Frankfurter Allgemeine Zeitung - 14.03.2020

(Nancy Kaufman) #1

SEITE 8·SAMSTAG, 14.MÄRZ2020·NR.63 Zeitgeschehen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


W

ie klein die „Koalition der
Willigen“ ist(mehr als ein
Dutzend der 27 EU-Staa-
tenwirdeswohl nicht sein), zeigt,
wie tief die EU in der Asyl- und Mi-
grationspolitik zerstritten ist. Insge-
samt 1600 unbegleiteteMinderjähri-
ge in einer Einmalaktion aufzuneh-
men sollteselbstfür einen Corona-ge-
plagtenStaatenverbundkeine große
Schwierigkeit bedeuten. Sie setzt zu-
dem einenKontrapunkt zur Lagean
der griechisch-türkischen Grenze,wo
Migrantengewaltsamversuchen, sich
Zutritt zur EU zuverschaffen. Die
EU zeigt dorteiner aufgestachelten
Mengeund deren Einpeitschern, an-
geführtvom türkischenStaatspräsi-
denten,unterstütztaber auchvonpri-
vatenOrganisationen, buchstäblich
die Grenzen auf. Im Gegenzugwäre
es angemessen, dieÜberforderung
des griechischenStaats bei derVer-
sorgung vonMigranten, die dort
schon langeausharren, mit einer Ge-
meinschaftsaktion zu entschärfen.
Der Rissgeht indessen nicht nur
durch die EU,sondernauchdurchdie
Bundesregierung.Wie sehr das Jahr
2015 nochnachwirkt, lässt sichinder
Unionsfraktion ablesen (dieSPD hat
Skeptiker längstverloren). Dortwird
die Aufnahmevon Minderjährigen –
es wirdfür Deutschland auf eineZahl
von400 hinauslaufen–als Präzedenz-
fall beargwöhnt.Deutschland als das
bevorzugteZielland wirdsichaller-
dingsdarangewöhnen müssen, in der
Migrationspolitikeine Doppelrolle zu
spielen: abwehrendgegendie Provo-
kationunkontrolli erter Einwande-
rung, abergroßzügiginNotsituatio-
nen wie jetzt in Griechenland.


D


ie existentielle Unsicherheit,
die inzwischen fastjeder in der
Corona-Pandemie spüren
kann, hat mit den vielenUnge-
wissheiteninunseremWissen über dasVi-
ruszutun. Verstärkt wirdsie durch unse-
renUmgangmitdemverfügbarenWissen.
Das wirdjedenTagdeutlich,wenn neue
Statistiken auftauchen.WerZahlen über
die Tödlichkeit desVirusliest, die bis auf
zweiStellen hinter demKomma angege-
ben werden, neigt dazu,diese zuglauben.
Viele Menschen erwarten vermutlich
auch, dassdie Wis senschaftler und Ärzte,
die schonAbertausende Infizierte gese-
hen und HunderteStudien angefertigt ha-
ben,mittlerweile so viel über das Sars-
CoV-Virus wissen, dassdie unter anderen
auchvon der Bundeskanzleringetätigte
Aussageals gesichertgeltenkann: Zwi-
schen sechzig und siebzig Prozent der Be-
völkerung würden mit demVirusinKon-
takt kommen.
Die Wahrheit istaber:Die Unsicherheit
überdas Verhalten und die Gefährlichkeit
des Virus–und damit über das Ausmaß
derSeuche auf langeSicht –bleibttrotz
täglichneuer Datengewaltig. Genauso
verhält es sichbis aufweiteres mitder Fra-
ge,wann Medikamentekommen,wann es
einen Impfstoffgeben wird.
Natürlichgibt es einigeKennzahlen, an
denen die Schwereeiner Epidemievon
Anfang angemessen wird. DieSterblich-
keit, also der Anteil derTodesfälle an al-
len Infizierten, gehörte im Fall des neuen
CoronavirusvonAnfang an zentral dazu.
Früh nämlichfiel in denStatistiken aus
Wuhan die hoheZahl derTotenauf. Zwi-
schen drei und vierTote pr ohundertInfi-
zierte waren zwar nicht einmal halb so
viel wie bei der ersten Sars-Corona-Krise
2003, als ein sehr naheverwandtes Coro-
navirusvorallem in Asienfast 800 Tote ge-
forderthat.Aber der inWuhan entdeckte
neue Erregererwies sichdafür als viel in-
fektiöser.Das Virusbreitetesichmit expo-
nentieller Geschwindigkeit aus. DieSterb-
lichkeitsratevon drei bis vier Prozent klet-
tertedann inWuhan zeitweiligauf sechs
Prozent.
Als man nacheinigenWochen auf die
Tödlichkeit in der umliegendenRegion
blickte, wurde bei siebenVerstorbenen
protausend Infizierten(waseinerSterb-
lichkeitvon 0,7 Prozent entspricht)
schnell klar:InWuhanstarben in den ers-

