FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Politik MONTAG, 24.FEBRUAR2020·NR.46·SEITE 5
PapstFranziskus hat am Sonntag zum
AbschlusseinesmehrtägigenTreffens
vonkatholischen Bischöfeninder Hafen-
stadt BariinApulie nseineKritik an der
Rhetorik populistischer Politiker bekräf-
tigt.„Die WorteeinigerPopulistenma-
chen mir Angst“, sagte Franziskus,denn
sie erinnerten anReden aus den dreißi-
gerJahren des 20.Jahrhunderts. Zwar
konzedierte der Papst in seinerRede vor
den Bischöfen, da ss die Aufnahme und
die Integrationvon Migrantennicht
leicht sei. Mankönne diesem Problem
abernicht begegnen, „indemman Mau-
ernerricht et“. Das fünftägigeTreffen
vonrundsechzi gBischöfenstand unter
dem Motto„Mittelmeer: Grenze des
Friedens“. Die Kirchenführer aus zwan-
zig europäischen, nordafrikanischen und
nahöstlichenAnrainerstaatenerarbeite-
tenbei de mvon de ritalienischenBi-
schofskonferenz ausgerichteten Konfe-
renz eineErklärung zu Entwicklungs-
undFriedensfragen, die sieamSonntag
dem Papstüberreichten.
Dermaltesische ErzbischofCharles
Sciclunahat te am Freitaggefordert,die
Kirchen de rMittelmeerregion müssten
sich für eineKultur der „Fremdenfreund-
lichkeit“ einsetzen, um das Migrations-
problemzulösen.Offenheitgegenüber
Fremden sei „ein sehr alterWert“, der
auch in der Bibelbezeugtwerde. In dem
Schlussdokument derKonferenzwerden
verfehlteWirtschafts- und Entwicklungs-
modelle alswesentlicheUrsachen für
Krieg eund Konflikt eimNahen Osten
und inNordafrik abenannt.PapstFran-
ziskus geißelte in seinerRede den
„Wahnsinn des Krieges“ undforderte na-
mentlichein Ende der KämpfeinSyrien
undinLibyen: „Erst wirdauf Konferen-
zen derFriedenbeschworen, un ddann
kehrtman heim, schicktweiter Waffen
und führtKrieg.“Franziskus sprachsich
abermalsfür interreligiöse Zusammen-
arbeit aus.Wersich„gemeinsam die
Händeschmutzig“mache im Einsatzfür
Friedenund Gerechtigkeit,der werde
„nie mehraus Glaubensgründengegen-
einanderkämpfen“.
Zu der vomPapstzelebriertenFreiluft-
messe mitrund 40 000 Gläubigenkam
auchStaatspräsident Sergio Mattarella
nachBari. Ministerpräsident Giuseppe
Contesagteseine Teilnahmekurzfristig
ab, weil er inRomden ständigen Krisen-
stab zur Bewältigungder Coronavirus-
Krise leitete. Die italienische Linkskoali-
tion zeigt sichinder Migrationspolitik
ostentativ einig mit derFührung derka-
tholischen KircheinItalien und mit
PapstFranziskus. rüb.
„DieWorteeinigerPopulistenmachenmirAngst“
„Namaste Trump“ heißt dieVeranstal-
tung, mit der Indien am Montag Do-
nald Trumpempfängt.Bei diesemTer-
min werden sichder amerikanische
Präsident und der indische Regie-
rungschefNarendraModi gemeinsam
in einem Cricket-Stadion vonder
Mengefeiernlassen. Mit dem Spekta-
kelinAhmedabad in seiner Heimatre-
gion Gujarat zeigt sichModi er kennt-
lichfür eine ähnlicheVeranstaltung
im vergangenen September mit dem
Titel„Howdy Modi“ im texanischen
Houston. DorthattesichIndiens Mi-
nisterpräsidentvon50000 indischen
Emigranten feiernlassen.Trumpbe-
ehrte Modi mit seiner Anwesenheit
und warb nebenbei um dieStimmen
vonMillionen aus Indienstammen-
den Amerikanern.
