Der Spiegel - ALE (2022-05-07)

(EriveltonMoraes) #1
WIR T SCHAF T

Nr. 19 / 7.5.202 2 DER SPIEGEL 65

tersz ene ist. Und dass die Marke
ziemlich viel richtig gemacht hat. Su-
preme gilt als Meisterin der Exklusi-
vität. Ihr Trick ist Verknappung.
Supre me b ringt seine Kollektionen
in streng limitierter Zahl heraus, mit-
unter sind sie nur eine Woche lang
erhältl ich, was die Preise für ge-
brauchte Produkte in fantastische
Höhen treibt. Das mit einem Viereck
bedruckte Shirt zur S hoperöffnung
in Mailand ging vorigen Sommer für
44 Euro über den Tres en, Second-
hand kostet es mehr als 300 Euro.
Hoodies aus zweiter Hand liegen bei
700 Euro. Die junge Fangemeinde
zahlt beinahe jeden Preis, und das
nicht nur für Klamotten. Vor einigen
Jahren prägte Supre me sein Logo auf
Backste ine und verkaufte sie für
30 Euro. Heute werden s ie für das
Siebenfache gehandelt.
Inzwischen haben auch Gucci,
Jean-Paul Gaultier und zuletzt Bur-
berry mit Supreme gemeinsame
Sache gemacht. Selbst Edelmarken
außerhalb der Modewelt reißen sich
um eine Kollaboration: Der Panton-
Sessel von Vitra, ein Klassiker, kostet
mit Supreme-Schriftzug statt 300
Euro das Achtfache.
Es ist ein Clash der Kulturen, von
dem beide Seiten profitieren. Die Tra-
ditionsunternehmen adeln Supreme
mit ihrem Glanz, dafür v erleiht der
vermeintliche Underdog ihnen Läs-
sigkeit. Wie in der Musik, wenn die
Operndiva Montserrat Caballé ein
Duett mit dem Rocker Freddie Mer-
cury a ufnimmt. Oder der greise Tony
Bennett mit der 60 Jahre jüngeren
Lady Gaga. Da finden nicht nur zwei
Helden aus zwei Welten zusammen,
sondern auch zwei Zielgruppen.
Highsnobiety ist die Agentur, die
in Deutschland die meisten Kolla-
borationen einfädelt. »Man kann jede
Luxusmarke mit einem Streetwear-
label k ombinieren«, s agt Gründer Da-
vid Fischer. »Es k ommt nur darauf an,
dass man ei ne Geschichte zu erzählen
hat.« Highsnobiety begann 2005 als
Blog, Fischer s chrieb über Straßen-
kleidung und Turnschuhe. Heute hilft
er Labels, sich zu verjüngen.
Auf 2 00 Mitarbeiter ist sein Team
angewachsen, 50 davon sitzen in
New York, die meisten in Berlin. A uch
hier wird Englisch gesprochen. »Hi
guys«, ruft er in einen Konferenzraum
hinein. Fischer, 39, trägt ein Holzfäl-
lerhemd und ein Käppi mit dem
Schriftzug des Elektronikherst ellers
Braun. Er ist 1,92 groß und bittet da-
rum, während des Gesprä chs stehen
bleiben zu dürfen: die Bandscheiben.
Dass es im vergangenen J ahr
einen Hype um Gucci gab, lag nicht


so sehr an der Filmsaga mit Al Pacino,
die die Intrig en der Firmengeschich-
te nacherz ählt. Sondern an Fischer.
Er spannte die italienische Nobel-
marke mit dem US-Outdoorlabel
The North F ace zusammen, heraus
kamen Stiefel und Daunen jacken.
»Exklusivität trifft Aben t euerlust«,
sagt Fischer. Der Star seiner Kampa-
gne war Francis Bourgeois, der auf
TikTok a ls Trainspotter berühmt
wurde: Sein Hobby ist es, Eisenbah-
nen zu beobachten. Fischer zog dem
jungen Mann eine histo rische Schaff-
nerunif orm an und ließ ihn in einer
Dampflok Tickets kontr ollieren:
»Wir wollten ›Harry Potter‹-Vibes
erzeugen.«
Fischer sagt, seine Zielgruppe sei-
en junge Großstädter, die mehr Geld
ausgeben als Gleichaltrige. Die mehr
Instagram-Follower haben. Und die
gern über Marken reden. »Cultural
pioneers« nennt er sie, Kulturpionie-
re. »Das mag eine Nische sein, aber
global gesehen ist es eine gigantische
Nisc he.« Er erhalte jeden T ag fünf
Anfragen, um Marken zusammenzu-
bringen, sagt Fischer.
Über die Branchen hinweg ist die
Kollaboritis ausgebrochen. Autoher-
steller Porsche und Rimowa brachten
im April gemeinsam einen Koffer he-
raus, Streamingdienst N etflix will sich
vom Luxuslabel Balmain eine Leder-
jacke schneidern lasse n. Keine Paa-
rung scheint zu abwegig, und mit-
unter muss sogar die Polizei anrücken.

