Frankfurter Allgemeine Zeitung - 21.02.2020

(ff) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Feuilleton FREITAG,21. FEBRUAR2020·NR.44·SEITE 9


I

hrfünftesAlbum,sagtediekana-
dische Sängerin Grimesvorder
Veröffentlichung amFreitag, sei
auchdeshalb so düstergeraten,weil
sie dieWelt um sichherum zuletzt so
erlebte. Die Kritiker.Die Medien.
Unddas ganze selbstzerstörerische
System. „MissAnthropocene“ heißt
es, und die Misanthropin singt nicht
nur,das sei der Sound desWeltenen-
des. Es klingt auchso. Grimes, die
mit vollem Namen ClaireBoucher
heißt, zu mögenwarnur so langeim
Trend, wie sie als merkwürdig durch-
sichtiges Gothicwesengalt, als Freak,
derElektropopgenialitätenwie„Obli-
vion“ schuf. Das ging bisvorein paar
Jahren gut.Inzwischen istsie neben-
beruflichFreundin desTesla-Chefs
Elon Musk und augenscheinlichauch
nochschwanger vonihm, und diese
Entwicklung hat sie in denAugenih-
rerKritiker zu einem Produkt der In-
dustrie degradiert, für die derUnter-
nehmersteht.Grimes is tzumSilicon-
Valley-„Püppchen“ geworden, das
mit seiner SirenenstimmeUnschuld
heuchelt und seinenfeministischen
Anspruchverrät,ein eMännerphanta-
sie,so schreibenesMänner.Diemeis-
te Kritikhatzwarwenig mitihrerMu-
sik zu tun, lässt sichaber übertragen
auf diese Ein-Frau-Band, die selbst
produziertundmischtundzumeistal-
les gleichzeitig will (und damit zu
viel). Grimes sampelt Elektro,Rock,
J-Pop und DarkWaveund dreht das
Tempohoch, bis einem das Herzrast,
alshätteman die Substanzen, vonde-
nen sie singt, selbstkonsumiert. Dass
sie bei aller Melancholie undTodes-
sehnsucht auchnoch feiert(„when
thesungoeslow“),istauchsoeinUn-
ding. Hedonismus undPerversion in
allen Ehren, sie passen einfachnicht
zu einer Apokalyptikerin. Man muss
das neue Album natürlichnicht mö-
gen,daswieeinsurrealerTrauminei-
nemWeltraumgartenbeginnt,mitge-
pitchterFeenstimmeundgläsernklir-
rendenDrums.SiewolltedemKlima-
wandel eine Gestalt geben, erklärte
sichGrimes: denKörper einer Göt-
tin. Jeder Song liefereeine Version
menschlicher Auslöschung. „Dark-
seid“ hat sie mit dertaiwanesischen
MusikerinPanWei-Ju aufenommen,
er klingt wie ein nervtötendes Com-
puterspiel. Dann istda„Delete fore-
ver“ mit seinem schepperndenFolk-
rhythmus.Aber je länger man hin-
hört, desto klarer wirdeinem, wie
viel Grimes mit dem neuen Superstar
Billie Eilish gemein hat: dumpfe,
schwereBässe, lakonischen Nihilis-
mus,Selbstzerstörungsdrang.Ihrerät-
selhaftenTexte,die für dieVerunsi-
cherungeinerganzenGenerationste-
hen. Selten wurde sogeisterhaftfröh-
lichund voller Popreferenz über eine
zerstörerische Beziehung gesungen
wie in„Violence“. Während sichGri-
mesabergeradena chjahrelangerDis-
kussion vonihrem Labelgetrennt hat
undsichineinerVielzahlvonEinflüs-
sen verliert, musssichBillie Eilish
nochnicht an ihrerVergangenheit
messen lassen und erklärte lediglich
bei den BritAwards Anfang derWo-
che, wie schwer es sei, dem Hass
standzuhalten. Grimes jedenfalls hat
entschieden, nicht mehrgegendas
schlechteImagezukämpfen, son-
dernesinihrPortfolioderRollenauf-
zunehmen.ImVideozu „Delete Fore-
ver“ zeigt sie sichals unheimliche
Clownsfrau.Das Albumendetmit Vo-
gelgezwitscher und dem Motiv eines
computergeschaf fenen Popidols zum
Verlieben.Werdakeine Kritik am Si-
licon Valleyerkennt, istselbstschuld.

