Frankfurter Allgemeine Zeitung - 14.03.2020

(Nancy Kaufman) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Wirtschaft SAMSTAG, 14.MÄRZ 2020·NR.63·SEITE 17


Seite20SSeite23 eite

Die Wirtschaftdes Landessteht am


Abgrund. Droht jetzt der


Zusammenbruchdes Staats?


Als neuerVorstandschef derWiener


ErsteGroup leitetBernhardSpalt


ein Institut vonbeachtlicher Größe.


Dem PharmakonzernRoche istein


Durchbruc hbei der Diagnose des


Virusgelungen.


LIBANONS WEG IN DIEKRISE ÖSTERREICHSMANN FÜR DEN OSTEN NEUERCORONA-SCHNELLTEST

A


ngesichts dynamischsteigen-
der Infektionszahlen und der
Wucht, mit der dasVirusdie
Börsen infizierthat, kommt die Bun-
desregierung zu einer nachvollziehba-
re Neueinschätzungder Lage. Anders
als nochamMontag–vor Grenz-
schließungen,Finanzmarktbeben und
im Licht der in dieser Krise zuwenig
fruchtbarengeldpolitischen Interven-
tionen–stellt sie der deutschenWirt-
schaftunlimitierteFinanzhilfeinAus-
sicht .„Wirlegengleichalle Waffen
auf denTisch“,verkündetenBundesfi-
nanzministerOlaf Scholz und Bundes-
wirtschaftsminister PeterAltmaier.
Die Stichworte „Bazooka“ und Schutz-
schild fehlten ebenfalls nicht.Die
Wortwahl erinnertgezielt an Mario
Draghis „Whateverittakes“ (Alles,
wasnötig ist), dasVersprechen, mit
dem der frühere EZB-Präsidentvor
acht Jahren den Euroretten half.
Auch der Verzicht auf dieFestlegung
vonHöchstbeträgen für die deutschen
Hilfen erinnertandie Eurozeiten. Die
Märktesollenkeine Zweifel mehr ha-
ben, dassdie Finanzpolitik zu allem
entschlossen ist.
Ob die Wetteaufgeht? Manches
deutet darauf hin, dassdie Koalition
den richtigen Moment für diese Bot-
schafterwischt habenkönnte, also
den Zeitpunkt, an dem ein solchum-
fassendes Versprechen nicht Panik,
sondernZuversichtweckt. So dürfte
dieseWocheselbstskeptischen Bür-
gern die Augengeöffnethaben über
den Ernstder gesundheitlichen wie
der darausfolgenden ökonomischen
Bedrohung. Zum anderen hat dieRe-
gierung vielRateingeholt, nicht nur
vonVirologen, sondern auchvon Öko-
nomen unterschiedlicher Richtungen.
Sie hat für ihrPaketsomit einigen
Rückhalt.Zudem nährtdie günstigere
Entwicklung in China, dem Ur-
sprungsland des Coronavirus, erste
Hoffnungen, dassder mit massiven
Staatshilfen zu überbrückendeZeit-
raum letztlichvielleichtkürzer sein
könnteals befürchtet.
DasTiming isteminent wichtig.
Denn nurwenn die Hilfen schnell
aucheine starke psychologischeWir-
kung entfalten,kann dieRegierung
hoffen, dasssich Erwartungenstabili-
sieren undgenügendVertrauen zu-
rückkehrtindie Wirtschaft, um an Be-
legschaftenund Investitionsplänen
festzuhalten, obwohl die Hiobsbot-
schaftenaus den Kliniken undUnter-
nehmenvorerst zunehmenwerden.
Timing istnicht alles.Unterneh-
men brauchen Gewissheit,tatsächlich
raschund unbürokratischanGeld zu
kommen,umflüssig zu bleiben,wenn
die Nachfrag eauf unbestimmteZeit
wegbricht, Produktion ausfällt und
Forderungen nicht beglichenwerden.
Damit das klappt,werden dieKontrol-
len, wohin das Geld im Einzelfall

fließt und wiegerechtfertigt die Hilfe
ist, schwächer ausfallen als üblich.
Einegewisse Fehlleitungder Mittelge-
hörtzuden bedauerlichen, nicht zu
verhindernden Begleiterscheinungen
großer Krisen. Da der Schwerpunkt
der Liquiditätshilfen aber auf Kredi-
ten, Steuerstundungenund Bürgschaf-
tenliegt, wahrtScholz die Chance,
dassder Staat einengroßenTeil des
Geldes wiedersieht,wenn Unterneh-
men wieder zahlungsfähig sind.
Mit einem klassischenKonjunktur-
prog ramm aus Subventionen–unein-
bringlichen Zuschüssen –, um die
Nachfrage zu beleben,wäre die Regie-
rung viel tiefer inVorleistunggegan-

