Berlin –Autobahn? Buckelpiste? Alfred
Gislason wollte nicht so wirklich darauf ein-
gehen, wie er sie denn nun genau wahr-
nimmt, diese „Road to Tokyo“, auf der sich
die deutsche Handball-Nationalmann-
schaft gerade befindet. „Wir wissen, dass
es Stress sein wird“, sagte Gislason im Hin-
blick auf das entscheidende Qualifikations-
Turnier im April mit gebotenem Ernst. Der
neue Bundestrainer saß bei seiner ersten
Kader-Verkündung in der japanischen Bot-
schaft in Berlin: vertäfelte Wände, großzü-
gige Gemälde, wuchtige Kronleuchter. Es
sollte jetzt doch gerne besinnlicher zuge-
hen als zuletzt im Verband.
Das japanische Flair passte dann auch
zur Art der Nominierung von Gislason: Gro-
ße Umwälzungen werde es unter ihm mo-
mentan nicht geben, das hatte der 60-Jähri-
ge auch schon bei seiner Amtsübernahme
vor nicht einmal vier Wochen angekündigt
- die Zeit drängt, Mitte April muss sich das
DHB-Team in Berlin gegen Schweden, Slo-
wenien und Algerien beweisen, will es das
Ticket für Tokio lösen. Gislasons Priorität:
Kontinuität, bis auf vier Änderungen ist
sein Team dasselbe wie zuvor unter Christi-
an Prokop, dessen Entlassung für einigen
Wirbel gesorgt hatte, nachdem ihn der
Deutsche Handball-Bund (DHB) kurz zu-
vor noch öffentlich unterstützt hatte. „Eini-
ge taktische Dinge“ hatte Gislason am Mon-
tag in Berlin gleichwohl im Kopf, die an-
ders laufen sollen als zuletzt, „aber ich
muss aufpassen, nicht zu viel zu verlangen
in zu kurzer Zeit.“ In aller Hektik muss sich
Gislason nun in Geduld üben.
„Dass alle erwarten, dass wir den Weg
nach Tokio schaffen, ist für einen deut-
schen Bundestrainer normal“, sagte Gisla-
son, gewisse Ansprüche kennt er ja auch
aus 22 Jahren als Bundesligatrainer. Nach
seiner Verpflichtung Anfang Februar habe
er erst einmal eine „kleine Rundreise
durch Deutschland“ gemacht, und der
Weg führte ihn auch zu Silvio Heinevetter.
Der Torhüter von den Füchsen Berlin wur-
de von Prokop für die Europameister-
schaft im Januar nicht berücksichtigt, Gis-
lason hat ihn nun wieder in seinen Kader
berufen. In einer Woche trifft sich das
Team zum Lehrgang in Aschersleben in
Sachsen-Anhalt, bevor am 13. März das
letzte Länderspiel vor dem Qualifikations-
Turnier ansteht, in Magdeburg gegen die
Niederlande. Die Nominierung ist als Aner-
kennung der Formkurve des 35-Jährigen
zu verstehen, nicht aber als Abkehr von An-
dreas Wolff und Johannes Bitter, die bei
der EM im Januar als Erfolgsduo gewirkt
hatten. „Ich habe ihm gesagt, dass Jogi Bit-
ter und Andi Wolff die ersten zwei Torhü-
ter sind“, sagte Gislason, „aber dass er
auch infrage kommt, wenn er im Klub
mehr spielt.“ Bei den Füchsen Berlin ist Hei-
nevetter in der Hinrunde der Bundesliga
nur vereinzelt zum Einsatz gekommen,
mittlerweile steht er wieder häufiger auf
dem Parkett. Seine Berufung ins DHB-
Team hängt laut Gislason vor allem damit
zusammen, „dass Andi Wolff am 11. März
noch ein Ligaspiel in Polen hat und erst am
- März zur Mannschaft stößt“.
