Süddeutsche Zeitung - 03.03.2020

(Tina Sui) #1
von thomas kistner

D


ass just dieses eine Schmäh-Ban-
ner gegen Dietmar Hopp in Hof-
fenheim so eine Wucht entfalten
konnte, verdankt sich nur dem demons-
trativen Ballgeschiebe am Ende. So etwas
gab’s noch nie; alles andere gehört ja zur
festen Sehgewohnheit in der Bundesliga.
Aber: War diese Spielverweigerung wirk-
lich so demonstrativ? Hat der Profibe-
trieb jetzt endlich seine Messlatte gelegt,
die rote Linie durchs Stadion gezogen?
Hat er nicht. Er arbeitet weiter mit je-
ner Art Symbolik, die seinen Geschäfts-
frieden nicht stört. Kalkül oder nicht, das
Ballgeschiebe war angesichts des Spiel-
stands von 0:6 der Königsweg für alle Be-
teiligten. Der DFB muss keinen spektaku-
lären Spielabbruch aufarbeiten. Die Bay-
ern hatten ihre Punkte sicher – aber hät-
ten sie das Spielen auch beim Stand von
1:1 eingestellt und sich mit einem Punkt
im Titelkampf beschieden? Und die TSG
musste nicht noch mehr Treffer einste-
cken und sich später fürs größte Desaster
seit Erstligazugehörigkeit rechtfertigen.
Ein echtes Zeichen hätte ein Spielab-
bruch gesetzt. Oder eine Verweigerung,
wie am Samstag, aber dann bei einem of-
fenen Zwischenstand – kurz: etwas, bei
dem die Beteiligten selbst hätten Verzicht
üben müssen für eine größere Sache.


Gewiss, es ist inakzeptabel, jemanden
als „Hurensohn“ zu schmähen. Aber um
den Milliardär Hopp, der seinen Traum
lebt und aus dem Nichts in eine gewachse-
ne Klublandschaft pflanzte, geht es hier
kaum noch. Hopp ist zum Kollateralopfer
in einer Kontroverse um alte Versprechen
und neue Sanktionen geworden, die ein
Teil der Fans mit dem DFB führt. Betei-
ligt sind auch Fankreise, die sich bisher
als vernünftig, teils vorbildlich zeigten.
Das Problem ist also komplex. Aber das
Ballgeschäft ist leider nur im Simplifizie-
ren Spitze und deshalb außerstande, heik-
lere politische Konflikte zu bewältigen.
So ist Hoffenheim keineswegs der
„Tiefpunkt“ der Auswüchse, wie Spitzen-
vertreter von Klubs, DFB und DFL nun be-
haupten. Schlimmeres gab es allein in
den letzten paar Wochen. Von den Faden-
kreuz-Bildern gegen Hopp in Gladbach
und Berlin, die in aufgeladenen Zeiten
wirre Nachahmer reizen könnten, bis zu
einer Dimension tief unter jeder Huren-
sohn-Parole: Rassistische Anfeindungen
wie jüngst gegen den Berliner Profi Jor-
dan Torunarigha. Die Hopp-Debatte ist
in der Ausführung übel entgleist, am An-
fang stand aber zumindest ein Anliegen,
etwas, das greifbar war. Rassismus greift
Menschen an, nur weil es sie gibt.
Warum war Torunarigha kein Wende-
punkt? Oder die gruselige Neonazi-Debat-
te bei Drittligist FC Chemnitz im letzten
Sommer? Rassisten, Rechtsradikale im
Stadion – dagegen gibt’s nur Spielerkrei-
se, Stadiondurchsagen. Den Ballbetrieb
haben kriminelle Strukturen seit so lan-
ger Zeit durchdrungen, dass er seine Lieb-
lingsfloskel getrost vergessen kann: Er
sei nur das Opfer gesellschaftlicher Fehl-
entwicklungen. Just für diese bieten die
Stadien seit jeher eine Bühne.


