FOCUS - ALE (2022-05-07)

(EriveltonMoraes) #1
SPORT

Fotos:


Helge Roeske, Hans Herbig/beide Red Bull Content Pool


mit Schrecken: „Ich bin irgendwie durch-
gekommen, aber es war körperlich und
mental mit Sicherheit mein Limit. Danach
war ich fertig, hatte Wassereinlagerun-
gen, zehn Kilo zugenommen und das Blut-
bild eines Herzkranken. Das hat mir alles
abverlangt.“ Zwei Monate dauerte es, bis
er sich erholt hatte.
Wenn er als Skibergsteiger verletzt war,
habe er eine Pause eingelegt, sagt Palzer,
„aber wenn du jetzt am Oberschenkel oder
am Arsch keine Haut mehr hast, fährst du
trotzdem weiter. Das musst du erst mal
verarbeiten, wie das ist, mit Schmerzen
Sport zu machen.“ Zu oft habe er im ver-

gangenen Jahr gedacht: „Das war schon
wieder der härteste Tag meines Lebens.“
Palzer nennt das „Goschn polieren“, auf
die Schnauze fallen: „Hört sich pervers an,
aber der Schmerz muss dir auch ein biss-
chen gefallen. Wer am besten leiden kann,
gewinnt.“ Körperlich seien die Besten auf
dem gleichen Niveau: „Es geht darum,
wer den meisten Schmerz aushält, sich am
härtesten schinden kann. In drei Wochen
100 Stunden Rennen, 3800 Kilometer: Das
fahren manche im ganzen Leben nicht.“

Die Angst als Gegner
Der Körper halte extrem viel aus, erst
im Radsport habe er gemerkt, „wozu ich
wirklich in der Lage bin. Man kann es
mit einer Droge vergleichen: Man braucht
das Gefühl.“ Derzeit ist er Helfer „für
die wirklich guten Radfahrer bei uns im
Team. Vielleicht bleibe ich immer Hel-
fer, dann ist das auch okay“, sagt Pal-
zer, „aber mein Ziel ist langfristig, dass
ich wieder Erfolg habe, dass die anderen
dann für mich fahren.“ Früher sei er zu
Rennen gereist, um sie zu gewinnen –
das möchte er wieder erleben. Nur halt
in seiner neuen Disziplin.

Die größte Umstellung habe sein Kopf
bewerkstelligen müssen: „Beim Skiberg-
steigen bist du Einzelathlet. Wenn ich in
der Abfahrt stürze, bin ich selbst schuld.
Beim Radfahren bist du in einem Trupp
mit 200 anderen Vollwahnsinnigen. Wenn
du einen Fehler machst, bist du dafür ver-
antwortlich, dass die anderen auch stür-
zen. Wenn der andere einen Fehler macht,
kannst du nichts dafür und stürzt trotz-
dem.“ Dieses Dilemma habe ihn unheim-
lich gestresst. In diesem Frühjahr habe
er aber das Gefühl, mit der psychischen
Belastung besser zurechtzukommen: „Das
ist der Prozess, auf den ich gehofft hat-
te, und der findet statt. Das gibt mir viel
Selbstvertrauen für das, was kommt.“
Es kommt mit der Tour de Suisse (ab


  1. Juni) und der Vuelta (ab 19. August)
    mal wieder knüppeldick. Für die „Hill
    Chasers“ in Gelnhausen hat Palzer vorab
    schon mal eine Zeit vorgelegt (eine Minute
    und 20 Sekunden) und dabei schwer fass-
    bare 617 Watt getreten. So ist er, der Palzer
    Toni: Er glaubt fest daran, dass es für ihn
    immer rasant bergauf geht.n


THOMAS BECKER

„Der Schmerz muss dir


gefallen. Wer am


besten leiden kann,


gewinnt“


Anton Palzer

Runterstrampeln
Seit dem vergan-
ge nen Jahr fährt der
Berchtesgadener für
das beste deutsche
Radteam: Bora-
Hansgrohe
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