Der Spiegel - ALE (2022-01-08)

(EriveltonMoraes) #1
76 DER SPIEGELNr. 2 / 8.1.2022

WIRTSCHAFT


»Thiel kann mit Kurz kaum verlieren«


MANAGER Max Chafkin, 39, Biograf des Silicon-Valley-Milliardärs Peter Thiel, über die politischen Ideen
des Investors und dessen Pläne mit dem ehemaligen österreichischen Kanzler

SPIEGEL: Herr Chafkin, Peter
Thiel ist seit Jahrzehnten einer
der führenden Köpfe im Silicon
Valley. Wozu braucht er einen
»Global Strategist« Sebastian
Kurz?
Chafkin: Es ist eine ziemlich amorphe
Jobbeschreibung. Wahrscheinlich weiß
nicht mal Sebastian Kurz genau, was sie
bedeutet.
SPIEGEL: Vielleicht soll er das nächste Face-
book oder Palantir für Peter Thiel finden?
Chafkin: Seine Technologie-Investments
macht Thiel eher mit anderen Firmen wie
Founders Fund. Thiel Capital ist Thiels
Küchenkabinett, in dem er sich mit intelli-
genten Leuten umgibt, die keinen Hinter-
grund als Tech-Investoren haben.

SPIEGEL: Thiel ist Großaktionär von Palan-
tir, einem umstrittenen Unternehmen, das
Software an viele Sicherheitsbehörden ver-
kauft. Soll Kurz hier Geschäfte anbahnen?
Chafkin: Palantir möchte sein Geschäft in
Europa ausbauen. Da hilft es sicher, den Ex-
Regierungschef eines EU-Landes um Rat
fragen zu können – selbst wenn er nicht di-
rekt für Palantir arbeitet. Aber Thiels Plan
mit Kurz geht sicher weit darüber hinaus.
Thiel Capital ist auch eine Art Holding für
sein politisches Projekt.
SPIEGEL: Was für ein politisches Projekt
verfolgt er?
Chafkin: Er will sich als ernsthafte Größe in
konservativen, nationalistischen Kreisen
positionieren und dort populistische Posi-
tionen vorantreiben – so wie er es mit sei-

ner Unterstützung für Donald Trump schon
begonnen hat. Der nächste Schritt ist
»Trumpismus ohne Trump«. Thiel unter-
stützt Politiker, die Einwanderung radikal
beschränken wollen und kulturell konserva-
tive Positionen wie den Kampf gegen
Cancel-Culture und politische Korrektheit
vertreten.
SPIEGEL: Aber wenn Kurz wegen Korrup-
tion verurteilt wird und ins Gefängnis muss –
wäre das nicht eine Blamage für Thiel?
Chafkin: Thiel Capital hat keine externen
Investoren, die ihm Druck machen. Anders
als Palantir ist die Firma auch nicht börsen-
notiert. Thiel kann mit Kurz kaum verlie-
ren. Er hat sich einen Ruf als Querdenker
erarbeitet, der Wetten eingeht, zu denen
kein anderer bereit ist. ADE

Thiel
Andreas Pein / laif

Caroline Tompkins

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