Die Welt - 07.03.2020

(Ben Green) #1

ANSTECKENDE


BÜCHER


ANSTECKENDE


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ANSTECKENDE


5 0 Empfehlungen für den besten Lesestoff der Saison


DAS ANGESAGTE


BUCH


DAS SCHÖNE


BUCH


DAS UNTERSCHÄTZTE


BUCH


DAS BUCH, DAS UNS


DIE WELT ERKLÄRT


DER ABSOLUTE


KLASSIKER


Peter Handke: Das zweite Schwert.
Eine Maigeschichte. Suhrkamp.
160 S., 20 €.
Der Rachefeldzug überrascht durch
groteske Komik und Selbstironie.
Und doch bekommen Handkes Lieb-
lingsfeinde, die Medien, ihr Fett weg.

Ocean Vuong: Nachthimmel mit
Austrittswunden. Übers. v. Anne-

Ocean Vuong: Nachthimmel mit
Austrittswunden. Übers. v. Anne-

Ocean Vuong: Nachthimmel mit

Kristin Mittag. Hanser, 174 S., 19 €.
Nach seinem gefeierten Debütroman
kommt jetzt ein Lyrikband des viet-
namesisch-amerikanischen Autors.
Kein Neben-, ein Meisterwerk.

Rolf Vollmann: Frauenkatalog.
1200, in zehn Bildern. Die Andere
Bibliothek, 300 S., 44 €.
Gegen das Vorurteil, Heldenepik sei
eine urmännliche Gattung. Eine toll
erzählte und gestaltete Verführung
zum Wieder- und Anderslesen.

Dieter Henrich: Dies Ich, das viel
besagt: Fichtes Einsicht nachden-
ken. Klostermann, 306 S., 39 €.Der
neben dem etwas jüngeren Haber-
mas bedeutendste lebende deutsche
Philosoph über dieses rätselhafte
Ding namens Selbstbewusstsein.

Robert Musil: Gesamtausgabe, Bd.


  1. In Zeitungen und Zeitschriften
    1898–1922. Jung & Jung, 630 S., 36 €.
    Man muss absolut modern sein: In
    der unverzichtbaren neuen Werk-
    ausgabe nun Kurzprosa, Glossen,
    Kritiken des Klassikers schlechthin.


RICHARD


KÄMMERLINGS


MATTHIAS


HEINE


B. K. Vaughan, C. Chiang: Paper
Girls6. Cross Cult, 128 S., 22 €.
Berauschender Mix aus Feminismus,
80er-Nostalgie und ebenso spannen-
der wie psychedelischer SF. Jetzt
komplett auf Deutsch. Ein bisschen
wie „Stranger Things“ zum Lesen.

Hermann Hesse: Narziss und Gold-
mund. Suhrkamp, 320. S., 10 €.
Der Autor gilt heute als esoterischer
Kitschier. Sein bestes Buch ist trotz-
dem wundervoll, vor allem wenn
man jung ist. Dank der Verfilmung
gerade wieder neu als Taschenbuch.

Böhm/Pfeiffer: Die Wunderkam-
mer der deutschen Sprache. Das
kulturelle Gedächtnis, 300 S. 28 €.
Unsere Muttersprache ist berückend
und kurios zugleich. Das belegt die-
ses Sammelwerk. Wissensfülle in an-
gemessen schöner Hülle.

Heinz Schilling: Karl V., C.H. Beck,
427 S., 29,95 €.
Wer die klugen Passagen zu Karl in
Schillings Luther-Buch gelesen hat,
weiß: Hier kommt eine Korrektur
des eindimensionalen Bildes, das
man sich von diesem Kaiser macht.

Charlier/Giraud: Leutnant
Blueberry. Egmont, 170 S., 39 €.
Vergesst den GröFaZ – hier ist der
GröWaZ: Der größte Westerncomic
aller Zeiten über den Belmondo-
Doppelgänger bei der Kavallerie als
„Collector’s Edition“ auf Deutsch.