gen. Es istgut, dasssie daraufvorerst
verzicht et,schließlichist die Wirkung
solcher Hilfen in dieservoneiner Pan-
demie ausgelöstenKrise zweifelhafter
als sonst. Bekanntlichtreffen die Co-
ronavirus-Schäden besondersDienst-
leisterstark,dadie BürgerzuHause
sitzen. Daran ändernstaatlicheKon-
sum-Schecks nichts.
Trotzdes Subventionsverzichts dürf-
tennun die öffentlichen Schulden wie-
der steigen, obwohl diefiskalischen
Spielräume nochordentlichsind –
und eingroßerTeil der Hilfeüber die
staatliche Förderbank KfW geleitet
wird. Da hier der Bund als Bürge ge-
fragt ist, schlagen dieAusgaben an-
fangs weniger auf den Haushalt
durch.Falls doch, deckendie Ausnah-
meregelungen der Schuldenbremse
imGrundgesetz selbsteine große Kre-
ditaufnahme ab. Die Krise istjeden-
falls kein Anlass, eine dauerhafte Lo-
ckerung desFinanzrahmens zu debat-
tieren.Werdas fordert, setzt sich dem
Verdacht aus, nachder Krise nicht zur
Haushaltsdisziplin zurückkehren zu
wollen.Wo aberstünde Deutschland
nun,wenn nachFinanz- und Euro-Kri-
se keine Konsolidierung der öffentli-
chen Haushalteerfolgt wäre?Wie
glaubwürdigwäre die Ankündigung
der Bundesregierung heute, wenn
Deutschland immer nocheine Schul-
denquote nahe 90statt 60 Prozent der
Wirtschaftsleistung hätte,wenn statt
der Überschüsse ein dickesMinus in
den Kassen herrschte?
Der Sinn einer Selbstbindung der
Politik durch eine Schuldenbremse
liegt darin, in gutenZeitenVorsorge
für den Ernstfall zu treffen. Der ist
nun eingetreten. Die Bundesregie-
rung handelt bishermit Umsicht .Eini-
ge Reservenhat sie immer nochin
der Hand. Auchdas is tberuhigend.

M


an wirderstineinigenWo-
chen wissen,welcheReak-
tionen derstaatlichen Be-
hörden auf die Coronavirus-Krise die
richtigen waren. Dochschon jetzt
zeigt sich, dassesgut ist, für solche
ZeitenReservenimHaushalt zu ha-
ben. InFrankreichist derzeitwenig
Kritik an denstaatlichenÜberschüs-
sen Deutschlands zu hören.Vorweni-
genWochenwardas nochganz an-
ders. Dakonnteman garnicht lautge-
nug darüber schimpfen, wie unsinnig
ein finanzpolitisches Plus sei. DieVi-
ruskrise erfordertnun entschiedenes
Handeln desStaates.Wersich, so wie
Frankreich, an denfinanzpolitischen
Schmerzgrenzen mit seinenStaats-
schuldenvonfast100 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes entlanghan-
gelt, wirdnachdem Ende der Gesund-
heitskrise ein schwereres Erbe zu tra-
genhaben–essei denn, allekünfti-
genBürdenwerden inweiterengeld-
politischen Schwemmen oder in euro-
paweiter Umverteilung aufgelöst.
Das istkeineAufforderung, die Hän-
de in den Schoß zu legen. Doch
manchmal lohnt es, daran zu erin-
nern,welche Voraussetzungenstaatli-
ches Handeln hat.UmsichtigeHaus-
haltsführunggehörtdazu.

