SdW0517

(coco) #1


Energiesparen ist eine wichtige Methode, der weltwei-
ten Klimaerwärmung entgegenzuwirken. Viel Energie
verbraucht zum Beispiel das Heizen oder Kühlen von
Gebäuden. Das gilt insbesondere für solche mit modernen,
großflächigen Verglasungen, durch die im Sommer das
Sonnenlicht fällt und im Winter Wärme nach draußen ent-
weicht. Hier werden heute schon vielfach »intelligente
Fensterscheiben« eingesetzt, die sich elektrisch abdunkeln
oder aufhellen lassen. Solche »smart windows«, wie sie
auf Englisch heißen, können die Durchlässigkeit für Son-
nenlicht von 77 auf 8 Prozent und für Wärme von 56 auf
6 Prozent verringern. Dadurch lässt sich der Energiever-
brauch eines Gebäudes teils um mehr als 30 Prozent senken.
Grundlage intelligenter Fensterscheiben sind so ge-
nannte elektrochrome Materialien, die beim Anlegen einer
elektrischen Spannung ihre Farbe ändern. Sie werden auf
das Glas aufgetragen. Dieses muss allerdings Strom leiten,
was für normales Fensterglas, das im Wesentlichen aus
Siliciumdioxid besteht, nicht zutrifft. Deshalb wird es mit
transparenten, elektrisch leitenden Oxiden wie Indiumzinn-
oxid (ITO, nach englisch: indium tin oxide) oder neuerdings
fluor dotiertem Zinnoxid (FTO) beschichtet, das kosten-
günstiger und thermisch stabiler ist.
Insgesamt existiert eine große Anzahl elektrochromer
Materialien, organische ebenso wie anorganische. Zu
ersteren zählen etwa Polypyrrol und Polyanilin, zu letzteren
Wolframtrioxid (WO 3 ), Vanadiumpentoxid (V 2 O 5 ), Titan-
dioxid (TiO 2 ) und Hexacyanoferrate (Fe(CN) 6 4–/3–), besser
bekannt unter dem Sammelbegriff Berliner Blau. Ebenso
gibt es eine Reihe unterschiedlicher Beschichtungsmetho-
den. Die wichtigsten sind Eintauchen (dipping), Rotieren
(spin coating), Aufdampfen und die elektrochemische
Abscheidung durch Oxidation oder Reduktion einer Vor-
läufersubstanz. In diesem Beitrag möchten wir uns auf die
elektrolytische Abscheidung von Berliner Blau aus einer
wässrigen Lösung auf ein FTO-Glas beschränken.

Ein molekulares Chamäleon
Berliner Blau (auch Pariser Blau, Eisencyanblau, Turnbulls
Blau, Bronzeblau genannt) ist ein lichtechtes, tiefblaues,
mineralisches Pigment. Anfang des 18. Jahrhunderts
erstmals hergestellt, war es der erste moderne syntheti-
sche Farbstoff. Als Farbton wird es auch als Preußisch-
blau, Stahlblau oder Miloriblau bezeichnet. Berliner Blau
kristallisiert in einem kubischen Gitter, in dem auf den
Ecken eines Würfels jeweils im Wechsel die Eisen-Ionen
Fe2+ und Fe3+ sitzen. Erstere sind von den Kohlenstoff- und
letztere von den Stickstoff-Atomen der Cyanid-Liganden
(CN–) umgeben. Ein leerer Platz in der Mitte des Würfels
erlaubt die Einlagerung von Eisen- und Kalium- oder
anderen einfach positiv geladenen Ionen.
Schichten von Berliner Blau mit einer Dicke von 20 bis
500 Nanometern lassen sich durch elektrochemische
Reduktion von Berliner Braun gewinnen, einem braunen
wasserlöslichen Eisentricyanid-Komplex (FeIII(CN) 3 oder
FeIII[FeIII(CN) 6 ]), der beim Zusammengeben einer Lösung
von Eisen(III)sulfat und Kaliumhexacyanoferrat(III) (auch
rotes Blutlaugensalz genannt) entsteht. Dabei läuft an der
Kathode die folgende Reaktion ab:

Minuspol:
FeIII [FeIII(CN) 6 ] + e– [FeIII FeII(CN) 6 ]–
Berliner Braun Berliner Blau

Zum Ladungsausgleich werden Kalium-Ionen in das Ber-
liner-Blau-Gitter eingelagert.

Minuspol:
FeIII [FeIII(CN) 6 ] + e– + K+ K[FeIIIFeII(CN) 6 ]
Berliner Braun Berliner Blau

Eine solche Ein- oder Auslagerung (Interkalation oder
Deinterkalation) von Kationen findet bei allen hier aufge-
führten Redoxreaktionen statt. Der Einfachheit halber
lassen wir sie im Folgenden jedoch meist weg.
Das abgeschiedene Berliner Blau kann seinerseits
elektrochemisch oxidiert oder reduziert werden. Bei der
Oxidation ergibt sich zunächst Berliner Grün und schließ-
lich wieder Berliner Braun.

Pluspol:
3 FeIII [FeII(CN) 6 ]– [FeIII 3 {FeIII(CN) 6 } 2 {FeII(CN) 6 }]– + 2 e–
Berliner Blau Berliner Grün

Pluspol:
[FeIIIFeII(CN) 6 ]– [FeIIIFeIII(CN) 6 ] + e–
Berliner Blau Berliner Braun

Um auf einem leitfähigen FTO-Glas, das mit fluordotiertem
Zinnoxid (FTO) beschichtet ist, Berliner Blau abzuscheiden,
taucht man es in eine wässrige Lösung von Eisen(III)sulfat
und Kaliumhexacyanoferrat(III) und verbindet es mit dem
Minuspol einer Batterie. Als Gegenelektrode dient eine an den
Pluspol angeschlossene Graphitfolie.

Gleichspannungsquelle

Krokodilklemmen

Fe 2 (SO 4 ) 3 - und
K 3 [Fe(CN) 6 ]-Lösung
(jeweils 0,1-molar,
Verhältnis 1 : 1)

Graphitfolie

FTO-Glas

MARCO OETKEN
Free download pdf