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07.03.20 Samstag,7.März2020DWBE-HP


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DWBE-HP

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36 DIE LITERARISCHE WELT DIE WELT SAMSTAG,7.MÄRZ2020


Lisa Taddeo: Drei Frauen. Piper,
416 S., 22 €.
Stilistisch schrecklich (tantig, soft-
pornohaft, effekthascherisch), aber
ein interessantes, wichtiges Projekt:
Lisa Taddeos Erkundung moderner
weiblicher Sexualität.

Delphine Horvilleur: Überlegun-
gen zur Frage des Antisemitismus.
Hanser Berlin, 160 S., 18 €.
Kluge, verstörende Erkundung der
Zusammenhänge zwischen Antise-
mitismus, Faschismus und Misogy-
nie einer französischen Rabbinerin.

Laure Adler: Charlotte Perriand.
Ihr Leben als moderne und unab-
hängige Frau. Elisabeth Sandmann
Verlag, 192 S., 44 €.
Schönes, schlaues Buch über die De-
signerin, die Le Corbusier zeigte,
was eine Chaiselongue ist.

Jonathan Coe: Middle England. Fo-
lio, 480 S., 25 €.
Inzwischen gibt es wahrscheinlich
fast so viele Brexit-Romane, wie es
Austrittsverhandlungen gab: Coe hat
den besten geschrieben, ein elegant
erzähltes Gesellschaftspanorama.

Maxim Biller: Wer nichts glaubt,
schreibt. Essays über Deutschland
und die Literatur. Reclam, 240 S., 9,
80 €.
Dank Reclam endlich sichtbar, auch
für die, die es nicht sehen wollen:
Maxim Biller ist ein Klassiker.

MARA


DELIUS


James Baldwin: Giovannis Zimmer.
dtv, 208 S., 20 €.
1956 erscheint der Roman eines
schwarzen Schwulen über zwei wei-
ße, schwule Männer: das definitive –
weil ein ästhetisches – Argument in
der Cultural-Appropriation-Debatte.

Bram Stoker: Der Zorn des Meeres.
Mare Verlag, 128 S., 20 €.
Sein „Dracula“ gilt vielen als stilis-
tisch blutarm. Diese Schmuggler-Er-
zählung ist es nicht. Allein der Titel
lässt erschaudern, geht es doch auch
um Nächstenliebe an einer Küste.

Maxim Biller: Sieben Versuche zu
lieben – Familiengeschichten. Kie-
penheuer & Witsch, 368 S., 22 €.
Ein Buchcover mit einer Schrift, als
wäre es Ende der Sechziger aus dem
Regal gefallen. Der Inhalt ist natür-
lich alles andere als stylisches Retro.

Jean-Philippe Toussaint: Der USB-
Stick. FVA, 192 S., 22 €
In seiner Tetralogie über Marie er-
wies sich Touissant als Meister der
Erotik und Sinnlichkeit. Aber wie
verhält es sich damit in Zeiten inter-
nationaler Cyberkriminalität?

Alexander Puschkin: Pique Dame.
Galiani, 89 S., 18 €.
„Schick mir bitte irgendeinen neuen
Roman, aber um Gottes willen kei-
nen von diesen modernen“, ruft die
Gräfin in diesem Klassiker, ganz
klasse von Kat Menschik illustriert.

PHILIPP


HAIBACH


Ingo Schulze: Die rechtschaffenen
Mörder. S. Fischer, 220 S., 20 €.
Das Thema unserer Zeit, die rechte
Radikalisierung, in eine eindrucks-
volle Lebenserzählung gegossen – ir-
ritierend und unterhaltsam. Das
kann nur ein Meister wie Schulze!

James Baldwin: Giovannis Zimmer.
dtv, 208 S., 20 €.
Herz und Schmerz in Cinemascope.
Aber Achtung: Darunter lauert eine
messerscharfe Analyse toxischer
amerikanischer Heteronormativität.
1955 verfasst, immer noch aktuell.

Till-Holger Borchert u. a.: Van
Eyck. Eine optische Revolution.
Belser, 490 S., 69 €.
Das Wunder des flämischen Hoch-
mittelalters. Der erste Malerfürst im
modernen Sinne: Augenweide, Ge-
nussfreude, Farbenpracht pur!

