Flugzeug Classic April 2017

(Dana P.) #1

Gegen die Luftangriffe durch deutsche
Kampfflugzeuge, die daraufhin starteten, er-
wies sich dieses System jedoch als unbrauch-
bar. Beispielsweise war das 1917 aufgestellte
deutsche Kampfgeschwader 3 in der Nähe
von Gent stationiert, rund 280 Kilometer von
London entfernt. In 3000 bis 4000 Meter Höhe
flogen seine Formationen am Tag an, und von
der Küste, wo man sie erstmals entdecken
konnte, bis nach London blieb zu wenig Zeit,


um zu reagieren. Britische Jagdflieger, selbst
wenn sie in Bereitschaft waren, konnten un-
möglich schnell genug starten und auf die
Anflughöhe der Bomber steigen, bevor diese
ihr Ziel erreichten.
Und selbst dann, wenn es ihnen gelungen
wäre, hätten sie die Angreifer kaum finden
können ohne geeignete Führung vom Boden
aus. Und weil sich die Flak, die effektive Waffe
gegen Luftschiffe, gegenüber Flugzeugen häu-

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fig als wirkungslos erwies, mussten Jagdflie-
ger versuchen, die deutschen Bomber aufzu-
halten. Das war aber leichter gesagt als getan.

Simple Ballonsperren
Britische Quellen zeugen von zahlreichen
Fehlschlägen und vergeblichen Versuchen.
Zum Beispiel bekamen am 5. Juni 1917 66 auf-
steigende Jäger keinen einzigen deutschen
Bomber auch nur zu Gesicht. Am 13. Juni
bombardierten 14 Gotha London, doch nur
fünf von 94 gestarteten Jägern bekamen sie
überhaupt zu sehen. Mehr aber auch nicht.
Am 7. Juli keimte so etwas wie Hoffnung
auf, als es 95 Jägern gelang, immerhin zwei
von 22 Angreifern abzuschießen. Doch als am


  1. Juli 16 Gotha Harwich angriffen, kam kei-
    ner der 121 aufgestiegenen Jäger an die Bom-
    ber heran. In der Folge änderte sich die Luft-
    verteidigung Londons radikal. Fortan hielt
    der hierfür verantwortliche General Ashmore
    Jagdflugzeuge ständig in der Luft und ließ sie
    an den bevorzugten Einflugschneisen des
    Gegners »Sperre« fliegen. Im Falle eines An-
    griffs waren sie dann immerhin schon in der
    Luft, von oben gut sichtbar ausgelegte weiße
    Pfeile wiesen ihnen den Weg zum Gegner.


Luftkrieg bei Nacht
Zusätzlich zwangen riesige Fliegerabwehr-
netze, von Ballonen in rund 3000 Meter Hö-
he gehalten, die Angreifer in einen schmalen
Korridor zwischen der Oberkante dieser
Netze und ihrer eigenen Dienstgipfelhöhe.
Aus britischer Sicht verkleinerte diese Maß-
nahme den Luftraum, der ständig zu über-
wachen war. Im August 1917 gelang es den
Briten, mehrere Luftangriffe abzuwehren,
die Angreifer verlegten ihre Aktivitäten fort-
an in die Nacht hinein. In dieser Phase, die
sich bis ins Jahr 1918 hinzog, entwickelten
sich alle Aspekte des Luftkrieges bei Nacht,
wie er sich gut zwei Jahrzehnte später in
Europa voll entfalten sollte. n

Die Gotha G.IV war ein beliebtes »Großflugzeug«. Die ersten Maschinen kamen zum »Englandgeschwader«, das 1917 Angriffe gegen London flog


Die gewaltige Explosion habe sein Flugzeug
etwa 50 Meter nach oben und in Rückenla-
ge geschleudert, gab Flight-Sub-Lieutenant
Reginald Alexander John Warneford vom
Royal Naval Air Service im Nachhinein zu
Protokoll. Er habe es aber wieder unter sei-
ne Kontrolle gebracht und gerade noch se-
hen können, wie »Hunderte zerborstener
Teile wie seltsame und schreckliche Fackeln
zur Erde taumelten«. Er hatte soeben mit

seinem Flugzeug ein Luftschiff bezwungen,
erstmalig in der Geschichte. In der Nacht
zum 7. Juni 1915 kehrte das Heeres-Luft-
schiff LZ 37 gerade von einer Angriffsfahrt
auf Calais zurück, als ihm der 24 Jahre alte
britische Pilot in die Quere kam. Dieser
überstieg den Zeppelin um rund 50 Meter
und warf sechs 20 Pfund schwere Hales-
Bomben auf ihn ab. Die Explosion verwan-
delte das Luftschiff in ein Flammenmeer,
sein Kommandant und sieben Besatzungs-
mitglieder kamen beim Absturz ums Leben.
Einzig Steuermann Alfred Mühler überlebte
aufgrund glücklicher Umstände nahezu un-
verletzt, während das Wrack unten in ein
Kloster stürzte und dabei zwei Nonnen töte-
te. Warneford selbst kam nur zehn Tage
später bei einem Flugunfall ums Leben. n

Flugzeug gegen Luftschiff


So stellte sich ein Kriegsmaler den
Untergang der LZ 37 vor

Zerstörte als
erster Flugzeug-
pilot einen Zep-
pelin und leite-
te eine neue
Ära ein: Regi-
nald Alexander
John Warneford
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