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07.03.20 Samstag,7.März2020DWBE-HP
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DIE WELT SAMSTAG,7.MÄRZ2020 FORUM 5
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D
ie Syrien-Treffen von Wladimir
Putin und Recep Tayyip Erdo-
gan haben etwas von einem
Ritual. Man trifft sich. Man redet stun-
denlang miteinander. Dann treten die
beiden Autokraten vor die Fernsehka-
meras und verkünden die Grundzüge
ihrer neuen Übereinkunft. Die Details
dürfen dann die Außenminister aus-
buchstabieren. Monate später wieder-
holt sich das Ganze, weil die Verein-
barung in der Realität nicht funktio-
niert. Was Putin und Erdogan diesmal
vereinbart haben, ist eine Waffenruhe,
die auf eine bestehende Waffenruhe
aufsetzt – die niemand einhält. Damit
ist alles über die langfristigen Erfolgs-
aussichten gesagt. Moskau und Ankara
spielen seit Jahren ein zermürbendes
Spiel miteinander. Die Interessen der
beiden Mächte in Idlib liegen diame-
tral. Dennoch tun Moskau und Ankara
so, als sei Assads Kontrolle über ganz
Syrien, die Russland und Damaskus
zum Ziel haben, mit den Wünschen
Erdogans zu vereinbaren.
In Moskau und Ankara ist niemand
an einer Eskalation interessiert, das
erklärt die Gesprächsbereitschaft. Klar
ist aber auch, dass jedes Treffen der
beiden die Europäer aufs Neue zu Zu-
schauern degradiert. Was immer Putin
und Erdogan vereinbaren, Europa ist
ihrer Entscheidung ausgeliefert. Mag in
europäischen Hauptstädten die Wut
über Moskau und die Betroffenheit
über die Syrer auf der Flucht hoch-
kochen: Die Forderungen etwa nach
Sanktionen gegen Russland und nach
einer humanitären Pufferzone müssen
besonders im Kreml für Heiterkeit
sorgen. Schließlich schauen die Eu-
ropäer seit fünf Jahren Moskaus Sy-
rien-Einsatz zu. Erst die Angst vor
einer neuen Flüchtlingskrise löst hekti-
sche Reaktionen aus, denen jede strate-
gische Perspektive abgeht.
In Syrien hat sich das große Europa
kleingemacht. Es scheute einen koor-
dinierten Militäreinsatz und gab die
eigenen Sicherheitsinteressen preis.
Nun rächt sich das. Ohne echte Macht-
hebel nützt Rhetorik in Syrien nichts.
Die Europäer täten gut daran, sich
einzugestehen: Es ist zu spät, um in
den Syrien-Konflikt einzugreifen. Gut
gemeinte Vorschläge sind kein Ersatz
für Außenpolitik.
Heiterkeit im Kreml
KOMMENTAR
PAVEL LOKSHIN
[email protected]
Ihre Post an:DIE WELT, Brieffach 2410, 10888 Berlin,
Fax: (030) 2591-71606, E-Mail: [email protected]
Leserbriefe geben die Meinung unserer Leser wieder,
nicht die der Redaktion. Wir freuen uns über jede
Zuschrift, müssen uns aber das Recht der Kürzung
vorbehalten. Aufgrund der sehr großen Zahl von
Leserbriefen, die bei uns eingehen, sind wir leider nicht
in der Lage, jede einzelne Zuschrift zu beantworten.
alle rein, stehen morgen abertausend
neue vor der Grenze. Und dann gleich
wieder. Und wieder.
SONJA LAURENS, WELT-COMMUNITY
Zu einem fairen Verfahren gehört auch,
dass bei einer Ablehnung des Asyl-
antrages die Rückführung erfolgt. Das
passiert in keinster Weise. Wer deut-
schen Boden erreicht hat, ist eben da.