Nach auskurierten Verletzungen und
Erkrankungen sind Steffen Weinhold und
Franz Semper wieder mit von der Partie,
sie sollen die bei der EM im Januar vermiss-
te Stärke im Rückraum zurückbringen. Zu-
dem ist Linksaußen Marcel Schiller ins
Team gerutscht. Er ersetzt den verletzten
Kapitän Uwe Gensheimer, auf den Gisla-
son ebenso verzichten muss wie auf die
Rückraumspieler Paul Drux und David
Schmidt – die Personallage hat sich im Ver-
gleich zur EM jetzt nicht sonderlich ent-
spannt. Martin Strobel hätte Gislason ger-
ne zurück in die Mannschaft geholt, der ha-
be ihm aber abgesagt, „weil es gesundheit-
lich keinen Sinn macht“.
Und so vertraut der Isländer nun auf sei-
ne eigenen taktischen Kniffe, mit denen er
die deutsche Auswahl olympiatauglich ma-
chen will. Schnelle Mitte, Tempo-Gegen-
stöße, spezielle Angriffsformationen ge-
gen bestimmte Abwehr-Systeme – der Fo-
kus soll vor allem auf der Offensive liegen
und bei der Geschwindigkeit, die man im
deutschen Team tatsächlich häufiger ver-
misst hatte. „Vieles, was wir in Kiel in den
vergangenen Jahren gespielt haben, wird
da auch einfließen“, sagte Gislason; mit
dem THW Kiel war er immerhin sechs Mal
deutscher Meister geworden. Es gibt
schlechtere Referenzen.
Das Ziel Olympia-Gold hat vor allem
DHB-Vizepräsident Bob Hanning in den
vergangenen Jahren immer wieder ausge-
rufen, am Montag gab er nun noch einen
pragmatischen Hinweis: „Natürlich wollen
wir um die Goldmedaille mitspielen, aber
ich mahne an, sich erst mal zu qualifizie-
ren.“ Wäre auch blöd, wenn man schon das
Menü für die Siegerfeier aussucht und
dann feststellt, dass das Restaurant einen
gar nicht reinlässt. saskia aleythe
Gensheimer fehlt verletzt
Daserste Aufgebot von Bundestrainer Gislason
von thomas gröbner
Altenberg/München –Über die Angst
wird im Bobsport eigentlich nicht gespro-
chen. Und vielleicht ist das auch gar nicht
notwendig. „Denn die Angst“, glaubt Bun-
destrainer René Spies, „sieht man sofort.“
Als in Altenberg am vergangenen Sonntag
die Medaillen verteilt wurden nach dem
Weltmeisterschaftsfinale im Viererbob, da
war die Angst dann aber plötzlich doch da.
Eigentlich war ja alles angerichtet gewe-
sen für eine weitere Zeremonie, nach der
die Rekordbücher erneut umgeschrieben
werden müssen, weil Francesco Friedrich
die Jahrzehnte alte Bestmarke erreicht hat-
te – und mit seinem neunten WM-Titel mit
dem Italiener Eugenio Monti gleichzog.
Doch dann nahm sich Bronzemedaillen-
gewinner Nico Walther das Mikrofon. „Ich
bin nicht mehr bereit, dieses Risiko für die
letzten Hundertstel zu gehen. Es gibt Wich-
tigeres“, sagte Walther und verkündete da-
mit den Abschied in Altenberg. Hier hatte
sein Karriereende vor einem halben Jahr
quasi den Anfang genommen.
Der Sonntag war nun noch einmal ein
emotionaler Tag für Walther. Vor dem fina-
len Durchgang lag er noch zeitgleich mit
seinem Klubkollegen Friedrich und mit ei-
nem Vorsprung von einem Hundertstel vor
Johannes Lochner. „Eine Hundertstel ist
quasi nichts. Kopf ausschalten und runter
ins Ziel“, so tickt Lochner. Alles war offen
in diesem besonderen Dreikampf: Fried-
rich, Walther, Lochner sind ja auch die drei
dominierenden Bobpiloten Deutschlands,
alle Jahrgang 1990. Sie sind der „goldene
Jahrgang“, wie Spies sagt. Sie bekämpfen
einander, respektieren einander. Doch bei
einem der drei fuhr diesmal die Angst mit.
