FOTO: WERNER MEISINGER
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atmen und allenfalls mitreisenden Kindern
einen Ritt auf dem Esel zu spendieren. Früh
am Tag wird man atmen und reiten, früh
wird man den Anker lichten, um die engen
Gassen den breiten Touristen zu überlas-
sen, die zur Hochsaison das Städtchen
unter sich begraben. Wer länger bleiben
will, verholt sich genau ein Mal ums Eck,
zielt scharf und schießt sein Schiein in
die kleine Bucht. In das Bassin passen bei
moderaten Bedingungen eineinhalb Yach-
ten, bei kräftigem Wind und Wellen aus der
falschen Richtung eher keine. Von dem
Ankerplatz lassen sich die Festungsmauern
im Südlicht betrachten und die landge-
stützten Besucher aus der Distanz bedau-
ern. Sie kriegen am Badestrand heißen
Sand in die Pofalten, während wir Glück-
licheren vor und nach dem Baden kühle
Biere kriegen.
Am Südkap von Rhodos, Prasonisi, knab-
bert seit vielen Jahrtausenden die See und
hat sich fast schon durch den Fels gearbei-
tet. Zwei tiefe, seichte Buchten begegnen
hier einander und sind nur noch durch
einen schmalen Streifen Sand getrennt.
Praktisch ist das für den Segler, der wählen
kann, ob er sich vor nordwestlichen oder
südöstlichen Winden schützen will (ande-
re kommen in dem Revier nur ausnahms-
weise vor). Hervorragend ist das Geläuf für
Surfer, die unbehelligt von Unebenheiten
im Wasser und beschleunigt vom durch
die Düse pfeifenden Meltemi prachtvolle
Raumschotfurchen in die Ägäis fräsen.
Besucher auf dicken Schien sehen es
mit Verwunderung. Griechenland ist kein
Land für hastige Gemüter. ■
aus Bausubstanz verschiedenster Epochen
und Urheber, und alles, was man über die
Größe und die Wirren der Geschichte von
Rhodos wissen möchte, lässt sich im darin
gelegenen Archäologischen Museum und
dem Großmeisterpalast der Johanniter in
Erfahrung bringen.
Die Brüder des Ordens haben das wehr-
hafte Wesen aus Stein und Eisen ausgeführt,
trotz seiner Mächtigkeit wurde es erobert,
verschiedene Herrscher unterschiedlichen
Glaubens und unvermuteter Herkunft saßen
in der Burg, selbst Duce Mussolini sah sich
schon im Palast von Rhodos residieren –
solche und ähnlich verwegene Geschich-
ten ranken sich um den Ort. Das alles und
mehr lässt sich nachlesen, auch die Zahl
der Tore und Türme und wann was in die
Luft geogen ist. Wie sich unter und auf
den Mauern, in den Gewölben und Sälen
und angesichts der gewaltigen Kanonen der
Schatten der Geschichte ums Gemüt
schmiegt, lässt sich jedoch nicht googeln.
Dafür muss man hin.
Dann aber wieder weg. Jedenfalls wer-
den das die meisten Wasserreisenden so
empnden, sonst würden sie die begehr-
ten Sehenswürdigkeiten viel billiger mit
dem Bus besuchen. Für den Gewinn der
köstlichen Einsamkeit muss man ein gutes
Stück nach Süden segeln. Bis Faliraki ist
der Küstenstreifen für das Geschäft mit
Sand und Sonne zugebaut. Als Rast auf
dieser kleinen Flucht empehlt sich ein
Stopp in der Minibucht von Kallithea.
Nicht, weil das Wirtshaus dort so Bombe
wäre oder das Anlegen mit keiner Hand-
breit Wasser unter dem Kiel ein schönes
Spiel ist, sondern weil sich ein bemerkens-
wertes Revitalisierungsprojekt besichtigen
lässt: die Kallithea Therme. Über Jahrzehn-
te war die auf die Römerzeit zurück gehen-
de und in den Zwanziger- und Sechziger-
jahren des letzten Jahrhunderts fast schon
berühmte Badeanstalt dem Verfall preisge-
geben und ein mysteriöser Ort für allerlei
Vermutungen. Der ruinierte zentrale Bau
wurde von phantasiebegabten Besuchern
unter anderem als geschlossener Ring von
Bedürfnisanstalten interpretiert, deren auf-
fällige Zahl sich mit der den Stowechsel
belebenden Wirkung des schwefelhaltigen
Quellwassers erklärte. Dank gemeinschaft-
licher Hilfe ist dieses Rätsel nun auch
gelöst: Die Rotunde mit ihrer doppelten
Reihe an Rundbögen erstrahlt in neuer
Pracht, und die darin angebrachten Sitz-
gelegenheiten dienen keinem anderen
Bedürfnis als der Rast im Schatten.
Im Verlauf der Fahrt nach Süden kann
man eine weitere Prise Nostalgie auf-
schnupfen. Unmittelbar hinter Faliraki
liegt Ormos Vagian, besser als Anthony-
Quinn-Bucht bekannt. Hier wurden wich-
tige Szenen des cineastischen Meisterwerks
„Die Kanonen von Navarone“ gedreht, mit
Quinn in einer Hauptrolle. Wenn’s wahr
ist, wurde die Bucht dem Barden zum
Geschenk gemacht und später, als der
wohlige Schauer der Teilhabe der Region
am künstlerischen Ruhm abgeklungen
war, wieder entzogen. Die Bezeichnung ist
geblieben. Die Felsen, aus denen die Kano-
nen brüllten, sind noch da.
Lindos wird man besuchen, um in den
engen Gassen den Hauch des Orients zu
Burgfrieden. Früh
am Morgen und
außerhalb der
Hochsaison hat
man Lindos mit
seiner Festung
fast für sich
allein. Die Akro-
polis ist die be-
liebteste Station
des öentlichen
Verkehrs, der mit
Eseln bestritten
wird. Ein Ritt auf
den Berg: 6 Euro.
Runter kostet es
genau soviel
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