B e rlin/B r andenburg
· Berliner Zeitung·Nummer 68·Freitag, 20. März 2020^15 ························································································································································································································································································
SittenundSeuchen
OhneRisikokeinSpaß–wasdieClubkulturundanderelokaleBesonderheitenmitEpidemienzutunhaben
VonMarittaTkalec
N
orisk, no fun–sow aren
Freundinnen und
Freunde des Berliner
Club-Vergnügens noch
vorwenigen Tagen drauf. Als die
Clubsschlossen,suchtenGruppenin
BegleitungvonBierkästenAusweich-
locations:Wiesen, Flussufer ...Der
Regierende Bürgermeister droht an-
gesichtsderFahrlässigkeitmitAus-
gangssperre.
Es hatniemanden verwundert,
dassinBerlineinerdererstenundin-
tensivstenOrtederCoronavirus-In-
fektioneneinClubwar:die„Trom-
pete“.EineinzigerBesuchersteckte
16 weiterean,dieKettesetztesich
fort.DieBetreiberdesClubs„Kater
Blau“suchtengemeinsammitdem
zuständigen Gesundheitsamt Kon-
taktpersoneneinesPartygastes.Man
fürchteteeinenneuenHotspotim
HedonistenparadiesBerlin.
Epidemiologenwissenlängst,wie
sehrKultur,Tradition,Lebensweisen,
Vorlieben, sozialeVerhältnisse oder
auchZwängedesjeweiligenOrtesdie
AusbreitungvonSeuchen beeinflus-
sen. Dasgilt weltweit und über alle
Zeitalterhinweg.
Immer wieder dieLustseuche
SpeziellBerlinplagtseitJahrhunder-
ten die Syphilis,Beiname:Lustseu-
che.Diese Heimsuchung hat ihren
konkretenGrund im Charakter der
preußischen Garnisons- undResi-
denzstadt:1778lagderAnteilvonMi-
litärsanderBevölkerungbei23,8Pro-
zent, fast einViertel derGesamtein-
wohnerschaftvon139000 Menschen.
Daswaren31561Militärangehörige,
zumeistjungeMänner,diediesesLe-
bendurchausunfreiwilligführten.
DieGeschlechtskrankheiten,vor
allem die im 16.Jahrhunderteinge-
schleppteSyphilis,bereitetedersexu-
ellaktivenBevölkerung–undder Mi-
litärführung samtMonarchen–un-
ablässigKopfzerbrechen.Dasexeku-
tiveHandeln schwankte mehrfach
zwischenRepressionundkontrollier-
ter Liberalität. 1790 verhängte die
Staatsmacht das Lusthaus-Regle-
ment –eine KombinationvonTole-
ranzund Kontrolle.
DasProblem blieb und schwand
auchnichtmitdenGarnisonen.Wäh-
rend des Metropolenwachstums mi-
grierten Hunderttausende junge
MännerausderProvinznachBerlin,
um sich als Arbeiter in denFabriken
zu verdingen. Ausdenselben Zügen
stiegen alleinstehende jungeFrauen
auf der Suche nach Anstellung.Sie
trafeneinanderinden800Tanzsälen,
die es um 1880 gab,und trieben es
mehroderwenigeranständig.
Nebender Lustseuchefandenauf
den Marktplätzen derM assenkultur
auchdieTuberkeln reichlichOpfer.In
denKarnevalshochburgenimWesten
tauschtemanBakterienundVirenin
den Sitzungssälen und bei denUm-
zügen.
AktuellsindvieleStädteglimpflich
davongekommen–aber,siehe da:
Dererste AusbruchherdinN ord-
rhein-We stfalen entstand infolge ei-
ner Karnevalsfeier inHeinsberg.Im
Kreisgebiet gibt es (Stand 19. März)
811 Corona-Infizierte und achtTo-
desfälle.Bis heute liegen dieZahlen
dortamhöchsten.
AndereLänder,andereSitten,an-
dereHotspots: Chinesen sind stolz
darauf, aus allem etwas zu kochen.
Laut(zutreffendem)Klischeeverspei-
sen sie gernausgefalleneTiereund
deren Körperteile: Affenlippen oder
Ein Leben ohne Club mag sinnlos sein, ist aber möglich. Für gewisse Zeit. DPA/PAUL ZINKEN
Tiger hoden sind sicherlichExtreme.
EinPangolin steht alsQuelle des ak-
tuellen Corona-Seuchenzugs inVer-
dacht: DasSchuppentier wurde wo-
möglichinWuhanzubereitet.
