Frankfurter Allgemeine Zeitung - 09.03.2020

(singke) #1

SEITE 4·MONTAG, 9.MÄRZ2020·NR.58 Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Bedauernüber Irrtümer


Der Kommandant der amerikani-
schenstrategischenLuftstreitkräfte
in Europa, Generalleutnant Spaatz,
besucht die Schweiz. Er spricht der
Schweiz seine Anteilnahme aus und
äußertBedauernüber fehlerhafte
Bombenabwürfe durch alliierte Bom-
ber.Zuletzt hatteesvor wenigenTa-
genBasel und Zürichgetroffen.
Spaatzverspricht die Bestrafung der
Verantwortlichen undstellt bessere
Vorkehrungen gegenähnlicheVor-
kommnisse inZukunftinAussicht.
Er bespricht zudem das juristische
Problem derVerletzung des schweize-
rischen Hoheitsgebiets. Das Land ist
bekanntlichneutral und darfdeshalb
auchnicht indirekt alsAufmarschge-
bietoder Rückzugsraum für eine der
Kriegsparteien dienen.


Wirtschaftsvereinbarung


mit den Alliierten


MehrwöchigeVerhandlungen von
Wirtschaftsdelegationen der Schweiz
und der alliiertenMächt ewerden ab-
geschlossen. Die Schweizer betonen
aus diesem Anlassein weiteres Mal
ihremilitärischeNeutralität.Diese
hätten die Alliiertenauchnicht in
Fragegestellt.Auchinwirtschaftli-
cher Hinsicht fühle sichdie Schweiz
verpflicht et,ihr einmalgegebenes
Wort einzuhalten. Das bezieht sich
auf Vereinbarungen des Landes mit
Deutschland, die zum Beispiel den
TransitvonKohle aus Deutschland
nachItalien regeln. Trotzdem trägt
auchdie Schweizer Haltung imFrüh-
jahr 1945 der sichwandelnden
KriegslageRechnung. DerWarenver-
kehr mit Deutschland wirdwesent-
lichreduziert.Die Schweiz habe deut-
sche Guthaben im Land blockiert
und damit auf eine entsprechende
MaßnahmeDeutschlands reagiert,
heißt es. EinWirtschaftsabkommen
mit Deutschland sei nicht erneuert
worden. Kriegsverbrechernwerde
die Schweizkein Asylgewähren. Das
Land sei auchnicht bereit, zuzulas-
sen, dassKriegsbeuteinder Schweiz
in Sicherheit gebracht werdeund
habe deshalb den Handel mit frem-
den Banknotenverboten.


London gewährtAsyl


Der am 28.Februar mit seinerRegie-
rung zurückgetretene ehemaligeru-
mänische Ministerpräsident General
NicolaiRadescuflücht et in die briti-
sche GesandtschaftinBukarest. Das
bestätigt die britischeRegierung.Ra-
descu hatteLebensgefahrgeltend ge-
macht.Erfühle sichvon politischen
Gegnernbedroht.Daraufhinge-
währtdie britischeRegierung ihm
Asylund teilt das den amerikani-
schen und sowjetischen Mitgliedern
der alliiertenKontrollkommission in
Rumänienmit. pes.