Der Fußball ist überfordert. Als Milliar-
denbranche, die zur gewaltigsten Gesell-
schaftsbewegung unserer Zeit wurde, be-
herrscht er noch in Zeiten von Coronavi-
rus und Flüchtlingskrisen die Debatte. Er
bräuchte also dringend angemessenes
Führungspersonal, Leute, die den Anfor-
derungen jenseits der Stadionschüssel ge-
wachsen sind. Was er nicht braucht in die-
ser gesellschaftlichen Dimension, sind
politische Naivlinge, die stur an Bilanzen
denken und Kritiker nur brauchen, um
Offenheit zu simulieren. Fußballfunktio-
näre erneuern sich aber aus der eigenen
Ursuppe, das macht die Akteure auf wie
abseits des Rasens immer substanzloser.
Wie schwach das Sensorium für gesell-
schaftliche Themen ist, führte am Sams-
tag der neue DFB-Chef vor. Hoffenheim?
Chaoten, die nur „das Spiel zerstören“
wollten. Rassismus in der Kurve? Wenn
erst einmal die Profis deshalb vom Feld
gingen, sagte Fritz Keller im ZDF-Sport-
studio, „dann müssen die Leute eben die-
se Zivilcourage zeigen und sagen, wir
sind hier zum Fußballspielen und nicht
für anderes“. Rätselhaft. Wer soll Coura-
ge zeigen? Offenbar das Stadionpubli-
kum. Was aber heißen würde: Löst eure
Probleme auf der Tribüne selbst.
Wer so fabuliert, hat auch den Betroffe-
nen wenig mitzuteilen. Dem Nationalspie-
ler Antonio Rüdiger, der festhielt, dass
vorgedruckte, von Spielführern verlese-
ne Fensterreden nicht mehr ausreichten,
hielt Keller den Dreistufen-Plan des DFB
entgegen, den er für ausreichend hält.
Die Gesellschaftsbewegung Fußball
hat genug Strukturprobleme, aber seine
Sachwalter sind vielleicht das größte. In
Hoffenheim war der DFB das Ziel der Stö-
rer, die Hopp-Schmähung war ihr Mittel.
Wenn die Branche all ihre Botschaften
nicht mal lesen will, ist zu befürchten,
dass sie aus der anschwellenden Flut aus
Feindbildern und Hassparolen bald ein ei-
genes Panini-Album bestücken kann.


München– Zum Wesen geheimdienstli-
cher Tätigkeit gehört es, vorauszusehen,
was die andere Seite plant. Auf dieser Basis
lassen sich dann Szenarien entwerfen, bei
denen aber stets zu bedenken ist, dass die
Gegenseite diese Szenarien womöglich ih-
rerseits erahnt und mit Gegenszenarien
kontert. Wie würden die Verantwortlichen
des FC Bayern also wohl reagieren, falls ih-
re Ultras das Pokalspiel auf Schalke nutzen
würden, um zur besten Familiensendezeit
diffamierende Schriftstücke in die Kame-
ras zu halten? Was würden die Ultras ma-
chen, falls der Verein anschließend strenge
Strafen gegen sie verhängen würde?
Offenkundig leiden die konspirativen Ak-
tivitäten aber gerade ein wenig darunter,
dass beide Lager selbst noch nicht genau
wissen, was sie in welchem Fall tun. Wo-
möglich sind die Münchner Ultra-Gruppie-
rungen zurzeit selbst etwas erstaunt über
die raumgreifende Berichterstattung, die
das Schauspiel vom Samstag nach sich gezo-
gen hat; eine Berichterstattung, in der alles
mit allem vermischt wurde, die Figur Hopp
mit den sogenannten Kollektivstrafen, mit
der Kommerzklub-/Traditionsklub-Debat-
te und dem Anschlag von Hanau.
Hinter den Kulissen wird gerade viel ge-
sprochen und getagt, im sichtbaren Teil
der Säbener Straße war es am Montag dage-
gen vergleichsweise still. Ein Kamerateam
befragte Menschen, die sich im Fanshop
mit frischem Merchandising ausstatteten,