DieimR egenwaldgürtelWestafri-
kas –inK amerun etwa,Gabun oder
Kongo–immerwiedervorkommen-
den Ebola-Ausbrüche nehmen ihren
Ursprung meist dann,wenn Men-
schen„bushmeat“,meistAffen,zube-
reiten. Beisolchen Gelegenheiten
springt derErreger,der so nstinFle-
derm äusen undNagetieren haust
und Affen nicht krank macht, auf
Menschenüber.Alsdiesenochnicht
so intensiv in denUrwald eindran-
gen,zumBeispielfürdieHolzfällerei,
hielten die Mensch-Tier-Barrieren
noch.Heutenichtmehr.
DerengeKontaktvonMenschund
Tier steh tnicht nur amBeginn der
Sesshaftwerdung desMenschen vor
etwa10000Jahren. Vondomestizier-
ten Tieren sp rangen neue Krankhei-
ten auf dieTierhalter über.Solch ein
engerKontaktstandauchamBeginn
dergrößtenSeuchederjüngerenZeit,
derSpanisc hen Grippe,mit weltweit
mehrals50MillionenToten.Spanien
hattedamitwenigzutun,außerdass
dorterstmalsüberdieneueKrankheit
geschriebenwurde.
Tatsächlichinfiziertesich,soweit
die Forschungherausfand,Anfang
1918 imUS-StaatKansaseinSchwein
mitGrippevirenvonMenschenund
Vögeln. Als sich dasErbmaterial der
beidenKrankheitserregerindemtie-
rischenMischgefäßverbandundder
neueInfluenzavirusaufeinenjungen
Mannübersprang,derkurzdaraufals
RekrutineinMassen lagerderameri-
kanischenArmeekam,warkeinHal-
tenmehr.DiedurchdenErsten Welt-
kriegbedingteenormeMobilitätver-
teiltedieneuartigeInfluenzavariante
überdieschutzloseMenschheit.
Signaturen derGesellschaft
DiesePandemiestehtheutedenWis-
senschaftlernund politischVerant-
wortlichen mahnend vorAugen.
Überallversammelten sich damals
Massen:anderFront,aufdenTrans-
porten,indenCamps–unddann,als
dieRevolutionenlosbrachen,beiDe-
monstrationen undKundgebungen.
Diewenigen, die damalsSeuchen-
schutzmaßnahmen forderten, wur-
denüberhört.Manglaubte,diekrie-
gerischen und politischenZielehö-
herwertenzumüssen.InderGegen-
warthätten das die wirtschaftlichen
seinkönnen.
Seuchenzüge tragen dieSignatu-
render Gesellschaft ihrer jeweiligen
Zeit –imG enerellen wie imSpeziel-
len,im BerlinerCluboderamLager-
feuer inGabun, woHolzfäller Affen
grillen. DieMecha nismen sind be-
kannt.InDeutschlandhörenPolitiker
nun aufVirologen undEpidemiolo-
gen.MantrifftVorkehrungenauchfür
gravierendeKonsequenzen–wenn
zum Beispiel Wasserwerk er oder
Stromver sorger krankheitshalber
ausfallen und dieseInfrastrukturen
zusammenbrechen. Diestren gen
Maßnahme n–wennsonstnichtshilft
auch Ausgangssperre–sollen nicht
nur das Gesundheitswesen, sondern
auchdieseexistenziellenEinrichtu n-
gen schützen. Nunempfindet man
dieEinschränkungen alshart,und
doch:WirlebeningutenZeiten.
MarittaTkalec
weistauf spezielle,kulturel-
le Gefahrenherde hin.
NACHRICHTEN
Zahl der Infizierten steigt
binnen einesTages um 16
DieZahldermitdemCoronavirus
infiziertenMenscheninBranden-
burgistauf187gestiegen(Stand:
Donnerstag8Uhr).Dasteiltedas
Gesundheitsministeriummit.Es
seienweitere16bestätigteCoronavi-
rus-Fällehinzugekommen.Gemel-
detwurdenjeweilssechsErkrankun-
genausdenLandkreisenOberhavel
undPotsdam-Mittelmark,derLand-
kreis Uckermar kregistriertedrei
neueFälle,derLandkreisBarnimei-
nenNeuinfizierten.AnderSpitze
mitder Zahlder Infiziertenstehtak-
tuellderLandkreisOder-Spree .Dort
gibtesderzeitinsgesamt23bestä-
tigteCoronavirus-Fälle.Angesichts
dersteigendenAnzahlvonCorona-
virus-InfektionensolltendieNotruf-
nummern110und112nichtunnötig
belastetwerden.Daraufwiesdas
BrandenburgerGesundheitsminis-
teriumhin.DieseRufnummern
stündenausschließlichfürNotfälle
zurVerfügung,betonteGesund-
heitsministerinUrsulaNonnema-
cher(Grüne). (dpa)
Landesregierung stellt
Millionen fürFirmen bereit
FürBrandenburgerUnternehmen
undSelbstständige,diedurchdie
Corona-KriseinNotgeraten,sollim
LandeinHilfsfondsinHöhevon
500MillionenEurobereitstehen.