Mit dieser Unfähigkeit konterkariert
Deutschland Sinn und Zweck des Asyl-
rechts. BERND BÄUML, WELT-COMMUNITY
LESERBRIEFE
Planlose Empörung
Zu: „Erdogan entscheidet,
wie viele Menschen nach Europa
kommen“ vom 4. März
Was ist denn der Plan der moralisie-
renden Empörten? Einfach immer
mehr und mehr bildungsferne Men-
schen aus den Armenhäusern der Welt
aufnehmen? So lange, bis wir Bürger-
kriege in Europa haben? So lange, bis
rechtsradikale Parteien die Anliegen
von 40 Prozent der Bevölkerung ver-
treten? Wann ist genug? Es gibt in
Europa keinen Platz für die Millionen
von Bedürftigen aus der islamischen
Welt, weder wirtschaftlich noch kultu-
rell. Was hier stattfindet, ist nichts
anderes als eine Verschiebung der so-
ziodemografischen Strukturen in Eu-
ropa. Lassen wir die Leute auf Lesbos
O
b ich an der Grenze zu Öster-
reich über die Flüchtlingskrise
berichtete, ob ich in Italien
vom Grauen erfuhr, in einem sinkenden
Kutter um sein Leben zu fürchten, oder
ob ich Essen im Flüchtlingsheim um die
Ecke verteilte – eines wurde immer klar:
Es gibt auch sehr viele Flüchtlinge, die
auf Ordnung bestehen. Die davon aus-
gehen, dass jene, die sich in Not befin-
den, Hilfe erhalten – und dass man
zugleich streng ist mit denen, die Re-
geln brechen und andere in Verruf brin-
gen. Diese Ordnung fehlt aber noch
immer. Wir brauchen endlich Härte und
Mitleid. Von beidem gibt es zu wenig.
Die Eskalation an der Grenze zwi-
schen Griechenland und der Türkei
stellt den Schlusspunkt einer geschei-
terten Migrationspolitik dar. Wir se-
hen: Wenn wir uns beim Schutz der
Außengrenze weiter vor allem in die
Hände der Türsteher begeben, werden
wir nie selbst Kontrolle erlangen. Was
Europa deshalb jetzt benötigt, sind
keine schrillen Töne aus West- oder
Osteuropa, sondern ein Kompromiss.
Er würde dazu führen, dass der Druck
an der Grenze abnimmt.
Erstens: Ein strengeres Grenzregime
als bisher muss her. Europa hat sein
Versprechen zu erfüllen, dass es weiß,
wer einreist. Dabei muss der Kontinent
klarmachen, dass er bestimmt, wer
herdarf. In diesem Sinn ist Griechen-
land nicht das Ende, sondern ein An-
fang. Er zeigt: Ein Sturm auf die Gren-
ze ist eine Notsituation, in der Europa
sich wehrt.
Zweitens: Keine Verlockungen! Eu-
ropa muss anfangen, abgelehnte Asyl-
bewerber abzuschieben. Wer keine
Chance auf Asyl hat, darf sich auch
keine Hoffnung auf ein Leben als Asyl-
suchender in Europa machen.
Drittens: Wir müssen gleichzeitig
wieder lernen, Menschlichkeit zu zei-
gen – für jene, die tatsächlich in Not
sind. Versorgung vor Ort ist ein Schlüs-
sel. Europa muss aber für Flüchtlinge
endlich auch mehr legale Wege über
die Zäune hinweg schaffen. Die Men-
schen sollten sich nicht wie Kriminelle
durchschlagen müssen.
Viertens: Achtet die Familien! So
richtig es 2015 angesichts der Masse
war, den Familiennachzug einzuschrän-
ken – heute müssen wir ihn endlich
ernst nehmen. Er wird der Integration
und damit auch Deutschland helfen.
Jetzt aber, bevor die Lage noch schlim-
mer wird, heißt es, die Schwächsten zu
unterstützen, in diesen Tagen die Kin-
der in den griechischen Lagern.
Wenn die Grenze weiter dicht ist,
wird von der Rettung der Kinder kein
Signal ausgehen, das eine Sogwirkung
entfaltet. Härte und Mitleid, nur beides
zusammen ist europäisch.