In Altenberg war Walther vor einem
Jahr schwer gestürzt. Ein Halswirbel war
angebrochen, nur knapp schrammte er an
der Querschnittslähmung vorbei. Seitdem
war eine Blockade in ihm, die nur schwer
in Worte zu fassen ist: „Danach gehen im
Kopf Dinge vor“, sagte Walther nun zu sei-
nen inneren Zweifel, die sich auch im Eiska-
nal bemerkbar machten. Was für ihn nicht
mehr ging: an die Grenzen zu gehen, um
den Rückstand aufzuholen, den er sich am
Start einfing. Dabei galt doch eigentlich er
als Talentiertester an den Lenkseilen.
Friedrich und Lochner, das seien „gute Pilo-
ten“, aber Walther sei ein „exzellenter“, ur-
teilte Bundestrainer Spies.
So wie man die Angst sieht, sieht man
aber auch, wenn jemand die Furcht abge-
legt hat und „den Bob fliegen lassen“ kann,
wie Spies es formuliert. Er meint damit:
Wenn alles gelingt. Wie bei Friedrich und
Lochner, die diesmal Gold und Silber unter
sich aufteilten. Wie man mit innerem
Druck umgeht, mit den inneren Unsicher-
heiten? „Jeder macht das selbst mit sich
aus“, weiß Spies. Natürlich aber stünden
auch Sportpsychologen bereit.
Es sind im Bobsport eben Wimpern-
schläge, die darüber entscheiden, was ei-
ner erreicht und was er knapp verpasst. In
diesem Sport kann eine Hundertstel ent-
scheiden, ob eine Fahrt über eine Karriere
hinaus Bestand haben wird. Und ob sie an-
dere vielleicht eines Tages zu ähnlichen
Bestleistungen antreiben wird – so wie die
Marken von Eugenio Monti nun Friedrich
antreiben. Eine „Unsterblichkeitsserie“, so
nannte Friedrich einmal das, was er sich
selbst als Ziel setzte. Er hat tatsächlich viel
erreicht. Die einzige bedeutende Bestmar-
ke, die ihm noch fehlt, sind die vier olympi-
schen Goldmedaillen von André Lange.
Die Winterspiele in Peking 2022 und in Cor-
tina d’Ampezzo/Mailand 2026, das sind da-
her nun nächsten Ziele von Friedrich.
Für Walther haben sie ihren Reiz verlo-
ren. Spies hatte versucht, ihn zu halten, er
hatte ihm einen Plan präsentiert, bis Olym-
pia 2022. 31 Jahre alt wäre Walther dann,
„ideal“, das weiß er. Es hätten seine Spiele
sein können, glaubt Spies. Nur fünf Minu-
ten dauerte das Gespräch, dann wusste der
Bundestrainer jedoch: „Das Thema ist
durch.“ 2015 hatte Walther Silber und drei-
mal Bronze gewonnen, bei den Olympi-
schen Spielen 2018 zudem die Silberme-
daille im Vierer, hinter Friedrich. Doch nun
waren die Fahrten mechanisch, ohne Freu-
de am Risiko. Und so hat Walther seine Kon-
sequenzen gezogen. „Traurig“, gestand
Spies, „man verbringt so viel Zeit mit den
Athleten. Und dann gehen sie.“
Auch Friedrich hatte einmal erlebt, wie
schnell eine Fahrt im Eiskanal alles ändern
kann. Sein vier Jahre älterer Bruder David
erlebte 2005 in Altenberg einen schlim-
men Sturz. Drei Monate lag er mit Kopfver-
letzungen im künstlichen Koma. Doch er
kämpfte sich zurück, ins Leben und dann
in seinen Sport – und verletzte sich wieder
schwer. Als Bremser im Schlitten seines
Bruders brach sich David einen Rückenwir-
bel, mit 22 verkündete er sein Karriereen-
de. „Natürlich hat mich das geschockt, und
ich habe gezweifelt und überlegt. Das war
eine schwierige Phase“, sagte Francesco
Friedrich vor einem Jahr. Irgendwann ha-
be er seine Furcht aber überwunden.