Zu allem entschlossen


VonHeikeGöbel

U


mdie wirtschaftlichen Folgen
der Corona-Krise zu meistern,
hat die Bundesregierung die
größten Liquiditätshilfen der
deutschenNachkriegsgeschichte auf den
Weggebracht. Manwerdeder Wirtschaft
einen Kredit- und Garantierahmen„ohne
Begrenzung“ zurVerfügungstellen,teil-
tenWirtschaftsminister Peter Altmaier
(CDU)und Finanzminister Olaf Scholz
(SPD) amFreitag mit. Späterkündigte der
amerikanische Präsident DonaldTrump
in einerRede bürokratischeErleichterun-
genfür die Krankenhäuser des Landes im
Kampfgegen das neuartigeVirus an und
rief den landesweitenNotstand aus.Nach
TrumpsAussagen bauten die Aktienkurse
an derWall Str eetdie Gewinneweiter aus.
Altmaiersund Scholz’Auftrittvorder
Bundespressekonferenz erinnerte an das
Versprechen des Präsidentender Europäi-
schenZentralbankMario Draghiaus dem
Jahr 2012, dassdie Bankzur Euro-Ret-
tung allestun werde„wasimmernötig
ist“. Scholz sagtejetzt:„Wirwollen alles
Mögliche tun,umdie Krise zu meistern.
Es wirdnicht gekleckert,eswirdge-
klotzt.“Um Vertrauennicht zugefährden,
habe mankeine Höchstbeträgefestgelegt.
Altmaier ergänzte, das Programm sei
die „umfassendste Hilfestellung und Ga-
rantie,die es jemals in einer Krisegege-
ben hat“.Ineinergemeinsamen Erklä-
rung hieß es zudem: „Es istgenugGeld
vorhanden, um die Krise zu bekämpfen,
und wirwerden dieseMitteljetzt einset-
zen. Daraufkann sichjeder und jedever-
lassen.“ DiesesVersprechen erinnerte an
die Zusagevon Bundeskanzlerin Angela
Merkel(CDU) in der Bankenkrise 2008,
als sie den deutschen Sparernzusicherte,
dassdie Regierung für die Sicherung aller
Einlagen in unbegrenzter Höhe einstehe.

Neben den neuen Liquiditätshilfen so-
wie einer ebenfalls amFreitag endgültig
beschlossenen Lockerung des Zugangs zu
Kurzarbeitergeld soll es indes vorerst
nochkein breit angelegtesKonjunkturpro-
grammgeben. Man haltesolche Möglich-
keiten „in der Hinterh and“,sagteScholz.
Altmaier schloss verstärkende „Konjunk-
turstützen“ ebenfalls nicht aus. Man hoffe
aber,dassdie jetztgetrof fenen Entschei-
dungen dasVertrauen derInvestorenaus-
reichendstützten, um eine „jahrzehntelan-
ge Rezession“abzuwenden. Gleichwohl
istdie Regierung zu ungewöhnlichen
Schritten bereit–sogar bis hin zuStaatsbe-
teiligungen anstrategischwichtigenUnter-
nehmen, die durch die Epidemie in Schief-
lagegerie ten. Auchdas schließe er nicht
aus, sagteAltmaier.Gegen wärtig stelle
sichdie Frageaber nichtkonkret.
Die FluggesellschaftLufthansa, dievon

den starkenEinschränkungen desReise-
verkehrsbesonders betroffenist,verhan-
deltunterdessen mit derRegierung schon
über spezifischeStaatshilfen.Wieein Spre-
cher außerdem bestätigte, laufen zugleich
auchAnfragen in den Heimatländernsei-
ner Tochtergesellschaften, in Österreich,
der Schweiz und Belgienan. Lufthansa
will demnachvor allemLiquiditätshilfen
erhalten, umkurzfristigeEinnahmeausfäl-
le abzufedern.Über den Schritt sollVor-
standschef Carsten SpohrMitarbeiter in ei-
ner internenVideobotschaft informiert ha-
ben.Lufthansa hatteschon angekündigt,
bis zu 50 Prozent des Flugangebots zustrei-
chen. Dazukommendie Kürzungen im
Amerika-Verkeh rdurch das neue Einreise-
verbotfür Europäer.
AuchinvielenanderenUnternehmen
sinkendie Umsätze,während dieKosten
weiterlaufen. Damitkönnten sie „unver-
schuldetinFinanznötegeraten“, heißt es
in einemPapier der Ministerien mit dem
Titel„Ein Schutzschild für Beschäftigte
undUnternehmen“. Hierzusoll konkret
vorallem dieFörderbank KfW ihreBürg-
schaftsprogrammestarkausweiten und da-
mit auchden Hausbankender Unterneh-
men die Kreditvergabe erleichtern. Im
Bundeshaushaltsteht dafür ein Garantie-
rahmenvon460 Milliarden Eurozur Ver-
fügung,der sichbei Bedarfkurzfristig auf
553 Milliarden Euroaufstockenlasse.
Konkret werden nun die Bedingungen
für KfW-Unternehmer-, Gründer-und
Wachstumskreditegelockert,etwanicht
mehr an bestimmteInnovationsvorgaben
geknüpft. Die Risikoübernahme der öf-
fentlichen Handsteigt je nach Kredit auf
bis zu 80 Prozent.Zudem soll das Groß-
bürgschaftsprogramm fürstrukturschwa-
cheRegionenkünftig überall verfügbar
sein. All dies sei beihilferechtlichabge-
deckt,versichertdie Regierung.