tenWochensehrschnellvieleInfizierte,
weil das Gesundheitssystem dortrasch
überlastetwar.Esfehlten Betten, Be-
atmungsmaschinen, Arzneien und auch
Personal. Diesesste ckte sichselbst an,
trug so zurVerbreitungbei, und irgend-
wann lagen sogar schwersteFälle prak-
tischunbehandeltimKrankenhausflur.
Bei Covid-19 mussjeder zwanzigste Infi-
zierte,der in den Kliniken ankommt, in-
tensivmedizinisch behandeltwerden –da
sind die Kapazitätsgrenzen schnell er-
reicht .Das wiederumverschlechtertdie
Überlebenschance der Kranken beträcht-
lich. Der schnelle Ansturmvon Patienten
in kurzer Zeit waralso ein entscheidender
Faktor ,der dieSterblichkeit inWuhan
hochgetriebenhat –ein Faktor ,der auch
in Italien zumTragen kam. In Südkorea da-
gegenoder nochdeutlicher in Deutsch-
land lässt sichbeobachten, wie einver-
gleichsweise gut ausgestattetes Gesund-
heitssystem dieSterblichkeitsrate drücken

kann. Sie liegt hierzulandederzeit bei
etwa 0,2 Prozent.
Die unterschiedlichgute Versorgung
der Patientenistaber nur einFaktor.Ein
anderersind dieVirentests:Nurdie getes-
tete nInfiziertenkönnen in dieSterblich-
keitsberechnung einfließen. Dassinden
vergangenenTagenimmerwieder Men-
schen positivgetestet wurden, diekeine er-
kennbareVerbindungzueinemschon be-
kannten Infektionsclusterhatten, deutet
darauf hin,dassviele Infizierte nicht er-
fasstworden sind.Virologensind sicher,
dassmit denTestsnur die Spitze des Eis-
bergs sichtbar wird. Das bedeutet:Wenn
es viel mehrInfizierte gibt, als durch Tests
bestätigt sind, istauchdie Sterblichkeitins-
gesamtgeringer .Vier vonfünf Infizierten,
das hat man bisher ermittelt, leben sym-
ptomlos oder mitmildenSymptomen un-
teruns. Viele davongehen nicht zum Arzt
undwerden nichtgetestet. Werjedoch
krank wird, dasgehörtzuden wenigenver-

gleichsweise sicheren Erkenntnissen, und
deutlich über sechzig Jahrealt ist, an Dia-
betesoder an Herz-Kreislauf-Krankheiten
leidet, hat ein erhöhtesSterberisiko. Des-
halb istdie Sterblichkeitsrateinverschie-
denen Altersgruppenextrem unterschied-
lich. Bei denüber Achtzigjährigen liegt sie
mit fünfzehn bis zwanzig Prozent am
höchsten.Die Zahl is talso auchvon der
Demographie abhängig. Die überalle Be-
völkerungsgruppengemittelte(realistisch
geschätzte)Sterblichkeit schwankt derzeit
zwischen 0,2 und 1,0 Prozent.Seriös ermit-
telt werden kann dieZahl grundsätzlich
aber erst nach dem Endeder Pandemie.
Geht diePandemie die nächstenMona-
te weiter ,was Virologen angesichts der
bisher bekannten Eigenschaftendes Erre-
gers vermuten, wird auchdie sichausbrei-
tende Immunität dieSterblichkeitsratebe-
einflussen. „Überlebende“,grob gesagt,
und Infizierte,derenKörper dasVirus
schnellmitAntikörpernindenGriffbe-
kommen haben,werden irgendwann zu-
mindestauf eine „Herdenimmunität“ zu-
steuern: Das istder Punkt, an demgenug
Menschen immun sind, so dasssichdas
Virusnichtweiter ausbreitenkann. Da-
mit istman bei der Prognose derKanzle-
rin: 60 bis 70 Prozent der Menschen dürf-
tennachepidemiologischen Modellrech-
nungenmitdemErregerinfiziertsein,
wenn Herdenimmunität erreicht ist.
In diese Berechnung sind allerdings vie-
le Annahmen eingeflossen, zum Beispiel
auch, dassbis zu diesem Punktkein Impf-
stoffzur Verfügungstehen wird und das Vi-
russich praktischungehindertvermehrt.
VorsichtigereEpidemiologenrec hne ndes-
halbmit einer Durchseuchungvon30oder
40 Prozent.Aber das istbisher alles Theo-
rieund hängtvonEigenschaftendes Virus
ab, diekeiner genau kennt bisher.
Eine entscheidendeZahl istauchdie Ba-
sisreproduktionsrateR0des Virus: Wie
vieleMenschen und wie schnellkann ein
bereits Infizierteranstecken? Zielder Vi-
rusbekämpfung istes, diese Zifferunter 1
zu drücken, denn dann istdie weiter eAus-
breitunggebremst. Derzeit gibt dasRo-
bert-Koch-Institu tdiese ebenfallsmit vie-
len Unsicherheiten in der Datenerfassung
ermittelte Zahl mit einer hohen3an. Aber
auchdas is tkeinefeste Größe. Greifen die
Schutzmaßnahmen wie Isolation, wird
sichdiese Zahl nachunten bewegen–wäh-
rend gleichzeitig dieZahl der Infektionen
und Opfer nochsteigt.

