Aero International Oktober 2017

(Chris Devlin) #1

22 http://www.aerointernational.de 10/2017


Historie


Die 1970er-Jahre waren keine einfachen
für die Luftfahrtbranche. Vor allem die
Ölkrisen belasteten die wirtschaftliche
situation der Unternehmen, auch Pan Am
musste Federn lassen. Doch statt in die
UsA zurückzukehren, entschloss sich der
von der Airline in europa eingesetzte, aber
nunmehr geschasste Pilot Kim Lundgren,
seinen traum von einer eigenen Charter-
fluggesellschaft realität werden zu lassen.

im Fokus seines Geschäftsmodells stand
Berlin. Lundgrens erstes aviatisches Baby
hieß Berlinair, ein Lufttaxiunternehmen.
Doch plötzlich öffnete sich eine tür und er-
möglichte somit den sprung in ganz andere
sphären: Der Pauschalreiseveranstalter
Berliner Flug ring (BFr) suchte nach der
Pleite der damals in Berlin präsenten Ae-
roamerica nach einem neuen Fluganbieter.
Allerdings: Die zu jenem Zeitpunkt noch

geteilte stadt durfte nach dem Zweiten
Weltkrieg lediglich von Airlines der sieger-
mächte angeflogen werden. eine deutsche
Betriebslizenz schloss sich somit aus. Also
hob Lundgren mithilfe von John D. MacDo-
nald, dessen Modern Air zuvor ebenfalls
die segel streichen musste, im Juli 1978 in
oregon die Air Berlin inc. aus der taufe, die
nach eingehender Prüfung einige Monate
später von der Federal Aviation Adminis-
tration (FAA), der Bundesluftfahrtbehörde
der UsA, im April 1979 schließlich zugelas-
sen wurde. offizieller sitz des Newcomers
war übrigens Miami im Us-Bundesstaat
Florida.
Auf den erstflug konnte nur tage später,
am 28. April, im 8000 Kilometer Luftlinie
entfernten Berlin angestoßen werden. in
tegel startete am besagten samstagmor-
gen der erstflug nach Palma de Mallor-
ca – mit 178 Passagieren an Bord einer
Boeing 707. insgesamt bestand die Flotte
der ersten tage aus zwei, von der tWA
gebraucht erworbenen Flugzeugen dieses
typs. Von Berlin aus bediente die Airline
neben klassischen Mittelmeerzielen auch
Destinationen auf den Kanarischen inseln
sowie in Nordafrika und, ab oktober 1980,
von Berlin und Brüssel aus auch Langstre-
ckenverbindungen nach orlando in Florida.
Jedoch: schon im Jahr darauf verließen
MacDonald und die Boeing 707 die Air Ber-
lin, dafür wurde die erste Boeing 737, eine
–200er, begrüßt. Die Flüge in die UsA ge-
hörten zu jenem Zeitpunkt ohnehin schon
der Vergangenheit an, und die 707 erwie-
sen sich für den einsatz in europa sowohl
als zu groß als auch zu unwirtschaftlich.

Wendemarke mauerfall
Fortan mühte sich das Unternehmen
redlich, um zu überleben. Der Mauerfall
1989 bedeutete jedoch auch für Air Berlin
eine Wendemarke. Die Alliierten verloren
die Lufthoheit nach Berlin, und Lund-
gren suchte zum einen einen deutschen
Mehrheitsgesellschafter und strebte zum
anderen einen Zulassungswechsel nach
Deutschland an.
Das Glück bog schließlich in Person von
Joachim Hunold um die ecke. Der ehe-
malige LtU-Manager übernahm im April
1991 exakt 82,5 Prozent der Geschäfts-
anteile, gründete mit Lundgren die Air
Berlin GmbH & Co. Luftverkehrs KG mit
sitz in Berlin-tegel und beanspruchte den
Geschäftsführersessel gleich selbst. Denn
er hatte eine Vision. Diese lautete expan-
sion vor allem außerhalb der heutigen

Ihr Name ist wie kein zweiter mit der heutigen Bundeshauptstadt verbunden. Dennoch sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben,
dass Air Berlin 1978, vor nunmehr 39 Jahren, tatsächlich als US-amerikanische Fluggesellschaft gegründet wurde. Tja, und hätte der
Pan-Am-Pilot Kim Lundgren nicht kurz zuvor seinen Job verloren, wer weiß, ob es jemals dazu gekommen wäre.

1979: Gründer kim lundgren (links) und John d. macdonald (mitte) erhielten das aOC

2009: Zum 30. Geburtstag der air Berlin konnte der damalige konzern-Patriarch Joachim
Hunold (zweiter von links) sogar die Bundeskanzlerin angela merkel begrüßen
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