Miss Anthrop


VonElena Witzeck

E


ine Kurzgeschichtevon Italo
Calvino erzähltvoneiner Ha-
fenstadt in einem Wüstenland,
die denReisenden, die sichihr
vomMeer her nähern, in Gestalt eines
Kamels, denKarawanen aus dem Lan-
desinnerndagegen in derForm eines
Schif feserscheint.Sokann man auch
ein Filmfestival auf zweiverschiedene
Artenbetrachten. Für die Filmschaffen-
den, die aus allerWelt anreisen, istes
eine Bühne, auf der sie ihreWerkeins
Licht der Öffentlichkeitstellen können.
Für das Publikum dagegen, das diese
Werkezehn Tage lang begutachten darf,
istdas Festival vorallem ein Schauspiel,
ein aus vielenAuftr itten zusammenge-
setztes Ganzes, eineAufführung, die so
kein zweites Malstattfindet. Unddiese
Aufführung braucht einenRegisseur.
Vordrei Wochen stand Carlo Cha-
trian, der neuekünstlerische Direktor
der BerlinerFilmfestspiele, auf einem
PodiumimHausderBundespressekonfe-
renz und präsentierte die Filme des
Wettbewerbs. Er las nicht nur ihreTitel
vor, sondernsagtezujedem einzelnen
Beitrag ein paar Sätze, erklärte,warum
er diesenRegisseur und jeneRegisseu-
rinaufregend und ihreArbeiten pas-
send für das Hauptprogramm desFesti-
vals fand. Das hatteesauf der Berlinale
nochnicht gegeben: einenFestivalchef,
der seineAuswahl nicht bloß bekannt-
gab, sondernbegründete.Dann kündig-
te Chatrian auchnoch die neueReihe
„Encounters“an, die er persönlichkura-
tiertund für die er drei eigene Preise er-
fundenhatte,um„neueStimmen desKi-
nos zu unterstützen“, als sei das die
selbstverständlichste Sache derWelt.
Die Berlinale,die seit gesternzum
siebzigsten Malstattfindet, hat alsVehi-
keldes Kalten Krieges angefangen, als
Forumder Ost-West-Versöhnungweiter-
gemacht und imZeichen derfilmischen
Globalisierung das neue Jahrtausender-
reicht .Mit Chatrian und seinerKodirek-

torinMariett eRissenbeek, die als Ge-
schäftsführerin fungiert, tritt dasFesti-
val, wenn nicht alles täuscht, in ein neu-
es Entwicklungsstadium ein.Vomstän-
dig expandierenden Großereignis, das
unter seinemvorigenDirektor Dieter
Kosslickoft vorallem durch die Menge
derFilmeauffiel, dieesindie Kinos,und
dieZahlderStars, dieesvordieFernseh-
kameras brachte, wirdeszum kuratier-
tenKultur-Event, bei dem die Hand-
schrif tdes Direktorsebensobedeutsam
istwie die des einzelnenKünstlers.
Chatrian hat den Spielraum, den ihm
dieTeilungderLeitungsfunktioneneröff-
nete,klug genutzt, er hat denWettbe-
werb und dieRetrospektiveausgedünnt,
zweiNebenreiheneingestelltun ddieGe-
samtzahl dergezeigtenFilme vonvier-
hundert auf dreihundertvierzig gesenkt,
ohne deshalbanden Kinovorstellungen
zu sparen. Jene Produktionen,die früher
vorallem deshalb um den Goldenen Bä-
renkonkur rierten, damit ihreDarsteller
über denroten Teppich laufenkonnten,
werden sämtlich als „Berlinale Special“
und „Special Gala“gezeigt.Das heißt
nochnicht, dassdie Auswahlautoma-
tischbesser ist, abersieistklarer struktu-
riert, derWettbewerb deutlicher vomüb-
rigenProgramm abgesetzt.

Die Risiken dieserReform liegen auf
der Hand. In den neunziger Jahren lie-
fenmanchmal bis zu acht Hollywood-
Produktionen im Berlinale-Wettbewerb,
diesmal isteskeine einzige.Wenn John-
ny Depp, SigourneyWeaverund Rober-
to BenigniwieversprochenvordemFes-
tivalpalastposieren,freuensichdieFoto-
grafen, aber einenAuftrieb wie inVene-
dig und Cannes wirdesnicht geben. Die
Berlinalewarschon immer mehr Pflicht
als Feier,dochmit der strengerenAus-
wahl könnteauchder Blickder Sponso-
renund Kulturpolitiker auf dasFestival
strengerwerden. In jedemFall is tesgut,
dasssichChatrianvorerstauf dessen
künstlerische Seitekonzentrieren und
die kommerzielle seinerKodirektorin
überlassenkann. DerWettbewerb und
die Encounters-Reihe sind Chatrians In-
szenierung, undan ihnenvorallem wird
man ihn messen müssen.
DerFilm,dergesternAbenddi eBerli-
nale eröffnete,läuftnicht imWettbe-
werb, und das istauchgut so. Philippe

