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Steiermark Magazin 5 • 2017
FOTO: BEIGESTELLT
Kultur
lux-Staaten und Frankreichs führten zu
einer regelrechten Explosion im Trans-
fer der mobilen Kunstwerke Europas.
Nach der Einnahme von Paris im
Sommer 1940 wurden binnen weniger
Tage unter dem Deckmantel des Kunst-
schutzes die größten privaten Sammlun-
gen Frankreichs aufgelöst. In weiterer
Folge erstellte man Listen von insgesamt
21.903 konfiszierten Kunstwerken, die
von Bruno Lohse, einem Vertrauten Gö-
rings, im Museum Jeu du Paume beim
Louvre gesammelt wurden. Für das ge-
plante Museum in Linz erwarb der „Son-
derauftrag“ unter Hans Posse in der Fol-
ge 53 Gemälde, darunter Vermeers „As-
tronom“ aus der Sammlung Rothschild,
die allesamt im Mai 1945 in Altaussee
wiederentdeckt wurde. Weitere 594
Stück der geraubten Gemälde aus fran-
zösischen Sammlungen gingen 1941/42
in die persönliche Sammlung Görings
in Carinhall über. Viele Teile davon wur-
den bei Kriegsende von den „Monu-
ments Men“ im Salzbergwerk von
Berchtesgaden sichergestellt.
Für den Nachfolger Hans Posses im
„Sonderauftrag Linz“, Hermann Voss,
enteignete der Einsatzstab Reichslei-
ter Rosenberg (ERR) ab 1943 in Frank-
reich bedeutende Privatsammler. Für
die Abwicklung des Transfers stellte
Voss 1943 den in jüngerer Zeit wieder
bekannt gewordenen Hildebrandt Gur-
litt als Chefeinkäufer für den „Sonder-
auftrag Linz“ ein. Allein zwischen 1943
und 1944 wurden über 800 Gemälde
für das Museum in Linz über Zwangs-
verkäufe erworben.
Bis 1944 wurde die beschlagnahm-
te Kunst nach Bayern gebracht. Der
Großteil der Gemälde, die man aus
Frankreich wegschaffte, wurde in den
Hauptdepots des ERR auf Schloss
Neuschwanstein und in Schloss Her-
renchiemsee eingelagert. Der von Voss
und Gurlitt für das „Führermuseum“
Linz bestimmte Teil kam bis 1944 in
den Führerbau nach München, ein
weiterer Teil der „Sammlung“ wurde
sukzessive ins oberösterreichische Stift
Kremsmünster umgelagert.
Deponierung in Altaussee und
Rückführung
Ab 1941 kam es in den deutschen Städ-
ten zu bedeutenden Zerstörungen
durch das allierte Bombardement. Die
Naziführung begann daher adäquate
Luftschutzräume für die Kunstlage-
rung zu errichten. Im Dezember 1943
ermächtigte Hitler Bormann, das von
Herbert Seiberl in Altaussee errichte-
te Kulturgüterdepot als Lagerstätte der
Kunstsammlung des geplanten „Füh-
rermuseums“ in Linz zu nutzen. Sei-
berl erhielt dazu von Bormann eine
Dienststelle in Aussee, die man in der
Villa Bernina einrichtete. Zusammen
mit Hermann Voss und Gottfried Rei-
mer koordinierte Seiberl den Transport
von gut 20.000 Kunstwerken ins Salz-
kammergut. Im Mai 1944 begann man
die in München und Kremsmünster
gelagerten Gemälde für den „Sonder-
auftrag Linz“ mit Lastkraftwägen und
Raupen zum Depot im Bergwerk Al-
taussee zu schaffen. Im November
1944 wurde überraschenderweise auch
die private Kunstsammlung Hitlers, die
sich vor allem aus Gemälden Waldmül-
lers, Alts, Böcklins und Makarts zusam-
mensetzte, durch Bormann vom Berg-
hof in Berchtesgaden nach Altaussee
verlagert. Die letzten Lieferungen von
Gemälden des „Sonderauftrags Linz“
fanden schließlich im April 1945 statt.
Im Sommer 1945 wurden die von den
„Monuments Men“ in Altaussee gebor-
genen Kunstwerke (davon allein 6.500
Altmeistergemälde) von der US-Army
zum „Central Collecting Point“ nach
München gebracht. Von München aus
wurden die Kunstwerke von der ameri-
kanischen Militärregierung nach den in-
ternationlen Maßstäben des Völker-
rechts an die vormaligen Eigentümer
retourniert. Die von Clooney filmisch
verewigten „Monuments Men“ erfor-
schen dazu die Provenienzen und leite-
ten die Rückgabeverfahren. Die Kunst-
historikerin und französische Wider-
standskämpferin Rose Valland, im Film
„The Monuments Men“ als Claire Si-
mon von Cate Blanchett dargestellt,
hatte etwa zwischen 1940 und 1944 im
Geheimen detaillierte Listen erstellt,
wohin die Nazis einzelne Gemälde von
Paris aus abtransportierten. Nach dem
Krieg wurde sie in München zur Beauf-
tragten Frankreichs für die Rückfüh-
rung der nationalen Kunstwerke.
Von den im Abschlussbericht des
„Central Collecting Point“ München
genannten insgesamt 33.188 Fällen be-
arbeiteter Rückgabeverfahren von
Raubkunst, stammte die Hälfte aus
Frankreich. Wiederum gut ein Drittel
davon war bei Kriegsende im Salzbe-
rgwerk von Altaussee eingelagert.
Literaturempfehlung
Löhr, Hanns Christian, Das Braune Haus der
Kunst, Hitler und der „Sonderauftrag Linz“,
Visionen, Verbrechen, Verluste, Berlin 2005.
Frodl-Kraft, Eva, Gefährdetes Erbe, Wien 1997.
Schwarz, Birgit, Auf Befehl des Führers. Hitler
und der NS-Kunstraub, Stuttgart/Darmstadt 2014.
Schwarz, Birgit, Hitlers Museum. Die Fotoalben
Gemäldegalerie Linz – Dokumente zum
„Führermuseum“, Wien/Köln/Weimar 2004.
Schallmeiner, Anneliese, „Die modernen
Nibelungen salzen ihre Schätze ein“ S. 103-
128 in: Bergung von Kulturgut im
Nationalsozialismus: Mythen – Hintergründe –
Auswirkungen, Hg. v. Schölnberger, Pia/
Loitfellner, Sabine, Wien 2016.
Kramar, Konrad, Mission Michelangelo. Wie
die Bergleute von Altaussee Hitlers Raubkunst vor
der Vernichtung retteten. Wien 2013.
AUCH MICHELANGELOS „Brügger Ma-
donna“ wurde in Altaussee sichergestellt.
Schwerpunkt
Ausseerland-
Salzkammergut
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