Je größer der Druck, desto entspannter
wirke nun der „Franz“, wie sie ihn nennen.
Er könne Topleistungen reproduzieren,
sagt sein Trainer. Das ist eine Fähigkeit,
die Friedrich, den guten Bobfahrer, tat-
sächlich von den anderen guten Bobfah-
rern unterscheidet.
München –Wegen des Coronavirus findet
der Biathlon-Weltcup in Nove Mesto in die-
ser Woche ohne Zuschauer statt. Der Welt-
verband IBU folgte damit einem entspre-
chenden Beschluss des nationalen Sicher-
heitsrates in Tschechien. Die Wettbewerbe
beginnen am Donnerstag mit dem Sprint
der Frauen und enden am Sonntag mit
dem Massenstart der Männer.
Die Europäische Fußball-Union hat
mögliche Konsequenzen für die Play-off-
Partien (26./31. März) zur EM im Sommer
ebenfalls nicht ausgeschlossen. „Wir sind
in Kontakt mit den lokalen Behörden und
werden darauf reagieren, was sie uns sa-
gen“, teilte die Uefa. In der Schweiz wurden
die Spiele der ersten und zweiten Fußballli-
ga bis 23. März ausgesetzt. In Frankreich
könnte das Achtelfinalrückspiel der Cham-
pions League zwischen Paris St. Germain
und Borussia Dortmund laut der Zeitung
Le Parisienmöglicherweise ohne Zuschau-
er stattfinden. Frankreich hatte am Wo-
chenende Ereignisse mit mehr als 5000
Leuten untersagt. Ausgenommen sind bis-
her Veranstaltungen in Stadien. dpa, sid
München– Skirennfahrer Thomas Dre-
ßen hat sich bei seinem Sturz beim Su-
per-G in Hinterstoder nicht so schwer ver-
letzt wie befürchtet und erwägt sogar ei-
nen Start bei den Speed-Rennen am kom-
menden Wochenende in Norwegen. Dre-
ßen habe sich eine Subluxation beider
Schultergelenke zugezogen, lautete die
Diagnose nach der Untersuchung am Mon-
tag. In der rechten Schulter habe es keine
strukturellen Folgeschäden gegeben, sag-
te Manuel Köhne, der Teamarzt des Deut-
schen Skiverbands. In der linken, nach Dre-
ßens schwerem Sturz Ende 2018 in Beaver
Creek operierten Schulter, habe Dreßen da-
gegen eine Kapselzerrung sowie eine Ein-
blutung der vorderen Schultermuskulatur
erlitten. Sollte der Heilungsverlauf günstig
verlaufen, könne Dreßen „in einigen Ta-
gen“ mit dem Training beginnen, hieß es.
„Nach dieser Diagnose bin ich natürlich
erleichtert“, teilte Dreßen mit. Er spüre
zwar noch die Nachwirkungen des Sturzes,
sei aber zuversichtlich, nach Kvitfjell rei-
sen zu können. Ob er die Rennen bestreite,
werde er dann am Ort entscheiden. In Nor-
wegen stehen eine Abfahrt und ein Su-
per-G auf dem Programm. Dreßen hatte in
Norwegen im März 2018 seine zweite Ab-
fahrt im Weltcup gewonnen. Nach Kvitfjell
steht für die Speed-Experten nur noch das
Weltcupfinale in Cortina d’Ampezzo mit
Super-G und Abfahrt (18. und 19. März) auf
dem Plan. Ob die Veranstaltung wegen der
Gefahr durch das Coronavirus in Italien
stattfinden kann, war zunächst unklar.
