Spektrum der Wissenschaft - Oktober 2017

(Tuis.) #1
Mischungen, um Rückschlüsse auf die Strukturbildung
von Basaltsäulen zu ziehen.
Weil der Basalt von oben immer weiter nach unten
erkaltet, werden auch die Sprünge und Risse in die Tiefe
getrieben, und ein System wachsender Säulen entsteht.
Deren mittlerer Durchmesser hängt von den Temperatur-
unterschieden ab. Sie sind umso dicker, je langsamer
das Netzwerk der Spalten voranschreitet.
Schaut man sich die Querschnittsform der so ent-
standenen Säulen in weiter unten gelegenen Schichten
genauer an, so stellt man überrascht fest: Anders als zu
Beginn treten hier kaum noch rechte Winkel auf. Statt-
dessen zeigen sich wesentlich regelmäßigere Konfigura-
tionen mit vorwiegend hexagonalen Querschnitten – und
zwar in Experimenten mit Stärke ebenso wie im Basalt
(siehe Foto ganz rechts).
So ein Übergang zu regelmäßigen Sechsecken ist
theoretisch allerdings zu erwarten. Denn in der Natur
laufen selbsttätige Vorgänge stets so ab, dass dabei so
viel Energie an die Umgebung abgegeben wird wie unter
den gegebenen Umständen möglich (zweiter Hauptsatz
der Thermodynamik). Für die Aufspaltung des Materials
beim Säulenwachstum ist Energie nötig, und zwar umso

Ein Gehwegpflaster auf der Vulkaninsel La Palma (links) zeigt
die typische Rissstruktur der dort überall anzutreffenden
Basalt säulen. Ein getrocknetes Stärke­Wasser­Gemisch (rechts)
zerfällt in ähnlich geformte Bruchstücke.

OLGA_GAVRILOVA / GETTY IMAGES / ISTOCK

H. JOACHIM SCHLICHTING H. JOACHIM SCHLICHTING

SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT, NACH BAHR, H.A. ET AL.: DIAMETER OF BASALT COLUMNS DERIVED FROM FRACTURE MECHANICS BIFURCATION ANALYSIS. IN: PHYS. REV. E79, 056103, 2009, FIG. 1


Nach unten hin zu­
sammenwachsende
Säulen bilden mit
der Zeit hexagonale
Querschnitte aus.

Einige der Vorgänge kann man in einem einfachen
Experiment nachvollziehen. Dazu lässt man in einem zy-
lindrischen Gefäß ein Stärke-Wasser-Gemisch allmählich
austrocknen, zum Beispiel unter einer Rotlichtlampe.
Bei einer eher dünnen Schicht erkennt man Analogien
zu Trockenrissen in einer Wasserpfütze, bei einer di-
ckeren hingegen bekommt man auch typische Effekte
der Säulenbildung zu sehen.

mehr, je größer die neu entstehenden Mantelflächen
ausfallen. Am ehesten formen sich deswegen Säulen mit
einer möglichst kleinen Oberfläche. Unter idealisierten
Bedingungen wäre das bei einer einzelnen kreisrunden
Säule der Fall; da unter realen Umständen gleichzeitig
die Grenzflächen des benachbarten Gesteins mit opti-
miert werden, läuft der Prozess auf eine hexagonale
Form hinaus. Dieselbe Strategie zur effizienten Einteilung
des Baumaterials beobachten wir bei den Wabenstruk-
turen in Bienennestern.
Wie sich der Wechsel von Vier- zu Sechsecken bei
Basalt im Einzelnen abspielt, ist Gegenstand aktueller
experimenteller und theoretischer Untersuchungen.
Dabei ist wiederum das Stärke-Wasser-Modell hilfreich.
An ihm konnten Forscher mit Hilfe von computertomo-
grafischen Aufnahmen zeigen, dass der Säulendurch-
messer mit zunehmender Tiefe lokal abrupt anwachsen
kann: Dann verschmelzen zwei oder drei Säulen mitei-
nander. Das führt zu einer gröberen, aber auch regel-
mäßigeren Aufteilung (siehe Bild ganz unten). Derartige
Übergänge beobachtet man auch an realem Basalt.

QUELLEN
Bahr, H.­A. et al.: Diameter of Basalt Columns Derived from
Fracture Mechanics Bifurcation Analysis. In: Physical Review E 79,
056103, 2009
Hofmann, M. et al.: Why Hexagonal Basalt Columns? In: Physical
Review Letters 115, 154301, 2015
Müller, G.: Trocknungsrisse in Stärke. In: Physikalische Blätter 10,
S. 35–37, 1999
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