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V


or derReise des türkischen Prä-
sidentenRecep Tayyip Erdogan
nachBrüssel an diesem Montag
hat InnenministerSüleyman
Soyluden Druckauf die EUverstärkt.
Seit einerWochehätten bereits mehr als
143 000 Menschen Griechenland er-
reicht, behauptete SoyluamWochenende
in der osttürkischenStadt Elazig. Dies sei
erst der Anfang, dieZahl werdesehr bald
steigen, so Soylu, der imKabinett als
Hardliner gilt.„Wasbisher geschehen ist,
istnichts.“Wenn sichdas Wetterbessere
und derWasserspiegel des Grenzflusses
zwischen derTürkei und Griechenland
sinke,werdeder Grenzübertritt ein Leich-
tessein. Zudem werdedie türkische
Grenzpolizei denRücklauf vonMigran-
ten, dievonder Grenze zurückkämen,
„auffangen“, so Soylulaut türkischen Me-
dienberichten. Dergriechische Minister-
präsident Kyriakos Mitsotakis könne
dann die Grenze nicht mehr halten.
Die vonSoylu ohne Quellenangabe an-
geführtenZahlen liegen deutlichüber de-
nen, die Griechenland nennt, und sind
nicht zuverifizieren.Athen behauptet, es
seien 39 000 illegale Grenzübertrittever-
hindertworden, seit Erdogan am 29.Fe-
bruar die türkische Grenze zu Europa für
offenerklärthatte. Weniger als 100Perso-
nen seiennachirregulä renGrenzübertrit-
tenfestgenommenworden. Athen wirft
der Türkei vor, türkische Militärpolizisten
hätten600 Migrantendabeigeholfen,Trä-
nengaskanisterauf diegriechische Seite
der Grenze zuwerfen. Türkisc hes Militär
soll zudem laut den Berichten grie-
chischer Medien Migranten dazu anhal-
ten, die Grenze illegal zu überwinden.
Der Staatssender ERTzeigteVideos, die
zeigen sollen, wie türkische Soldaten
Menschen mit Schlägen undTritten auf
die griechische Grenzezutreiben. Mitsota-
kis bekräftigte, dassGriechenland jedes
Rechthabe, seine Grenzen zu schützen.
Europawerdesichnicht erpressen lassen
durch die „dauerhafte und sehr systemati-
sche“ Provokation derTürkei, sagteerin
einem Interviewmit demFernsehsender
CNN am Samstag. „HerrErdogan muss
das erkennen, HerrErdogan mussaufhö-
ren, der Anstiftervon gezieltenFalschmel-
dungen zu sein“, sagteMitsotakis.
Angespannt istdie Lageauchauf den
griechischen Inseln in derÄgäis, wo es
weiter zugewaltsamenVorfällengegen
Mitarbeiter und Hilfsorganisationen für
Geflüchteteoder Migranten kommt.Am
Samstagwaren Räumlichkeiten einer
Schweizer Organisation in Flammen auf-
gegangen, die sichauf der Insel um Mi-
grantengekümmerthatte. Obwohl Br and-
stiftung nicht unmittelbar alsUrsache

feststand, lag derVerdacht nahe. Die be-
trof fene Organisationhatteihre Arbeit of-
fenbar schon voreinigenTageneinge-
stellt, nachdem es auf Lesbos zugewa ltsa-
men Übergriffen auf Mitarbeiter von
Hilfsorganisationen sowie Brandanschlä-
gengekommenwar.
Erik Marquardt, migrationspolitischer
Sprecher der Grünen im Europaparla-
ment, der sichseit dem 25.Februar auf
Lesbos aufhält, sagtedieser Zeitung am
Sonntag, natürlichmüsse man die polizei-
lichen Ermittlungsarbeiten abwarten,
dochpasse der Brand ins Bild der jüngs-
tenEreignisse: „In denvergangenenTa-
genwurden vielfachDrohungengegen
Hilfsorganisationen ausgesprochen, und
es wurde imNetz dazu aufgerufen, Ge-
flücht eteund deren Helfer anzugreifen.“
AufLesboswerdeseit Tageneine Lagege-
duldet, in derRechtsextreme aus selbstde-
klarierter„Notwehr“ zur Jagd auf Men-
schen undStrukturen der humanitären
Hilfeaufriefen, so Marquardt .„Die Stim-
mung auf Lesbos istexplosiv.Und zwar
vorallem,weil rechtsstaatlicheVerhält-
nisse momentan nichtgewahrtsind“, sag-
te der Abgeordnete.Die Ge walt gehe von
einer kleinen Minderheit aus, die aber zu-
letzt einengewissen Zulauf auchvon Men-
schen bekommen habe, die laut Einschät-
zung vonAnwohnerneigentlichnicht der
rechtsradikalen Szene zuzuordnen seien.
Die türkischeKüstenwachehat in der
Ägäis derweil am Sonntag nacheigener
Aussageinsgesamt 121 Migranten aufge-
griffen, dieversucht hätten, mit Booten
auf griechische Inseln zugelangen. Dies
meldete die vonder Regierungkontrol-
lierte türkischeNach richtenagentur Ana-
dolu. DiegriechischeKüst enwach ehabe
die Boote zurückintürkische Gewässer
abgedrängt, hieß es. Die Angabenkonn-
tennicht unabhängig überprüftwerden.
Ein Bootmit 47 Afghanen und einem Sy-