DeutscheDoppelrolle


VonJaspervonAltenbockum

Intensivbehandlung:Ende Januar in einem Krankenhaus inWuhan Fotodpa

M

ehr als einhundertJahre
nachdem Inkrafttreten
der Weimarer Reichsver-
fassung istesbeim bestenWillen nie-
mandem mehr zuvermitteln, dassje-
der Bürgerauf demWegder soge-
nannten altrechtlichenStaatsleistun-
gendie katholische und dieevangeli-
sche Kirchefinanziert. Einerseits ist
es vollkommen unstrittig, dassden
Kirchen einAusgleichzumindestfür
jene derVermögensverluste zusteht,
die sie imZuge des Reichsdeputati-
onshauptschlusses im frühen 19. Jahr-
hunderterlitten haben. Andererseits
haben schon dieVerfassungenvon
1919 und dievon1949 dem (Bun-
des-)Gesetzgeber aufgegeben, Grund-
sätze für dievonden Ländernzuleis-
tende Ablösung derStaatsleistungen
aufzustellen.
DiesenVerfassungsauftrag haben
alle,wohlgemerkt alle Bundestags-
mehrheiten bislang souverän igno-
riert. Undauchjetzt is tnicht zu er-
warten, dassdas Herzvon CDU,CSU
und SPD höherschlägt, sobald ihnen
aus der Opposition dasWort Staats-
leistungen entgegenschlägt–zumal
auf die (noch) mehrheitlichvon ih-
nen geführtenLandesregierungen
Aufgaben zukämen, mit denen man
sichnachgängigemKalkül keinepoli-
tischen Lorbeerenverdienenkann.
Dochdie Opposition im Bundestag
erfüllt mit ihremVorstoß„nur“ das
Grundgesetz mit Leben–und wird
wohl nachder nächstenBundestags-
wahl zumTeil die Seitenwechseln.
Spätestens dann wirdsichauchdie
große Koalition derVerweigerer be-
wegenmüssen.


