Handelsblatt - 03.03.2020

(やまだぃちぅ) #1

Soheil Mirpour: Der 31-Jährige hat Erfahrung
als professioneller Investor.


Rocket Internet

Jürgen Flauger, Helmut Steuer Düsseldorf,
Stockholm

E


s gebe manchmal Angebote, die
man einfach nicht ablehnen kön-
ne. So beschrieb Pekka Lund-
mark am Montagmorgen seinen
überraschenden Wechsel an die
Spitze des finnischen Netzwerkausrüsters
und einstigen Handyriesen Nokia. Der 57-Jäh-
rige, der seit 2015 den finnischen Energiever-
sorger Forum führt, wird am 1. September
auf CEO Rajeev Suri folgen.
Es wird für Lundmark nicht einfach sein,
den ins Schlingern gekommenen Netzwerk-
ausrüster wieder in profitable Gefilde zu steu-
ern. „Pekka Lundmark weiß, was zu tun ist“,
hofft trotzdem ein Mitarbeiter, der beim frü-
heren Arbeitgeber Fortum eng mit ihm zu-
sammengearbeitet hat. Lundmark, Sohn ei-
ner Krankenschwester und eines Ingenieurs,
kennt auf jeden Fall Nokia, begann dort seine
Karriere. Nach einigen Jahren in verschiede-
nen Management-Funktionen wurde er Chef
des finnischen Kranherstellers Konecranes.
2015 wechselte er in die Chefetage des Ener-
gieriesen Fortum.
Bei Nokia wartet eine schwierige Aufgabe
auf den dreifachen Vater. Nokia ist im Kampf
um Marktanteile beim Ausbau der 5G-Mobil-
funknetze deutlich zurückgefallen – hinter
den Rivalen Huawei und Ericsson. Zu lange
war man bei Nokia mit der Fusion mit dem
französisch-amerikanischen Konkurrenten
Alcatel-Lucent beschäftigt. Auch konnte No-
kia bislang nicht von der Kampagne der USA
gegen Huawei profitieren. Die Amerikaner
machen seit Monaten Druck auf verbündete
Regierungen, Huawei vom Ausbau der
5G-Netze auszuschließen, da sie hinter der
Firma ein Spionagevehikel Pekings vermuten.
Nokia konnte bislang nicht in die Angebots-
lücke einspringen, da der Konzern Probleme
bei der Entwicklung von 5G-Chips hatte. Erst
im vergangenen Herbst enttäuschte Nokia-
Chef Suri die Anleger mit der Streichung der
Dividende. Der Aktienkurs fiel an einem ein-

zigen Tag um nahezu ein Viertel. Die Märkte
wären „sehr skeptisch“ gegenüber Suri gewe-
sen, sagte Kimmo Stenvall. Den jetzigen
Wechsel sieht der Analyst bei der fin nischen
OP Group daher positiv.
Lundmark muss sich wohl bei Nokia auch
mit Abspaltungen einzelner Unternehmens-
teile oder erneuten Fusionen beschäftigen.
„Fast jeden Tag muss ich meine harte Seite
hervorholen“, erklärte Lundmark einmal.
„Doch man muss immer die Balance zwi-
schen hart und verständnisvoll finden.“
Die große Stärke von Lundmark: ein guter
Umgang mit Mitarbeitern. Das bescheinigen
ihm ehemalige Kollegen. „Die Arbeitnehmer
sind die wichtigste Ressource eines Unter-
nehmens. Sie sind das ‚A‘ und ‚O‘“, erklärte
Lundmark erst vor einigen Wochen dem fin-
nischen Rundfunksender YLE. Und: „Das Ma-
nagement muss eine offene Atmosphäre
schaffen, sodass alle das sagen können, was
ihnen auf dem Herzen liegt.“
Bei Uniper teilen nicht viele die positive
Einschätzung. Im Gegenteil, der Wechsel von
Lundmark sei von vielen mit Erleichterung
aufgenommen worden, heißt es in Kreisen
des Unternehmens. Fortum hatte sich im
Herbst 2017 überraschend bei Uniper einge-
kauft. Gegen den Willen des damaligen Ma-
nagements übernahmen die Finnen unter
Lundmarks Führung den Anteil des ehemali-
gen Mutterkonzerns Eon von 50 Prozent und
bauen ihn bald auf 70 Prozent aus. Manage-
ment und Mitarbeiter von Uniper fühlten sich
verraten, empfingen Lundmark als feindli-
chen Eroberer. Der damalige Uniper-Chef
Klaus Schäfer beschimpfte Lundmark als
„Wolf im Schafspelz“.
Verzweifelt kämpfte das Management ge-
gen den Einstieg, und bis heute ist es Fortum
nicht gelungen, Uniper unter Kontrolle zu
bringen. Arbeitnehmervertreter werfen
Lundmark vor, unverbindlich in seinen Zie-
len und Zusagen zu bleiben. In der Beleg-
schaft von Uniper hoffen sie jetzt, dass mit
dem Wechsel an der Fortum-Spitze die Zu-
sammenarbeit konstruktiver wird.