Hans Peter Duerr: Diesseits von
Eden. Über den Ursprung von Reli-
gion. Insel, 700 S., 38 €.
Alles, was wir Kultur nennen, be-
ginnt mit dem religiösen Gefühl,
ganz unabhängig von der Konfessi-
on. Eine anschauliche Erinnerung.

Fjodor Dostojewski: Aufzeichnun-
gen aus einem toten Haus. Hanser,
560 S., 36 €.
Barmherzigkeit für die Erniedrigten
hat niemand so wortgewaltig gezeigt
wie dieser große Russe, der alles am
eigenen Leibe erfuhr.

TILMAN


KRAUSE


Verena Güntner: Power. Dumont,
254 S., 22 €.
Dorfroman to end all Dorfromane.
Ein Hund verschwindet, ein Kaff
geht vor die Hunde. Ganzschlechte-
nachtgeschichte der Gegenwart.

Attica Locke: Heaven, my Home.
Polar. 338 S., 22 €.
Kriminalromane sind bei uns eh un-
terschätzt. Wer keine liest, muss halt
doof sterben. Locke öffnet das Herz
Amerikas. Sieht nicht gut drin aus.

Friedrich Hölderlin: Hyperion. Ge-
lesen von Jens Harzer und Doris
Wolters. DAV. 5 CD, ca. 20 €.
Das deutsche „Finnegans Wake“.
Kann man nicht lesen, muss man hö-
ren. Besser singen kann man’s nicht.

Johannes Groschupf: Berlin Prep-
per. Suhrkamp. 236 S., 14,95 €.
Wenn man sich mit 45 Kilo Nudeln
irgendwo eingeschlossen hat, tröstet
dieses Buch: Der Wahnsinn tobt
draußen. Quarantäne ist toll.

Thomas Hardy: Jude Fawley, der
Unbekannte. Hanser. 640 S., 36 €.
Gehört auch in jeden Prepper-Keller.
Nirgends ist Liebe und Leben so prä-
zise und konsequent gescheitert.

ELMAR


KREKELER


Leif Randt: Allegro Pastell. Kiepen-
heuer & Witsch, 288 S., 22 €.
Nach „Planet Magnon“ ist Leif
Randt zurück auf der Erde, mit einer
„Lovestory aus den Zehnerjahren“.
Kann eigentlich nicht gut gehen, also
die Liebe. Das Buch ist top.

Donald Richie. Versuch über die ja-
panische Ästhetik. Matthes &

Donald Richie. Versuch über die ja-
panische Ästhetik. Matthes &

Donald Richie. Versuch über die ja-

Seitz, 147 S., 18€.
Das Schöne bestimmt man, indem
man den Hintergrund ausmalt. Ein
Appell für mehr Indirektheit, drin-
gend auch im Westen nötig.

Alexander Puschkin: Pique Dame.
Galiani, 89 S., 18 €.
Endlich hat das maliziöse Meister-
werk die Ausgabe, die es verdient,
übersetzt von Alexander Nitzberg
und kongenial illustriert von Kat
Menschik.

Niklas Maak: Technophoria. Han-
ser Berlin, 256 S., 23 €.
Der „FAZ“-Feuilletonist reist in Ro-
manform durch digitale Allmachts-
fantasien. Die irrste ist ein Update
der Idee, die ägyptische Qattara-
Senke aus dem Mittelmeer zu fluten.

Fjodor M. Dostojewski, Aufzeich-
nungen aus einem toten Haus.
Hanser, 560 S. 36 €.
Ein radikaler Roman, in dem die
Handlung zum Stillstand kommt.
Aus der Lager-Hölle der Moderne,
neu übersetzt von Barbara Conrad.

JAN


KÜVELER


Ingo Schulze: Die rechtschaffenen
Mörder. S. Fischer, 320 S., 21 €.
Dresden ist die Stadt, in der aus al-
ten Antiquaren neue Rechte werden.
Darf man das so schreiben? Wenn es
jemand darf und kann, dann Ingo
Schulze, der Chronist von Blasewitz.

James Lovelock: Novozän. C. H.
Beck, 160 S., 18 €.
Die Erde wird auch das Anthropo-
zän, das Zeitalter des Menschen,
überleben. Dank der künstlichen In-
telligenz wird dann sogar der
Mensch noch da sein. Super.