Als „steuerliche Liquiditätshilfe“ dient
nun zudem eine Anweisung an dieFinanz-
behörden,Unternehmen in Härtefällen
unkomplizierterals üblicheine Stundung
fälliger Steuerzahlungen zu gewähren.
Ebenso sollenUnternehmen leichter als
üblichdie SenkungfestgesetzterSteuer-
vorauszahlungen erreichenkönnen.Zu-
dem sollen dieFinanzämter bis Jahresen-
de aufKontopfändungengegensäumige
Steuerzahlerverzichten,falls diesevon
Corona-Folgen betroffensind.
Die EU-Kommission begrüßtedas deut-
sche Programm alsTeil einer möglichst
starkeneuropäischen Antwortauf die Kri-
se. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni
sagteder F.A.Z., er erwarte, dassaus allen
Mitgliedstaaten mehrere hundertMilliar-
den Eurozusammenkämen. Er erwarte
vomTreffen derEurog ruppe am Montag
eine „kräftigegemeinsame Antwort“.
Das amFreitag in Brüsselvorgelegte
Maßnahmenpaket der Kommission soll si-
cherstellen, dasssämtlicheAusgaben der
Mitgliedstaaten nichtvonden einschlägi-
genEU-Regeln–vorallemdemStabilitäts-
pakt und den Beihilferegeln–aufgehalten
werden. Die Regeln des Pakts sollten
„komplett flexibel“ angewandtwerden,
sagteder für dieWirtschaftzuständigeVi-
zepräsidentValdis Dombrovskis. Gemeint
istdamitvorallem, dassalle mit der Coro-
na-Krise zusammenhängendenTatbestän-
de als „außergewöhnlicheUmstände“ ein-
zustufen seien, die einAbweichenvom
Pakt rechtfertigten.Wettbewerbskommis-
sarin Margrethe Vestager sagte, die Hilfs-
maß nahmen der Mitgliedstaaten sollten
dem EU-Binnenmarktmöglichstwenig
Schaden zufügen. „Es gibt viele Maßnah-
men, die denWettbewerb nichtwesent-
lichschädigen.“ Die EU-Wettbewerbshü-
terwollten dieStaaten intensivberaten,
um zugroßen Schaden für den Binnen-
markt zuvermeiden.

Zugleichhat die Kommissionbereits
Leitlinienbeschlossen, nachdenen be-
stimmteStaatshilfengrundsätzlichgeneh-
migtwerden können. Entschädigungen
für dieTourismusbranche,speziell für Ho-
tels undRestaurants,die schließen müs-
sen, sollen sofortgenehmigtwerden, eben-
so Entschädigungen für Unternehmen,
die Großveranstaltungen absagen.Vesta-
gerkündigteferner an, siewerdeneue
Leitlinienfür Bankenbeihilfenvorberei-
ten–für denFall, dassder Bankensektor
in denkommendenWochen und Monaten
in Schwierigkeitengerate.Aus EU-Mit-
teln will dieKommission zudem ein klei-
nes Investitionspaket schnüren.
Kurz zuvor hattenBundestagund Bun-
desrat in einem ungewöhnlichen Eilver-
fahren die Lockerung des Zugangs zu
Kurzarbeitergeld beschlossen, mit dem
die Bundesagentur für Arbeit Stellen in
Krisenbetriebenstützen soll. Mit dem Be-
schlusseinerRechtsverordnungauf Basis
des neuenGesetzes, der am Mittwochfal-
len soll, dürften die neuenRegeln damit
schon inKürzegreifen.
Im Grundsatz stehtKurzarbeitergeld
schon bisher zumAbfedernvon Konjunk-
turflauten bereit;laut Bundesagentur wur-
de es zuletzt für 120000 Beschäftigtege-
nutzt. Nunaber mussinden Betrieben nur
nochein Zehntelstatt ein Drittel der Be-
legschaftbetroffen sein, damitdieArbeits-
agenturden entstehenden Lohnausfall zu
60 Prozent ersetzt.Zudemwerden denBe-
trieben die aufsKurzarbeitergeld f älligen
Sozialabgaben erstattet.Die Arbeitsagen-
tur soll dazu auf ihreFinanzreserve von
Milliarden Eurozugreifen. 2008/09 hatte
es bis zu 1,4 MillionenKurzarbeitergege-
ben; damalsgabdie Arbeitsagenturetwa
20 Milliarden Eurofür dasAbfedernvon
Krisenfolgen aus.
(WeitereBerichte, Seiten 18, 19, 22 und 24.)