Pekka Lundmark


Retter in der Not?


Der neue Chef von Nokia soll den Netzwerkausrüster konkurrenzfähig


gegen Huawei machen. Doch nicht jeder glaubt an seine Stärke.


Pekka Lundmark:
Er begann seine
Karriere einst bei Nokia.

Reuters

Fast jeden


Tag muss


ich meine


harte Seite


hervorholen.


Pekka Lundmark
designierter CEO
von Nokia

Soheil Mirpour


Aufstieg bei


Rocket Internet


Christoph Kapalschinski Hamburg


D


er Gründer und Vorstandschef des Start-
up-Konzerns Rocket Internet, Oliver
Samwer, holt sich einen neuen zweiten
Mann an die Seite: Soheil Mirpour steigt in den
Vorstand auf. Alexander Kudlich, seit 2011 Ge-
schäftsführer und Vorstand bei Rocket Internet,
verlängert seinen Vertrag nicht. Der personelle
Wechsel steht auch für den schleichenden Strate-
giewechsel des Unternehmens – weg von Eigen-
gründungen, hin zu einem Investmentmodell.
Mirpour hat Erfahrung als professioneller Inves-
tor: Er arbeitete als Investmentmanager bei KKR
und war im Investmentbanking von Morgan Stan-
ley tätig. Seit 2017 leitete er bei Rocket Internet be-
reits operativ den Bereich Global Founders Capi-
tal, der zuletzt etwa der britischen Onlinebank Re-
volut Geld gegeben hat. Samwer kennt Mirpour,
31, schon lange: Nach seinem Studium an der Ber-
liner WHU hatte der Stipendiat der Studienstiftung
des Deutschen Volkes seine Berufslaufbahn bei
Rocket Internet begonnen. In der Öffentlichkeit ist
Mirpour dagegen bislang kaum aufgetreten.
Das könnte sich jetzt ändern: Mirpour ist künf-
tig der zweitwichtigste Mann bei Rocket Internet,
denn der Vorstand besteht seit dem Abgang von
Finanzchef Peter Kimpel im Herbst 2018 nur aus
zwei Personen. Das solle auch künftig so bleiben,
sagte eine Unternehmenssprecherin.


Vorgänger soll Partner bleiben


Der Vertrag von Vorgänger Kudlich läuft am



  1. März aus. Der 39-Jährige wolle sich noch ein-
    mal neu orientieren, heißt es aus der Zentrale in
    Berlin. Für die Start-up-Szene sei Kudlich ohne-
    hin ungewöhnlich lang auf einem Posten geblie-
    ben – neun Jahre. Samwer erklärte in der Mittei-
    lung zum Wechsel: „Mit Alexander Kudlich wer-
    den wir in Kontakt bleiben und möchten mit ihm
    auch zukünftig zusammenarbeiten. Alexander ist
    ein großartiger Vorstand und geschätzter Partner
    mit einem tiefen Verständnis für unser Geschäfts-
    modell, das er seit 2011 maßgeblich mitentwi-
    ckelt, geprägt und vorangetrieben hat.“
    Die Aktie reagierte am Montag positiv auf die
    Nachricht und legte stärker zu als der MDax, in
    dem sie notiert ist. Dahinter steht wohl die schon
    länger gehegte Erwartung, Rocket Internet strebe
    einen Rückzug von der Börse an. Das würde zum
    beobachteten Strategiewechsel passen: Die meis-
    ten übrigen Start-up-Investoren müssen deutlich
    weniger öffentlich agieren, da sie als private
    Fonds agieren. Rocket Internet, das derzeit Geld
    für einen weiteren Fonds einsammelt, agierte in
    den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit
    deutlich zurückhaltender als noch vor dem Bör-
    sengang im Jahr 2014.