Falardeaus „My SalingerYear“ hat viele
unübersehbareQualitäten, aber ihm
fehlt jederWille zur ästhetischenRadi-
kalität(wasauchschonwiedereineQua-
litä tist),unddi eProblemlagevor der Ka-
meraist ebenfalls ziemlichübersicht-
lich.
Die jungeJoanna (MargaretQualley)
nimmt in den neunziger Jahren einen
Job bei einer alteingesessenenNewYor-
kerLiteraturagentin (SigourneyWea-
ver) an, deren wichtigsterKlient dervor
aller Welt verborgenlebendeAutordes
„FängersimRoggen“ ist. Eigentlichwill
Joanna selbstRomane schreiben, aber
alssiedenAuftragbekommt,J.D.Salin-
gers Fanpostzuverwalten, kann sie der
Versuchung nicht widerstehen, auf eini-
ge der Briefepersönlichzuantwor ten,
statt denAbsenderndie üblicheStan-
dard- Absagezuschicken. Es dauertein
ganzes Jahr,ehe Joanna sichent-
schließt, dieAgentur wieder zuverlas-
sen und ihrerwahren Berufung zufol-
gen, und derFilmbegleit et sie auf die-
sem Wegzusichselbstmit einer Ge-
duld, die manchmal strapaziös und
manchmal bestrickend is t.
Wäre „My SalingerYear“ einFilm
vonWoody Allen, würde manvonei-
nem Alterswerksprechen. Bei dem drei-
ßig JahrejüngerenKanadierFalardeau,
der sichgeradezu unverschämt sicher
auf Woody-Allen-Territorium bewegt,
mussman ehervoneinemKabinett-
stück reden. Wasden Film am Endevor
der schieren Kinogemütlichkeit be-
wahrt, is tnichtdieStoryvonJoannaRa-
koff,dietatsächlichfürSalingergearbei-
tethat, sonderndie Besetzung. Marga-
ret Qualley–eine Tochter vonAndie
MacDowell –als Joanna isthinreißend;
und SigourneyWeaverist überirdisch.
DiesenbeidenhundertMinutenlangzu-
schauen zu dürfenist das reine Ge-
schenk,und wenn die Berlinale noch
mehr solcheÜberraschungen parat hat,
kann sie nurgewinnen.
Der auf kleiner Flamme weiter kö-
chelndeSkandalumdieNazi-Vergangen-
heit des ersten FestivaldirektorsAlfred
Bauer (F.A.Z.vongestern) istdamit na-
türlic hnicht vomTisch, und auchdas
Gemunkel um dieverbalenAusrutscher
des Jurypräsidenten JeremyIrons könn-
te bei entsprechenderUnvorsichtigkeit
wiederaufleben.Trotzdem haben Carlo
Chatrian und Mariette Rissenbeek die
kritische Sympathieverdient, die zu je-
dem echtenNeuanfanggehört. Es liegt
schließlich nicht nur an ihnen, ob die
Berlinale alsKamel erscheint, das die
ausgetretenen Pfadeweitertr ottet, oder
als Schiff, das auf den wilden Meeren
der filmischenZukunftkreuzt.Sondern
auchanuns. ANDREASKILB