Stefan Luitz ist derweil mit einem fulmi-
nanten Finallauf beim Weltcup-Riesensla-
lom in Hinterstoder noch in die Top 10 ge-
stürmt. Der Allgäuer machte bei schwieri-
gen Pistenverhältnissen im zweiten Lau-
felf Plätze gut und fuhr als Achter das beste
Saisonergebnis in seiner Spezialdisziplin
ein. Alexander Schmid aus Fischen kam
beim Sieg des Franzosen Alexis Pinturault
auf Rang 16. Stefan Luitz fehlten nach der
zweitbesten Laufzeit im Finale 1,67 Sekun-
den auf Pinturault, der mit seinem 29. Welt-
cupsieg einen Tag nach seinem Erfolg in
der Kombination die Führung im Gesamt-
weltcup übernahm. „Ich bin super zufrie-
den mit der Platzierung“, sagte Luitz, der
zuletzt krankheitsbedingt hatte pausieren
müssen. Schmid hingegen war „froh, dass
ich überhaupt am Start stehen konnte“.
Am Freitag hatte er an Rückenproblemen
gelitten. Deshalb war er mit dem Rennen
„sehr, sehr zufrieden“. sid, sz
Los Angeles –David Beckham, der alte
Fuchs, ließ sich nicht foppen. Da wollte ein
junges Mädchen am Sonntagnachmittag
im Fußballstadion von Los Angeles ein Fo-
to mit ihm haben, und ganz offensichtlich
wollte sie ihn in eine Falle locken: Selfie,
von unten, gegen die Sonne. Wer das je-
mals probiert und beim Anblick seiner
selbst danach nicht erschrocken ist, dem
hat die Natur ordentlich Selbstironie ge-
schenkt. Beckham ist freilich kein Selbst-
ironiker, er ist Selbstvermarkter, also
nahm er dem Kind die Kamera ab, kniete
sich seitlich daneben, lächelte freundlich
und drückte von schräg oben aus ab.
Beckham, Eigentümer und damit auch
Gesicht der Fußball-Franchise Miami Club
Internacional de Fútbol, war fast überall
an diesem Nachmittag, nur nicht auf dem
Rasen. Dort wäre er gebraucht worden, vie-
le Leute (vor allem jene, die das Champions-
League-Finale 1999 des FC Bayern gegen
Manchester United nicht vergessen haben)
wissen trotz der Selbstvermarktung noch
immer, was für ein formidabler Kicker
Beckham gewesen ist: Miami verlor die ers-
te Partie seiner Geschichte mit 0:1 beim
Los Angeles Football Club, und beim Raus-
gehen ließ sich trefflich spekulieren, dass
das mit Beckham in Bestform nicht pas-
siert wäre – vielleicht sogar mit Beckham
in aktueller Form, der Mann sieht auch mit
44 Jahren so aus, als könne er jederzeit und
auch im Anzug einen Fußball ins Kreuzeck
zwirbeln.
Es ging jedoch nicht um dieses eine
Spiel, nicht einmal so sehr darum, wer für
Miami auf dem Rasen stand, weil sich das
in den kommenden Wochen ohnehin noch
ändern dürfte. Es ging um einen ersten Ein-
druck. Und da waren Selfies mit Beckham
mindestens so bedeutsam wie die Tatsa-
che, dass die Mannschaft am Tag vor dem
Spiel bei der Ankunft am Hotel gemeinsam
mit ein paar Fans auf der Straße getanzt
hatte oder dass die Arena in Los Angeles
während der Partie aufgrund der Miami-
Anhänger einen rosaroten Tupfer bekam.
Das sind die Bilder, die nun verschickt
werden: Diese fröhliche Truppe aus Flori-
da wird frischen Wind in die nordamerika-
nische Profiliga MLS bringen, die am Wo-
chenende ihre 25. Saison begonnen hat. Es
sind Bilder, die Verein und MLS dringend
brauchen, die Realität ist nicht ganz so fröh-
lich wie die Gesichter auf all den Bildern.
Denn es hatte Gründe, dass eine neue Fran-
chise die erste Partie auswärts austrug, auf
der anderen Seite des Kontinents.
