Fliegermagazin Juli 2017

(avery) #1
TECHNISCHE DATEN
Hawker Cygnet

Hersteller des Originals Hawker Engineering
Baujahr des Originals 1924
Erstflug des Nachbaus 20. Juli 2011
Kennung G-EBJI
Spannweite 8,54 m
Flügelfläche 15,33 m^2
Länge 6,18 m
Höhe 1,78 m
Leermasse 170 kg
MTOM 363 kg
Tankinhalt 23 l
Motor / Leistung JAP J-99 / 40 PS
Propeller Sovereign, 2-Blatt,
fest, Holz, 1,50 m
Vs ca. 65 km/h
VReise ca. 100 km/h
Vne 148 km/h
Reichweite ca. 165 km plus
30 Min. Reserve

tigen Holz war selbst für den Profi schwie-
rig. Vorgesehen war sehr viel Douglasie, ein
Nadelholz, das relativ langsam wächst und
serbischer Lärche ähnelt. Sowas liegt nicht
in jeder Holzhandlung herum, und Colin
brauchte es auch noch in Luftfahrtqualität,


das heißt mindestens zehn Jahresringe auf
den Zentimeter, keine Äste, Windrisse oder
Harzgallen im Holz, auch gerade gewach-
sen muss es sein: Pro 20 Zentimeter Länge
dürfen die Jahresringe nur einen Zentime-
ter aus der Richtung laufen. Fündig wurde
der Cygnet-Fan schließlich bei einem Lei-
terhersteller, der das Holz in entsprechen-
der Qualität und Menge vorrätig hatte.
Nach zehn Jahren Bauzeit war noch kein
Ende abzusehen – Colin dachte zum ersten
Mal ans Aufgeben. Als dann auch noch ein
Fliegerkamerad einen Pietenpol Air Cam-
per aus den zwanziger Jahren nach Plänen
gefertigt und damit binnen zwei Jahren in
der Luft gekommen war, wuchsen die Zwei-
fel am eigenen Projekt.

U


m den Bau ungestört vorantrei-
ben zu können, hätte sich Colin
mit dem Projekt zurückziehen
müssen, doch alles lag ja im Wohn-
zimmer auf dem Präsentierteller. »Da wa-
ren immer Kunden und andere Leute, die
vorbeikamen und mal schauen wollten«,
erinnert sich der Unermüdliche, nur die di-
rekten Nachbarn in der Reihenhausiedlung
seien nie zum Gucken gekommen, »die
dachten, ich bau ein Kanu.« Um die Sym-
pathiepunkte in der Nachbarschaft war es
auch nicht mehr so gut bestellt, nachdem

Colin den fertigen Rumpf mit Motor für
einen Testlauf in den Garten geschoben
hatte: »Vielleicht hätt ich vorher doch mal
Bescheid sagen sollen, der Motor ist ganz
schön laut.« Spätestens das wäre der Mo-
ment gewesen, in dem die meisten Ehe-
frauen das Haus in der Whoberley Avenue
in Coventry verlassen hätten.
Verbaut hat Colin einen JAP J-99 mit 40
PS, wie er etwa in der Aeronca C-3 zu fin-
den ist. Dieser Antrieb geht als Zugeständ-
nis an das Alter des Flugzeugs durch – ein
Bristol Cherub war schlichtweg nicht mehr
zu bekommen. An guten Tagen leistet der
Zweizylinder-Boxer sechs PS mehr als der
Cherub im Original. Der ist zudem leichter
als der JAP, weshalb dieser mit einer elek-
tronischen Zündung versehen wurde – bei
den Zündmagneten abzuspecken bot sich
an. Außerdem erhielt der Gashebel eine Be-
grenzung, damit der Kraftüberschuss die
Zelle nicht zu sehr beansprucht.
Nach 16 Jahren Bauzeit stand die Cygnet
dann ein weiteres Jahr bei der Shuttleworth
Collection, da der Prüfer noch den umge-
bauten Motorträger nachgerechnet haben
wollte. Menschen, die so etwas können
und auch noch bereit sind, es zu tun, sind
schwer zu finden.
Im Mai 2011 fand dann der Erstflug statt.
Einer der erfahrenen Shuttleworth-Piloten

MENSCH & MASCHINE


Vier Hände für den Zweizylinder: Colin (r.) und
sein Bruder Mark haben den JAP J-99 gecheckt
und befestigen die Cowling wieder. Der Ventil-
trieb wird nicht über den Ölkreislauf versorgt


  • vor jedem Flug muss er von Hand geölt werden.
    Bei zwei Stunden Endurance funktioniert das


http://www.fliegermagazin.de #7.2017 17
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