rersei vordem westtürkischen BezirkCes-
me gestopptworden, meldete Anadolu.
Zudem sei ein Bootmit 48 Syrern, 24 Mi-
granten ausKongo und einem Angolaner
vonder griechischen Seiteabgedrängt
worden. Alle Migranten seien wieder auf
das türkischeFestland gebrachtworden.
Erdogan hattedie Küstenwachezuletzt
angewiesen, Migranten nicht mehr mit
Bootendie Ägäis durchqu eren zu lassen,
da sie dort„Risiken“, ausgesetzt seien.
Diese Anweisung desStaatspräsidenten
sei allerdings nicht alsKurswechsel der
türkischenPolitik zuverstehen, hieß es
auf der Internetseiteder Küstenwache. Es
gelteweiterhin das „Prinzip der Nichtein-
mischung, wenn Migranten illegal das
Landverlassenwollen“. Jedochsollten
sich die Migranten mit solchen Bootsfahr-
tennicht in lebensbedrohliche Gefahren
bringen. IllegaleÜberfahren vonMigran-
tendurch die Ägäis seienwegensolcher
Risiken nicht erlaubt. Der Innenminister
werdedie UmsetzungvonErdogans An-
weisung überwach en.
Erdogans Kommunikationsdirektor
Fahrettin Altunwarf der EU unterdessen
abermals vor, ihreZusagen aus dem
Flüchtlingsabkommen nicht eingehalten
zu haben. Dies zwingedie Türkei, die bis-
lang ein Bollwerkgegen illegale Migrati-
on aus Syrien und anderen Länderngewe-
sen sei, ihreRessourcen umzuschichten.
Statt den FlüchtlingsstromnachEuropa
zu stoppen, sei es nun wichtiger,sichauf
den nächstenFlüchtlingsstromaus Idlib
vorzubereiten, sagteerdem Nach richten-
sender CNN.ErwidersprachMitsotakis,
der gesagt hatte, Ankarahelfeden Mi-
granten, über die Grenze zugelangen,
und warf seinerseitsAthen vor, Migran-
tenander Grenze zu misshandeln.
Das türkischeAußenministerium for-
derte die EU amWochenende auf, zu-
nächs tihreZusagen zu erfüllen, die sie im

FlüchtlingsabkommenvomMärz2016 ge-
macht hätten, bevorsie gegenüber der
Türkei Vorwürfe erhebe. Offenbar begrei-
fe die EU noch immer nicht die außerge-
wöhnlichen Lastenund Anstrengungen
der Türkei bei den Themen Migration
und Sicherheit. Griechenlandverstoße ge-
gendas Völker rechtund setze alle Arten
vonFolter gegenUnschuldigeein, die an
seine Grenzengelangt seien, heißt es aus
Ankaraweiter .Das Außenministerium
kritisiertdie griechischeRegierung dafür,
das Asylrecht suspendiertzuh aben.
Unterdessen blieb an der Landgrenze
zwischen Griechenlandund derTürkei
die Lageangespannt.Die griechis chePo-
lizei setzteauchamWochenendeTränen-
gasund Wasserwerfer gegenMigranten
ein, dieversuchten, in derGrenzprovinz
EdirneZäunezudurchbrechen. Die Mi-
grantenwarfen ihrerseitsSteine, die tür-
kischen Sicherheitskräfte setzteneben-
falls Tränengas ein. Augenzeugen berich-
ten, dasstürkische Behörden begonnen
hätten,Migrantenvonder Grenzstadt
Edirnewieder zurück nach Istanbul zu
bringen. Am Sonntag wurde zu dem be-
kannt, dass auchZypernSicherheitskräf-
te an diegriechische Landgrenze zurTür-
keiverlegenwerde, um Griechenlands
Grenzschutz zu unterstützen. Dies bestä-
tigteein Sp recher der zyprischenRegie-
rung in Nikosia.Mitsotakis undZyperns
PräsidentNikos Anastasiadis, der zu-
gleich Regierungschef ist, hatten sich
demnachineinemTelefongespräch am
Sonntagmor genauf dieseMaßnahmever-
ständigt.„Der Vorschlagdes Präsidenten
wurde vonGriechenlands Regierungs-
chef dankbar angenommen, und so wird
nun eine Einheitvon Zyperns Sicher-
heitstruppen sofortnachGriechenland
reisen,umGriechenlands und Europas
Grenzen zuverteidigenund zu schüt-
zen“, so der Sprecher.