Die Geschichte von Inter Miami FC be-
ginnt im Jahr 2007: Die MLS bestand da-
mals aus nur zwölf Teams, und die Liga
führt wegen David Beckhams Wechsel zu
Los Angeles Galaxy dieDesignated Player
Ruleein, die es Vereinen auch heute noch
erlaubt, besonderen Spielern viel mehr
Geld zu bezahlen, als es die Gehaltsober-
grenze vorsieht. Beckham ließ sich in den
Vertrag schreiben, dass er einen Verein
gründen dürfte und dabei nur ein Achtel
der üblichen Aufnahmegebühr von 200
Millionen Dollar würde bezahlen müssen.
Das Kalkül damals wie heute: die globale
Strahlkraft von Beckham. In den USA wer-
den reiche Leute, die in Profisport investie-
ren, nicht beleidigt. Sie werden gefeiert.
Es gibt viele Erklärungen, warum es
knapp 13 Jahre gedauert hat, bis Beckham
endlich die Premiere seines eigenen Fuß-
ballvereins feiern durfte, die wichtigste:
Beckham verhielt sich bei der Suche nach
einem geeigneten Ort für ein Stadion wie
Monopoly-Spieler, der so lange würfelt
und seine Figur ums Spielfeld schiebt, bis
er endlich auf der Schlossallee landet – an-
geboten wurden ihm jedoch nur Turm-
und Badstraße. Nun ist für eine Milliarde
Dollar der Miami Freedom Complex in
Flughafennähe im Gespräch, der aller-
dings frühestens in zwei Jahren fertig sein
soll. Derzeit wird über Probleme wegen Ar-
senbelastungen im Boden berichtet.
Der Klub wird seine Heimspiele deshalb
im 30 Kilometer entfernten Fort Lauderda-
le austragen, dort, wo schon Gerd Müller
für die Strikers gespielt hat, die nicht mehr
existieren, so wenig wie Miami Fusion. Es
gibt nun ein neues 18000-Plätze-Stadion,
an dem noch immer gewerkelt wird. Das
wollte die MLS nicht zur Premiere präsen-
tieren, dann lieber das erste Spiel auswärts
spielen. In Los Angeles. In diesem Stadion
mit Loch in der Ecke, damit jeder die Sky-
line der Metropole sehen kann, auch Beck-
ham in seiner VIP-Loge, eingerahmt von
seiner Ehefrau Victoria sowie der Schau-
spielerin Liv Tyler. Tolle Bilder, wirklich.
Verhandelt wird noch ein Markenstreit
mit einem Fußballverein in Italien, dessen
Name seit mehr als 111 Jahren verblüffend
wie Inter Miami klingt und der deshalb Kla-
ge eingereicht hat. Beim Beckham-Klub
spricht Trainer Diego Alonso kaum Eng-
lisch und lässt seine Anweisungen an die
Mannschaft, die erst seit sechs Wochen zu-
sammen trainiert, von einem Dolmetscher
übersetzen. Doch darum geht es alles
nicht, wie Beckham auf seiner Werbetour
in den vergangenen Wochen mit Auftritten
in Late-Night-Shows verkündet hat.
„Es gab Momente, in denen ich geglaubt
habe, dass das alles nicht klappen würde.
Ich habe jedoch gelernt, dass ich hartnäcki-
ger bin, als ich geglaubt habe – und sturer,
als meine Frau jemals gedacht hat“, erklär-
te Beckham: „Es geht nicht um ein Spiel
oder eine Saison. Ich will, dass meine Kin-
der in 20 Jahren sagen: Mein Vater hat die-
sen Verein erschaffen.“ So lange soll es frei-
lich nicht dauern mit den ersten Erfolgen,
und Beckham hat bereits verkündet, dass
er die beiden offenen Designated-Player-
Plätze im Kader mit hochkarätigen Offen-
sivspielern zu besetzen gedenke.
