Der Spiegel (2022-02-26)

(EriveltonMoraes) #1
38 DER SPIEGELNr. 9 / 26.2.2022

DEUTSCHLAND

wurden Masken chinesischer Hersteller. Zum
Teil mit zweifelhaften Zertifikaten.
Am 4. März setzte Tandler bei Hohlmeier
nach. Sie behauptete, ihr Lieferant habe jetzt
fünf Millionen Masken erwerben müssen,
sonst wäre er nicht herangekommen. Es klang
so, als lägen die zuvor erwähnten 3M-Masken
schon bereit, nur eben mehr als erwartet. Des-
halb seien noch drei Millionen übrig, ob die
Moni nicht noch einen Kontakt zum Bund
habe.
Kaum dass Hohlmeier also den ersten Deal
eingestielt hatte, bedrängte Tandler die Freun-
din, ihr auch die Tür zum Bund aufzumachen.
Jene Tür, durch die in der Folge Bestellungen
von fast einer Milliarde Euro und Lieferungen
für 712,5 Millionen Euro gehen würden. Und
ja, sie brauche jetzt schnell eine Entscheidung,
schrieb Tandler in bester Vertretermanier.
Hohlmeier spurte, es folgte die SMS an Spahn.
Der schickte ihr gleich seine persönliche Bun-
destags-Mailadresse für Tandler.

Wichtig für die Mega-Beschaffung des Bundes
bei Emix wurde der Leiter der Zentralabtei-
lung im Gesundheitsministerium, Ingo Beh-
nel. Spahns Maskenchef in jenen wilden Wo-
chen. Am 31. März schrieb Tandler sinnge-
mäß in die Chatgruppe »Das Ministerium«,
sie sei jetzt Behnels Liebling. Und: Die Kanz-
lerin kaufe »alles«, dahinter ein Raketen-
Emoji. Wenn es danach Schwierigkeiten gab,
konnte sich Tandler offenbar gleich an Chef-
beschaffer Behnel wenden. Das Ministerium
bestätigt direkte Kontakte mit Behnel, angeb-
lich aber »unter strikter Beachtung der Inte-
ressen des Bundes«.
Zugleich setzte Tandler auf Hohlmeier, die
sich immer energischer für ihre Freundin
starkmachte. Im April sollten Emix-Masken
aus China nach Deutschland gebracht werden;
die Luftwaffe half. Aus den Tandler-Chats
ergibt sich, dass Hohlmeier dazu am 8. April
2020 die damalige Verteidigungsministerin
Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) kon-
taktiert haben soll. Im Chat feixte Tandler,
Hohlmeier habe tatsächlich mit der Ministe-
rin gesprochen. AKK habe sie, Tandler, sogar
nett grüßen lassen, dabei kenne sie AKK gar
nicht. Hohlmeier, die nur ausgesuchte Fragen
des SPIEGEL beantwortet, sagt dazu, sie habe
»weder eine Rolle« bei diesen Transporten
gespielt noch »Einfluss« darauf gehabt.
Am 25. April postete Tandler Fotos von
der Beladung einer Bundeswehr-Charterma-
schine in China und bedankte sich bei Hohl-
meier mit Bizeps-Emoji und Herz-Küsschen.
Nur leider gab es kurz danach noch ein Pro-
blem: Die Emix-Leute wollten offenbar in
Leipzig aufs Rollfeld kommen, um nach der
Landung Fotos mit sich und dem Flieger zu
knipsen. Es hake bei der Akkreditierung,
schrieb Tandler, ob die »liebe Moni« da nicht
schnell noch etwas über AKK drehen könne?
Unklar, ob Hohlmeier erneut die Ministerin
anfunkte. Hohlmeier sagt dazu nichts. Kramp-
Karrenbauer lässt lediglich ausrichten, sie
habe alle Anfragen stets ordnungsgemäß im

Ministerium weitergeleitet und mit der Prü-
fung nichts zu tun gehabt. Tatsächlich soll es
aber solche Fotos vom Rollfeld geben.
Die wohl wichtigste Mission als Schutz-
engel ihrer Freundin begann für Hohlmeier
kurz danach: Im Gesundheitsministerium
hatte inzwischen das Beratungsunternehmen
EY die Aufgabe übernommen, das Chaos der
Maskendeals zu lichten. Viel zu viele Masken
waren bestellt, bei Emix zu horrenden Prei-
sen. Als eine Charge bei der Prüfung durch-
gefallen war, wollte EY aus den Geschäften
mit Emix aussteigen, der Bund stoppte die
Auszahlung von 168,6 Millionen Euro. Am


  1. Mai postete Tandler in die Chatgruppe
    »Das Ministerium«, Hohlmeier werde mit
    einem EY-Manager sprechen. Sie, Tandler,
    habe ein gutes Gefühl, denn Hohlmeier stehe
    voll auf »unserer Seite«.
    Hat Hohlmeier es also bei EY versucht?
    Ihre Antwort ist trickreich. Nein, sie habe
    nicht mit EY über Emix-Masken »verhan-
    delt«. »Verhandelt« nicht. Aber aus dem Be-
    ratungsunternehmen heißt es, sie habe tat-
    sächlich einen Manager angerufen, Alexander
    K. Der habe sie aber gleich an das zuständige
    EY-Maskenteam verwiesen. Dort habe sie
    sich nicht mehr gemeldet.
    Offenbar, weil sie für ihre Freundin Andrea
    lieber gleich ganz nach oben zielte. Am

  2. Mai, abends um 18.04 Uhr, 17 Minuten
    nach der nächsten Bettelnachricht von Tand-
    ler, schrieb Hohlmeier an Minister Spahn. Der
    Maskenanbieter – gemeint ist Emix – sei aus-
    gesprochen seriös, behauptete sie, werde jetzt
    aber von EY aufs Übelste behandelt. Man
    solle doch bitte mit Händlern wie Emix fair
    umgehen. Und der »liebe Jens« möge für
    schnelle und korrekte Klärung sorgen, da EY
    anscheinend nicht transparent vorgehe.
    Doch der »liebe Jens« hatte offenbar seine
    Antennen für Ärger ausgefahren: Wie die
    »Süddeutsche Zeitung« zuerst berichtete, ant-
    wortete Spahn, solche Dinge würden be-
    stimmt noch Untersuchungsausschüsse be-
    schäftigen, weshalb er keinen politischen Ein-
    fluss nehmen wolle. »Schützt Dich und mich.
    LG Jens«. Politische Einflussnahme? Hohl-
    meier, sozialisiert mit den Amigo-Affären der
    CSU, sah das anders. Es gehe doch nur um
    fairen, transparenten Umgang, schrieb sie.
    Was den transparenten Umgang mit ihren
    Maskengeschäften angeht, hatte aber auch
    Freundin Andrea Tandler ihre ganz eigene Art.
    Verena Mayer, Schwester des damaligen
    Staatssekretärs Stephan Mayer im Bundes-
    innenministerium und ebenfalls eine alte Tand-
    ler-Freundin, hatte auch eine Provision gefor-
    dert, obwohl ihr Bruder nach heutigem Stand
    keine Geschäfte hereingeholt hatte. Der Vere-
    na, so Tandler im Chat, habe sie aber erzählt,
    einer von der Emix habe ihr nur mal ein nettes
    Essen spendiert, mehr nicht. Angesichts von
    48 Millionen Euro für Tandler und ihren Part-
    ner eine Untertreibung, die selbst unter Ge-
    schäftsleuten dieser Art schwer zu toppen ist.
    Jürgen Dahlkamp, Jan Friedmann, Gunther Latsch,
    Sven Röbel, Gerald Traufetter n


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