Spektrum der Wissenschaft - Oktober 2017

(Tuis.) #1

(


Typische Steinwerkzeuge


Die Steingeräte auf der linken Seite stammen von verschiedenen Fundstellen
des Sonvian (1 bis 4); Nummer 5 bis 7 rechts werden dem Hoabinhian,
Nummer 8 dem Bacsonian oder Post­Hoabinhian zugeordnet.

einfaches Hauwerkzeug
(End­Chopper,
Länge: 13,6 Zentimeter)

zweiflächig bearbeiteter
»Sumatralith«
(Länge: 9,2 Zentimeter)

»Viertelgeröll«
(Länge: 7,4 Zentimeter)
Kurzbeil
(Länge: 5,9 Zentimeter)

diskusförmiges
Steinwerkzeug
(Länge: 7,3 Zentimeter)

an drei Seiten retuschiertes
Geröllwerkzeug
(Chopping­Tool,
Länge: 11,4 Zentimeter) Beilklinge
mit geschliffener Schneide
(Länge: 13 Zentimeter)

1


5


3


6
4

8


7


Bei einigen Gräbern könnte es sich um Sekundärbestat­
tungen handeln. Das heißt, dass der Tote nach einer be­
stimmten Zeit wieder aufgedeckt wurde und alle noch vor­
handenen größeren Knochen oder aber nur bestimmte
Knochenpartien an anderer Stelle erneut beigesetzt wur­
den. Bei der Ausgrabung derartiger Bestattungen fehlen
dann Teile des Skeletts, ohne dass es etwa Hin weise auf
eine Störung des Grabs durch Tiere gibt, und wenn die
aufgefundenen Knochen so gut erhalten sind, dass auch
Verwitterung als Grund des Fehlens aus scheidet. Diese
besondere Art der Behandlung des Leichnams war bis in
die jüngste Zeit in Vietnam weit verbreitet.
Insgesamt unterscheiden sich die drei altsteinzeitlichen
Industrien also kaum voneinander, das Sonvian war viel­
leicht sogar nur ein bestimmter Aspekt der Lebensweise
im Hoabinhian. Dass seine Schichten unter denen des
Hoabinhian zu Tage kommen, spricht nicht dagegen: Eine
bestimmte Höhle mag zunächst nur gelegentlich aufge­
sucht worden sein, später aber diente sie als fester Lager­
platz. Im Bacsonian kommen zwei neue technische
Elemente hinzu: der Steinschliff und manchmal auch die

Nutzung von Keramik. Nach jetzigem Kenntnisstand
stammen beide aus dem nördlich an Vietnam angrenzen­
den Raum, dem heutigen Südchina, und sind dort mit dem
sehr frühen Aufkommen von Landwirtschaft und Sess­
haftigkeit verbunden. Der archäologische Befund in Viet­
nam ist jedoch eindeutig: Die wildbeuterisch lebende
Bacso nian­Bevölkerung übernahm diese Fremdelemente.
Die neolithische Lebensweise begann in Vietnam jedoch
erst viel später, frühestens um 2500 v. Chr.
Wer die einfach wirkenden Steinwerkzeuge der vietna­
mesischen Altsteinzeit mit den fraglos aufwändiger gear­
beiteten aus Europa vergleicht, kann leicht einem falschen
Eindruck erliegen. Ursprünglich dürften diese Artefakte
nur einen Bruchteil der Gerätschaften ausgemacht haben.
Noch heutzutage spielen Bambus und Holz in Südostasien
eine sehr große Rolle als Werkstoff. Beide sind vielerorts
verfügbar, und das hartfaserige Süßgras Bambus, dessen
»Stämme« 15 bis 20 Zentimeter Durchmesser erreichen,
lässt sich außerordentlich stark belasten.
Rezente Jäger­ und Sammlervölker liefern Hinweise auf
die vielfältige Verwendung von Holz und Bambus. In den

MIT FRDL. GEN. VON ANDREAS REINECKE

seitlich retuschiertes
Hauwerkzeug
(Side­Chopper,
Länge: 11,3 Zentimeter)

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Sonvian Hoabinhian Bacsonian
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