Edison Cavani und Luis Suarez sollen an
einem Wechsel im Sommer interessiert
sein, der notorisch wechselwillige Neymar
sagte: „Ich habe einen Vertrag mit David, in
ein paar Jahren bin ich da.“ Während eines
Auftritts beim Komiker Jimmy Fallon sagte
Beckham, und er schien das nicht als Witz
zu meinen, er könne sich vorstellen, sowohl
Cristiano Ronaldo als auch Lionel Messi
nach Miami zu locken: „Das wäre großar-
tig.“ Das ist das, was sie von Beckham hö-
ren wollen: die Hoffnung auf eine grandio-
se Zukunft, für den Klub und die Liga.
In der Gegenwart hat sein Verein verlo-
ren. In naher Zukunft wird der Klub sein
erstes Heimspiel in der provisorischen Are-
na in Fort Lauderdale spielen, in zwei Wo-
chen gegen Los Angeles Galaxy – den Klub,
mit dem Beckham als Spieler zwei Meister-
schaften gewann. Auch darüber werden
die Leute reden, das Resultat wird wieder
nicht so wichtig sein. Hauptsache, es gibt
möglichst viele Bilder möglichst fröhlicher
Menschen. jürgen schmieder
Den Bob fliegen lassen
Beider WM in Altenberg erreicht Francesco Friedrich eine historische Marke.
Doch hier trennt sich auch der gemeinsame Weg eines goldenen Jahrgangs
Ruhe unterm
Kronleuchter
Handball-Bundestrainer holt Silvio Heinevetter ins Tor zurück
Leere Ränge
Folgen des Coronavirus im Biathlon
Monopoly-Spiel mit rosarotem Klub
Nach 13 Jahren hat David Beckham die Premiere seines eigenen Fußballklubs gefeiert. Das erste Spiel von Inter Miami ging zwar verloren – aber für die Zukunft wird Grandioses verkündet
Je größer der Druck,
umso entspannter wirke
der „Franz“, wie sie ihn nennen
Bis das Wunschstadion fertig ist,
trägt Inter Miami die Heimspiele
in Fort Lauderdale aus
Stefan Luitz gelingt nach starkem
zweiten Lauf ein Top-10-Rang
DEFGH Nr. 52, Dienstag, 3. März 2020 (^) SPORT HF3 25
Tor: Andreas Wolff (KS Vive Kielce/28 Jahre), Jo-
hannes Bitter (TVB Stuttgart/37), Silvio Heinevet-
ter (Füchse Berlin/35). – Linksaußen: Marcel
Schiller (Frisch Auf Göppingen/28), Patrick Zieker
(Stuttgart/26). – Rückraum links: Fabian Böhm
(TSV Hannover-Burgdorf/30), Julius Kühn (MT
Melsungen/26). – Rückraum Mitte: Marian Mi-
chalczik (GWD Minden/23), Philipp Weber (DHfK
Leipzig/27). – Rückraum rechts: Steffen Wein-
hold (THW Kiel/33), Kai Häfner (Melsungen/30),
Franz Semper (Leipzig/22). – Rechtsaußen: Tobi-
as Reichmann (Melsungen/31), Timo Kastening
(Hannover-Burgdorf/24). – Kreis: Patrick Wien-
cek (30), Hendrik Pekeler (beide Kiel/28), Jannik
Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen/24), Johannes
Golla (SG Flensburg-Handewitt) 22.
Gemeinsam jubelt es sich schöner: Francesco Friedrich (re.) mit seinem Team und Sohn Karl. FOTO: RIETSCHEL/REUTERS
Entwarnung
für Dreßen
Abfahrer erleidet keine schwere
Schulterverletzung
Bei Gislason vorerst wieder erste Wahl: Der Berliner Keeper Silvio Heinevetter ist
einervon vier Rückkehrern im Handball-Nationalteam. FOTO: ODD ANDERSEN / AFP
Der Gute-Laune-Klub der Major League Soccer: Klub-Eigner David Beckham lässt
sichmit großen und ganz kleinen Fans fotografieren. FOTO: MARCIO JOSE SANCHEZ / AP