Frances A. Østerfelt, Anja C. An-
dersen, Anna Blaszczyk: Marie Cu-
rie. Knesebeck, 136 S., 22 €.
Eine feministische Ikone ist Marie
Curie auch ohne Bilderbücher. Nun
gibt es die erste physikalisch und
chemisch korrekte Comicbiografie.

Patrik Svensson: Das Evangelium
der Aale. Hanser, 256 S., 22 €.
Woher kommen wir, wer sind wir,
wohin gehen wir? Die Aale kommen
aus der Sargassosee. Aale sind ein-
fach Aale. Patrik Svenssons Buch ist
ein Meisterwerk.

Werner Lindemann: Mike Oldfield
im Schaukelstuhl. KiWi, 224 S.,
12€.
Till heißt hier Timm. Till Lindemann
von Rammstein. Die Erinnerungen
seines Dichtervaters an den späteren
Dichtersohn von 1988 gibt es wieder.

MICHAEL


PILZ


Monika Helfer: Die Bagage. Han-
ser, 160 S., 19 €.
Eine berührend archaische Dorfge-
schichte aus dem Bregenzerwald. In
Österreich und Süddeutschland liebt
jeder dieses Buch. Sprachlich heraus-
ragend, „Spiegel“-Bestseller.

Ziemowit Szczerek: Sieben. Das
Buch der polnischen Dämonen. Vo-
land & Quist, 272 S., 22 €.
Sympathisch exzentrisch: Die Road-
novel führt durch die Neurosen der
nationalistischen Polen, sogar „The
Witcher“ aus der Saga fährt mit.

Roman Ehrlich, Michael Disqué:
Überfahrt. Spector Books, 250 S.,
22 €.40 Tage auf einem Container-
schiff von Hamburg nach Qingdao/
China. Eine teilnehmende Text-Bild-
Beobachtung. Globalisierung aus ei-
ner feingetunten Perspektive.

Patrick Leigh Fermor: Flugs in die
Post. Dörlemann, 704 S., 44 €.
Seine Fußwanderung durch Europa
ist berühmte Reiseliteratur, seine
Briefe zeigen das Netzwerk zur Rei-
se, die wunderbare Welt von gestern:
Als die Briten noch Europa waren.

Giovanni Boccaccio: Das Dekame-
ron. Illustriert von Werner Klem-
ke. Aufbau, 2 Bände. Antiquarisch
ab 1,90 €.
Wenn das normale Leben stillsteht,
blühen die Geschichten. Seit der
Pest hat sich nicht viel verändert.

MARC


REICHWEIN


AMO/Rem Koolhaas: Countryside.
A Report. Taschen. 352, S., 20 €.
Ausgerechnet den Urbanisten Rem
Koolhaas hat die Landlust gepackt.
Das Ergebnis seiner Recherche ist
atemberaubend, so real wie utopisch
und (fast) frei von Romantizismen.

Adolf Loos: Ornament und Verbre-
chen. Kindle E-Book. 0 €.
Der Österreicher gilt als Totengrä-
ber des Bauschmucks, doch so eindi-
mensional denken nur seine Kritiker.
Schon sein bekanntester Aufsatz ist
eher Ornament und Versprechen.

Stefano Zuffi: Raffael – Meister-
werke im Detail. Bernd Detsch. 224
S., 30 €.
Mehr als Alten Meister ganz nah zu
rücken, will man doch nicht. In Aus-
stellungen unmöglich, aber in dieser
Reihe (van Eyck, Leonardo etc.).

Arne Schirrmacher & Maren Wie-
nigk: Architekturen der Wissen-
schaft. Jovis. 304 S., 30 €.
Dass Berlin eine bedeutende Wis-
sensstadt der Welt ist, zeigt sich
auch in ihren Bauten. Endlich sind
sie selbst wissenschaftlich erfasst.

William James: Die Vielfalt religiö-
ser Erfahrung. Suhrkamp/Insel.
586 S., 20 €.
Sind Sie nicht religiös, hadern aber
zuweilen damit? Dann ist der ameri-
kanische Pragmatist William James
auch nach 120 Jahren Ihr Priester.

MARCUS


WOELLER


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