VorJournalistensprac hTrump von
sieben Millionen Menschen, die ihn
in Ahmedabad begrüßen würden. Das
wärenmehr,als dieStadt Einwohner
zählt.Ganz so vielewerden es nicht
sein.Die BehördeninGujaratkündig-
teneine Mengevon mehr als 100 000
Menschen an. Es wirdein Spektakel,
wie es sowohl Trumpals auchModi
lieben. Dabei fällt offenbar weniger
ins Gewicht,wasinhaltlich mit dem
Treffenerreicht werden kann. Denn
zu einem seit langerZeit geplanten
Handelsvertrag wirdeswährend
Trumps BesuchamMontag und
Dienstagvoraussichtlichnicht kom-
men. „Ichsparemir dengroßen Deal
für später auf“, sagteTrump in der
Wochevor seinemBesuch.
Waszählt, sind die Bilder der fah-
nenschwenkendenTrump- und Modi-
Fans. Trumpist im Wahlkampfmo-
dus, und auchModi kann die Bilder
gut gebrauchen. Seit seinerWieder-
wahl im Mai desvergangenen Jahres
wirdIndiens hindunationalistischeRe-
gierungvorallem imwestlichen Aus-
landwegen ihrer als diskriminierend
wahrgenommenen Minderheitenpoli-
tik kritisiert. Auch im Land selbsthat-
te es in denvergangenen Monaten Pro-
teste gegenein neuesStaatsbürger-
schaftsgesetzgegeben. Die Demons-
trantenwollen es auchnicht hinneh-
men, dassdie Regierung in dem laut
Verfassung säkularen Staat zuneh-
mend eine Hindu-Agenda verfolgt.
Darüber hinaus macht Indien ein
deutlich verlangsamtesWirtschafts-
wachstum zu schaffen. Modi dürfte
deshalb auchdaran gelegen sein, den
Handelsstreit mit den Amerikanern
bald zu beenden. Im vergangenen
Jahr hatteWashingtonIndien einige
Handelsvergünstigungen gestrichen.
Bis dahin hattedas Landvoneinem
Handelsprogramm für Entwicklungs-
länder profitiertund konnteProdukte
zollfreiindie VereinigtenStaatenex-
portieren. Indien hattedaraufhin die
Zöllevonamerikanischen Produkten
wie Mandeln,Walnüssen und Äpfeln
angehoben.Wieauchanderen Län-
dern, mit denen dieVereinigten Staa-
tenein Handelsdefizit haben, wirft
TrumpIndien mangelnde Fairness
vor, sagtaberauch: „Ichmag Minister-
präsident Modi sehr.“Tatsächlichist
es zwarTrumps erster Besuchals Prä-
sident in Indien, aber schon sein fünf-
tesTreffen mit Modi in nur achtMona-
ten. Modi hat eine persönlicheVerbin-
dung zuTrumpaufgebaut.Die Ameri-
kaner sehen Indien auchals das Land,
das in Asien am ehesteneinen Gegen-
pol zu China bildenkann. Indien ist
Mitglied im „Quadrilateral Security
Dialogue“, dem auchdie Vereinigten
Staaten,Australienund Japan angehö-
ren. Dieser Sicherheitsdialog wurde
vornicht allzu langerZeit aufgewer-
tet, indem er auf die Ebene der Minis-
tergehoben wurde. Hinter dem Dia-
log steckt die Idee, dassdiese Länder
aufgrund gemeinsamerWertegeeig-
netseien, um in der indo-pazifischen
Region militärischenger zusammen-
zuarbeiten.
An die Stelle eines Handelsabkom-
mens dürften dieRüstungsverträge
treten: Unte randerem soll derVer-
kaufvon24Militärhubschrauberndes
amerikanischen HerstellersLockheed
Martin imWert von2,6 Milliarden
Dollar abgeschlossen werden. Mit Kri-
tik an seinem Gastgeber wirdsich
Trumpzurückhalten, auchwenn sich
mittlerweile selbsteinigeRepublika-
ner besorgt über die Lageimmuslimi-
schenKaschmir äußern. Das Angebot
Trumps, in demKonflikt mitPakistan
um diegeteilteRegion zuvermitteln,
hatteIndien mehrfach abgelehnt.
