diesem. Als er geendet hat, ein
ebenfalls seltenes Bild: Das ganze Haus ap-
plaudiert. Der Beifall ist laut, zumal ange-
sichts der wenigen Hände, die zusammen-
geschlagen werden.
Dann blickt die CSU-Abgeordnete Tanja
Schorer-Dremel über viele leere Plätze hin-
weg zu CSU-Generalsekretär Markus Blu-
me. Ein direkter Blick, ein kurzes Kopfni-
cken, sie erheben sich von ihren Plätzen. Al-
le anderen von CSU und Freien Wählern fol-
gen. SPD-Chef Horst Arnold wendet eben-
falls den Kopf. Diesmal kein Nicken. Seine
Fraktion bleibt sitzen, alle anderen von der
Opposition ebenso. So weit geht die Solida-
rität dann doch nicht.
München– Das Kultusministerium hat
nach dem Abitur auch die Abschlussprü-
fungen für Mittelschulen, Realschulen
und Wirtschaftsschulen verschoben. Statt
am 16. Juni beginnen die Tests für den Mitt-
leren Schulabschluss sowie den Realschul-
abschluss nun am 30. Juni. Der Qualifizie-
rende Abschluss an den Mittelschulen
wird vom 22. Juni auf den 6. Juli verlegt.
Und an den Wirtschaftsschulen wird statt
vom 27. April vom 11. Mai an geprüft. Das
teilte das Ministerium am Donnerstag mit.
„Alle sollen faire Bedingungen für ihre Ab-
schlussprüfungen bekommen“, sagte Kul-
tusminister Michael Piazolo (FW), deswe-
gen solle den Schülern mehr Zeit zur Vorbe-
reitung gegeben werden. Die Verschie-
bung sei mit Schülern, Lehrern und Eltern
abgesprochen. sz
28 HF3 (^) MÜNCHEN · BAYERN Freitag, 20. März 2020, Nr. 67 DEFGH
Das ganze Haus applaudiert,
das zeigt die Besonderheit
der Situation
„Jeder kann und jeder muss
jetzt in der Krise seinen Beitrag
leisten“, sagt Söder
„Je mehr Abstriche wir schaffen, desto besser“
Der Arzt Basil Bustami fährt jeden Tag von Haus zu Haus, um Proben zu nehmen von Patienten, die sich vielleicht mit dem Coronavirus infiziert haben
von hans kratzer
I
n grauer Vorzeit hat der Autor Wugg
Retzer unterhaltsame Geschichten
über das Landleben verfasst, denen
es an Pikanterie nicht mangelt. In einer
Episode schildert er die Umstände einer
Liebelei, die „in den Nußstauden halb-
wegs zwischen Laichling und Luckenpo-
int“ ihren Anfang nahm und sich schlüs-
sig fortsetzte, indem der ehrengeachtete
Jüngling Peter Mühlreiter und die tu-
gendsame Jungfrau Kreszentia Maier
sich alsbald verlobten – „und im Aus-
wärts haben sie Hochzeit gehalten“, wie
Retzer nüchtern bilanziert.
Leider hat das Wort Auswärts, auf das
Retzer zurückgreift, seit jenen Tagen
spürbar an Relevanz eingebüßt. Nur noch
wenige wissen, dass Auswärts ein ande-
res Wort für den Frühling ist, dass also
der Auswärts das Ende des Winters, der
Dunkelheit und der Kälte markiert und
den Aufbruch in eine Zeit voller Wärme
und Licht. „Langsam ging es auswärts,
wie man das Winterende in solchen Bau-
erngegenden nennt“, schrieb Oskar Ma-
ria Graf in seinem 1937 erschienenen Ro-
man „Anton Sittinger“. Nach dem Krieg
wich der Auswärts dann der seichten
Frühlingsprosa, wie sie etwa der Radioon-
kel Thomas Gottschalk unters Volk brach-
te: „Die Omis gehen zur Maiandacht, die
Teenies hören Pop nach acht!“
Gerade in Bayern besitzen Traditionen
jedoch eine zähe Natur. Das Wort Aus-
wärts lebt nicht nur in alten Geschichten
still weiter, sondern auch in den Namen
von Traditionsmärkten, die sich behaup-
ten, als stünde das alte Bauernland nach
wie vor in höchster Blüte. So wurde in der
Gäubodenstadt Straubing bis zuletzt ein
sogenannter Auswärtsmarkt abgehalten,
der aber nun, wie so vieles, der Coronakri-
se zum Opfer fällt. Im Frühjahr 2020 gibt
es weder einen Auswärtsmarkt noch ir-
gendwelche Auswärtsspiele, die freilich
mit dem Frühling weniger zu tun haben
und deshalb schnell Verwirrung stiften.
In der Straubinger Handball-Damen-
mannschaft hatte der Trainer seinen
Mädchen einmal kurz vor Weihnachten
nach einer Serie von Niederlagen mitge-
teilt: „Im Auswärts miass ma olle Spiele
gwinna!“ Wie die Mädchen später achsel-
zuckend zugaben, interpretierten sie, die
Zweideutigkeit des Wortes nicht erken-
nend, die Worte dahingehend, dass sie
auswärts gewinnen müssen, aber die
Heimspiele verlieren dürfen.
Der Hausarzt Basil Bustami in seiner Praxis – er macht täglich Dutzende Abstri-
che für Corona-Tests. FOTO: ROBERT HAAS
Zehn-Milliarden-Hilfe
verabschiedet
Reicht das?
In einer Regierungserklärung im Landtag betont Ministerpräsident Söder die Verantwortung jedes Einzelnen.
Das Parlament tagt dezimiert, aber einmütig – und keiner will ausschließen, dass weitere Maßnahmen nötig werden
Der Landtag tagt unter besonderen Umständen: Weniger Abgeordnete als sonst lauschen Ministerpräsident Söder – mit Corona-Sicherheitsabstand.FOTO: SVEN HOPPE/DPA
Alle Schulabschlüsse
werden verschoben
Alle sprechen sich für ein
überparteiliches Handeln aus
Bestätigte Infektionen in Bayern
0
400
800
100
1600
000
SZ-Grafik; Quelle: Bayerisches Landesamt fürGesundheit und Lebensmittelsicherheit
27.2. 19.3.
15
Stand: 19.3. 12 Uhr
2282
Passionsspiele
abgesagt
Premiere in Oberammergau
wird auf 2022 verschoben
MITTEN IN BAYERN
Der Auswärts
kehrt ein