Neue Zürcher Zeitung - 22.02.2020

(Frankie) #1

42 SPORT Samstag, 22. Februar 2020


Eine Abfahrt wie ein Flashback


Mit dem erst en Weltcup-Sieg seit 25 Monaten widerlegt Lara Gut-Behrami Zweifel und manchen Kritiker


PHILIPPBÄRTSCH, CRANS-MONTANA


Es war wie früher, in der ersten Karriere
vonLaraGut-Behrami: sie auf der einen
Seite des Absperrzauns im Zielraum, ein
Pulk von Medienschaffendenauf der
andern Seite; sie, die zurückweicht, weil
ihr die Mikrofone fast ins Gesicht ge-
drückt werden.
Gut-Behrami hatte wieder einmal ein
Skirennen gewonnen, erstmals seit zwei
Jahren und einem Monat, doch eine Er-
lösung wollte sie darin nicht sehen.Sie
gab sich, als wolle sie ja nicht den Ein-
druck erwecken, dieser Sieg sei für sie
ein ganz besonderer, wie das die Men-
schen auf der andern Seite dieses Ab-
sperrzauns in Crans-Montana sahen.
Aber die Medienschaffenden undLara
Gut-Behrami haben die Dinge schon
sehr oft sehrunterschiedlich betrachtet.


«Heutefand alles zusammen»


Wer der 28-jährigenTessinerin an die-
semFreitag beim Skifahren zusah, er-
lebte ein Flashback, eine Gedankenreise
zurück in dieJahre, in denen Gut-Beh-
rami ziemlich vieleRennen und Medail-
len gewonnen hatte – plus einmal den
Gesamt- und zweimal den Super-G-
Weltcup. Endlich fügten sich die vielen
Teilchen wieder so gut zusammen, dass
eineSiegfahrt entstand. Gut-Behrami
war gleich um 0,8 Sekunden schneller
als Corinne Suter. Die zweitklassierte
Landsfrau hat denVorsprung im Ab-
fahrts-Weltcup vor den letzten beiden
Rennen auf 120 Punkte ausgebaut.
«Heute fand alles zusammen, woran
wir lange gearbeitet hatten, wonach wir
lange gesucht hatten», sagte Gut-Beh-
rami. An denWeltmeisterschaften 20 17
in St. Moritz hatte sie einen Kreuzband-
riss erlitten. DieVerletzung wurde zur
grossen Zäsur,weil die lange Pause
die Athletin auch als Privatperson ver-
änderte. Gut-Behrami hatte 20 16 den
Gesamtweltcup gewonnen, doch der
Kampf um die grosse Kristallkugel war
enorm an die Substanz gegangen. Wie
einRoboter sei sie damals gewesen,
sagte sie kürzlich in einem Interview
mit dem«Tages-Anzeiger». «So wurde
ich, um mich zu schützen. Aber persön-
lich hat mich das gebrochen.»
Als Mensch fandLaraGut zu sich
selbst zurück – und sie fand die Liebe
zumFussballprofiValon Behrami. Als
Sportlerin gelang ihr zwar ein guter
Comeback-Winter, aber die vergan-
gene Saison war dann die schlechteste
der Karriere. An denWeltmeisterschaf-
ten in Åre sagte Gut-Behrami der NZZ:


«Ich möchte wieder dahin zurück, wo
ich Druck spüre, wo es um jeden Hun-
dertstel geht, wo ich mirkeinenFehler
leisten kann, sonst ist eskein Sieg.»
Es mangelte nicht an Leuten, die sich
fragten, wie ernstLaraGut-Behrami
den Skisport noch nimmt, die bezwei-
felten, dass sie es nochmals an die Spitze
schafft. Siereagierte manchmal trotzig
auf Kritik, aber beirren liess sie sich da-
von nicht. Gut-Behrami ging ihrenWeg,
wie sie schon immer ihrenWeg gegan-
gen war. Dazu gehörten auch neue Dis-
sonanzen zwischen ihr, derFahrerin mit
dem Privatteam, und demVerband.
Gut-Behrami ist nicht mehr die über-
ragende Schweizer Skirennfahrerin von
vor vierJahren, die einsame Medaillen-
gewinnerin. Sie ist nur noch eine von
vier Swiss-Ski-Athletinnen im Ram-
penlicht. Der Nimbus von Gut-Beh-
rami litt, während sichWendy Holde-
ner, Michelle Gisin und zuletzt Corinne
Suter mit ihren Leistungen immer mehr
Aufmerksamkeit verdienten.
Gut-Behrami wird vom Verband
nicht mehr bevorzugt behandelt imVer-
gleich zu Holdener und Gisin. Doch vor

den ersten Speed-Rennen zeigte sich,
dass sie sich eher benachteiligt fühlt als
gleichgestellt.«Wie vieleJahre musste
ich alles selber bezahlen, obwohl ich
schon einiges erreicht hatte?», fragte sie.
«War ich weniger wert?»