Indien istoffensichtlichbereit, sich
den BesuchTrumpseinigeskosten zu
lassen. In Ahmedabad wurde in nur
wenigenTageneine Mauer hochgezo-
gen, umTrumpauf seinemWegdurch
die Stadt den Anblickeines Armen-
viertels zu ersparen.Fürden Besuch
des TajMahal inAgra wu rdefür die
EheleuteTrump das berühmteGebäu-
de eigensgesäubertund hergerichtet;
auchwurde dem an der Grabstätte
vorbeifließenden Yamuna-Fluss fri-
sches Wasser zugeführt, um zuverhin-
dern, dassder übliche fauligeGeruch
die Nasen der Ehrengäste beleidigt.
Her.FRANKFURT. Ausder irani-
schen Parlamentswahl vomFreitag
sind die Hardliner wie erwartet als kla-
re Sieger hervorgegangen. Die Nach-
richtenagenturFars berichtete, voraus-
sichtlichwerden sie imkommenden
Parlament 220 der 290Abgeordneten
stellen. Bisher hatten die Anhänger des
gemäßigten Präsidenten HassanRoha-
ni im sogenannten Madschles über eine
Mehrheitverfügt.Inder Hauptstadt Te-
herangewannen die Hardliner alle drei-
ßig Sitze.
InnenministerAbdolreza Rahmani
Fazli sagteamSonntag imStaatsfernse-
hen, 24 Millionen der 58 Millionen
wahlberechtigten Iraner hätten ihre
Stimme abgegeben. Das entspräche ei-
ner Wahlbeteiligungvon42Prozent.
Bei derParlamentswahl 2016 hattedie
offizielleWahlbeteiligung nochbei 62
Prozentgelegen.Rev olutionsführer Ali
Chamenei machtedie „Feinde der Isla-
mischenRepublik“ für die niedrigere
Beteiligungverantwortlich. Sie hätten
die Gefahr des Coronavirus übertrie-
ben und soversucht, die Menschenvon
der Stimmabgabe abzuhalten, erklärte
Chamenei auf seiner Internetseite. Das
habe jedochnicht diegewünschteWir-
kung hervorgerufen.
Bei keiner Parlamentswahl seit dem
Beginn der IslamischenRepublikwar
die Beteiligungsogerin gwie am vergan-
genen Freitag.Um 18 Uhr,als die Wahl-
lokale schließen sollten, hatte das Innen-
ministerium bekanntgegeben, erst 11
Millionen hättenvonihremWahlrecht
Gebrauchgemacht. Die Öffnungszeiten
der Wahllokale wurden daher um sechs
Stunden bis Mitternachtverlänger t. Die
offiziell angegebene Wahlbeteiligung
wirddaher in Zweifelgezogen. Die bis-
lang niedrigste Beteiligung hatteesmit
jeweils 51 Prozent bei denParlaments-
wahlen der Jahre2004 und 2008gege-
ben. Wiebei derWahl amFreitag hat-
tendabei die Hardliner jeweils eine kla-
re Mehrheit im Madschles davongetra-
gen. AusEnttäuschung über ausbleiben-
de Reformen waren2004 und 2008, wie
auchjetzt, jene nicht zurWahl gegan-
gen, die eine Öffnung und Liberalisie-
rung der IslamischenRepublikwollen.
Die Hardlinerkontrollieren nachih-
remWahlsiegvomFreitag neben der
Justiz nun eine zweitewichti ge Instituti-
on der Islamischen Republik.Nochklei-
ner wirdder Spielraum derRegierung
vonPräsidentRohani. Diegeduldeten
gemäßigtenStimmen haben mit dem
Verlustdes Parlaments eine Plattform
weniger ,umdie Politik desrevolutionä-
renLager sumAjatollah Chamenei zu
kritisieren undvorsichtig inFragezu
stellen.
Der Sieg der Hardliner hattesichab-
gezeichnet, als derWächterrat vonden
14 444 Bewerbungen, die fürdie 290 Sit-
ze kandidierenwollten, die Hälfte dis-
qualifiziertund nicht zurWahl zugelas-
senhatte. DerWächterratist eineder In-
stitutionen, die dieVormacht desrevolu-
tionären Lagersinder IslamischenRe-
publik umRevolutionsführer Chamenei
und dieRevolutionswächter absichern
gegenüber dengewählten Institutionen.