zu den Vorfällen in Hoffenheim, und meis-
tens sagten die Leute so was wie: „Fans ste-
hen doch zu 99 Prozent hinter dem Verein.“
Auch der Trainer, Hansi Flick, bemühte
sich in der Pressekonferenz um Deeskalati-
on, er hoffe einfach, „dass sich das wirklich
auf den Fußball konzentriert“, sagte der
Coach vor dem Viertelfinale in Gelsenkir-
chen. Er bitte darum, „mit dem Thema

Schluss zu machen“, aber er wusste natür-
lich, dass niemand auf ihn hören würde. Al-
so hat er noch mal einen politisch korrek-
ten Appell im Saal untergebracht, alle Ver-
antwortlichen müssten „jetzt die richtigen
Schlüsse und an einem Strang ziehen“, sag-
te Flick. Er selbst habe sich aber schon die
Frage gestellt, „ob man denen, die diese idi-
otischen Banner hochhalten, im Netz und

in den Medien so eine Plattform bietet“.
Am Ende wollte der Mann, der bittet, mit
dem Thema Schluss zu machen, dann aber
selber noch ein, zwei Dinge loswerden; er
hat sich inzwischen ja selber noch mal im
Fernsehen gesehen, er sah die Bilder, die
ihn in Sinsheim wild gestikulierend vor der
Bayern-Kurve zeigten. Flick sagt, er würde
wieder genauso handeln, er würde sich wie-
der dahin stellen und wieder wütend sein.
Er mag halt nur nicht, dass seine Enkel ihn
so im Fernsehen sehen.
Was am Montag abseits der Kameras
geschah, fällt dagegen weitgehend in den
Bereich der Geheimdiplomatie. Vom Ver-
ein war zu hören, es sei noch nicht der Zeit-
punkt, über „konkrete Maßnahmen“ zu
sprechen. Das hörte sich ein wenig so an,
als seien die Videos vom vergangenen
Samstag, die man selbst vom Fanblock ge-
macht hat, noch nicht ausgewertet. Sollten
nach Auswertung des Materials aber Täter
identifiziert werden, „müssen die natür-
lich damit rechnen, dass sie nachhaltig von
Bayern München bestraft werden“, sagte
Klubchef Karl-Heinz Rummenigge bei
Bild live. Flankierend hat der FC Bayern
am Montag einen kleinen Funktionärsaus-
schuss gegründet, den die Bild-Zeitung
gleich mal „Anti-Hass-Kommission“ nann-
te – ein Gremium, das nicht nur die Beleidi-
gungen gegen Dietmar Hopp aufarbeiten,
sondern den grundsätzlichen Umgang mit
derartigen Themen regeln soll.

Zwischen dem Verein und der Ultra-
Gruppe Schickeria herrschte bis Montag-
nachmittag noch Funkstille, Rummenigge
richtete viaBildaber schon mal Grüße aus.
„Ich habe immer den Eindruck, wir befin-
den uns in einer Einbahnstraße, in der die
Klubs nur geben müssen und die Fans nur
nehmen wollen, aber nicht bereit sind, ihr
eigenes Verhalten in irgendeiner Art und
Weise zu korrigieren“, sagte der Klubchef.

