Süddeutsche Zeitung - 03.03.2020

(Tina Sui) #1

Lösungen vom Montag


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SZ-RÄTSEL


8651 4 9237
4715 23968
3927 8 6415
7 862145 93
21 38956 7 4
5493671 82
1386 52749
9574 31826
6249 7 8351

Die Ziffern 1 bis 9 dürfen pro Spalte und Zeile
nureinmal vorkommen. Zusammenhängende
weiße Felder sind so auszufüllen, dass sie nur
aufeinanderfolgende Zahlen enthalten (Stra-
ße), deren Reihenfolge ist aber beliebig. Weiße
Ziffern in schwarzen Feldern gehören zu kei-
ner Straße, sie blockieren diese Zahlen aber in
der Spalte und Zeile (www.sz-shop.de/str8ts).
© 2010 Syndicated Puzzles Inc. 3.3.2020

Schwedenrätsel Sudokumittelschwer


6 1 3


8


5 6 8 7 1 9


9 3 5 4


2 8 7


4 3


3 1


1 8 4


5 8 9 7


Str8ts: So geht’s
56342
9867 34
89 453 67
3542 78
324 8 756
43 9786
54 867 23
12 6534
13254

6 1 2 9 7 8

Str8ts schwer


Die umstrittene erfundene Szene ausHunters: ein Schachbrett mit menschlichen Figuren in einem Konzentrationslager. FOTO: SCREENSHOT AMAZON STUDIOS

Lars Eidinger wohnt nicht auf der Straße,
sondern in einer sicherlich recht großen
Wohnung im schönen Berlin-Charlotten-
burg. Trotzdem wollte der Schauspieler
vor ein paar Monaten gern den Charme ei-
ner Obdachlosen-Schlafstätte borgen. Um
dort im Januar mit einer Tasche in Aldi-Op-
tik zu posieren, die er gemeinsam mit dem
Designer Philipp Bree entworfen hatte und
in limitierter Stückzahl zum Preis von 550
Euro unter die Leute bringen wollte. Die
Empörung kam sofort. Und jetzt kommt
auch die Retourtasche.
„Lars wohnt nicht auf der Straße“ steht
auf dem Modell, das das Düsseldorfer Ob-
dachlosenmagazin Fiftyfifty entworfen
hat. Jute, blau und gelb, Lidl-Optik (FOTO: GEH-
RING/FIFTYFIFTY). Zum Preis von null Euro für
obdachlose Menschen, fünf Euro für alle
anderen, und für Lars Eidinger: 551,55 Eu-
ro, sagt der Redaktionsleiter des Maga-
zins, Werner Ostendorf am Telefon, der Ei-
dingers Aktion „perfide“ fand.
Als nächstes würde er dann gern mal
mit Lars Eidinger über Obdachlosigkeit re-
den. „Daraus würden wir eine Titelge-
schichte machen.“ Der Erlös seiner Tasche
gehe an ein Projekt für Obdachlose, nach
drei Tagen wurden 700 Stück verkauft,
sagt Ostendorf – ein kleiner Sturm der Lie-
be. sophie aschenbrenner

Man muss gleich am Anfang einmal klar-
stellen: Natürlich ist die neue US-Netflix-
RealityserieLove is blind(in Deutschland:
Liebe macht blind) eine klassische Kuppel-
show. Auch wenn sie das Gegenteil von sich
behauptet. Die Prämisse: 30 Singles wer-
den mehrere Tage lang in sogenannten
„Pods“, also separaten Kabinen, zu einer
Art Blind-Speed-Dating zusammenge-
pfercht. Wenn zwei von ihnen sich auf Basis
der Gespräche ineinander verlieben, müs-
sen sie sich direkt verloben, erst dann dür-
fen sie sich sehen. Nach 30 Tagen gibt es
dann im Idealfall eine Hochzeit, bei der dra-
matisch gefragt wird: „Macht Liebe wirk-
lich blind?“ und das Paar „Ja“ hauchen soll.
Die Netflix-Kameras sind stets dabei.
Dass bei dieser Sendung natürlich nicht
nur die „inneren Werte“ zählen, merkt man
erstens daran, dass alle Teilnehmerinnen
die ganze Zeit bauchnabelfrei oder im tief
dekolletierten Abendkleid auftreten, auch
wenn ihr Date sie gar nicht sehen kann.
Zweitens gibt es ein gut aussehendes C-Pro-
mi-Moderatorenpaar (Nick Lachey und sei-
ne Ehefrau Vanessa), das keiner braucht,
das aber ab und zu etwas über Liebe faselt.