Namen


des Tages


DIENSTAG, 3. MÄRZ 2020, NR. 44
46


Michael Bloomberg

Kampagne als Krisenmanager


P


räsidial soll es aussehen: Mi-
chael Bloomberg steht vor der
US-Flagge, im Hintergrund
sieht man Kastenfenster, die an das
Oval Office im Weißen Haus erinnern.
„In Zeiten wie diesen ist es der Job des
Präsidenten, die Öffentlichkeit zu be-
ruhigen, dass er oder sie alle notwen-
digen Schritte veranlasst, um die Ge-
sundheit und das Wohlergehen jedes
Bürgers sicherzustellen“, sagt der
78-Jährige mit ruhiger Stimme in die
Kamera. Ein Anführer in Zeiten des
Coronavirus „sollte trainiert, infor-
miert und respektiert sein“.
Der Selfmademilliardär Bloomberg
erwähnt den amtierenden Präsiden-
ten nicht namentlich. Aber er sagt,
dass die Menschen jemanden mit Er-
fahrung wollen. Jemanden, der wie er
in seinen Jahren als New Yorker Bür-
germeister zwischen 2001 und 2013,
mit „einem Hurrikan, einem Blackout,
mit versuchten Terrorattacken, dem

West-Nil-Virus und der Schweinegrip-
pe“ fertig wurde.
Drei Minuten dauert dieser aufwen-
dige Werbespot, mit dem sich Bloom-
berg für den wichtigsten Tag der De-
mokraten-Vorwahlen als Krisenmana-
ger positionieren will: den „Super
Tuesday“. An diesem Dienstag wird in
14 Bundesstaaten darüber abge-
stimmt, wer als Präsidentschaftskandi-
dat gegen Amtsinhaber Donald
Trump antreten soll.
Seit Sonntag läuft Bloombergs An-
sprache auf allen Kanälen – im Fernse-
hen und in den sozialen Medien.
Mehr als 400 Millionen Dollar soll
Bloomberg bisher nur für Fernseh-
werbung ausgegeben haben, schätzt
das Projekt „Five Thirty Eight“, das
die Spots verfolgt. Die Onlinewerbung
kommt da noch hinzu. Zum Ver-
gleich: Die Wettbewerber Bernie San-
ders und Joe Biden kommen bei TV-
Werbung auf 23 beziehungsweise fünf
Millionen Dollar. Geld spielt für
Bloomberg, Gründer des nach ihm
benannten Finanz- und Informations-
dienstes, eben keine Rolle. Sein Ver-
mögen: geschätzt 64 Milliarden Dollar.
Trotz der massiven Werbung
schneidet Bloomberg bisher in Umfra-

gen nicht sonderlich gut ab. Auch in
den zwei TV-Debatten, an denen er
teilgenommen hat, kam der Unter-
nehmer nicht gut rüber. Oft hatten Zu-
schauer das Gefühl, die bessere Ant-
wort wäre jene gewesen, die er in sei-
nen Werbespots zeigt.
Seine Filme sind zwar hochprofes-
sionell gemacht. Doch im wahren Le-
ben wirkt Bloomberg hölzern, arro-
gant, weltfremd. „Wir haben zwei La-
bradore zu Hause“, erzählte er vor ein
paar Tagen im US-Bundesstaat Arkan-
sas. „Der eine ist wirklich ein Labra-
dor, bei dem anderen bin ich mir
nicht ganz so sicher.“ Es sollte ein
Scherz sein, doch er kam nicht an.
Bloomberg weiß, dass charismati-
sche Auftritte und inspirierende Re-
den nicht seine Stärke sind. Bernie
Sanders und Elizabeth Warren laufen
bei ihren Auftritten regelmäßig zu
Höchstform auf, werden emotional,
kämpfen mit Herz. Bloomberg hält
seine Reden stets vom Pult aus. „Ich
bin kein Angeber“, rechtfertigte er
sich im „Wall Street Journal“. „Die
Leute in New York wissen das, aber
sie würden Ihnen auch sagen, dass sie
froh sind, dass ich kandidiere.“
Bloomberg steht neben Biden und
Amy Klobuchar als moderate Alterna-
tive zu Sanders und Warren auf dem
Wahlzettel. Fans hat er an der Wall
Street, wo er gut verdrahtet ist. Der
frühere Goldman-Sachs-Chef Lloyd
Blankfein zählt zu Bloombergs Freun-
den. In einem Interview mit der „Fi-
nancial Times“ brachte Blankfein zum
Ausdruck, was viele an der Wall Street
denken: „Es würde mir schwerer fal-
len, für Bernie Sanders zu stimmen
als für Donald Trump.“ Sanders will
schließlich eine gesetzliche Kranken-
versicherung und eine Reichensteuer
einführen sowie Studiengebühren ab-
schaffen – was für die Märkte mit er-
heblichen Turbulenzen verbunden
wäre. „Er ist einer von uns. Schade,
dass er keine Wahlkampfspenden an-
nimmt, sonst hätten wir längst
Events für ihn organisiert“, sagt ein
Investmentbanker, der anonym blei-
ben will. Bloombergs Plan, die Fi-
nanzwelt stärker zu regulieren, „ist
reine Wahlkampfrhetorik. Das hat
hier keiner ernst genommen.“
Michael Bloomberg: Charismatische Auftritte sind nicht seine Stärke. Astrid Dörner, Katharina Kort