Kristina Gnirke, Alexander Kühn n

25
Millionen
Euro

erzielten
20 0 Paar

von Louis


Nike bei
einer Verstei-
gerung.

Zugfan Bourgeois:
»Wir wollten
›Harr y Potter‹-Vibes
erzeugen«

Wie Ende März, als die Moon Swatch
in die Läden kam.
Frühmorg ens standen in Berlin
Hunderte Menschen v or dem Swatch-
Shop am Kurfürstendamm an, man-
che hatten dort übernachtet. Alles
wegen einer Uhr. Sie ist eine Co-Pro-
duktion zweier Schwesterfirmen,
Omega und Swatch. Die eine edel, die
andere poppig. Das gemeinsame Mo-
dell sieht aus wie jene Omega-Uhr,
die Astronaut Buzz Aldrin 1969 bei
der Mondlandung trug – wurde aber
mit herkömmlichem Quarzuhrwerk
und B iokeramikgehäuse gefertigt und
kostet deshalb nur 250 Euro statt
mehrere Tausend. So günstig war
Omega selten. Das Kalkül ging auf:
Kaum waren die ersten Modelle ver-
kauft, gingen sie auf Auktionsplatt-
formen für teils 1400 Euro weg. Bes-
te Werbung, für beide Marken.
Von dieser Episode abgesehen,
hält die Uhrenindustrie sich aller-
dings eher zurück beim Buhlen um
die junge Klient el. Im Luxusuhren-
segment sind es die Kunden, die um
die teure und exklusive Ware kämp-
fen. Viele Aspiranten warten jahre-
lang, bis sie ein Exemplar in Händen
halten, die meisten sogar vergebens.
Sehnsuchtsmarken wie Rolex oder
Patek Phi li ppe stellen n ur eine be-
gr enzte Anzahl Exemplare her und
pflegen so das eigene Denkmal.
Die wirklich Mächtigen in diesem
Business s ind die Uhrenhändler. Man-
che teilen ihre Kundschaft in drei Ka-
tegorien ein. Ganz unten: jene, die
für 100 000 Euro im Jahr eingekauft
haben. Dann die bis zu 250 000 Euro.
Und, drittens, alles darüber hinaus.
Kunden der ersten Kategorie gehen
meist leer aus, die aus der zweiten
können einmal pro Jahr eine Uhr be-
st ellen, die aus Nummer drei sogar
mehrere. In ihrer Not bieten Uhren-
fans dem Verkäufer schon mal ein
Trinkgeld an im Wert der Uhr.
Das älteste Uhrenhaus der Welt
steht in Zürich, g egründet 1760. R ené
Beyer führt es in achter Generation.
Er entscheidet nach Sympathie, wem
er eine Uhr verkauft. Und danach, ob
derjenige »eine gute Geschichte zu
erzählen hat«, warum es speziell die-
se bestimmte Uhr sein soll.
Neulich stellte ein Stammkunde
seinen 16 Jahre alten Sohn bei Beyer
vor, um ihn als würdigen Kunden
einzuführen. Eine Gleichaltrige aus
reichem Hause hingegen wurde von
Beyer abgewiesen. Sie wollte eine
Uhr für 1 00 000 Franken erwerben,
doch er hatte das Gefühl, dass sie
»erst noch verstehen muss, was sie
daran hat«.
Fin ne

g a n Tra v e r s
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