Aero International Oktober 2017

(Chris Devlin) #1
10/2017 http://www.aerointernational.de 23

Fotos: Air Berlin / Jens Br

Aune, Air Berlin

Mit zwei Boeing 707, die zuvor in
Diensten der TWA geflogen sind, ist
Air Berlin an den Start gegangen

Airline porträt


Bundeshauptstadt. Das Besetzen von
nischenmärkten. Air Berlin stationierte
in den 1990er-Jahren verstärkt Flugzeuge
auf regionalen Airports wie Paderborn-
lippstadt und Münster/osnabrück. Fliegen
aus der Fläche heraus lautete zunächst
das stichwort.
Doch damit nicht genug: 1998 führte Hu-
nold den einzelplatzverkauf ein und starte-
te einen täglichen Mallorca-shuttle von
zwölf deutschen Flughäfen. Keine Frage:
Air Berlin forcierte das liniengeschäft. Zu-
dem sicherte sich die Airline mit dem 2002
eingeführten sogenannten City-shuttle zu
europäischen Metropolen auch internatio-
nale Marktanteile.
Am ende des Jahres 2003 konnte sich die
Airline zu recht die nummer zwei unter
den deutschen Fluggesellschaften nennen.
Doch Hunold wollte dem Platzhirschen
lufthansa noch näher auf die Pelle rücken.
2004 kauften die Berliner zunächst einmal
24,9 Prozent an der österreichischen niki
(inzwischen hält Air Berlin 100 Prozent).
Die Air Berlin PlC, juristische obergesell-
schaft der Air Berlin Group, wurde 2005
als Aktiengesellschaft in Großbritannien
gegründet. Der anschließende Börsengang
(2006) sicherte der Fluggesellschaft, die
ihr Wachstum bisher aus eigener Kraft
finanziert hatte, eigenen Aussagen zufolge
die Wettbewerbsfähigkeit.
Mit frischem Kapital ging Hunold auf
einkaufstour: im selben Jahr landete die
Fluggesellschaft DBA in seinem Waren-


korb. Plötzlich verfügte Air Berlin über
ein dichtes innerdeutsches streckennetz
und gewann zudem slots an den Flughäfen
Berlin, Düsseldorf, München und Frank-
furt hinzu. Die Marke der neuen tochter
verschwand bald darauf vom Markt. Ähn-
lich erging es ltu, die 2007 übernommen
wurde. Air Berlin bot dank der Düssel-
dorfer Ferienfluggesellschaft fortan auch
interkontinentale Verbindungen an.
ebenfalls 2007 erwarb Air Berlin einen
49,9-prozentigen Anteil an der schweizeri-
schen Belair Airlines und unterzeichnete
einen engen Kooperationsvertrag mit
der luftfahrtgesellschaft Walter (lGW).
Die geplante Übernahme der Condor
scheiterte dagegen 2008 aufgrund der
veränderten wirtschaftlichen rahmenbe-
dingungen, ebenso die Fusionsgespräche
mit der tuifly, mit der allerdings eine enge
Kooperation geschlossen werden konnte.
Mit Beginn des Winterflugplans 2009/2010
übernahm Air Berlin von der Airline des
tui-Konzerns das städte-netz mit immer-
hin 117 strecken. tuifly verleaste dafür
zunächst 13 und ab sommer 2010 schließ-
lich 14 Flugzeuge inklusive Besatzungen
langfristig an die Berliner – zu einem
horrenden Preis, wie Kritiker meinen.
nicht zuletzt deshalb blieb der wirtschaft-
liche erfolg auf Dauer aus. 2011 musste
Hunold als Ceo dem krisenerprobten
Hartmut Mehdorn Platz machen. Der Bei-
tritt zur oneworld-Allianz war zu diesem
Zeitpunkt bereits verkündet, die strategi-

sche Kooperation mit der auf den europä-
ischen Markt schielenden etihad Airways
angebahnt und ende des Jahres dann auch
geschlossen. Was die finanzielle situation
zunächst einmal entspannte.
Der nahost-Carrier stockte seinen Anteil
an der Air Berlin von 2,99 auf 29,21 Prozent
auf und wurde damit zum größten ein-
zelaktionär. Als die Deutschen ende 2012
dann auch noch die Mehrheitsanteile an
ihrem Vielfliegerprogramm „topbonus“ für
184,4 Millionen euro an etihad verkauften,
konnte nach langer Zeit endlich mal wieder
ein positives Jahresergebnis präsentiert
werden. Die grundsätzlichen Probleme
löste es hingegen nicht.
Arbeitsplätze wurden im laufe der folgen-
den restrukturierungsprogramme abge-
baut, immer wieder die strategie justiert.
so gaben die Berliner beispielsweise zur
saison 2013/2014 das Winterdrehkreuz in
nürnberg auf und stornierten im Folgejahr
Flugzeugbestellungen en gros.
inzwischen stand Wolfgang Prock-schauer
am ruder, um dann doch zum 1. Februar
2015 von stefan Pichler abgelöst zu wer-
den. Der wiederum übergab im Februar
2017 dem bisherigen lufthanseaten tho-
mas Winkelmann eine Airline, die mittler-
weile kein einziges Flugzeug mehr besaß,
sondern die gesamte Flotte geleast hatte.
und die zudem auf einem hohen schul-
denberg saß. Mitte August drehte etihad
schließlich den Geldhahn zu.
Astrid Röben
Free download pdf