Drittens sind die meisten Teilnehmerinnen
und Teilnehmer von Beruf „Health Coach“,
„Fitness-Coach“ oder „Content Creator“. Al-
le sind schlank, heterosexuell, ohne sichtba-
re Behinderung. Stellt sich die Frage: War-
um sind die Menschen so wild auf diese
Show? Warum wurde sie im Netz so heiß dis-
kutiert? Warum war sie Ende Februar laut
Netflix das meistgesehene Format auf der
Streaming-Plattform in den USA? Eine Sen-
dung, die, freundlich formuliert, eine Mi-
schung ausHerzblattund sämtlichenBache-
lor- undBachelorette-Formaten ist?
Natürlich hat das auch mit Voyeurismus
zu tun. Wenn eine Protagonistin beim Blind
Date einen zehn Jahre jüngeren Mann
wählt, schaut man sich das nur an, um sich
am Leid fremder Menschen zu erfreuen.
Tatsächlich schafftLove is blindes aber
auch, Themen auf den Bildschirm zu brin-
gen, die man von Reality-Dating-Formaten
so nicht kennt. Da gibt es das Paar Cameron
und Lauren. Cameron ist weiß, Lauren eine
Woman of Color – was beide nach eigenen
Angaben nicht ahnten, als sie sich beim
Blind Date ineinander verliebten. Aber
auch Schulden, Abtreibung, Obdachlosig-
keit, Orgasmusprobleme und Bisexualität
werden thematisiert. Manchmal wünscht
man sich, dass die Protagonisten von Net-
flix psychologisch betreut werden. Oft ist es
aber auch erschreckend nah dran an den ei-
genen Fragen zur Liebe. Natürlich können
diese Fragen nicht abschließend durch ein
Reality-Experiment mit gut aussehenden
Singles zwischen 25 und 35 beantwortet
werden. Aber einen Cast zusammenzustel-
len, der sich derart naiv und lustvoll auf die
Suche nach dem Menschen fürs Leben
macht, dass es sich oft sehr echt anfühlt, ist
eine Leistung. charlotte haunhorst


Liebe macht blind, Netflix.


von hans hütt

Z


u all dem Schrecklichen, das in Kon-
zentrationslagern geschehen ist und
das historisch dokumentiert ist, hat
die kürzlich gestartete US-SerieHuntersei-
nige Szenen hinzugefügt. Frei erfundene
Szenen. Ein Schachspiel mit menschlichen
Figuren zum Beispiel, die sich gegenseitig
die Kehlen aufschlitzen müssen. Das hat
der Serie, die auf Amazon Prime läuft, mas-
sive Kritik eingebracht.
Die Empörung ist nachvollziehbar. Aber
um den Aufruhr zu verstehen, lohnt sich ein
Blick auf den historischen Kontext. Denn es
gibt ein fiktionales Pendant zu dieser Serie,
das aus den Siebzigern stimmt. Die Kennt-
nis davon ist nötig, um das ideelle Potenzial
zu verstehen, das inHuntersdurchaus ange-
legt ist.
Diese TV-Serie erzählt die Geschichte
der verfolgten jüdischen Arztfamilie Weiss
zur Zeit des Nationalsozialismus: Holo-
caust, gedreht zum Teil in echten Gaskam-
mern und uraufgeführt im April 1978, kam
im Januar 1979 nach Deutschland. Gedreht
wurde sie 1977 – in dem Jahr, in dem die
Handlung von Hunters ihren Ausgang
nimmt. Der WDR kaufte die deutschen
Fernsehrechte,Holocaustlief wegen Unei-
nigkeit in der ARD zuerst in den dritten Pro-
grammen. In der Öffentlichkeit kam es zu
Drohungen, Sendemasten des WDR wur-
den von Rechtsradikalen in die Luft ge-
sprengt.Holocausttransformiere Ausch-
witz in die sinnvolle Struktur eines Alb-
traums, schrieb der Soziologe Detlev Claus-
sen. Nobelpreisträger Elie Wiesel kritisierte
die Serie als Seifenoper. Und immer wieder
gab es auch den Vorwurf, Juden würden in
dem Film als willige Opfer inszeniert.
Huntersgibt zudem nun auch ein Echo
auf Hannah Arendts Bericht über den Eich-
mann-Prozess in Jerusalem. Die deutsche
Ausgabe des Buches von 1964 wurde im Pi-
per-Verlag von Hans Rößner betreut, ei-
nem ehemaligen SS-Obersturmbannfüh-
rer, was der Autorin nicht bekannt war.
Arendt porträtierte Adolf Eichmann als Räd-
chen im Getriebe der industriellen Mordma-
schine und übersah, wie Adolf Eichmann