Der Wächterrat disqualifizierte selbst
drei Viertelder Abgeordneten, die sich
einerWiederwahl stell en wollten. Zu
den bekannterenAbgeordne ten, denen
das verwehrtwurde, gehören dieReligi-
ös-Konservativen Ali Motahariund
Mahmoud Sadeghi. Sie hatten im Parla-
ment wiederholt eine politische Öff-
nung derRepublikgeford ert. Die Folge
der Disqualifizierungenwar, dasses–
selbstnachAussag edes Innenministeri-
ums –inDreiviertel derWahlkreisekei-
ne Konkur renten zu den Bewerbernder
Hardlinergab.
Die Mehrheitsverhältnisse imParla-
ment ändernsichzwar, das Madschles
hattesichjedochinder Vergangenheit
als zahnlos erwiesen.Bei wichtigen Ent-
scheidungen,etwa zu Erhöhungen des
Benzinpreises und derStreichungenvon
Subventionen, wurde es nicht einmal in
Kenntnisgesetzt .Inder Außen- und Si-
cherheitspolitik haben dieAbgeordne-
tenohnehinkein Mitspracherecht. En-
gerwirdder Spielraum nun für dieRe-
gierungRohani. Sie muss nochimmer
einenStaatshaushaltfür das iranische
Jahr vorlegen, das am 21. Märzbeginnt.
Im vorliegenden Entwurfsind die Ein-
nahmen aus demVerkauf vonErdöl un-
realistischhoch angesetzt, und bei ei-
nem Großteil aller anderen Exporte ist
nicht gesichert, wie die mit demVerkauf
erzielten Devisenins Landgelangensol-
len.Eine Anhebung derSteuernund Ab-
gaben istdaher unumgänglich,waszu
neuen Protesten führenkönnte.
Am Wahltag haben Enthüllungen
über dieAusbreitung des Coronavirus
in Iran der Glaubwürdigkeit desRe-
gimes einenweiteren Schlagversetzt.
VorWochen hattedie Führung um Cha-
menei denAbschus seines ukrainischen
Passagierflugzeugsvergebens versucht
zu verschweigen. Nunhattesie dasAus-
maß verschwiegen, mit dem Iran be-
reits vondem Virusbetroffen is t. Am
Freit ag sagteder türkischeGesundheits-
ministerFahrettin Koca eher beiläufig,
er habevonseinem iranischen Amtskol-
legen erfahren, dassesinIranbereits
750 Personen mitVerdacht auf eine In-
fektiongebe. Iran hat bislang achtVi-
rustot eeinges tanden und damit mehr
als in jedem anderen Land außerhalb
Chinas.NachoffiziellenAngaben sind
43 Personen infiziert.
Iraner fragenverunsichert, ob das
Gesundheitssystem überhauptinder
Lagesei, eineweiter eAusbreitung zu
verhindern. Dassjeweils zwei Iraner,
die aus Iran in den Libanon und nach
Kanada eingereistsind, infiziertsein
sollen, löste Unruhe aus. Die ersten Co-
rona-Fälle wurden in derStadt Ghom
gemeldet, die den schiitischen Musli-
men heilig ist. Dortsind nun die Schu-
len geschlossen. Als wahrscheinlich
gilt, dasssichdas Virusinden heiligen
Stätten ausbreitet,indenen die Gläubi-
genmit dem Mundverehr te Objekte be-
rühren. In Ghom arbeiten zahlreiche
chinesische Bauarbeiter.Die größte
Verantwortung für die Ausbreitung
trägt mutmaßlichdie iranische Flugge-
sellschaftMahan Air,die ihr eFlügevon
und nachChina nie eingestellt hat.