Brittainy Newman/The New York Times

BusinessLounge


Vorsorgen: Der thailän-
dische Premierminister
Prayut Chan-o-cha lässt sich
am Regierungssitz in Bangkok die Temperatur
messen – die Corona-Krise ist längst auch in sei-
nem Land angekommen.

Trendsetter: Antoine Arnault, Chef der Schuh-
manufaktur Berluti und Sohn von LVMH-Präsident
Bernard Arnault, besucht die diesjährige
„Women’s Fashion Week“ in Paris.

Trendsetter:Antoi A

Effektive Umweltpolitik: Bundesumweltministe-
rin Svenja Schulze (SPD) stellt in Berlin im Bei-
sein von Manfred Fischedick, wissenschaftlicher
Geschäftsführer des Wuppertal Instituts, ihre
umweltpolitische Digitalagenda vor.

Effektive Umweltpolitik:Bundesumweltministe

Richtungsweisend: Sachsens Ministerpräsident
Michael Kretschmer (CDU, r.) spricht während
der Taufe eines ICE 4 auf den Namen „Freistaat
Sachsen“ auf dem Dresdner Hauptbahnhof mit
Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla.

Richtungsweisend:SachsensMinisterpräsident

AFP, dpa, AP, dpa

Der Milliardär und ehemalige
New Yorker Bürgermeister
inszeniert sich in Zeiten des
Coronavirus als erfahrener
Anführer.

Jack Welch

Tod einer Legende


Der lang jährige CEO von
General Electric genoss lange
Kultstatus. Sein Führungsstil
war rabiat – und wäre längst
kein Vorbild mehr.

K


aum ein anderer stand so für
den US-Konzern General
Electric (GE) wie Jack Welch.
Und wohl kaum einer war schon zu
Lebzeiten ähnlich umstritten in der
US-Wirtschaft. Zwei Jahrzehnte lang
hatte Welch als Chef das Konglomerat
mit seinem sehr eigenen Führungsstil
geleitet, bevor er 2001 in Rente ging.
Am Sonntag ist er nun im Alter von

84 Jahren verstorben. Seine Maximen
waren radikal: Das gilt für seine völli-
ge Fokussierung auf den Shareholder-
Value ebenso wie für seine Personal-
politik. Jedes Jahr entließ er die
schwächsten zehn Prozent der Mitar-
beiter.
Dennoch hat der kleine Mann mit
den stechend blauen Augen bei GE
viele erfolgreiche Manager geformt.
„Heute ist ein trauriger Tag für die
gesamte GE-Familie“, sagte Larry
Culp, der amtierende Chef des der-
zeit kriselnden Konzerns. „Wir wer-
den sein Erbe weiter ehren, indem
wir das tun, was Jack von uns gewollt
hätte: gewinnen.“ Katharina Kort

Jack Welch: Der Amerikaner ist im
Alter von 84 Jahren verstorben.

Bloomberg

Namen des Tages


DIENSTAG, 3. MÄRZ 2020, NR. 44
47
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