An den Randgedrängt


Dabei ist es für Gut-Behrami vor allem
eine Chance, dass die Equipe weniger
denn je von ihren Leistungen abhängig
ist. DieResultate derKolleginnen haben
ihrRuhe verschafft während der lan-
gen Suche nach der altenForm. Zuletzt
hatte sich eine Situation ergeben, die
Gut-Behrami nicht kannte, seit sie als
16-Jährige ihren erstenWeltcup-Podest-
platz erreicht hatte: Die Medienschaf-
fenden von der andern Seite des Ab-
sperrzauns interessierten sich nur noch
amRand für sie.
An diesemFreitag war eswieder
anders. Gut-Behrami sagte, manchmal
sei sie frustriert gewesen in der Zeit seit
dem letzten Sieg. Undmanchmal habe
sie in den Negativerlebnissen als Sport-
lerin einTr aining fürs Lebensehenkön-

nen. «Ich habe sicher nichts dagegen,
wenn es jetzt wieder ein bisschen leich-
ter wird und ich nicht mehr so kämpfen
muss wie in den letzten zweiJahren.»
25 Monate – so viel Zeit ist nie zu-
vor vergangen zwischen zweiWeltcup-
Siegen von Gut-Behrami.Wer ihr beim
Medientermin am Donnerstag nicht nur
zugehört, sondern auch geglaubt hatte,
derkonnte nur halbwegs überrascht
sein, dass Gut-Behrami der 25.Welt-
cup-Sieg gerade jetzt gelang. «Wir haben
Riesenschritte vorwärts gemacht inden
letzten Monaten, ich spüre langsam wie-
der einVertrauen in meine Schwünge
wie schon lange nicht mehr», hatte sie
imTeamhotel erzählt. Und dass sich ihre
körperlicheVerfassung erstmals verbes-
sert habe während einerRennsaison.
Es war ein Lob fürJosé Luis Alejo
Hervas. Mit dem Spanier hat Gut-Beh-
rami erstmals einenpersönlichenKondi-
tionstrainer, der sie überallhin begleitet.
Angestellt ist Alejo Hervas beimVer-
band. LaraGut-Behrami ist demVer-
band nicht weniger wert. Jetzt hat sie
gezeigt, wie viel Gegenwert sie immer
noch leisten kann.

Lara Gut-Behrami findet endlich wieder zur Leichtigkeit von einst zurück. JEAN-CHRISTOPHE BOTT / KEYSTONE

Der FCZ sucht


Selbstvertrauen


Gegen Xamax will Coach Ludovic
Magnin eine positive Serie starten

STEPHAN RAMMING, ZÜRICH

Als der FCZ-Trainer Ludovic Magnin
am Donnerstag zum Medientermin er-
scheint, ist er bestens gelaunt. Am Ende
des Gesprächs macht er sich sogar über
sich selbst lustig, als er über die Pro-
bleme seiner Mannschaft mit der linken
Aussenverteidiger-Position nachdenkt.
Magnin musste MadsPedersen,Aus-
leihspieler vonAugsburg,gegenBasel
wegen Überforderung nach einer hal-
ben Stunde auswechseln, beim 1:4 in
Genf gegen Servette fehltePaModou
die Orientierung.«LinkeAussenvertei-
diger sind sehrgesucht, weil sie intelli-
gent sein müssen, stark im Zweikampf,
das Spiel lesen, gute Flanken spielen
und erstklassige Standards schiessen»,
sagt Magnin. Er lacht. Schliesslich war
er selber linkerAussenverteidiger.
Magnin signalisiert, dass er sich sei-
nen Optimismus nicht nehmen lässt, vor
allemnicht seine Überzeugungen. Einen
einzigen Punkthat derFCZ in den vier
Spielen in diesemJahr gewonnen und
mit dem 1:4 in Genf dasResultat-Mus-
ter dieser Saison – 0:4, 0:5, 0:4, 0:4, 0:4,
0:4, 0:4 – fortgesetzt. «In Genf haben wir
dieToreverschenkt und selber dieTore
nicht gemacht, Punkt», sagt Magnin. Die
Richtungaber stimmt für ihn, denn im
Gegensatz zu früheren Partien habe sich
dasTeamTorchancen erarbeitet, nur
das Selbstvertrauen fehle momentan
und «die Bereitschaft, in jeder Sekunde,
in jedem Spiel das Maximum» zu su-
chen.Für Magnin sind die Schwankun-
gen während eines Spiels und die vielen
späten Gegentore erklärbar. «Wir sind in
einer Entwicklung, die Spieler sind am
Lernen», sagt er. Zum Beispiel, wie sie
besser in Zweikämpfe kämen: «Gegen
Servette gab es eine Situation, in der wir
ein taktischesFoul begehen wollten –
und schafften es nicht einmal, den Geg-
ner am Leibchen zu ziehen.»
«Hoch pressen,rasch umschalten, ver-
tikal spielen» – das verlangt der FCZ-
Tr ainer von seinen Spielern.WäreAb-
warten, tiefer stehen, einfacher spielen
keine Alternative? Magnin sagt: «Der
Vorschlag ist berechtigt. Ichkönnte äl-
tere Spieler einsetzen und den Bus im
eigenen Strafraum parkieren – aber das
will ich nicht, wir halten an meiner Spiel-
Philosophie fest.» Gegen Xamaxkomme
nun der richtige Gegner, um Selbstver-
trauenaufzubauen und wie vor derWin-
terpause eine Siegesserie zu starten. Es
soll also weitergehen wie bisher mit dem
FCZ: Manchmal geht er unter, manchmal
trumpft er auf. Dazwischen gibt es wenig.
Hauptsache, die Idee stimmt.