FordertOffenheitgegenüberFremden: Der Papstwährend der Messe in Bari FotoEPA
Spektakel
ohneDeal
Modi empfängtTrump
in Indien
VonTillFähnders,
Singapur
Sieg der Hardliner
AusEnttäuschung über ausbleibendeRefo rmen
niedrigste Beteiligung bei iranischerParlamentswahl
F
ür Bernie Sandersstand schon
vorseinem Erfolg in Nevada fest:
„Ichhabe Neuigkeiten für dasre-
publikanische Establishment.Ich
habe Neuigkeiten für das demokratische
Establishment.Sie können uns nicht auf-
halten.“ DerTweetdes sozialistischen Prä-
sidentschaftsbewerberssollte seinen kla-
renSieg imWesten Amerikasvorwegneh-
men. Erwarf zugleichein Licht darauf,
wasder Partei be vorsteht, sollteSanders
weiter durchmarschieren.
Als am Samstagabend die ersten Er geb-
nissevom„Caucus“ bekanntwurden, die
so eindeutigwaren, dassSanders schnell
zum Sieger erklärt wurde, befand sichder
Kandidat schon imtexanischen San Anto-
nio. Er hatteden übernächstenWahltag
im Blick. Nach South Carolina in der
nächstenWoche folgt Anfang Märzder
„SuperTuesday“. Dann wirdin14Bundes-
staatengewählt, darunter inTexas. In Ne-
vada lag SandersnachAuszählungvon
sechzig Prozent derStimmbezirke mit 46
Prozentvorn.Zweieinhalb Siegekonnte
er somit inzwischen verbuchen: Im „Cau-
cus“ vonIowagewann er die meistenStim-
men, der ModeratePeteButtigieg lag in-
des bei denWahlbezirkenvorn.Inder Vor-
wahl in NewHampshiresiegte er knapp,
in Nevada nun deutlich.
Die Dynamikverleiht Sanderszusätzli-
chen Rückenwind, zumal er den Beweis er-
brachte, dassernicht nurvonweißen Stu-
denten, Lehrernund Arbeitern gewählt
wird.Nevada is tder er steVorwahlstaat
mit hohem Minderheitenanteil: Dreißig
Prozent der drei Millionen Einwohner
sind Latinos, neun Prozent Afroamerika-
ner. Viele vonihnen arbeiten im Niedrig-
lohnsektor,inHotels undin der Gastrono-
mie. Bei den Latinos lag Sandersvorn, bei
den Afroamerikaner nauf Rang zwei nach
Joe Biden.„Wir bringen die Leutezusam-
men“,rief der 78 JahrealteMann seinen
AnhängerninTexas zu: Schwarze und
Weiße,Latinos, Asiaten, Männer,Frauen,
Hetero-und Homosexuelle–„die arbeiten-
den Menschen diesesLandes“.Die Bot-
schaf tist an dasParteiestablishmentge-
richtet, das davorwarnt, dassmit einem
Präsidentschaftskandidaten Sanders, der
die politische Mitteverschrecke,nicht nur
einezweite Amtszeit DonaldTrumps dro-
he, sondernauchder Verlustder er st kürz-
lichgewonnenen MehrheitimRepräsen-
tantenhaus.
Das Sanders-Lager hält dem entgegen,
„Bernie“ sei es, der wiekein anderer neue
Wählerschichten mobilisiere.Er hole Leu-
te an dieWahlurnen, die sichbislangabge-
hängtgefühlt und sichschon seit Jahren
nicht mehr anWahlen beteiligthätten.
Das Argument, er polarisiere,komme von
Leuten, die ihnverhindernwollten,weil
er ihr eStatus-quo-Politik fürgeschei tert
erkläre. So istauchseine Äußerungüber
das Establishment zuverstehen. Bevor
Sandersden Tweetveröf fentlichte, hatte
ereinenBericht der„WashingtonPost“be-
stätigt,wonacherschon voreinem Monat
vonSicherheitsbehörden darüber unter-
richtetworden sei, dassRussland sichzu
seinen Gunstenindie Vorwahlen der De-
mokraten einmische.Welche Artvon Des-
information Moskau betreibe, blieb un-
klar.Seine Botschaftanden Kreml sei
aber klar: Dieser solle sichgefälligstaus
amerikanischen Wahlenheraushalten.
Als Präsidentwerdeerg enau dafür Sorge
tragen.
Das Sanders-Lager vermutetehinter
der Veröffentlichung derZeitungjustvor
der Vorwahl inNevada freilicheine geziel-
te Kampagne desParteiestablishments.