Härte und Mitleid
PLATZ DER REPUBLIK
MANUEL BEWARDER
F
eminismus war noch nie so hoch-
glanztauglich wie heute. Weltstar
Beyoncé performte ihre letzte
Show vor überdimensionierten
Leuchtbuchstaben. Was stand da-
rauf? Natürlich „Feminist“. Der
Feminismus hat sich neu erfunden,
ja. Er hat Glamour, ist massentauglich, wahrschein-
lich sollte man sagen: „Und das ist auch gut so!“
Die Frauen meiner Generation, wir waren Mäd-
chen, als wir die Generation Alice Schwarzer erleb-
ten. Wir wollten die schlechte Laune endlich ab-
streifen. Weg mit der Opferrolle, in der viele sich
gefangen sahen. Doch wo sind wir hingekommen?
Je mehr ich uns dabei beobachte, wie wir unse-
ren Lipstick-Feminismus selbstbewusst beherr-
schen, wie wir unsere Hashtag-Kampagnen
durchs Land jagen, desto ratloser werde ich. Je
mehr wir uns empowern und meinen, dadurch
stärker zu werden, desto mehr fürchte ich, diesen
Feminismus ereilt dassel-
be Schicksal wie Fridays
fffor Future: eloquenteror Future: eloquenter
Protest, der sich wie ein
Feigenblatt in den Status
quo einarbeiten lässt.
Sicher, wir schärfen das
Bewusstsein, prägen die
Debatten, setzen Massen
in Bewegung. Wir pro-
duzieren starke Bilder,
fffinden redegewandteinden redegewandte
Frontfrauen, all das. Ob-
wohl auch ich erst mit
dieser Art Feminismus
eine feministische Spra-
che gefunden habe, frage
ich mich, ob wir mit die-
sen Mitteln ans Ziel kom-
men. Ich bin Empower-
ment-müde. Warum gibt
es ständig Feminismus-
WWWorkshops für Frauen, imorkshops für Frauen, im
Namen der Gleichstel-
lung, in denen Frauen
lernen sollen, noch besser,
noch stärker, immer noch
mehr zu sein? Warum
kriegen nicht Männer, im
Namen der Gleichstel-
lung, Workshops, in denen
sie beigebracht kriegen: „Wie achte ich auf meine
Redezeit? Wie klaue ich bei einem Meeting nicht
die Ideen einer Frau und gebe sie als meine aus?“
Unter dem Deckmantel der feministischen Selbst-
optimierung ist alles zu unserem Problem gewor-
den.
Unterdessen sinkt die Zahl der Frauen in Par-
lamenten, in Vorständen steigt sie nicht. Das Rad
der Zeit dreht sich rückwärts, obwohl wir uns em-
powern und den Feminismus vermeintlich immer
besser, immer inklusiver machen. Weshalb die
Rückschläge, obwohl der Feminismus, auch in der
Popkultur, präsenter ist denn je?
Womöglich will der Feminismus zu viel, ohne
sich dabei auf klare Ziele festzulegen. Stattdessen
sollen – so die Utopie – herrschende Verhältnisse
von Grund auf verändert werden. Alle benach-
teiligten Gruppen werden so zur Sache des Femi-
nismus. Diese Pluralität ist eine Stärke, sie mobili-
siert viele Menschen, gemeinsam kämpft man für
Humanität. Sie wird jedoch gleichzeitig zur Schwä-
che, weil sich der Feminismus noch stärker aus-
differenziert und immer kleinere Gruppen sich
voneinander abgrenzen, weil sie zu keinem Kon-
sens finden. Das Fordern, der realpolitische Macht-
kampf, wird verdrängt durch ideologische Selbst-
positionierungen. Wer nicht „gleich redet und
denkt“ ist ein möglicher Feind auf dem Weg zu
einer besseren, gerechteren Welt. Wie ungerecht
man selbst bei der Selektion „der Gerechten“ wird,
ist vielen kaum mehr bewusst.