Solche Sätze werden die Ultras nicht so
gerne hören, aber sie haben andererseits
auch registriert, dass Rummenigge den
Kampfbegriff „Kollektivstrafe“ bisher de-
monstrativ vermieden hat. Mögliches Sze-
nario: Der FC Bayern wartet erst mal ab,
wie sich die Ultras am Dienstagabend auf
Schalke verhalten, um erst dann ein Straf-
maß festzulegen – oder den Tonfall noch
mal zu verschärfen. christof kneer

von philipp selldorf

Gelsenkirchen–Vor neun Jahren, am
Abend des 2. März 2011, passierte eine gute
Viertelstunde lang wenig in der Arena in
Fröttmaning, dann aber Folgendes: Jeffer-
son Farfán brachte eine Ecke herein, Bene-
dikt Höwedes sprang am höchsten, und
plötzlich lief Raúl durch das Bild und beför-
derte den herumschwirrenden Ball auf wie
immer kunstvolle Weise und mit größter
Selbstverständlichkeit dorthin, wo er sei-
ner Ansicht nach hingehörte: ins Tor des
Gegners. Am Pfosten stand Thomas Müller
und blieb ebenso Zuschauer wie Bayern-
Torwart Thomas Kraft, soeben erst wieder
dadurch berühmt geworden, dass ihn Jür-
gen Klinsmann bei Hertha für mehr oder
weniger unbrauchbar erklärte. Was, wie
Kraft gerade nachwies, ein Irrtum war.
Dieser Treffer blieb 2011 der einzige bei
der Begegnung des FC Bayern mit Schal-
ke 04 damals im Halbfinale des DFB-Po-
kals, und womöglich hat sich Trainer Da-
vid Wagner mit den Bildern des Tores und
mit der Geschichte dieses Überraschungs-
erfolgs den nötigen Mut verschafft. Am
Montag hat Wagner jedenfalls verkündet,
seine Mannschaft und er blickten „mit ei-
ner gewissen Vorfreude“ dem nächsten Po-
kalduell mit den Bayern entgegen, am
Dienstagabend (20.45 Uhr) in Gelsenkir-
chen. Diesmal im Viertelfinale.
Als er diese Worte sprach, sah der Trai-
ner allerdings nicht so aus, als ob er der Ver-
anstaltung entgegenfiebere. Schalke, das
hat sich herumgesprochen, ist sportlich
nicht in bester Verfassung, hat bei den Bay-
ern neulich 0:5 verloren und wird außer-
dem von langwierigen Verletzungen füh-
render Stammspieler geplagt. Sieben Pro-
fis werden am Dienstag umständehalber
fehlen, weshalb Wagner den Fans nicht

viel mehr als die bloße Anwesenheit ver-
sprechen wollte: „Im Bus wird es relativ
viel Platz geben, wenn wir morgen ins Sta-
dion fahren – aber wir werden da sein.“ Al-
lerdings müssen auch die Bayern kurzfris-
tig noch auf Lucas Hernandez verzichten,
der wegen einer Sehnenreizung in Mün-
chen geblieben ist. Der Einsatz des grippe-
kranken Jérôme Boateng gilt als fraglich.
Es könnte aber tatsächlich der Rede
wert sein, wenn die bloße Gegenwart der
Hauptdarsteller während der 90 oder 120
Spielminuten nicht in Zweifel gezogen wer-
den müsste. Denn vor der Partie gegen die

