Der Spiegel - ALE (2022-05-07)

(EriveltonMoraes) #1
Nr. 19 / 7.5.2022DER SPIEGEL 119

Erfrischende


Männer


In ein schwarzes Korsagenkleid
gehüllt, gab die Sängerin und
Rapperin Lizzo ein Flöten-
konzert auf dem roten Teppich,
Model Gigi Hadid schleppte
einen wohnzimmergroßen,
weinroten Daunenmantel mit
sich herum, und Reality-TV-
Queen Kim Kardashian strahlte
mit platinblondem Haar und in
genau dem hautengen Glitzer-
kleid, in dem einst Marilyn
Monroe ihr berühmtes Geburts-
tagsständchen für John F. Ken-
nedy sang: Auch wenn man das
glauben könnte, in New York
fand kein Karnevalsfest statt.
Aber doch etwas Ähnliches.
Denn am Montagabend lud das
New Yorker Metropolitan Mu-
seum zu seiner traditionellen
Modegala ein. Das Motto 2022
lautete »Vergoldeter Glamour«,


und amerikanische Medien wie
das Magazin »Esquire« fanden
zu Recht, dass gewisse Männer
die »erfrischende Verrücktheit«
der Veranstaltung noch besser
auf den Punkt brachten als
die auch nicht gerade zurück-
haltenden Frauen. Gucci-Mas-
termind Alessandro Michele,
49, und Schauspieler Jared Leto,
50, etwa kamen im Hanni-
und-Nanni-Look: In ihren lan-
gen dunklen Haaren steckte je
eine kleine, funkelnde Spange,
dazu trugen sie eierschalen-
farbene, gemusterte Smokings,
rote Fliegen und schwarze
Sonnenbrillen. Oder Fredrik
Robertsson. Der selbst ernannte
Kreative aus Schweden erschien
in einer Kostümierung, die auch
einen Marvel-Bösewicht schmü-
cken würde: Hunderte, an Wat-
testäbchen erinnernde Gebilde
rankten sich um seinen Körper,
als steckte er im Skelett eines
Aliens. Die Augen guckten düs-
ter aus mit Strassperlen besetz-
ten Smokey Eyes. Begeisterung
löste auch der australische
Schauspieler Kodi Smit-McPhee
aus. Schon dass er es wagte,
Jeans zu tragen. Und dann diese
knallrote Fingerbekleidung im
Stil von Spülhandschuhen – die
fanden viele wunderbar gruse-
lig. Wer als Mann konventionell
auf Anzug oder Smoking setzte,
hatte schon verloren. Da nutzte
es auch wenig, wie der Schau-
spieler Bradley Cooper auf Kra-
watte oder Fliege zu verzichten
und einigermaßen zerzaust zu
erscheinen. Fashion Statements
sehen anders aus. EVH

Millionärskundler


Der deutsche Kabarettist
Gerhard Polt, der an diesem
Samstag seinen 80. Geburtstag
feiert, hat sich während der
Zeit der Corona-Einschränkun-
gen mit den Menschen seiner
näheren Wohnumgebung be-
schäftigt. Polt lebt seit vielen
Jahren am bayerischen Schlier-
see und ist auch viel am benach-
barten Tegernsee unterwegs.
Der ist bekannt als Wohngegend
reicher Leute. Über Gemütslage
und Umtriebe der ihm zum
größten Teil persönlich bekann-
ten Millionärinnen und Millionä-
re hat Polt Texte verfasst, die er
soeben in dem Buch »Dr. Arnulf
Schmitz-Zceisczyk« bei Kein &


Aber veröffentlichte. »Ich nenne
ihn den Homo Tegernseenien-
sis«, sagt er über den Menschen-
schlag, den der Titelheld, eine
Art Alter Ego, darin beschreibt.
Es handle sich um Leute, die auf
der einen Seite stolz darauf sei-
en, wie sehr sie in Einklang mit
der oberbayerischen Naturidylle
und der Trachtentradition leb-
ten. »Auf der anderen Seite be-
schäftigt fast jeder einen Anwalt,
der mit der Gemeinde prozes-
siert.« Mal gehe es um Mücken-
plagen auf dem eigenen Grund-
stück etwa wegen einer benach-
barten Sumpfwiese, mal um
vom winterlichen Räumdienst in
Grundstückseinfahrten bugsierte
Schneehaufen. »Ich habe mir ge-
dacht, das ist eigentlich witzig«,

sagt Polt. Da lebten die Leute so
harmonisch in der Gegend,
»und dann müssen sie doch dau-
ernd prozessieren, bloß damit
sie ihr Recht bekommen«.
Polt selbst hat andere Probleme.
Derzeit schelten ihn viele Mei-
nungsmacher des Politik- und
Mediengeschäfts, weil er zu den
Erstunterzeichnern eines von
»Emma« veröffentlichten Auf-
rufs an Olaf Scholz gegen die
Lieferung schwerer Waffen in
die Ukraine gehört. Über die an
ihm geäußerte Kritik sagt er,
statt deutscher Waffenlieferun-
gen, die zwangsläufig zur weite-
ren Eskalation des Kriegs führ-
ten, befürworte er ernsthafte
Bemühungen um einen »anstän-
digen Waffenstillstand«, auch

aus Furcht vor einem dritten
Weltkrieg. »Ich wünsche
mir einen Sieg der Vernunft.
Dazu stehe ich.« HÖB

Muse mit Stulpen


Die US-Schauspielerin Brooke
Shields, 56, hat sich malen las-
sen und dabei Selbstironie be-
wiesen. Porträtiert wurden sie
und ihre Töchter auf eigenen
Wunsch von der New Yorker
Künstlerin Tara Lewis, die mit
der entsprechenden Serie die
Achtzigerjahre gleich mitfeiert.
Auf einem Gemälde namens
»Brooke« trägt Shields diverse
zeittypische Rosatöne. Das gilt
für die Stulpen über ihren Wa-
den, für ihre sehr kurzen Shorts
und für die gezackten Ohrringe.
Passend dazu schimmert die
Kaugummiblase vor ihrem
Mund in Hubba-Bubba-Pink.
Durch die entsprechende Klei-
dung verwandle sie sich in die
Essenz der darzustellenden
Figur, sagte die Schauspielerin

kürzlich über sich selbst. Auf
den Werken von Lewis ist sie
die Essenz ihrer selbst und auch
die einer Dekade, die für sie
wichtig war. 1980 kam »Die
Blaue Lagune« in die Kinos, und
sie, gerade 15 Jahre alt, wurde
weltbekannt. Dass sie im selben
Jahrzehnt ein Studium an der
Eliteuniversität Princeton absol-
vierte, ging dagegen eher unter.
Shields verriet in einem Inter-
view, sie habe etliche Acces-
soires und Textilien aus ihrem
eigenen Fundus zur Malerin
mitgebracht, »und wir haben
uns alle selbst frisiert«. Künstle-
rin Lewis nannte den Weltstar
dankbar eine »Supermuse«.
Vorgestellt wurden die Gemälde
zuerst auf der Instagram-Seite
der Künstlerin und vor ein paar
Tagen, ganz analog und altmo-
Evan Agostini / AP disch, in einer Galerieschau. UK

Tara Lewis 2022 / Photograph courtesy of Louis K. Meisel Gallery

Sebastian Beck / SZ Photo / picture alliance
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