Der Feminismus, wenn er sich vorwiegend als
Vehikel für Utopien versteht, läuft in diesen Zeiten
Gefahr, trotz medialer Dauerpräsenz an Einfluss zu
verlieren. Er droht den Kampf gegen die antife-
ministischen Kräfte zu verlieren, die aktiv daran
arbeiten, die Erfolge der Frauenbewegung wieder
abzuwickeln, die Frauen wieder aus dem politi-
schen und öffentlichen Raum zu verdrängen. Wenn
Angela Merkels Amtszeit endet, gibt es „in der
westlichen Welt“ keine Frau mehr, die in abseh-
barer Zeit annähernd so mächtig werden könnte
wie sie. Was, wenn alles nur ein Intermezzo war,
der Außergewöhnlichkeit Merkels geschuldet, nicht
den gesellschaftlichen Entwicklungen hin zu mehr
Gleichberechtigung? In den USA verliert Elizabeth
Warren, gibt nun auf, eine inhaltlich herausragende
Kandidatin um die Präsidentschaft, chancenlos
gegen die Männer ihrer Generation. Die ersten
Analysen schreiben ihr Scheitern auch ihrer Kom-
petenz zu. Eine fachlich fähige, selbstbewusste
Frau, die ihre Gegner intellektuell in den Schatten
stellt? Das Wahlkreuz setzen viele nach wie vor
eher bei Männern, die kennt man in dieser Rolle,
selbst bei mäßiger Kompetenz, wie Trump beweist.
Je schlechter die Chancen für eine herausragende
Kandidatin wie Warren, desto schwieriger wird es,
Frauen zu finden, die sich dem Ganzen aussetzen.
Warum ist der Feminismus in so wenigen Köpfen
angekommen, obwohl er alle betrifft?
Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Die
derzeitigen Ansätze und Debatten sind wichtig und
intellektuell anregend. Doch der Feminismus
braucht Ideen, die stärker in die Breite gehen. Wie
könnte aus der aktuellen Expertinnen-Debatte ein
anschlussfähiger Feminismus entstehen?
Die Antwort darauf lautet im Moment für ge-
wöhnlich: Durch intersektionalen Feminismus, der
alle benachteiligten Gruppen einbezieht. Die Frau-
enbewegung ist, obgleich Frauen die Mehrheit sind,
in ihrer Wirkungslogik leider mit Minderheitenbe-
wegungen vergleichbar. Alle benachteiligten Grup-
pen müssen den weißen Männern Privilegien ab-
nehmen. Es könnte Sinn machen, sich solidarisch
zusammenzutun, freiwillig geben nur wenige ihre
Privilegien auf. Frauen tun sich nun mit ethnischen
und sexuellen Minderheiten zusammen, mit Men-
schen, die aufgrund ihrer körperlichen oder geisti-
gen Behinderungen diskriminiert werden sowie
Menschen, die aufgrund ihrer Klasse Benachtei-
ligung erfahren. Das ist richtig und kraftvoll. Doch
wer ehrlich analysiert, muss ein Dilemma beschrei-
ben: Die Care-Arbeit, die im Privaten an Frauen
hängen bleibt, weitet sich nun noch weiter auf die
gesamtgesellschaftliche Ebene aus. Die Care-Arbeit
wird eben nicht gerechter verteilt, sondern noch
weiblicher. Die solidarische Feministin von heute
ist gut gelaunt für alles zuständig, was in dieser
Gesellschaft schiefläuft, sonst wäre sie ja eine neo-
liberale, selbstsüchtige Karrieristin.
Durch die neuesten Ansätze werden beispiels-
weise Frauengremien durch Diversitätsgremien
ersetzt, klassische Frauenarbeit ist passé. Somit
steht die größte Bevölkerungsgruppe, Frauen, allen
Schwächeren der Gesellschaft bei, was gut ist. Sie
werden jedoch in diversitätsorientierten Gremien
zu einer von vielen Minderheiten gemacht, die den
mächtigen Männern gegenüberstehen, was sicher
nicht gut ist. Der intersektionale Feminismus
macht momentan aus der weiblichen Mehrheit im
realpolitischen Sinn eine Minderheit. Das schwächt
ihre politische Schlagkraft. Mit dieser Dialektik
muss der intersektionale Feminismus noch umge-
hen lernen.