Kämpfe an der Grenze: GriechischePolizistenversuchten am Samstag, Migranten am Grenzübertritt zu hindern. FotoAFP

1945


Lt.BERLIN. In der großen Koalition ma-
chen dieUnionsparteien und die SPD un-
terschiedliche Haltungenzur Aufnahme
vonminderjährigen Flüchtlingen deut-
lich, die in überfüllten Lagernauf grie-
chischenÄgäis-Inseln leben.Vor derKo-
alitionsrunde, die sichamSonntagabend
mit derFragebefassen sollte,gabesa uch
innerhalb derRegierungsparteien unter-
schiedlicheStimmen.
Die SPD plädierte für dieAufnahme
vonMinderjährigen. Dochwährend der
Parteivorsitzende NorbertWalter-Bor-
jans dieForderung, Deutschland müsse
handeln, unter denVorbehaltstellte, dies
gelte, falls es nichtrascheine europäische
Lösunggebe, machtedie Parteivorsitzen-

de Saskia Eskenkeinen derartigenVorbe-
halt.Sie sagteder „AugsburgerAllgemei-
nen“:„Wir müssen diese Kinder endlich
da rausholen.“ Es müsse „dringend und
unter allen Ums tändenetwasgesche-
hen.“Walter-Borjans sagteimDeutsch-
landfunk, es müsstenrund 1000 unbeglei-
tete Minderjährigeaus den Lagernauf
den griechischen Inselngeholt werden.
Er sagte, vielevonder SPDregierte Bun-
desländer und Gemeinden hätten sichbe-
reit erklärt, eine solche überschaubare
Zahl vonMenschen aufzunehmen.
Der bayerische Ministerpräsident und
CSU-Vorsitzende MarkusSöder wandte
sichgegen einerasche Übernahmevon
Flüchtlingen aus Griechenland. Er sagte

der Zeitung„Welt am Sonntag“, humani-
täre Hilfeleistenheiße jetzt zunächst,
Griechenlandzuunter stützen und die
Lageinden griechischen Lagernzuver-
bessern. Derrheinland-pfälzische CDU-
Fraktionsvorsitzende Christian Baldauf
plädierte hingegen dafür,Deutschland
könne bei derAufnahmevonWaisen und
Unbegleiteten vorangehen.
UnionsfraktionschefRalph Brinkhaus,
der am Mittwoch bei einemTreffender
Unionsspitzen offenkundig heftig mit
BundesinnenministerHorst Seehofer in
der Flüchtlingsfrageaneinandergeraten
war, sucht eamSonntag dem Eindruckzu
begegnen, er lehne dieAufnahmeweite-
rerFlüchtlingeinDeutschlandgenerell

ab. Brinkhausteiltemit, er „stehe sehr
wohl dazu, dassdieses Land aus humani-
tärenGründen auchweiterhin Flüchtlin-
ge aufnimmt“. Es müsse aber nachden Er-
fahrungen des Jahres 2015 darumgehen,
„dass wir die Zuwanderung in diesem
Land so aussteuern, dassdie Tragfähig-
keit vonMigration und derZusammen-
halt in dieser Gesellschafterhalten blei-
ben“.
In Hamburgund Berlin fanden am
SamstagDemonstrationen mit mehreren
tausendTeilnehmernstatt, dieforderten,
Flüchtlingeaus dengriechischen Lagern
und jene, die an der türkisch-grie-
chischen Grenze abgewiesen wurden, in
Deutschland aufzunehmen.

Verschwörung in


Saudi-Arabien?


In Saudi-Arabien sind laut Medienbe-
richten mehrere ranghohe Mitglieder
der Königsfamilie festgenommen
worden. Ihnenwerdeeine Verschwö-
rung gegenden König vorgeworfen,
berichteten dieZeitungen„The Wall
StreetJournal“ und die „New York
Times“ mitVerweis aufPersonen, die
mit demFall vertraut seien.Unter
den Verhaftete nseien der Bruder
und derNeffedes 84 Jahrealten Kö-
nigs Salman. Ihnen drohten demnach
nicht nur langeHaftstrafen, sondern
möglicherweise auchdie Todesstrafe.
Der Bruder desKönigs, Prinz Ahmed
bin Abdulasis Al Saud, und Prinz Mu-
hammad binNaif binAbdulasis Al
Saud hatten beide in derVergangen-
heit unteranderemden wichtigenPos-
tendes saudischen Innenministers
inne. Siegalten den Medienberichten
zufolgezeitweise als potentielle
Thronfolger.König Salman hatteMu-
hammad binNaif im Juni 2017 im
Rahmen einer Neuregelung der
Thronfolgeals Kronprinz abgesetzt
und durch seinen Sohn Muhammad
bin Salman ersetzt.Die „N ew York
Times“ berichtetezudemvonder Ver-
haftung eines dritten Prinzen: Prinz
Nawa fbin Naif. Den Berichten zufol-
ge soll Kronprinz Muhammad bin Sal-
man hinter den Verhaftungen ste-
cken. dpa

