SdW0517

(coco) #1
ein Volt erhöhen. Dadurch wird das Berliner Blau weiter
oxidiert – zum Berliner Grün ([FeIII 3 {FeIII(CN) 6 } 2 {FeII(CN) 6 }]–).
Der entsprechende Farbumschlag lässt sich nach ein paar
Minuten deutlich erkennen.
Erhöhen Sie die Spannung danach auf ungefähr 1,7 Volt,
färbt sich das FTO-Glas schließlich gelbbraun. Damit sind
Sie bei der höchsten Oxidationsstufe angelangt: Im Berliner
Braun (FeIII[FeIII(CN) 6 ]) liegen alle Eisen-Atome als dreifach
positiv geladene Ionen vor.
Polen Sie nun um und legen nacheinander Spannungen
von 0,7, 1,2 und 1,7 Volt an, durchlaufen Sie das Farben-
spektrum in der umgekehrten Richtung. Dieses Spiel
können Sie mehrmals wiederholen.
Für kommerzielle elektrochrome Fensterscheiben hat
sich allerdings nur der Farbwechsel zwischen Berliner
Weiß und Berliner Blau als geeignet herausgestellt. Die
zusätzlichen Kationen, die bei der Weiteroxidation zu
Berliner Grün oder Braun zum Ladungsausgleich aufge-
nommen werden, beschädigen nämlich das Ionengitter
mit der Zeit. Der Vorgang lässt sich deshalb nicht sehr oft
wiederholen. Eine lange Betriebsdauer ist bei dem kom-
merziellen Einsatz als »smart window« jedoch von ent-
scheidender Bedeutung.
Mit einer einfachen Smartphone-App (zum Beispiel
Physics Toolbox Light Sensor) können Sie auch direkt
messen, wie die Transmission beim Abdunkeln und Auf-
hellen des FTO-Glases zurückgeht und wieder zunimmt.
Wenn Sie die Scheibe zwischen Lichtquelle und Handy
halten, erscheint auf seinem Display eine Kurve der ab-
oder zunehmenden Belichtungsstärke in Lux.
Kommerziell kommen »smart windows« inzwischen
nicht nur in Gebäudeverglasungen, sondern auch in Flug-
zeugfenstern und selbstabblendenden Autorückspiegeln

zum Einsatz (Bild S. 52). Diese Systeme unterscheiden sich
von unserem vereinfachten Modell darin, dass die Gegen-
elektrode in die Fensterscheibe integriert ist (Bild oben
rechts). Sie muss daher gleichfalls farblos und transparent
sein. Ent weder besteht sie auch aus FTO-Glas oder aus
einer leitfähigen Mischverbindung von Cer- und Titandioxid.
Um den Farbeffekt zu verstärken, ist die Gegenelektrode
zudem oft ebenfalls mit einem elektrochromen Material
beschichtet. Dieses muss dann allerdings entgegengesetzt
auf eine elektrische Spannung reagieren, damit die Farb-
änderungen an beiden Elektroden gleichsinnig erfolgen:
Dunkelt das Material an der als Pluspol geschalteten Elek-
trode ab, an der eine Oxidation stattfindet, sollte dasselbe
am reduzierenden Minuspol passieren und umgekehrt.
Als Elektrolyt fungiert bei kommerziellen »smart win-
dows« gewöhnlich ein Lithium-Ionen-Leiter. Deshalb
müssen beide Elektroden Lithium-Ionen einlagern und
wieder abgeben können. FTO ist dazu in der Lage. Fehlt es
an der Gegenelektrode, muss eine farblose Ionenspeicher-
schicht (IS) diese Aufgabe übernehmen.

QUELLEN
Ellis, D. et al.: Electrochromism in the Mixed-Valence Hexacyanides.


  1. Voltammetric and Spectral Studies of the Oxidation and Reduction
    of Thin Films of Prussian Blue. In: Journal of Physical Chemistry 85,
    S. 1225–1231, 1981
    Itaya, K. et al.: Electrochemistry of Polynuclear Transition Metal
    Cyanides: Prussian Blue and its Analogues. In: Accounts of Chemi-
    cal Research 19, S. 162–168, 1986
    Kraft, A.: On the Discovery and History of Prussian Blue. In: Bulletin
    for the History of Chemistry 33, S. 61–67, 2008
    Mortimer, R. J.: Electrochromic Materials. In: Chemical Society
    Reviews 26, S. 147–156, 1997
    Rowley, N. M., Mortimer, R. J.: New Electrochromic Materials. In:
    Science Progress 85, S. 243–262, 2002


Somani, P. R., Radhakrishnan, S.: Electrochromic Materials and
Devices: Present and Future. In: Materials Chemistry and Physics 77,
S. 117–133, 2002

Beim Entfärben von Berliner Blau in wässriger Kaliumnitrat-
Lösung an einem FTO-Glas als Minuspol laufen die hier dar-
gestellten molekularen Vorgänge ab. An der Kathode werden
Elektronen in die elektrochrome Schicht gepumpt. Diese
lagert zum Ladungsausgleich Kalium-Ionen ein. Zugleich wird
das dreiwertige Eisen zum zweiwertigen reduziert (nicht
gezeigt), wodurch sich das Berliner Blau in Berliner Weiß
verwandelt. Nitrat-Ionen wandern zum Pluspol und lagern
sich dort an, so dass die Lösung elektrisch neutral bleibt.

Bei einem kommerziellen elektrochromen Fenster bestehen
beide Elektroden aus Glas, das mit einem transparenten
leitenden Material wie FTO oder ITO (Indiumzinnoxid) be-
schichtet ist. Als Elektrolyt dient ein Lithium-Ionen-Leiter. Die
zweite Elektrode hat entweder ebenfalls eine Beschichtung
aus elektrochromem Material oder eine aus einem Ionenspei-
cher, der Lithium-Ionen aufnehmen und abgeben kann.

Krokodil-
klemmen


NO 3 –

NO 3 –

NO 3 –

NO 3 – NO^3 –
NO 3 –
NO 3 –

NO 3 –

NO 3 –
NO 3 –

NO 3 –
NO 3 –

K+ K+

K+

K+

K K+
+

K+

K+

K+

K+

K+

K+

nicht-
leitendes
Glas

FTO-
Schicht

elektro-
chrome
Farb-
schicht

Graphit

Glas
ITO/FTO
elektrochrome Schicht 1

Elektrolyt/Lithium-Ionen-Leiter

elektrochrome Schicht 2 oder Ionenspeicherschicht
ITO/FTO
Glas









MARCO OETKEN

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