Ein Endspurt reicht


Der ZSC gewinnt auch das vierte Spiel geg en Ambri – 3:1


pic. Zürich· Die Play-offs rücken näher,
die ZSC Lions arbeiten am taktischen
Feinschliff. Dabeigeht es nicht mehr pri-
mär darum,Punkte zu gewinnen.Davon
haben sie schon genug. Ob sie die Qua-
lifikation auf dem zweiten,dritten oder
viertenRang abschliessen, ist von unter-
geordneter Bedeutung. EinPlatz in den
Top 4 ist das erklärte Ziel, und das wer-
den sie auch erreichen. DerVorliebe
für das erfrischend-offensive Spielkön-
nen sie nun ohne Druck frönen, aber
natürlich fehlt angesichts derkomforta-
blenTabellenlage die letzte Dringlich-
keit – wofürdas zweitletzte Heimspiel
der Qualifikation gegen den HC Ambri-
Piotta ein anschauliches Beispiel bot.
Ambri bereitet sich auf den Abstiegs-
kampf bzw. den Ligaerhalt vor, im Hin-
blick auf die bevorstehende Platzie-
rungsrunde ist jeder Punkt wertvoll.
Doch für dieTessiner war es im Hallen-
stadion wieder einmal wie so oft im Le-
ben:Wer hat, dem wird gegeben. Ambri
kämpfte aufopferungsvoll und schnup-
perte lange am ersehnten Sieg. Doch der
ging an die ZSC Lions, es war ihr vierter
im vierten Direktvergleich. FredrikPet-
terssonsAusgleich zum1:1in der40. Mi-


nute läutete den 29. Zürcher Saisonsieg
ein, kurz vor Schluss doppelten Marco
Pedretti und Maxim Noreau ins leere
Ambri-Tor nach.
Grossartig war dieses Spiel nicht,
aber mehr als ein Endspurt war nicht nö-
tig. In Ambri ist nichts mehr wie im letz-
tenJahr, als derTopskorer DominikKu-
balik die Leventina verzauberte. Seine
Torefehlen der Squadra an allen Ecken
und Enden. Dieses Problemkennen die
Zürcher nicht, auch wenn es beimFein-
schliff schon noch ein paar Dinge zu tun
gibt. Personell aber haben sie ihre Haus-
aufgaben gemacht. Nach denVerpflich-
tungen des finnischenVerteidigersTopi
Jaakola und des schwedischen Goalies
FredrikPetterssonWentzel sind sie ge-
wappnet, sollten sichVerletzungen er-
geben.PetterssonWentzel ist übrigens
nicht verwandt mitFredrikPettersson,
seinem Namensvetter undLandsmann
im Sturm. Es wird interessant sein zu
sehen, ob er möglicherweise am Sams-
tag in Zug erstmals spielen wird. Lukas
Flüeler ist zwar wieder fit und in sehr
guterForm, aber ein bisschen Spiel-
praxis mit dem neuenTeam kannPet-
terssonWentzel sicher nicht schaden.