Vorwürfe gegen


PremierministerJohnson


Der britische PremierministerBoris
Johnsongerätwegen eines Luxusur-
laubs in derKaribik mit seinerVerlob-
tenCarrieSymonds unter Druck.
Wiedie Zeitung„The Observer“ be-
richtete,ermittelt dieAufsichtsbehör-
dedes Parlamentsweg en der Reise
auf die Privatinsel Mustique über Neu-
jahr.Laut Johnsons Angaben wurde
die 15 000 PfundteureReise vondem
Geschäftsmann David Rossbezahlt,
der auchSpender derkonservativen
Tories is t. Dies sorgtefür Ir ritationen,
da Ross anfänglicherklärthatte, das
Geldkomme nichtvonihm. Später
ließ er dann über einen Sprecher er-
klären, es habe sich um eine „Sachleis-
tung“gehandelt. Die oppositionelle
LabourPartyhattedaraufhin dasPar-
lament zu Ermittlungen aufgefordert.
Diese laufen laut „Observer“ seit An-
fang vergangenerWoche. AFP

Uneinigkeit über Aufnahme vonFlüchtlingen


Die SPD plädiertdafür,Minderjährigeaus griechischen Lagernzuholen, in derUnion gibt esVorbehalte


Lt.BERLIN.Die Zahl der ausgegebe-
nen KleinenWaffenscheine hat sich
zwischen Ende 2015 und Ende 2018
in Deutschland auf mehr als 600 000
verdoppelt. Das Bundesinnenministe-
rium gaban, Ende des abgelaufenen
Jahres 2019 seien sogar 664 706 sol-
cher Erlaubnisse erteilt worden. Ein
KleinerWaffenschein berechtigt zum
Führen vonSchreckschuss-,Reizgas-
oder Signalwaffen. Die Erlaubnis
kann vonPolizeidienststellen, aber
auchvon kommunalen Ordnungsbe-
hörden erteilt werden. DieAusgabe
eines Kleinen Waffenscheins setzt
die Volljährigkeit des Antragstellers
voraus; außerdem wirdseine Eig-
nung undZuverlässigkeitgeprüft, so
dürfendie Betreffenden nichtvorbe-
straft sein. Der KleineWaffenschein
gestattet auchnicht diegenerelle Be-
nutzungvon Schreckschuss- oder Si-
gnalpistolen. DieWaffen dürfennur
auf Schießständen, in nicht öffentlich
zugänglichem Geländeoderinbe-
stimmtenNotfallsituationen wieNot-
wehr eingesetztwerden. Bei öffentli-
chen Veranstaltungen, etwa auf
Volksfes tenoder beiUmzügen, ist
das Mitführenverboten. DerVorsit-
zende der DeutschenPolizeigewerk-
schaft, HeikoTeggatz, sagte der Deut-
schen Presse-Agentur,erempfinde
die steigendeZahl ausgegebener Klei-
ner Waffenscheine nicht als beunruhi-
gend. Da vorder Ausgabe des
Scheins eineZuverlässigkeitsprüfung
stehe, sei die Wahrscheinlichkeit
groß, dasssie in denrichtigen Hän-
den blieben.

dpa. PARIS.Nacheiner feministi-
schen Demonstration in Paris, bei
der neun Personen festgenommen
wurden, istinFrankreicheine neue
DebatteumPolizeigewalt entflammt.
InnenministerChris tophe Castaner
habe bei der Polizeipräfektur der
Hauptstadt einen Bericht angefor-
dert, umfestzustellen, wasamRande
der Demonstration in derNach tzum
Sonntag passiertsei. Dasteiltedie
französische Gleichstellungs-Staats-
sekretärin Marlène Schiappa aufTwit-
ter mit.Die Polizei berichtete, es sei
am Rande der Demonstration, an der
sichmehrer etausend Menschen be-
teiligt hatten, zuAusschreitungenge-
kommen.Nach dem eineAbsperrung
der Sicherheitskräfte durchbrochen
worden war, setzten die Beamten
demnachTränengas ein.


Wichtiges inKürze


Außer Kontrolle


DIE LETZTEN
KRIEGSWOCHEN

8./9. MÄRZ


Mehr Kleine


Waffenscheine


Debatteüber


Polizei gewalt


Vorallem aufden


Ägäis-Inselnist die


Stimmungexplosiv:


Flüchtlingshelfer


werden angegriffen,es


gibtBrandanschläge.


VonRainer Hermann,


Istanbul, und Michael


Martens, Wien


Für die Herstellung derFrankfurterAllgemeinen Zeitung wirdausschließlichRecycling-Papierverwendet.
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