WährenddieTotengeborgenwurden,frag-
te man sichauf Twitter hauptsächlichei-
nes: Wasmusseigentlich nochpassieren,
damitrechter Terror ernstgenommen
wird?Unüberhörbar schwingt dabei ein
sarkastischer ,satirischerUnterton mit.
Das Satirekollektiv „Postillon“fragte:
„SchrecklicherVerdacht: SindNazisdoch
nicht so nett, wie immer alle dachten?“
underinnerte damitan einschlägige„Tita-
nic“-Titelblätter:„SchrecklicherVerdacht:
WarHitler Antisemit?“ sowie,ebenfalls
garniertmit einem Hitler-Foto: „DerVer-
fassungsschutz bittet um Mithilfe: Wer
kenntdiesenMann?“DieseTitel sindvom
Juli 2002beziehungsweisevomDezember
2011,stammen mithinaus einerZeit, in
welcherdersogenannteNationalsozialisti-
scheUntergrund (NSU) zehn Morde be-
ging und schließlich aufflog. Washatte
der Verfassungsschutz dagegen getan?
Sich, wie die Satiretreffend insinuierte,
tatsächlichdümmergestellt, als diePolizei
erlaubt? Die schon nicht mehrhaarsträu-
benden, sondernnur nochmit Absicht
oder jedenfalls mit Phlegma zu erklären-
den Ermittlungspannenwarennicht nur
eineprofessionelle,sondernaucheinemo-
ralis cheBankrotterklärung.
AmDonnerstagmorgentwitter te,bevor
er es selbstwieder löschte, Hans-Georg
Maaßen: „Sozialistische Logik:Täter sind
immerrechts ,Opfer immerlinks. Man
braucht sichnicht mehrmit Stalin, Mao,
PolPot,Ulbricht...auseinanderzusetzen,
weil sie Nazis waren. Der Haken daran ist:
nachdieser Denkesind sie selberrechts.
Antifa=Nazis“. Der Haken bei Maaßen ist,
dasserbloß nochrechtsextrem ist.Wer
selbstaus diesemkatastrophaltraurigen
Anlass so redet, is tverblendetund an der
genuinpolitischenDimension der frem-
denfeindlich-rassistischenTatnicht inter-
essiert. Man mussgar kein Verschwö-
rungstheoretiker sein, um derAuffassung
zuzuneigen, dassmit einem Land, in dem
so ein MannVerfassungsschutzpräsident
sein konnteund hinterher fastnochzum
Staatssekretär befördertwordenwäre,et-
wasnicht stimmenkann. Die Schwächen
und Versäumnisseder Behörde erschwe-
renesimmer mehr,ihnen nochVertrauen
entgegenzubringen. Man solltedie vonih-
nengeleistete odervielmehrnichtgeleiste-
te Arbeit mit allergebotenen Skepsis zur
Kenntnisnehmen, bissolcheSchweinerei-
en nicht mehrvorkommen.
Es gibt jetzt nur nocheinfacheFragen
undeinfacheAntworten:Hat derStaatein
Interesse daran und tut er alles in seiner
MachtStehende dafür,unseremuslimi-
schen, jüdischen oder sonstigen von
Rechtsextremisten und niemandem sonst
bedrohten Mitbürgerzuschützen? Ja oder
nein? Mehr will man zu diesemZeitpunkt
garnicht wissen, auchkeine gedankenlo-
sen Floskeln mehr wie„Anschlag auf die
Demokratie“, „auf dieFreiheit“oder am
bestengleich–welcher Hohnüber die
wirkli chen Opfer!–„auf uns alle“ hören.
Der Staat und seine Organe, Polizei, Ver-