Bayern denkt man in Gelsenkirchen so-
wohl ans vergangene wie an das folgende
Wochenende. Einerseits hat man die Ereig-
nisse beim Spiel der Bayern in Hoffenheim
im Blick, andererseits bereitet man sich
darauf vor, dass am Samstag just Hoffen-
heim auf Schalke vorstellig wird. Nach den
Vorfällen in Sinsheim, die sich gegen TSG-
Gönner Dietmar Hopp bzw. den DFB richte-
ten, hatte Schalkes Vorstand am Sonntag ei-
ne weitreichende Ansage gemacht: Sollten
„derartige Vorkommnisse sichtbar wer-
den, wird unsere Mannschaft den Platz ver-
lassen – ungeachtet der Spieldauer, des Re-
sultats oder etwaiger Konsequenzen“.
Damit wollte man wohl beispielhafte
Entschlossenheit zum Ausdruck bringen:
Schalke werde auf eindeutige Entgleisun-
gen sofort reagieren – und nicht nach dem
abgestuften Verfahren, das zunächst War-
nungen an Provokateure vorsieht, bevor
ein Spielabbruch zur Debatte gestellt wird.
Diese Mitteilung des Vorstands irritierte
die Fachwelt und verärgerte den harten
Kern der Fans. Gerade Schalkes Ultras hat-
ten sich bei den in manchen Kurven obliga-
torischen Protesten gegen Hopp und Hof-
fenheim weitgehend zurückgehalten.
Dass sie womöglich etwas übereifrig for-
muliert hatten und dadurch Gefahr liefen,
den eigenen Handlungsspielraum dras-
tisch einzuengen, scheint am Montag auch
den Schalker Führungskräften klar gewor-
den zu sein. Medienchef Thomas Spiegel
kündigte an, es werde am Abend ein Ge-
spräch zwischen den Vertretern der Verei-
ne, der Polizei und des DFB geben, idealer-
weise unter Einbeziehung der Schiedsrich-
ter. Man wolle „ein gemeinsames Verständ-
nis entwickeln: Wie handelt man in wel-
cher Situation?“ Der Klub werde aber auch
„die Position und die Meinung der Fans
achten“, es werde „Freiraum für Meinungs-

äußerung“ geben, aber „keine Toleranz für
persönliche Beleidigungen“.
Was ist erlaubt, wo wird es diffamie-
rend? Dazu hat es am Wochenende viel An-
schauungsunterricht gegeben, auch an
Schauplätzen, wo die Vertreter des DFB
überreagiert haben. Auf Schalke hat man
registriert, was beim Drittligaspiel in Mep-
pen geschah, als Anhänger des MSVDuis-
burg in Reimform an der konzertierten Fa-
naktion teilnahmen. Sie nannten Hopp
beim Namen, beleidigten ihn aber nicht –
trotzdem wurde die Partie unterbrochen.

Und wenn in Gelsenkirchen erneut auf
einem Transparent das Stichwort „Huren-
sohn“ zu sehen wäre? Dann wird es für
Schalke darauf ankommen, ob es persön-
lich zugeordnet oder nur als Reizbegriff
verwendet wird. „Unsere Fan- und Sicher-
heitsbeauftragten sind in einem guten Aus-
tausch mit den Fangruppen“, sagte Spre-
cher Spiegel. Kenner glauben eher nicht an
einen Skandal zur abendlichen Fernseh-
stunde. Man rechnet mit Protesten, aber
nicht mit impulsiven Trotzreaktionen.
Auch David Wagner muss sich vor dem
Spiel am Dienstagabend mit einem Fall
von Hetze beschäftigen. Ob er es wagen
wird, Alexander Nübel wieder einzusetzen,
nachdem der Torwart am Samstagabend
beim 0:3 in Köln der Häme und der Ableh-
nung der eigenen Fans begegnete? Auch
der Trainer verwies auf ein Gipfeltreffen
am Montagabend. Zuerst werde er mit den
Torhütern sprechen, dann werde er ent-
scheiden. Nübels Vorfreude auf die Bayern
dürfte sich jedenfalls in Grenzen halten.

