Flugzeug Classic April 2017

(Dana P.) #1

metall Borsig als Hersteller der Munition mit,
dass beim Werk keinerlei neue Aufträge zur
Herstellung von Versuchsmunition vorliegen.
Seitens der FGZ sind zu diesem Zeitpunkt
Sonden und Geräte für fünf weitere Flugzeu-
ge fertig. Sofort nach Eintreffen der zweiten
Maschine soll der Umbau beginnen, aller-
dings ist sie noch immer nicht vor Ort.
Scheinbar hat man den zweiten Erprobungs-
träger zunächst von Tarnewitz zurück zu Fo-
cke-Wulf geflogen, denn Testpilot Dietrich
fliegt am 6. Februar 1945 die Fw 190 von Lan-
gehagen aus nach Nellingen. Damit sind zwei
Monate unnütz verplempert worden. Der
Umbau beginnt dann sofort.
Ein erster Messflug findet am 21. Februar
1945 statt und er zeigt eine einwandfreie
Schussauslösung zwischen fünf und elf Meter
Höhe. Drei Tage später können die Ingenieure
den Erprobungsträger einsatzklar melden.
Bei den anschließenden Schussversuchen
wird der Übungspanzer aus vier Rohren be-
schossen, lediglich ein Schuss liegt um einen
Meter zu kurz. Jetzt hat auch die Munition die
richtige Schussentwicklungszeit. Alles ist
somit serienreif. Selbst bei Längsüberflügen
von Panzern sind Treffer sichergestellt. Auch
das Kriegstagebuch Chef TLR vom 15. bis



  1. Januar 1945 erwähnt den erfolgreichen
    Test des SG 113 mit der Fw 190 bei der
    Forschungsanstalt Graf Zeppelin. In dem Do-
    kument heißt es: »Verfahren zur Panzerbe-
    kämpfung FGZ: Ausarbeitung der For-
    schungsanstalt Graf Zeppelin eines Verfahrens
    zur automatischen Schussauslösung beim
    Überfliegen feindlicher Panzer durch Ausnut-
    zung des Magnetfeldes derselben. Verbesse-


rung mit umgebauter Förster-Magnet-Sonde.
Vorversuche mit in Fw 190 eingebautem Aus-
lösegerät erfolgreich verlaufen. Erprobung
mit Schusswaffen bei E’Stelle Tarnewitz.«
Weitere Tests verlaufen erfolgreich. Beide
Focke-Wulf Fw 190 sind Mitte März voll ein-
satzfähig und sollen laut Forschungsanstalt
Graf Zeppelin ohne Zeitverzug an der Front
erprobt werden. Am 14. März bittet man um
eine Entscheidung, ob ein serienmäßiger Ein-
satz des SG 113 A jetzt anlaufen soll. Dafür
wäre der Bau einer 0-Serie vorzubereiten.
Jetzt geht es nur noch darum, die Anlage se-
rienmäßig zu realisieren. Doch bei den chao-

tischen Zuständen, die zu diesem Zeitpunkt
bereits in der Rüstungsindustrie herrschen,
dürfte ein Produktionsanlauf nur noch Ma-
kulatur gewesen sein. Der Krieg nähert sich
dem Ende, an einen frontmäßigen Einbau in

die Fw 190 ist kaum mehr zu denken. Damit
bleibt das SG 113 eine höchst interessante
Waffe, die aber für den Kriegseinsatz um ei-
nige Monate zu spät kommt.

Fazit
Das SG 113 hätte die bereits laufende Einfüh-
rung der Panzerblitz- und Panzerschreck-
Luft-Boden-Raketen sicherlich wirkungsvoll
ergänzen können. Diese Waffen sind zwar
einfacher im Aufbau, besitzen aber den
Nachteil, dass der Pilot seine Geschwindig-
keit reduzieren muss, was ihn unmittelbar in
den Gefahrenbereich der feindlichen Boden-
abwehr bringt. Gleichzeitig muss er sich auf
das Zielen konzentrieren. Während erfahrene
Piloten damit weniger Probleme haben,
kommt es gerade bei den jüngeren, unerfah-
renen Piloten zu Fehlschüssen.
Demgegenüber besitzt das SG 113 einen
enormen Vorteil: Der Pilot muss sich nicht
mehr gleichzeitig auf das Fliegen und Zielen
konzentrieren. Die Waffe löst automatisch
aus, sobald er die Anlage aktiviert hat. Um
Zielen zu müssen, braucht er auch nicht seine
Geschwindigkeit zu reduzieren. Damit wären
wirkungsvolle Abwehrmöglichkeiten kaum
machbar gewesen, vor allen Dingen nicht
während einem Gefecht. Für den Kriegsein-
satz wird diese Waffe aber zu spät fertig und
bewahrt die Alliierten so vor möglicherweise
schweren Verlusten. n

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Eine im Prinzip ähnliche Waffe war das
SG 116 »Brause«. Allerdings sollte sie
genau umgekehrt arbeiten und rückstoß-
freie Schrotschüsse nach oben zur Bom-
berbekämpfung abgeben. Beim Kaliber
griff man auf die Drei-Zentimeter-Munition
zurück. Dadurch ließ sich die Waffe noch
im Rumpf einbauen. Beim Unterfliegen ei-
nes Bombers sollte ein »optisches Auge«
sechs Schuss gleichzeitig auslösen, um
einen sicheren Abschuss zu erzielen. Die
Tests zeigten aber Probleme bei der rich-
tigen Schussauslösung, letztlich stellte
man die Entwicklung wieder ein. n

Beim SG 116 bereitete die optische Schuss-
auslösung durch Fotozellen Schwierigkeiten

Schrotschuss zur Bomberbekämpfung


Eine mit Förstersonde ausgerüstete
Fw 190 F-8 (fiktive Darstellung) mit
typischem Tarnanstrich im Jahr 1944/45
Zeichnung Herbert Ringlstetter/Aviaticus

An einen frontmäßigen Einbauin die


Fw 190 ist kaum mehr zu denken.

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