Sanderssolle so diffamiertwerden als der
nützliche IdiotWladimirPutins, der für
einezweite AmtszeitTrumps, des in Mos-
kaubevorzugten Präsidenten, sorgensol-
le. DerTweetSanders’,indem derRuss-
land-Kontext freilichnicht hergestellt wor-
den war, stieß wiederum auf Empörung
im Establishment.Dasehe man es wieder
einmal: Sanders, der unabhängigeSenator
aus Vermont, planegleichsam einefeindli-
cheÜbernahme derPartei. In den sozia-
len Medienzeigtesich, wievergiftetdie At-
mosphärezwischen Sanders und Teilen
der Demokraten ist, allen Schwüren zum
Trotz, am Endewerde man denjenigen
Kandidaten, der sichdurchsetze,geschlos-
sen unterstützen.
S
anders’ Dynamik wirddurch die
Schwäche des moderaten Flügels
verstärkt .Die Zentristen sind im-
mer nochuneins, aufwensie set-
zen sollen.Der frühereVizepräsident Bi-
den, der in Iowa und NewHampshiresei-
nen Status als Spitzenreiter eingebüßt hat-
te,sieht für sichnach dem „Caucus“von
Nevada immer nocheinen Pfad zurKandi-
datur.InLas Vegas, wo er mit zwanzigPro-
zent auf Platz zweigelandetwar,zeigteer
am Samstagabend, mitwelcher Botschaft
er nachSouth Carolina ziehenwerde. „Ich
bin weder SozialistnochPlutokrat“, sagt
er.Ersei Demokrat undstolz darauf.Sub-
text:Sander sist kein echter Demokrat,
und der frühereRepublikanerMichael
Bloomberg, der Späteinsteiger insRen-
nen, auchnicht.
FürBiden geht es in SouthCarolina um
alles.Hatteerv or den ersten dreiVorwah-
len die Erwartungenrech tzeitig herunter-
geschraubt,kündigteernun an, den Süd-
staat zugewinnen. DieUmfragen sehen
ihn tatsächlichweiter vorn,obwohl er auf
nationaler Ebeneseit den Niederlagen in
Iowa und NewHampshireabgestürztwar.
Grund dafür istdie afroamerikanische
Wählerbasis. Inkeiner anderen Gruppe
istder nahbare, pragmatischeKandidat,
der Volkes Sprache spricht, so populär.
UndinSouth Carolina machen die Afro-
amerikaner sechzig Prozent der Demokra-
tenaus. Sanders, der insbesonderejünge-
re Schwarze hinter sichweiß, konntezu-
letzt aberaufho len. Ohne einen Sieg im
Südenwirdesfür Biden schwer,zumal
sichdie ausbleibendenVorwahlerfolgein
seiner Spendenkasse widerspiegeln.
A
uchElizabeth Warren steht
enormunter Druck. Nach ihren
enttäuschendenPlazierungen
in Io wa und NewHampshire
versucht esie, sic hneu zu erfinden.Ange-
sichtsvonSanders’ Erfolgen wolltedie Se-
natorin aus Massachusetts nicht mehr die
alternativelinke Kandidatinsein.Nun po-
sitioniertesie si ch alsjene Frau, welche
die Brücke zwischen beiden Lagernbilden
könne. In der letztenFernsehdebatteschal-
tete sieauf Angriff und gingBloomberg
hartan: AlsUnternehmer stehe er für
Frauenfeindlichkeit und als früherer New
Yorker Bürgermeist er fü reine rassistis che
Polizeitaktik.Die Angriffeauf den 77 Jah-
re alten Milliardär,auf die dieser mit ei-
nem Verdrehen derAugenreagierte,spül-
tenkräftig Geld in ihreWahlkampfkass e.
An Warrens Abschneiden inNevada än-
derte das nichts,was allerdings auchdar-
an gelegen habenkönnte, dassviele Demo-
kratenihreStimme schonvorder Fernseh-
debatteals Frühwähler abgegebenhatten.