Es istkein Zufall, dassNordrhein-
Westfalenlangegezögert hat, sämtli-
cheSchulen des Landes zu schließen.
Dennvon Montag an sind 2,5 Millio-
nen Kinderund Jugendliche im bevöl-
kerungsreichsten undvomCoronavi-
rusamstärksten betroffenen Flächen-
land ohne Betreuung.Schon früh hat-
te Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) im Einklang mit dem
Robert-Koch-Institut davorgewarnt,
womöglichGroßelternund andere
Personen der Risikogruppe für die Be-
treuung einzuspannen. Das wissen
auchMinisterpräsidentArmin La-
sche t(CDU) und seine Schulministe-
rinYvonne Gebauer (FDP). Sie hatte
die Schließung der Schulen inNord-
rhein-Westfa len vonMontag an damit
begründet, dassdiese auch„Orte so-
zialerKontakte“ seien,die nach dem
Appell der BundeskanzlerinvonFrei-
tag Abend möglichstvermiedenwer-
den sollten, um dieVerbreitung des
Viruszuverlangsamen.
Als Ministerinhat Gebauer inNord-
rhein-Westf alen ein schweres Erbe
übernommen:eine mit unhaltbaren
Versprechungen überfrachteteInklusi-
on, Lehrermangel in vielen Schular-
ten, vorallem in denFörderschulen.
Sie hat sichdafür eingesetzt,dassdie
Förderschulennichtflächendeckend
geschlossenwerden, wie das dieVor-
gängerregierung eigentlichvorhatte.
Sie hat auchversp roch en, dieRegel-
schulen mit sonderpädagogischenFör-
derschwerpunkten deutlichbesser
auszustatten.Nach einer einschlägi-
genStudie überRechtschreibdefizite
vonGrundschülerninNordrhein-
Westfalenhat sie eine Handreichung
mit klarenRegeln zur Rechtschrei-
bung in den Grundschulenhera usge-
geben, diegängigeIrrwege wie das
„SchreibendurchLesen“, umgangs-
sprachlichauch„SchreibennachGe-
hör“genannt, ausschließt.
Auch der Wahlkampfsloganihrer
Partei vonder „weltbestenBildung“
hat es ihr nichtgerade leichtgemacht.
Gebauer istnämlichkeineFrau der
Übertreibungen, sonderneine, die
sichauchvor schmerzhaften Feststel-
lungennicht scheut.Sie drückte sich
nichtvorder Erkenntnis, dassauch
ihr Land auf einen „exorbitanten Leh-
rermangel“ zusteuere. DieAbschaf-
fungdes achtjährigenAbitursist in ei-
nem Land wie inNordrhein-Westfa-
len eine Herkulesaufgabe,die Gebau-
er gleichzuBeginn ihrer Amtszeit in
Angriff nahm. DamitsindKostenin
Höhevon mehrals 600 Millionen
Eurobis zum Jahr 2026 für zusätzli-
cheLehrer und Schulräumeverbun-
den.
Gebauer isteine echte Rheinlände-
rinund wurde am 2.August1966 in
Köln geboren. Nach ihrem Abitur
machte sie eineAusbildung zur
Rechtsanwaltsfac han gestellten. Von
2004bis 2012 hat sie eineFirmafür
Immobiliendienstleistungen geführt.
Dem nordrhein-westfälischen Land-
taggehört sie seit2012an, wardann
schulpolitische Sprecherin der FDP
und wurde im Jahr 2017 Ministerin
für Schule und Bildung imKabinett
Laschet. HEIKE SCHMOLL

Die Ste rblichkeitsrate


Ausgleich für Kirchen


VonDaniel Deckers

DieKrisenund Konflikte, di enochimDe-
zember die Schlagzeilen beherrschtund
viele Menschen mit Sorge erfüllt hatten,
sind nicht verschwunden –und auch
nichtgelöst. Aber sie sind soweit in den
Hintergrundgetreten, dasssie öffentlich
kaum nochwahrgenommen werden.
Wird heutenochüber dieTötung des ira-
nischen Generals Soleimani geredet?
Waszum Fanal eines neuenregionalen
Flächenbrandes erklärtwurde, liegt noch
keine elf Wochen zurück, aber schon
nicht mehr imKegelöffentlicherAuf-
merksamkeit und Betrachtung. Dafür
sind andereDingeinden Vordergrund ge-
treten, mit ungeheurer,beispielloser
Macht,Wuchtund Konsequenz.
Hättevor demJahreswechsel jemand
darauf gewettet,dassein neuartiges Vi-
ruszueinerPandemie führen würde,in
derenGefolgeeszuRezession, Börsen-
crash, Grenzschließungen, Einreiseverbo-
ten, faktisch zur Stilllegungganzer Land-
stricheund Länderkäme,er wäre stein-
reichgeworden.Wer außereinigenFach-
leuten hatteschon zum Jahreswechsel,
alssich die Prognosenfür 2020mit dem
Brexit undder amerikanischen Präsiden-
tenwahl beschäftigten,etwasvon einem
ErregernamensCoronagehört?Dessen
Verbreitung aber hat jetzt,MitteMärz,
globale,regionale, nationaleund lokale
Folgen, wie die meistenBürgersie noch
nichterlebt haben. Corona–das fälltin
die Kategorie der„Weisheiten“Donald
Rumsfelds,vondenen einelaut ete, es

gebe Dinge,„vondenenwir nicht wissen,
das swir sie nicht wissen“.DiesesUnbe-
kannteist über unshereingebrochen.
Die Politikreagiert auf dieseneuarti-
ge,„außergewöhnliche“ Situation mitau-
ßergewöhnlichen Maßnahmen;das sagt
sie jedenfalls.Vieles kommt auf den Prüf-
stand,obesder deutscheFöderalismus