DerHaushalts-undFinanzaus-
schusshabeamDonnerstagaufVor-
schlagderKoalitionsfraktionenvon
SPD,CDUundBündnis90/Grüne
entschieden,derRegierungdieAuf-
nahmezusätzlicherKreditezuer-
möglichen,hießesineinergemein-
samenMitteilung.Am1.Aprilent-
scheidetderLandtagdarüber.Für
dieSoforthilfeseienzudemMittelin
Höhevon7,5MillionenEurofreige-
gebenworden,kündigteSteeven
Bretz,finanzpolitischerSprecherder
CDU-FraktionamDonnerstagin
Potsdaman.Auchnichtrückzahl-
bareZuschüssedürfteningewissem
UmfangkeinTabusein,betonte
ThomasvonGizycki,finanzpoliti-
scherSprecherderFraktionBünd-
nis90/DieGrünen.DieLinksfraktion
erneuertedagegendenVorschlag
nacheinemSoforthilfefondsmitun-
verzüglicherkonkreterfinanzieller
Unterstützung,deraberabgelehnt
wurde .Zielsolltesein,dassdieZah-
lungenAnfangkommenderWoche
beginnenkönnen,betonteLinke-
FraktionsvorsitzenderSebastian
Walter. (dpa)
Ein bisschen
wie Schweben
A
uf dem Wegzum Supermarkt
mache ich einenUmweg. Es ist
so schön draußen. Demnächst
werdeichvielleichtnurnochaufden
Balkon gehen können.ZumGlück
habeicheinen.
VorvielenHauseingängenstehen
Kartons.Darin: Bücher,Kleidung,
Geschirr,Kram. DieLeute nutzen
wohl die vieleZeit zu Hause zum
Ausmisten. Ichhabe früher viele
schöneSacheninsolchenKistenge-
funden. Aber heute nehme ich
nichtsmit.Ichmöchtehierdraußen
nichtsmehranfassen.Zugefährlich.
Auchdas Sozialverhaltenhatsich
geändert.Wenn ich Bekannten be-
gegne,winkenwirunszu,aberblei-
bennichtstehen,umeinpaarWorte
zuwechseln.Esscheint,alsobdurch
denWegfalleinerBegrüßung,durch
Händeschütteln oder Umarmung,
auchderAnreizwegfiele,überhaupt
miteinander zu sprechen.Oder als
oballeindasschongefährlichwäre.
Ichempfinde die neueDistanz
abernichtalsunangenehm,eherals
Befreiung.DieBefreiungvomBe-
dürfnis ,Dingehabenzuwollenund
Menschenzuberühren.Esfühltsich
ein bisschen wie Schweben an, das
neue Leben.Ichvermeide direkten
Kontakt,woesnurgeht.Wennichim
Supermarkt nach demWarenkorb
greife ,zieheichmirvorherden Pull-
overärmelüberdieHand.ImSuper-
marktsindnichtvieleunterwegs,die
Großeinkäufesindjaindenverg an-
genenTagengemachtworden.
DieRegalesindwiederrelativgut
gefüllt, alles scheint normal. Ich
kaufeso wenigwiemöglich,daüber-
all gesagt wird, es sei unsolidarisch
zu hamsternund man müsse keine
Angst haben, dass es keinenNach-
schubmehrgebenkönnte.Auchdas
ist eine Befreiung. Besonderswenig
zukaufen.VielleichtmitdemHinter-
gedanken,nochindennächstenTa-
gen,einenGrundzumRausgehenzu
haben, wenn vielleicht wirklich
empfohlen wird, dasSpazierenge-
henzuunterlassen.
An der Kasse fehlen dieWaren-
trenner .Das ist gut, noch einDing
weniger,dassmananfassenmüsste.
Mantrennt seinen Einkauf jetzt
durch Abstand vondem der ande-
ren. Ichzahle wie immer mitKarte.
Kontaktlos.
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