fassungsschutz, Geheimdienste, müssen
jetz taufrüs ten, technisch, aberauchmen-
tal;sie müssen sich, wie Israel,bis an die
Zähne bewaffnen undwachsam sein,weil
die hier lebenden Migrantenund Auslän-
der auchvon Todfeinden umgebensind.
Nursokann die nur nochsatirisc hzube-
schreibende undwohl auc hnur so über-
haupt nochauszuhaltendeWirklichkeit
eineandereund das Leben für alle Men-
schen so sicherwerden wie nur irgend
möglich, undwenn es nochsoviele Paral-
lelgesellschaftengeben sollte.
Die er st vergangeneWoche aufgefloge-
ne zwölfköpfigeTerrorzelle wollteeinen
Bürgerkrieg anzetteln. Es istjedenfalls
nicht hochgenug anzuerkennen, dassdie
Muslime nachdem NSU-Terror so fried-
lichblieben, nachdem ja bei dem ein oder
anderen Mordnicht nur nicht sogenau
hingesehen wurde, sondernzunächst so-
garmanche Opferfamilie unterVerdacht
geriet.Was sollendiese Menschen eigent-
lichdenken über denStaat, in dem sie le-
ben?
Manhörejetztaufmitalldiesenirrefüh-
renden Mutmaßungen,wonachletztlich
die DDR schuldsei, das Internetoder eine
fehlende Orientierung–statt eben der fal-
schen!; man höreauchauf mit sicherlich
gutgemeinten, aber im Grunde nur be-
fremdlichen Beobachtungen,wonachdie-
seoderandereTatenauchdeswegensoun-
erklärlichseien, weil sie sichjagegen hier
schon langelebende, gut integrierte Men-
schen gerichtethätten:Undwenn die
neun, zehn oder möglicherweise bald
nochmehr Hanauer Opfer überwiegend
türkisch-kurdischer Her kunfterstamVor-
abend illegal nachDeutschland eingereist
wären, womöglichnochbis an die Zähne
bewaffnet–nichtsrech tfertigt oder „er-
klärt“solche Morde auchnur im mindes-
ten. Es sind böse,gefährliche,faschisti-
sche Menschen,die sie verüben, indem sie
sichanWehr-und Ahnungslosenvergrei-
fen. Ihnen istnicht politisch, sondernnur
strafrechtlichbeizukommen.
Alles Weiter eist im Augezubehalten:
Werden gefährde te Stätten bewacht?
Wird jeder, der seinegrauenhaften, aber
nicht zu pathologisierenden Ansichten
verbreitet,vonden Behörden beobachtet?
ManistdesRechtsextremismusund-terro-
rismusweiß Gott in solcher Fülle ansich-
tig geworden, dassman mit derParteien-
arithmetik,mit der man bisherglaubte,
um eine handfestereDebatteherumzu-
kommen, langsam aufhören sollte,genau-
sowiemitallemDifferenzierenundRelati-
vieren. EineVereinfachung der Gefühle
und Ansichten tut jetzt not. Wasdie AfD
dabei betrifft,soist hierkaum nochetwas
hinzunehmen. Siegehört, das istjadas
Schlimme, zur politischen Klasse und
trägt schon deswegen eine Mitverantwor-
tung. Man mussmit alle nerlaubten Mit-
teln gegensie vorgehen. Es reicht nicht
mehr, zu versichern, manwerdesichdem
Rechtsterror entgegenstellen, wo immer
er sic hzeige–er dar fsichnicht mehr zei-
gen. DerStaat is tamZug. EDO REENTS

Ein rechts radikaler und Muslime hassen-
der Deutscher hat in Hanau mindestens
zehnMenschenunddanachsichselbstge-
tötet. Es dürftesichumdas größteBlut-
bad handeln, das bislang unter deutschen
Muslimen hierzulande angerichtet wor-
den ist. Michael Klonovsky,Journalist
und RedenschreibervonAlexander Gau-
land(AfD), hatdafür eineErklärung,und
wir dürfensagen: eine schnelle.
Am Vormittag nachder Tatstand sie
schon auf seiner Internetseite. Sie bezieht
sichauf einen Professor aus Harvard,Ya-
scha Mounk,der vorgenau einem Jahr
voneinem „historischeinzigartigenExpe-
riment“gesprochen habe,wenn „mono-
ethnischeundmonokulturelle“Demokra-
tien es wagten, sichinmultiethnische zu
verwandeln. Dabeikomme es, habe der
Politologe, der das Experiment begrüßt,
angefügt, „natürlichauchzuvielen Ver-
werfungen“.
Für Klonovsky is tdie Tatvon Hanau
einesolche„Verwerfung“. Manübertreibt
nicht,wenn man seine Erklärung als ty-
pischfür viele zwar nicht Mord-, aber
Hassversteher amrechten Rand bezeich-
net. Der Täterhabe womöglicheinen
schweren psychischen Schadengehabt,
dochdas geltenicht für jeden solchen Ge-
walttäter .Der Multikulturalismus „kit-
zelt“vielmehr „aus Menschen,die diesem
verantwortungslosen Experiment ausge-
setzt werden, einen der elementarsten In-
stinkteheraus: dasRevierverhalten“.
Klonovsky will offenbar sagen, dass
die Getötete neine Revierbedrohung für
solcheTäterdarstellen.Dassmanesnach-
vollziehenkann,wenn sic hsolcheInstink-
te melden. Dasssolche Morde politische
Handlungen sind, insofernessichumei-
nen „Bürgerkrieg“ zwischen „zwangsver-
mischten Gruppen“ handele, in dem wir
uns befinden. Dassman sic hnicht wun-
derndarf, wasalles passiert,wenn Politi-
kerden Menschen „ihrevertrauteUmge-
bung und die damitverbundenen Sicher-
heiten“ nehmen.
Wirlassen den Professor aus Harvard,
seine Wortwahl („Experiment“) und sei-