ist, das italienische Gesundheitssystem
oderganz generell dieAdaptionsfähig-
keit sozialer sowie die Reaktionsge-
schwindigkeit politischer Systeme. Das
kommunistischregierte China,wo das Vi-
ruszuerst auftrat, reagiertezunächstmit
Verschleierung und Realitätsverweige-
rung. Als dasProblem außerKontrolle
zu geratenschien,folgten beispiellos
drastischeEingriffeindas öffentlicheLe-
ben undindas Wirtscha ftsges chehen.
Die Weltgesundheitsorganisationlobte
die chinesischeFührung dafür.Die schüt-
telt aufkommendeAutoritätszweifel ab
und erklärt sichdaraufhinpromptzum
SiegerineinemangeblichenWettka mpf
der Systeme. Das istmindestens selbstge-
rechtund angesichts derVerdrängung in
der Anfangszeitwohlfeil,zumal die Kri-

se nochnicht überwunden ist.Allenfalls
de renerste Welle wurde eingedämmt.
Auch die demokratischen Länder ha-
ben sichdazu entschlossen, Dramatisches
zu tun und ihrenBürgern zuzumuten. Die-
sen Staatenkommt zugute, dasssie in der
Regelüber leistungsfähige, funktionieren-
de Gesundheitssystemeverfügen. Sie be-
mühen sichumTransparenz,weil es rich-
tig istund weil diese eine Schlüsselres-
source gutenRegierens ist.
Nach„9/11“ wurde viel darüber speku-
liert, wiegravierend und nachhaltig die
Folgen des Epochenereignisses sein wür-
den und ob, zum Beispiel, austaktischer
Zusammenarbeitstrategische Allianzen
werden könnten. Daswareher nicht der
Fall. Dschihadismus und islamistischen
Terrorismus gibt es nochimmer,wenn es
auchzusogenanntenstrategischen An-
schlägen nicht mehrgekommen ist. Erst
jetztgeht für dieVereinigtenStaaten ihr
„längsterKrieg“, der in Afghanistan, lang-
sam zu Ende. DerAbzug der amerikani-
schen Soldaten als Ergebnis derÜberein-
kunftmit den Taliban sagt allerdings
nichts darüber aus, ob dem Land am Hin-
dukuscheine halbwegs glückliche Zu-
kunftbeschiedensein wirdund obnicht
einesTagesdochwiederUnheil vondort
droht.
Ein klaresUrteil darüber,wie weitrei-
chend dieweltpolitischen Verwerfungen
der Corona-Krise (auf Dauer) seinwer-
den,kann man zumgegenwärtigenZeit-
punkt nichtfällen.Auchdie Folgen für

die Weltwirtschaft,genauer: für diegloba-
lisierte Weltwirtschaftlassen sicheher
nur erahnen. InForm unterbrochener Lie-
ferketten, suspendierterVerkehrsverbin-
dungen und einbrechenderTourismuszah-
len hat man dieKehrseitegegenseitiger
Abhängigkeitenkennengelernt.Interde-
pendenzkann in der Krise eineteureAn-
gelegenheit sein. Unternehmen, die
schonvorder Krise über dieRepatriie-
rung ihrer Produktion nachgedacht ha-
ben,werden das nunforcieren. Wasselbst-
verständlichnicht heißt, dassdie Globali-
sierung ausliefeund der „Heimatmarkt“
wieder imZentrumstünde;vonAutarki e,
einem Hirngespinst, nicht zureden. Doch
globaleVernetzung hat eben auchdunk-
lereSeiten.Um diese zu beherrschen, ist
internationale Kooperation nicht nur
sinnvoll, sondernzwingendgeboten.
Apropos: Im Schatten der Corona-Kri-
se, auchals Folgedavon, istein knüppel-
harter Ölpreiskrieg ausgebrochen. Haupt-
akteur istSaudi-Arabien, das ausVerärge-
rung überRusslandsWeigerung, die Ölför-
derung zu drosseln, zum Angriff bläst:
DasKönigreichsenkt den Preis und will
seineFörd ermengedrastischerhöhen. Es
istklar,dassbei niedrigen Exporterlösen
einigeProduzenten und Förderländer
nicht mehr mithaltenkönnen undvom
Marktverschwindenwerden. Vordergrün-
dig istein niedriger Ölpreis fürVerbrau-
cher eine guteSache.Tatsächlichist das,
wassichindiesemTeil des Energiesektors
abspielt, ein böserKollateralschaden der
Krise.

Yvonne GEBAUER Fotodpa

Die große Krise


Die dunkleren Seiten derglobalenVernetzungwerden sichtbar/Von Klaus-DieterFrankenberger


Keine Frau der


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Die Zahlen zur Corona-Epidemie sind


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