Warren landeteauf Platz vier,hinter
Buttigieg,vorAmy Klobuchar.AmSams-
tagabendsagte sie: Bloombergpreisesich
als derjenige an, der am ehesten einen
Sieg gegenTrump sichernkönne.Tatsäch-
lichsei er nicht diesiche rste Option, son-
derndie riskanteste. Ma nbrauche keinen
zweiten arroganten Milliardär,der versu-
che, sic hdie Präsidentschaftzuerkaufen.
Bloomberghatte zuvor auf seinenviel-
kritisiertenerstenDebattenauftritt rea-
giert. Er kündigtean, entgegen seinerur-
sprünglichenAbsichtjenenFrauen, die
ihn vorJahrzehntenwegenfrauenfeindli-
cher Sprücheverklagt hatten, die Möglich-
keit zu geben,trotzder Verschwiegenheits-
vereinbarung offenzureden.Bloomberg
will Sandersam3.Märzstellen. In den bei-
den bevölkerungsreichstenBundesstaaten
des„SuperTuesday“, in Kalifornien und
Texas, liegt der Sozialist in denUmfragen
vorn.Nachdem er sten DienstagimMärz
istmehr als ein Drittel der Delegierten für
den Nominierungsparteitag im JuliinMil-
waukee vergeben.Trotzder Angriff eaus
dem Parteiestablishment sagen 65 Pro-
zent der Anhänger an der Basis, Sanders
sei derjenigeKandidat, mit dem sie sich
am wohlstenfühlten und der am meisten
Begeisterung hervorrufe. (Kommentar
Seite8.)
AFP.KABUL.InAfghanistanist in der
Nach tzum Samstagdie zwischen den
VereinigtenStaaten und denradikalisla-
mischenTaliban verhandelteeinwöchi-
ge teilweiseWaffenruhe in Kraftgetre-
ten. In zahlreichenStädten des Landes
feiertendie Menschen den möglicher-
weise historischenWendepunkt in dem
seit 18 Jahren andauerndenKonflikt.
Solltedie vereinbarte „Woche derredu-
ziertenGewalt“ eingehaltenwerden, ist
für de nkommenden Samstagdie Unter-
zeichnung einesAbkommens zwischen
Amerika und denTalibangeplant, das
den Wegzueinem dauerhaftenFrieden
ebnenkönnte.
In derStadt Kandahar,einer Hoch-
burgder Taliban, sowie in Dschalala-
bad versammelten sichinder Nacht
zum SamstagDutzende Menschen, um
den Beginn derWaffenruhe mit tradi-
tionellenTänzen zufeiern. In der nord-
afghanischenProvinz Balchgab es dage-
genbereitskurz nachderen Inkrafttre-
teneinen ersten Verstoßgegen dieWaf-
fenruhe. DieVereinigtenStaatenver-
handeln seit mehr als einem Jahr mit
den Taliban über dasAbkommen. Eine
Einigung gilt als wichtigerVorläufer für
direkteFriedensgespräche zwischen
der afghanischenRegierung und den Is-
lamisten. (Kommentar Seite8.)
WerkannSandersaufhalten?
Waffenruhe
trit tinKraft
wählt bewertet
ernennt/bestätigt prüft Kandidaten
schlägt vor
Staatliche Institutionen in Iran
1) Aus dem Expertenrat. F.A.Z.-Grafik Brocker/Hermann
Ge wählteInstitutionen Nicht gewählte Institutionen
Kabinett Führungder Streitkräfte
Parlament (Madschles) Oberhaupt des Justizsystems
Schlichtungsrat
Expertenrat
Wächterrat
Wähler
Revolutionsführer
290 Repräsentanten;
kann legislative Vetos
nicht überstimmen
88 Juristen/Theologen,für
8Jahre gewählt; überwacht
denRevolutionsführer
und wählt dessen Nachfolger
handelt als Verfassungsgericht
6Juristen 6Theologen1)
Staatsoberhaupt;
seitJuni 1989 Ali Chamenei
Präsident
seit August 2013
HassanRohani
DerSozialistsetzt
seinen Durchmarschbei
den Vorwahlen der
Demokraten inNevada
fort.Das Lager der
Moderaten giftetgegen
den Kandidaten–und
istselbstgespalten.
VonMajid Sattar,
Washington