Der größte Widerspruch des Ansatzes liegt jedoch
in seiner Sprache begründet: Allein die Begrifflich-
keiten rund um den „intersektionalen Feminismus“
schließen einen großen Teil jener Frauen aus, über
die er spricht. Die Akademisierung der Diskurse
ffführt zur theoretischen Einbeziehung der Benach-ührt zur theoretischen Einbeziehung der Benach-
teiligten bei praktischem
AAAusschluss. An diesemusschluss. An diesem
Feminismus können Frau-
en, die schlichtweg nicht
die Bildung und den wirt-
schaftlichen Status haben,
sich das Wording und die
Inhalte zu erarbeiten,
kaum teilhaben. So mutie-
ren Feministinnen, die im
Rahmen des Empower-
ments letztlich „für ande-
re sprechen“, zu bevor-
mundenden Kräften, üben
also Macht aus, dabei
sollte es um Selbster-
mächtigung auch für Be-
nachteiligte gehen.
Zuletzt bleibt die Frage
offen: Ist dieser Ansatz
nicht die nächste Selbst-
üüüberforderung? Dasberforderung? Das
nächste Feld, in dem
Frauen gefangen sind in
ihrem weiblichen Narziss-
mus: vermeintlich selbst-
los geben und helfen? Erst
alle Missstände verstehen,
bevor man affirmative
Action fordern kann,
konkrete Maßnahmen, die
von den Mächtigen umgesetzt werden müssen?
Braucht es wieder mehr von der gestrigen Gries-
grämigkeit des fordernden Feminismus, einfach,
weil das alles nicht gut gelaunt, stark und lächelnd
zu meistern ist? Wie wäre es, konkrete Forderungen
zu erarbeiten, statt so viel Arbeit in Soft Skills zu
investieren? Es sind derzeit zu wenige feministische
Forderungen nach konkreten Gesetzen im Raum,
Forderungen, die allen Frauen klar verständlich
zeigen: Feminismus verbessert eure Lebensqualität,
sichert euch Autonomie und Teilhabe. Die innovati-
ven Themen der zahllosen Podien halten nicht
Einzug in die parlamentarischen Debatten.
Ich will den Feminismus 2020 nicht schlecht-
machen. Es ist der beste Feminismus, den ich kann-
te. Doch er liefert nicht jene Ergebnisse, die unsere
Zeit nötig hat. Wir müssen uns offen fragen, woran
das liegen könnte. Die nächste Generation junger
Männer und Frauen wächst nun mit politischen
Machthabern wie Trump, Bolsonaro oder Putin auf.
Statt der Gleichberechtigung gehen Bilder toxi-
scher Männlichkeit um die Welt, in der Summe
wirken sie, als wäre Toxizität die Zulassungsvo-
raussetzung zur Macht. Was können Feministinnen
dem entgegensetzen, ohne sich tiefer in die Selbst-
optimierungs- und Weltverbesserungsfalle zu be-
geben? Oder als Feigenblatt zu enden? Ich erinnere
mich an die Geschichte einer Frau, ethnische Min-
derheit, jüdischen Glaubens, die, nachdem ihr Chef
sie bei der Neuanstellung wie eine Trophäe präsen-
tiert hatte, nur noch sagen konnte: „Ich freue mich,
dass Sie mit mir so viele Unternehmensziele ab-
haken konnten. Es tut mir nur wirklich leid jetzt,
dass ich ihnen nicht auch eine körperliche Behin-
derung mitliefern kann.“
Solidarität muss neu gedacht werden. Auch
Kampfgeist. Auf unheimliche Weise fordert der
Feminismus von Frauen genau jene Perfektion, von
denen Frauen sich einmal befreien wollten. Die
besseren Menschen müssen Frauen nicht sein. We
are good enough. Empowerment, Lektion 1.
TJagoda Marinic ist Schriftstellerin.
Zuletzt erschien „SHEROES – Neue Held*innen
braucht das Land“ (S. Fischer).
GASTBEITRAG
Das Rad der Zeit
dreht sich rückwärts
Wir erleben gerade den
besten Feminismus aller
Zeiten, er hat Glamour
und rockt. Aber er liefert
nicht die Ergebnisse,
die wir brauchen.
Was läuft da verkehrt?
JAGODA MARINIC
Sonntag ist Weltfrauentag: In London werden 1908 zwei aus der Haft entlassene Suffragetten gefeiert
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