Geständnis auf Tw itter


Der Ex-Radprofi Pirmin Lang räumt Doping ein


Sebastian Bräuer· AmFreitagvormit-
tag erhielt der frühereRadprofi Pir-
minLang von der NZZ per E-Mail
einen detailliertenFragenkatalog.Der
Zeitung lagen schriftliche Belege vor,
dass der 35-JährigeTeil des Doping-
netzwerks war, dessen Drahtzieher im
Februar 20 19 bei der «OperationAder-
lass» aufgeflogen waren. Hinzu kamen
weitereVorwürfe. Langreagierte nicht
auf die Bitte um Stellungnahme, ebenso
liess er SMS und Anrufe unbeantwor-
tet. Doch er kam offensichtlich zu dem
Schluss, nicht längerschweigen zukön-
nen. Um 21 Uhr 13 veröffentlichteLang
eine ausführliche Stellungnahme auf
Twitter. «Ich habe in meiner Karriere als
Radprofi betrogen», heisst es darin. «Ich
warTeil desAderlass-Netzwerks. Ich
habe gelogen und bin für meineTaten
ve rantwortlich.» Er habe die Aktivitä-
ten auchPartnern sowieFrau undFami-
lie verheimlicht.
Lang hatte seine Karriere Ende 20 17
beendet und anschliessend dasTeam
SwissRacingAcademy gegründet, das
jungen SchweizerFahrern Starts an
Strassenrennen ermöglicht. Die Mann-
schaft war auf gutemWeg, sich zueinem

erfolgreichenTalent-Pool zu entwickeln.
Gleich dreiFahrer der Mannschaft sind
für dieBahnrad-WMkommendeWoche
in Berlin nominiert.Lang lässt durch-
blicken, dass er die Leitung der Mann-
schaft per sofort abgibt. «Ich trete heute
vom professionellenRadsport zurück»,
heisst es in seiner Nachricht. Die Zu-
kunft derSwissRacingAcademy, die er
als Startup-Projekt sah, ist somit völlig
unklar. Hinweise auf einFehlverhalten
aktuellerFahrer gibt es nicht.
Die Münchner Staatsanwaltschaft
geht davon aus, dass der deutsche Arzt
Mark Schmidt zwischen 2011 und 20 19
mindestens 23 Sportler aus 8 Nationen
dopte. Im Dezember 20 19 liessen die
Ermittler durchblicken, dass sich unter
ihnen auch ein Schweizer befindet, hiel-
ten seine Identität jedoch geheim.
Die «NZZ am Sonntag»wird gestützt
auf Prozessakten und Ermittlungsdoku-
mente detailliert darüber berichten,
wie die DopingfahnderLang mehrere
Monate nach denRazzien der «Opera-
tionAderlass» auf die Spur kamen, erst
in Deutschland, dann in der Schweiz,
und welcheKonsequenzen seinAufflie-
gen hat.

EISHOCKEY
National League
National League.Freitag.Bern - Rapperswil-Jona Lakers
5: 2 (1:0, 0:2, 4:0).Genf/Servette - Zug 3:1 (2:0,0:0,1:1).
Davos - SCLTigers 5:2 (0:1, 2:0, 3:1). Freiburg- Lugano
6:3 (0:2, 1:1, 5:0). Lausanne - Biel 2:3 (1:0, 0:2, 1:1).
ZSC Lions - Ambri-Piotta 3:1 (0:1, 1:0, 2:0).


  1. Zug 46/87 7. Freiburg 46/67

  2. ZSC Lions 47/85 8. Lugano 47/66

  3. Davos 46/83 9. Bern 46/63

  4. Genf/Servette 47/80 10. SCLTigers 46/59

  5. Biel 47/72 11. Ambri-Piotta 47/57

  6. Lausanne 46/68 12. Rapperswil 47/50


Swiss League
Play-offs (Best-of 7),Viertelfinals. 2. Runde:La Chaux-
de-Fonds (7) - Ajoie (2) 2:1 (Stand 1:1). Langenthal (6)-
Olten (3) nach Redaktionsschluss (1:0). GCK Lions (8)-
Kloten (1) 2:7 (1:1). HC Thurgau (5) - Visp (4) 2:1 (1:1).

SKI ALPIN
Gut-Behramivor Corinne Suter
Crans-Montana.Weltcup-Abfahrt derFrauen:1. Gut-
Behrami (SUI) 1:27,11. 2. Corinne Suter (SUI) 0,80 zurück.


  1. Venier (AUT) 0,92. 4. Vlhova (SVK) 1,08. – 7. Hählen
    (SUI) und Brignone (ITA), je 1,35. 17. Holdener (SUI)
    1,98. – Ausgeschieden u. a.: Gisin (SUI) und Flury (SUI).


FUSSBALL
Bayern mühsam 3:2 gegen den Letzten
Deutschland. Bundesliga. 23. Runde:Bayern München


  • Paderborn 3:2 (1:1). – 25. Gnabry 1:0, 44. Srebny 1:1. 70.
    Lewandowski 2:1. 75. Michel 2:2. 88. Lewandowski 3:2.

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