im Strafprozess seine tatsächliche Verant-
wortung kleinzureden versucht hatte. Die
folgende Kritik an Arendt bezog sich auch
auf das Versäumnis, keine jüdische Quellen
konsultiert zu haben. Schließlich überzeich-
nete sie in ihrer Kritik die Kollaboration der
Judenräte mit den Nazis. All das ist die Aus-
gangslage fürHunters.
Die Serie stellt die Geschichte auf den
Kopf: Sie inszeniert wehrhafte Juden. Der
Widerstand, dessen Fehlen Arendt beklagt
hatte, wird fiktionalisiert nachgeliefert.
Überlebende der Shoah jagen in den USA
untergetauchte Nazis, die ihrerseits ihren
Verfolgern nachstellen.Hunters-Regisseur
David Weil verändert also die Opfer-Erzäh-
lung vonHolocaust. Seine Helden ergeben
sich nicht widerstandslos in ihr Schicksal
wie die Familie Weiss. Die Großmutter des
Regisseurs dient ihm als Kronzeugin. Auch
sie ist eine Überlebende der Shoah.
Ein traumatisches Element der jüdi-
schen Familiengeschichte: Viele Eltern und
Großeltern haben fast nie mit ihren Kin-
dern und Enkeln über ihre Leidensgeschich-
te gesprochen. Wenn doch, dann geschah
das oft erst am Vorabend von Zeugenaussa-
gen in den Strafprozessen.

Huntersist eine Realfiktion. Sie über-
führt die mühselige Strafverfolgung – die
Arbeit der Zentralen Stelle der Landesjustiz-
verwaltungen zur Aufklärung nationalsozi-
alistischer Verbrechen, die Bemühungen
des Generalstaatsanwalts Fritz Bauer und
die Ermittlungen des Leo Wiesenthal Cen-
ters etwa – in eine Trash-und Pulp-Krimise-
rie. In der nehmen die überlebenden Opfer
der Shoah die Rache an den Mördern ihrer
Angehörigen in die eigene Hand, während
ihre Gegenspieler als glühende Nazis den
Plan verfolgen, die Vereinigten Staaten in
ein „Viertes Reich“ zu verwandeln.
Der Schauplatz ist New York City, das in
den späten Siebzigerjahren so ranzig, so ver-
seucht, so libertär, so zugekifft war, dass al-
lein diese Reinszenierung der verfallenden
Metropole einen eigenen Nostalgiepreis
wert wäre. Die jugendlichen Helden um Jo-
nah Heidelbaum erzählen, als Rahmen der
blutigen Story, eine Coming-of-age-Ge-
schichte. Sie reden überStar Wars, über
Batman und Robin. Ihre Comic-Begeiste-
rung ist das dramaturgische Leitmotiv der
Serie, die Regisseur Weil überbordend in
Szene setzt. Wer liebt Oma mehr als ihr En-
kel? Das ist das Leitmotiv für Jonah, sich an
der Seite von Meyer Offerman, gespielt von
Al Pacino, an der Verfolgung der Nazis zu be-
teiligen. Erzählerisch bedient sich Regis-
seur Weil an der TV-SerieThe Blacklist,in
der auch üble Bösewichter einander nach-
stellen und sich dabei der Hilfe oberster
Bundesbehörden bedienen.

Hinweise auf Quentin Tarantinos Film
Inglourious Basterdsund Mel Brooks’ Ko-
mödieFrühling für Hitlerverfehlen die Idee
vonHunters. Denn es geht hier nicht um ei-
nen Überbietungswettbewerb, wer die
grässlichsten Schurken in Szene setzt und
damit das Publikum entsetzt, auch wenn
Tarantino ebenfalls eine Rachefantasie er-
füllt, die auf Grundlage der vorher gezeig-
ten grässlichen Verbrechen ihre Rechtferti-

