Der Spiegel - ALE (2022-05-07)

(EriveltonMoraes) #1

60 DER SPIEGELNr. 19 / 7.5.2022


WIRTSCHAFT


B


undesverkehrsminister Volker
Wissing (FDP) stellt der Deutschen
Bahn nicht genügend Geld für deren
größte Bauprojekte zur Verfügung. Davor
warnen ihn die eigenen Ministeriumsbeam-
ten in mehreren internen Vermerken, die
dem SPIEGEL vorliegen. Bei der Schienen-
infrastruktur werde es in den kommenden
Jahren einen »dramatisch wachsenden
Investitionsstau« geben, heißt es darin.
Der Grund: Der Bedarfsplan Schiene sei
»dramatisch« unterfinanziert. Anlass der
Warnung ist die Haushaltsplanung Wis sings,
die in diesem Monat mit der sogenannten
Bereinigungssitzung im Bundestag abge-
schlossen werden soll. Die Pläne des FDP-
Politikers sehen vor, der Deutschen Bahn
für ihre Aus- und Neubauprojekte konstant


2,2 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung
zu stellen, diese Summe aber nicht an-
zuheben. In einer Grafik verdeut lichen die
Beamten, dass diese Gelder bei Weitem
nicht ausreichen. Stattdessen liege der jähr-
liche Finanzierungsbedarf Ende des Jahr-
zehnts bei sechs Milliarden Euro. Die Folge
der Unterfinanzierung: Baureife Planungen,
auch für die wichtigen Vorhaben, würden
»on hold« gestellt, heißt es in den Vermer-
ken. Dazu könnten etwa das Bauvorhaben
Frankfurt–Mannheim–Karlsruhe–Basel, alle
Großknoten (Frankfurt, Hamburg, Hanno-
ver, Köln, Mannheim und München) und
der Rhein-Ruhr-Express zählen, warnen
Wissings Leute. Auch der Deutschlandtakt,
der künftig eine Halbstundenfrequenz
auf den wichtigsten Fernverkehrrouten der

Bundesrepublik ermöglichen soll, steht
zur Disposition.
Das stünde im Widerspruch zu Wissings
früheren Versprechen: Ähnlich wie seine
Vorgänger wollte der Verkehrsminister die
Bahn zum zentralen Bestandteil der Ver-
kehrswende machen. Deutschland sollte
dadurch seinen Verpflichtungen beim Klima-
schutz nachkommen. Kritik an den ambi-
tionslosen Haushaltsplänen kommt vom Ver-
kehrsbündnis Allianz pro Schiene. Dessen
Geschäftsführer Dirk Flege sagt: »Bundesver-
kehrsminister Wissing hat bislang jeglichen
Ehrgeiz bei der Umsetzung der Verkehrswen-
de vermissen lassen.« Man erwarte deshalb,
dass die im Koalitionsvertrag versprochene
Stärkung des Schienenverkehrs sich auch im
Bundeshaushalt spiegele. GT

Wissing bremst nötigen Bahnausbau


MOBILITÄT Der Bundesverkehrsminister wollte die Bahn zum Kern der Verkehrswende


machen. Nun spart er derart bei wichtigen Bauprojekten, dass die eigenen Beamten rebellieren.


Gleisarbeiter in Berlin
Rolf Zöllner / IMAGO
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