I


mKampfgegendas Coronavirus
sind nicht nur neue Medikamen-
te und ImpfungenvonBedeu-
tung, an denen Pharmaunternehmen
und wissenschaftliche Instituterund
um dieWelt forschen. Akutgeht es
ersteinmal darum, die Infizierten
überhauptzuerkennen, sie zu isolie-
renundzubehandeln.Dabeiistdem
Schweizer PharmakonzernRoche
nun ein bedeutener Schrittgelungen:
Die amerikanische Arzneimittelbe-
hörde FDAhat amFreitag eine soge-
nannte„emergency use“-Genehmi-
gung für einen Corona-Test erteilt,
der nun auf schnelleren, hochautoma-
tisiertenMaschinenlaufen darf. Da-
mit istesmöglich, vielePatienten
mehr amTagzutestenals bisher.
Auch das deutsch-niederländische
Biotechunternehmen Qiagen bietet
Corona-Testsanund hat amFreitag
vonamerikanischen BehördenUnter-
stützung zugesagt bekommen. Beide
Beispiele zeigen, wie wichtig und
richtig es ist, dassinZeiten wie die-
sen staatliche Institutionen undUn-
ternehmen enger zusammenarbei-
ten. Es istgut, wenn Zulassungsver-
fahren in solchen Ausnahmesituatio-
nen bevorzugt behandelt und be-
schleunigtwerden, um derPandemie
entgegenzutreten.

nab./lkju. FRANKFURT. Aufeinmal
ging es Schlag auf Schlag:Nachdem das
Saarland mit der Ankündigung vorge-
preschtwar, im ganzen Bundesland Schu-
len und Kitas wegendes Coronavirus
dichtzumachen, zogen viele anderenach.
Bis Freitagnachmittagkündigten 12weite-
re Länderflächendeckende Schließungen
an: Nordrhein-Westfalen, Baden-Würt-
temberg, Bayern,Rheinland-Pfalz, Hes-
sen, Berlin, Thüringen, Sachsen-Anhalt,
Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Ham-
burgund Bremen.StephanWassmuth, der
Vorsitzende des Bundeselternrates, der El-
tern vonSchulkindern vertritt und die
Bundeselternsprecherin UlrikeGrosse-
Röthig, die für die Interessen der Eltern
vonKita-Kindernspricht, gingen im Ge-
sprächmit derF.A.Z. davonaus, dassin
Kürzedie restlichen Bundesländer ebenso
handelnwerden.
„Das bedeuteteine schwierigeSituati-
on für berufstätigeEltern“, sagteGrosse-
Röthig. „Unternehmen müssenVerständ-
nis für die Elternaufbringen.“ Selbstdas
Arbeiten im Home-Office sieht sie mit
Blickauf die Betreuungsintensität von
Klein- und Kindergartenkindernskep-
tisch:„Wer meint, Home-Office und Kin-
derbetreuunggeht zusammen, der hat ent-

weder Home-Office nicht verstanden
oderkeine Ahnung vonKinderbetreu-
ung.“ Auchökonomischkäme nauf Eltern
mit Kita-KindernwomöglichHärtenzu,
da nochungeklärtsei, ob Beiträgeweiter-
gezahltwerden müssen. Esgehe zumTeil
um erhebliche Summen.
Nurein wenig entspannter gestaltet
sichdie Situation für Elternvon Schulkin-
dern.„Mein Sohn hat einriesig es Hausauf-
gabenpaket mitbekommen“, berichtet Su-
san Keil, Anwältin bei einemgroßen deut-
schenVersicherer und Mutter eines sechs
Jahrealten Sohnes und einer 15 Jahreal-
tenTochter.Die Familie istinHalle an der
Saale schon seit diesemFreitagvonstadt-
weiten Schulschließungen betroffen. „Ich
habe im Home-Office meinen Laptopauf-
geklappt, undgegenüber hat mein Sohn
Platzgenommen und seineAufgabenbear-
beitet“, berichtet sie. In SachenKonzentra-
tion müsse sichdieses Modell aber noch
über einen längerenZeitraum bewähren.
Elternvertr eter WassmuthforderteUn-
terstützung für Elternauchbei der Betreu-
ung vonSchulkindern. Er sprachmit Blick
auf möglicherweise in einer Gesundheits-
krisestarkgefordertesmedizinischesPer-
sonal davon, dassesnotwendig sei, eine
„Prioritätenliste“ zu erstellen, „welche Be-