DEFGH Nr. 52, Dienstag, 3. März 2020 HMG 23


München– Für Sig Zelt, den Sprecher der
Fanorganisation ProFans, ist eine Lösung
in dem am Wochenende eskalierten Streit
zwischen Fans und dem Deutschen Fuß-
ball-Bund recht einfach. „Ein Weg zur Be-
friedung wäre freilich, wenn der DFB wirk-
lich die Kollektivstrafe abschafft. Dann wä-
re die Luft sofort raus“, sagte er derdpa.Er
erwarte aber nicht, dass der DFB dies tun
werde, fügte er hinzu.
Die Kollektivstrafen – Schließungen ei-
nes ganzen Blocks bis hin zu Geisterspie-
len in leeren Stadien – stehen im Zentrum
des Konflikts zwischen Ultras und dem Ver-
band. Eine entsprechende, zwei Jahre gel-
tende Sperre des Auswärtsblocks im Stadi-
on der TSG Hoffenheim hatte das DFB-
Sportgericht jüngst für die Fans von Borus-
sia Dortmund ausgesprochen, weil diese
wiederholt das Plakat von Dietmar Hopp
im Fadenkreuz zeigten. Damit brach der
Verband nach Ansicht einiger Fans sein
Wort, solche Strafen nicht mehr verhän-
gen zu wollen. Im August 2017, in einer
Hochphase der Auseinandersetzung zwi-
schen Ultras und Verband, hatte der dama-
lige DFB-Präsident Reinhard Grindel er-
klärt, er wolle dem Kontrollausschuss emp-
fehlen, „bis auf Weiteres darauf zu verzich-
ten, Strafen zu beantragen, die unmittelba-
re Wirkung auf Fans haben, deren Beteili-
gung an Verstößen gegen die Stadionord-
nung nicht nachgewiesen ist“.

Nun solidarisieren sich viele Fan-Kur-
ven in Deutschland mit den BVB-Anhän-
gern – indem sie ebenfalls Hopp beleidi-
gen. Das Fadenkreuz, so perfide dies auch
anmutet, ist laut ProFans angeblich vor al-
lem ein Symbol gegen Kollektivstrafen. Ne-
ben den Fadenkreuz-Plakaten war in den
Kurven oft der Schriftzug „Wort gebro-
chen“ zu lesen. Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Fanprojekte sprach sich nach
den Ereignissen vom Wochenende gegen
Kollektivstrafen aus: „Ganze Fangruppen
aufgrund von Beleidigungshandlungen
Einzelner pauschal zu verurteilen, auszu-
schließen und zum Sündenbock für jegli-
che Diskriminierung im Stadion machen
zu wollen, ist nicht nachvollziehbar, ver-
hältnismäßig und schon gar nicht fair.“
In der jüngeren Vergangenheit war der
bekannteste und symbolträchtigste Zu-
schauerausschluss – unter dieser Bezeich-
nung führt der DFB die umgangssprachli-
che Kollektivstrafe – die Sperrung der Dort-
munder Südtribüne im Februar 2017 für
ein Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg.
Grund waren ebenfalls beleidigende Plaka-
te, damals gegen RB Leipzig. Schon vergan-
gene Woche reagierte der DFB auf die auf-
keimende Diskussion mit einer Mittei-
lung. „Zuschauerausschlüsse sind immer
nur das letzte Mittel“, heißt es darin. Es sei
weiterhin die seit 2017 geltende Verbandsli-
nie, bei Zuschauerfehlverhalten primär ge-
gen die Täter vorzugehen.
Im Strafrecht gilt das Verbot der Kollek-
tivstrafe, das DFB-Sportgericht urteilt je-
doch auf Grundlage der Satzung des Ver-
bands. Das Grundgesetz gewährt Vereinen
und Verbänden das Recht, Stadionordnun-
gen festzulegen und eigenes Recht zu set-
zen – darauf wies der DFB in der Mittei-
lung dezidiert hin. Einzeltäter seien oft
schwer zu ermitteln, dies könne nur der
Verein tun. Die Polizei, die im Fall der Hopp-
Beleidigungen durch Fans von Union Ber-
lin Ermittlungen gegen Unbekannt „wegen
des Verdachts der Bedrohung“ einleitete,
betritt die Fanblöcke aus Gründen der Ver-
hältnismäßigkeit selten. Verbandssanktio-
nen gegen Vereine, die laut DFB-Statuten
die Pflicht haben, gegen die Täter vorzuge-
hen, sind die Regel. Gegen Borussia Dort-
mund waren nach Schmähgesängen und
Plakaten der Fans gegen Hopp mehrfach
Geldstrafen verhängt worden. Weil die
Schmähungen andauerten, verhängte das
Sportgericht 2018 eine Bewährungsstrafe,
die nun ausgesetzt wurde. sz