ne Einzigartigkeitsbehauptung beiseite,
die aus dem Mund eines amerikanischen
Bürgers erstaunlichist.Bleiben wir in Ha-
nau. DieseStadt alsRevier zu bezeichnen
läuftdaraufhinaus,Leutemitsol chenIm-
pulsen einerseits alsTiere, andererseits
als angestammteHerrscher über ein an-
geblichbis vorkurzem monokulturelles
Territorium zu bezeichnen.
Klonovsky schüttelt nicht de nKopf
über das Böse,dem derVerstandoder
dasHerzfehlt, zubegreifen, dassihm Ha-
nauni chtgehör tund Hallenichtdemdor-
tigen Attentäter,Deutschland nicht dem
NSU.Erschüttelt lieber denKopf über
all diejenigen, die nicht einsehenwollen,
dassRechtsradikalein einemTierreichle-
ben. Man hat solchen Hassernum
herum alsoihrevertrauteUmgebungge-
nommen.Was für eine denn? Eine ohne
Shisha-Bars?Haben die indischenund
chinesischen Restaurantbesitzer und
auchdie Italiener in den siebzigerJahren
insofernGlückgehabt?Oder auchdie
Städteplaner,die Handelsketten, die Ver-
kehrs- undAgrarpolitiker,die womög-
lichauchalle dazubeigetragen haben,
dassvertrauteUmgebungenverschwun-
den sind?
ObKlonovskyesinseinemErklärungs-
rahmenwohl verständlichfände, wenn
deutscheTouris teninBenidormdafür er-
schossenwürden,dasssiedi edorti ge Um-
gebung unvertraut gemacht haben? Oder
wenn Ostdeutsche entfremdungshalber
auf Westdeutsche anlegten? Vielleicht
durften beide in seiner Zoologie des
Fremdenhasses aufNach sicht rechnen,
weil sie Kaufkraf tmitgebracht haben.
Die feinsinnigeNiedertrachtweistfür
jede rechteUntat, jedenFremdenhass
nach, im Grundegehe sie kraftirgendei-
nerFernkausalität aufdasKontoderBun-
desregierung und des Multikulturalismus.
Zwischen jeder ihrerZeilen teilt sie mali-
ziös mit, das habe man nun eben davon.
In Wahrheit aber will sie demRessenti-
ment und demZerstörungswillen einre-
den, es seitatsächlichnicht verlangbar,
bei Verstand zu bleiben und sichdem
Hassnicht hinzugeben. JÜRGENKAUBE

Ein überirdisches Gespann


Die Frau, die liest:SigourneyWeaver als Literaturagentin in „My SalingerYear“, dem Eröffnungsfilm der Berlinale Fotodpa

Kinokabinettstücke und


ander eKleinig keiten:


Gestern Abendwurden


die siebzigstenBerli ner


Filmfestspiele eröffnet.


ZumerstenMal wi rd


das Festival voneiner


Doppelspitzegeleit et.


Weiteres
zur 70. Berlinale
finden Sie im
Internetunter
http://www.faz.net/
Berlinale

Der Apple-Konzernwill mit einerUn-
ter lassungserklärung gege ndas am


  1. Februar im Murmann-Verlag er-
    schienene Buch„AppStore Confiden-
    tial“ vonTom Sadowski vorgehen.Das
    bestätigt ePeter Felixber ger, der Pro-
    grammgeschä ftsführer desVerlags, im
    Gesprächmit dieserZeitung. Apple
    habeinderverg angenenWoche mitei-
    ner einstweiligenVerfügunggedroht,
    Murmannhabewidersprochen. Seit-
    dem ruhe de rStreit .Das Technolo-
    gieun ternehmen wirft dem Autor ,der
    zehn Jahre langden App-Storevon
    Apple inDeutschlandbetreute, Verrat
    vonGeschä ftsgeheimnissenvor. „Wir
    sindüberzeugt,dassdiesesBuchinkei-
    ner Weiseirgendwelche Enthüllungen
    überApple bereitstellt“, sagtFelixber-
    ger. Zudem habe Applenochkein Ge-
    heimnisbenannt, dasimBuchpreisge-
    geben werde. F.A.Z.


Böser,als diePolizei erlaubt


Statt zwischenRechtsextremismus undRechtsterror


zu unterscheiden, sollteman beides bekämpfen


Einzigartiges Experiment?


FeinsinnigeNiedertracht:Was Ale xander Gaulands


Redenschreiber spontan alles zu Hanau einfällt


Apple will Buch


verbietenlassen

Free download pdf