rufsgruppenvorrangig Anspruchhaben,
um das öffentliche Leben und dieVersor-
gung aufrechtzuerhalten“. DieRahmen-
bedingungen dafür müssten bundesweit
gleichsein.
„Mehr als Betreuungwäre in der aktuel-
len Situation eine nicht umsetzbareForde-
rung“, sagteWassmuthweiter.Gemeint
ist: Der Elternrat hatkeine klareEmpfeh-
lung, wie es mit den Bildungsinhaltenwei-
tergehen soll. Andersdas Wirtschaftsfor-
schungsinstitut IfoinMünchen:„Wir müs-
sen jetzt alles daransetzen, dassesdurch
die Schulschließungen nicht zu einem
kompletten Lernstopp kommt“,sagteLud-
gerWößmann, Leiter des Ifo-Zentrums
für Bildungsökonomik.
Juristischgesehen istdie Lagefür El-
tern,die kein Home-Office machenkön-
nen oder deren Arbeitgeber darauf beste-
hen, dasssie ins Bürokommen, schwierig.
„Die Elternmüssen eigentlichselbständig
versuchen, irgendwie eine Betreuung zu
organisieren“, sagteKaraPreedy,Partne-
rinder Kanzlei GreenbergTraurig,im Ge-
sprächmit derF.A.Z. Falls das nicht mög-
lichsei, hätten berufstätigeElter nihrer
Ansicht nachein Leistungsverweigerungs-
rech t. Preedy bezieht sichauf denParagr a-
phen 275Absatz3des Bürgerlichen Ge-

setzbuches (BGB), dem zufolgeeine Ar-
beitsleistung verweigertwerden kann,
wenn sie nicht zumutbar ist. Die Anwältin
findetes dabei auchfraglich, ob Großel-
tern eine Betreuung zugemutet werden
kann, da ältereMenschen am meisten
durch das Coronavirusgefährde tsind. Of-
fensei darüber hinaus, ob Eltern, diewe-
gender Betreuungvonkleineren Schul-
oder Kindergartenkindernnicht arbeiten
können, in dieserZeit ihr Gehaltweiter be-
kommen. Zwarsteht im BGB auch, dass
ArbeitnehmereineLohnfortzahlungbe-
kommen,wenn sievorübergehendkeine
Leistung erbringenkönnen, aber:„Das
gilt nur für eine nicht erheblicheZeit“, sag-
te Preedy.Dabei seivonfünf bis zehnTa-
genauszugehen. ImFalle schon absehba-
rerwochenlanger Schulschließungen dage-
genbestehe vonAnfang ankein Anspruch
auf Vergütung. Zudem schlössen viele Ar-
beits- und Tarifverträgeden Anspruch
aus. „Im Moment gibt es da nachunserer
Einschätzungkeine staatlichen Hilfen. Ar-
beitslosengeld würde nichtgreifen, Kran-
kengeld würde nichtgreifen, und es würde
auchdas Infektionsschutzgesetz nichtgrei-
fen, solangenicht der Mitarbeiter selbstin
Quarantäne ist.“ Beschäftigteseienvom
gutenWillen ihrer Arbeitgeber abhängig.

Im Krisenmodus:Finanzminister Olaf Scholz (SPD)und WirtschaftsministerPeter Altmaier (CDU) FotoGetty

Die Regierungkönnte
den richtigenZeitpunkt
für ihregroßzügigen
Hilfengetrof fenhaben.

Deutschland im Kinderbetreuungs-Notstand


Ein Bundesland nachdem anderen macht Schulen zu/Müssen Elterntrotzdem zur Arbeit erscheinen?


Regierung stellt Blankoscheckaus


VonDietric hCreutzburg,
ChristianGeinitz,
Timo Kotowski
undWerne rMussler

In einemhistorischen


Schritt stellenAltmaier


undScholz Hilfen


„ohneBegrenzung“


in Aussicht.


Reserven für die Krise


VonChristian Schubert

Roches Diagnose


VonIlkaKopplin
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