Wie schwach das Sensorium für


gesellschaftliche Themen ist,


führt der neue DFB-Chef vor


K-Frage


Warum der Streit um Kollektivstrafen
im Zentrum der Debatte steht

Auch Trainer Wagner beschäftigt
ein Fall von Hetze: Stellt er den
geschmähten Nübel ins Tor?

Absoluter Angstgegner
Schalkesmiserable Bilanz gegen den FC Bayern

Erst mal eine Kommission gründen


Beim FC Bayern warten sie mit banger Spannung, wie sich ihre Ultras verhalten werden – ein neues Gremium soll sich künftig der komplexen Thematik widmen


HOPP-SCHMÄHUNGEN

Der überforderte


Fußball


DFB-Pokal – Viertelfinale


„Wir werden da sein“


Gespräche mit Polizei, DFB, den Gegnern und den Schiedsrichtern: Die sportlich kränkelnden Schalker bereiten sich
nach dem Fan-Eklat um Dietmar Hopp auf das Pokalspiel gegen die Bayern und das Ligaduell mit Hoffenheim vor

Auf Plakaten war oft auch


Hoffenheim ist nicht der „Wort gebrochen“ zu lesen


Tiefpunkt der Auswüchse –


wie DFB und DFL behaupten


Blau und Weiß, ganz ohne böse Plakate: So schön kann sie aussehen, die Nordkurve mit den stimmungsvollsten Fans des FC Schalke 04. FOTO: TEAM 2/IMAGO

SPORT


Seit2011 Nationaltorwart Manuel Neuer aus Gel-
senkirchen nach München wechselte, hat der
FC Schalke kein Spiel mehr gegen den FC Bayern
gewonnen. Die Bilanz aus 18 Bundesligaspielen
seither lautet: 15 Bayern-Siege (elfmal zu Null)
und drei Unentschieden – Torverhältnis: 48:7.
Der bisher letzte Ligasieg für Schalke war ein 2:0
im Dezember 2010, der letzte Pflichtspielerfolg
war im März 2011 ein 1:0 im DFB-Pokal-Halbfina-
le in München – beide Spiele fanden noch mit
Neuer im Tor statt und mit Trainer Felix Magath.

ImDFB-Pokalgab es in insgesamt zehn Duellen
acht FC-Bayern-Siege. Die Pokalspiele seit 2000
zwischen beiden Klubs endeten wie folgt:

2001/02 HF Schalke – FC Bayern n.V. 2:0 (0:0)
2002/03 AF FC Bayern – Schalke i.E. 5:4 (0:0)
2004/05 F Schalke 04 – FC Bayern 1:2 (1:1)
2009/10 HF Schalke – FC Bayern n.V. 0:1 (0:0)
2010/11 HF FC Bayern – Schalke 04 0:1 (0:1)
2016/17 VF FC Bayern – Schalke 04 3:0 (3:0)
AF: Achtelfin.; VF: Viertelfin.; HF: Halbfinale; F: Finale.

Am Samstag mussten sie zum Notdienst in der Kurve antreten, am Dienstag würden
sie das gerne vermeiden: Trainer Flick (l.), Klubchef Rummenigge. FOTO: ACTION PRESS

DIENSTAG
1.FC Saarbrücken – Fortuna Düsseldorf 18.30
FC Schalke 04 – FC Bayern ARD/ 20.45
MITTWOCH
Bayer Leverkusen – Union Berlin Sport 1/ 18.30
Eintr. Frankfurt – Werder Bremen ARD/ 20.45
Halbfinale:21./22. April. –Finale(Berlin): 23. Mai
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