gung erlangt. Es geht um das Trauma der
Überlebenden der Shoah und ihre Erinne-
rungen. Die Auschwitz-Gedenkstätte kriti-
siert anHunters, Filmszenen wie das tödli-
che Schachspiel zwischen dem jüdischen
Häftling Markus Brodt und dem SS-Mann
Heinz Richter hätten nie stattgefunden.
Und tut damit so, als gäbe es eine Authenti-
zitätsregel, an die sich bei diesem Thema je-
der zu halten hat. Die Industrie des Massen-
mords ermöglichte damals aber sadistische
Willkür der Lagermannschaften als infame
Zugabe.
Szenen wie das tödliche Schachspiel ver-
leihen diesem Aspekt des Massenmordes
Evidenz, nur eben nicht mit dem Anspruch
eines Wahrheitsbeweises. Die Serie spielt
mit dem Unfassbaren. Das kann man ihr
vorwerfen, aber sie tut es mit Konsequenz.
Allerdings: Blöde Witze, flache Dialoge und
eine grauenvolle deutsche Synchronisation
beschädigen die Idee.
Meyer Offerman, der Inspirator und
Geldgeber der Nazijäger, wohnt in einer
pompösen Villa in der Park Avenue und
verfügt über die nötigen Mittel, die Ermitt-
lungen seiner Truppe zu finanzieren.
Jonahs Großmutter Ruth verdankt er das
Überleben. Sie organisiert die Fahndung,
bis sie, gleich zu Beginn der Serie, von
einem von ihr verfolgten Nazi ermordet
wird. Offerman hat sie geliebt. Er sagt, sein
Rachefeldzug erfolge im Namen von sechs
Millionen Klienten. Im Unterschied zu
seiner Truppe wirken die Nazis wie Abzieh-
bilder des Bösen. Die Serie inszeniert in
bedrückend eleganten Bildern einen
Teufelskreislauf von Gewalt im Stil eines
Pulp-Comics. So verwandelt sie Abscheu
bis zum Verdruss in Faszination. Aber auch
die stimmigsten Bilder, die opulente Aus-
stattung und die brillante Besetzung kön-
nen an dem Handicap der Serie nichts
ändern, an ihrer trivialen Botschaft, dass
Rache, und nicht ein gutes Leben, die beste
Rache sei.
Huntersweckt einen verspäteten Schrei
des Entsetzens, der das Publikum der Serie
in Spießgesellen der abgefeimten Story ver-
wandelt. Auch Nazis können ihr einen Stern
verleihen.

Überraschende Wechsel an der Spitze ei-
nerMannschaft – dafür war in Berlin bis-
lang vor allem der Hauptstadtklub Hertha
BSC bekannt. Seit einiger Zeit sorgt aller-
dings auch eine der Hauptstadtzeitungen
in dieser Hinsicht für Aufmerksamkeit.
Seit der Berliner Verlag samtBerliner
Zeitungim vergangenen Herbst vom ost-
deutschen Unternehmerehepaar Silke und
Holger Friedrich gekauft worden ist, ver-
ging kaum ein Monat, in dem dort nicht
neue Personalien bekannt wurden. Zuerst
wurde mit dem Österreicher Michael Mai-
er ein neuer Herausgeber und Geschäfts-
führer in die Redaktion geholt und die
Chefredaktion um Margit J. Mayer er-
gänzt. Mayer war früher für die deutsche
Ausgabe vonHarper’s BazaarundADver-
antwortlich, im Berliner Verlag, zu dem
auch der BoulevardtitelBerliner Kurierge-
hört, ist sie für den Bereich „Style und Zeit-
schriften“ zuständig. Anfang Februar wur-
de schließlich das Führungsteam vonBerli-
ner ZeitungundKurierausgetauscht, die
bisherigen Chefredakteure Jochen Arntz
und Elmar Jehn wurden durch Digitalchef
Matthias Thieme ersetzt. Den hielt es aller-
dings gerade mal knapp drei Wochen in sei-
ner Position: Am Sonntag wurde bekannt,
dass Thieme gekündigt hat. Offiziell bestä-
tigt ist sein Abgang bislang nicht, aller-
dings wird im Impressum vonBerliner Zei-
tungundBerliner Kurierseit Montag Mar-
git J. Mayer als verantwortliches Mitglied
der Chefredaktion angegeben.
Über Thiemes Beweggründe ist von Ver-
lagsmitarbeitern zu hören, dass es um
Kompetenzen und unterschiedliche Auf-
fassungen ging, wie man sich technisch
und inhaltlich neu aufstellt. Auch in dieser
Hinsicht ist es bei derBerliner Zeitung
nicht viel anders als bei Hertha BSC. Und
wie im Fußball kann man annehmen, dass
dies nicht die letzte überraschende Perso-
nalie war. ve re na m aye r

Erst wennzweisich gut verstehen, dürfen
sie sich in die Augen schauen. FOTO: NETFLIX


Retourtasche


Blindverkostung


Warum „Liebe macht blind“ so viel


besser als andere Dating-Shows ist


Meryl Streep als Inga Helms Weiss in der
SerieHolocaust. FOTO: PICTURE-ALLIANCE/ DPA

Drei Wochen Chef


Warum Matthias Thieme die
„Berliner Zeitung“ schon verlässt

Auch Schulden, Abtreibung und


Bisexualität werden thematisiert


DEFGH Nr. 52, Dienstag, 3. März 2020 (^) MEDIEN 27
Die Auschwitz-Gedenkstätte tut
in ihrer Kritik, als gebe
es eine Authentizitätsregel
Bitte recht real
Die Serie „Hunters“ mit Al Pacino wurde vielfach kritisiert für ihre Darstellung von Gewalt in
Konzentrationslagern. Dabei liegt darin auch Potenzial. Überlegungen zur Inszenierung des Grauens
ABSPANN

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