Yachtrevue – Juli 2017

(Ron) #1
FOTOS: WERNER MEISINGER

yachtrevue.at • 7|17 39


Weiden am Hafen Meeresfrüchte und ge­
bratenes Gemüse naschen, je nach Neigung
die Weinwirtschaft oder das Brauwesen
fördern und sich an der Beobachtung eines
Lebens erfreuen, das sich sehr überwiegend
im öffentlichen Raum abspielt. Die Dorf­
gemeinschaft im Hafen von Chalki lässt
sich von den Besuchern nicht irritieren, und
sofern nicht Ungewöhnliches passiert –
etwa wie bei unserem Besuch ein qualmen­
des Kriegsschiff an die Mole keucht – ver­
läuft das Leben wie ein ruhiger Fluss.
Bescheidenheit verlangen die Zeiten, zu
Traurigkeit bieten sie den Griechen keinen
Anlass. Die haben schon weit größere Ka­
tastrophen überstanden als die paar Milli­
arden Miese im Budget. Alexis Sorbas war
ein Grieche. Als alles, wirklich alles hin war,
tanzte er am Strand Sirtaki.


  1. Skizze: Im Lee von Rhodos
    In Rhodos Stadt gibt es den Weltwunder­Ko­
    loss nicht zu sehen. Viele haben danach ver­
    geblich geforscht, auch Sie, schlaue Leserin
    und scharfsichtiger Leser, werden ihn nicht
    finden. Leider. Immerhin ist in der Hochsai­
    son der Trubel kolossal. Auch zu Wasser. Die
    Kapazität der Marina Mandraki wird seit


Jahren mit schöner Regelmäßigkeit maß­
los überfordert, weshalb man im Süden eine
Marina hinzugebaut hat. Ihre Geschichte ist
ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Entwick­
lung Griechenlands: Über die finanziellen
Möglichkeiten war sie geplant, lang ging
nichts weiter, zwischendurch war zu zwei­
feln, ob das Projekt jemals fertig werden
würde, jetzt funktioniert die Anlage doch.
Wenn man ihr noch fünf oder zehn Jahre
gibt, wird sich vielleicht auch noch das Miss­
verhältnis von Beton zu Natur auswachsen.
Zur Zeit wirkt die Marina noch wie eine kal­
te Wunde im heißen Küstensaum. Doch
nach Rhodos kommt man nicht, um hübsch
zu liegen. Rhodos besucht man der Stadt
und Festung wegen.
Kreisförmig umspannt die gewaltige
Wehrmauer die ganze alte Stadt. In der Lü­
cke, die dem Meer gehört, nistet der Stadt­
hafen. Für ausgewachsene Schiffe ist er zu
flach. An der Mole davor ist’s wegen Schwell
und Schall alles andere als komfortabel.
Also doch Mandraki, nach langfristiger
Voranmeldung und mit viel Optimismus,
dass die Reservierung hält.
Die Spaziergänge vom Liegeplatz den
sanften Hang hinan führen in ein Labyrinth

im kleinen Glück einer günstigen Abge­
schiedenheit. Der Besucher kann es teilen.
Hinter der Mole stapeln sich bunte
Häuschen einen steilen Hang hinan, da­
hinter erhebt sich wild und steinig karges
Land. Das Leben konzentriert sich an der
Wasserkante, an die ein paar Restaurants
und Cafés mit bunten Sonnenschirmen
und Markisen getupft sind. Gleich beim
Fähranleger stehen klapprige blaue Tische
und Stühle unter schütteren Weiden. Dort
setzt sich hin, wer auf das Geschehen am
Hafen die beste Aussicht haben und bei
kühlem Wein und kleinen Köstlichkeiten
griechisches Leben leben will.
Natürlich (das erzählt dir jeder, dem du
Gelegenheit gibst) ist solches Leben nur
das der Besucher, nicht das der Griechen.
Ein wunderbares Land für Urlaub ist Grie­
chenland, erzählen dir die Griechen, hier
zu leben ist weniger wunderbar. Was über
Wirtschaftsaufschwung berichtet wird, ist
im Dodekanes noch nicht angekommen.
Mit der Konsumation von reichlich Wein
und kleinen Speisen kann der Besucher die
wirtschaftliche Enge ein wenig mindern
und wird das in Solidarität mit einem
großen Volk auch tun. Wird unter den


Geruhsam leben.
Keine Sandstrände,
kaum Touristen –
Chalki hat sich
seinen Frieden
bewahrt. Wenn
nicht grad ein
Kriegsschiff mit
Motorschaden ein-
läuft, passiert hier
nichts, das die Bür-
ger und Besucher
zum überhasteten
Aufstehen vom
Wirtshaustisch
verleiten könnte
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