Flugrevue April 2017

(Barré) #1
Wie lief das Jahr 2016 für die
deutschen Flughäfen?
Passagier- und Frachtaufkommen legten
um 3,4 Prozent gegenüber dem Vor -
jahr zu. Aber die Wachstumsraten der
deutschen Flughäfen hinken denen der
europäischen Wettbewerber hinterher.
Deutschlands Flughäfen verlieren
Marktanteile.

Die ADV hat schnellere politische
Weichenstellungen angemahnt.
Welche Themen sind dabei am
wichtigsten?
Die Möglichkeit für einen bedarfs-
gerechten Ausbau von Flughafen-
infrastruktur muss ganz oben auf der
politischen Agenda stehen. Rein poli-
tisch motivierte Eingriffe in bestehende
Betriebsgenehmigungen und weitere
Einschränkungen bei den bestehenden
Betriebszeiten müssen unterbleiben.
Die Einführung einer Lärmobergrenze
in Frankfurt lehnen wir ab. Drittens
muss die wettbewerbsverzerrende
Luftverkehrssteuer abgeschafft werden.
Ebenfalls ist eine Absenkung der viel
zu hohen Luftsicherheitsgebühren ein
Gebot der Stunde. Und last but not
least, fordern die Flughäfen auch für das
Streikrecht neue Regeln. Eine zwingen-
de Ankündigungsfrist für Streiks, eine
Schlichtung, bevor über einen Streik
entschieden wird, Urabstimmungen und
die Aufrechterhaltung einer Luftver-
kehrsgrundversorgung sind Lösungsan-
sätze, die es zu vertiefen gilt.

Beim Wachstum gibt es große
Unterschiede. Warum liegen
die deutschen Flughäfen so weit
auseinander?
Die deutschen Flughäfen verbuchten in
den letzten drei Jahren stabile Zuwächse
von jährlich sechs Millionen Fluggästen.
Dieser Zuwachs verteilt sich jährlich
neu auf die Standorte. Das ist ein klarer

Mehr im
Internet:

Die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Verkehrsflughäfen - ADV stellt auf ihrer Website adv.aero Statistiken und
aktuelle Informationen zu den wichtigsten Branchenthemen aus ihren Fachbereichen zur Verfügung.

Beleg für den Wettbewerb zwischen den
Standorten. Tatsächlich waren einzelne
Flughäfen von Verkehrsrückgängen
besonders betroffen. Ursachen waren
die einbrechenden Touristikverkehre
nach Ägypten und in die Türkei sowie
die Konsolidierung bei den etablierten
Airlines.

Viele Flughäfen kämpfen mit
roten Zahlen. Wie könnten sie
wirtschaftlicher werden?
Derzeit erwirtschaften nur zehn von
22 internationalen Verkehrsflughäfen
in Deutschland einen Gewinn nach
Steuern. Hauptursache hierfür sind
nicht kostendeckende Aviation-Entgelte.

In Zukunft muss es den Flughäfen
möglich sein, angemessene Entgelte
am Markt zu erzielen. Nur so kann die
Nutzerfinanzierung erfolgreich sein.

Neue Flugzeugmuster, wie 787
oder A350, machen neue Direkt­
verbindungen möglich. Erwarten
Sie Veränderungen in der Flug­
hafenlandschaft?
Auch in Zukunft wird die überwiegende
Zahl der Interkont-Flüge von den Hub-
Flughäfen abgewickelt werden. Neue
Flugzeugmuster erschließen zusätzliche
Langstreckenverbindungen an den gro-
ßen dezentralen Flughäfen. Dies ist eine
große Chance für die Regionen und den
Wirtschaftsstandort Deutschland. Die
Bundesregierung ist aufgefordert, neue
Verkehrsrechte für neue Langstrecken-
verbindungen zu verhandeln.

Bewirken immer schärfere Sicher­
heitsmaßnahmen, dass der Passa­
gierkomfort auf der Strecke bleibt?
Sicherheit hat für die Flughäfen höchste
Priorität. Gleichzeitig muss eine Brücke
geschlagen werden, die den Reisenden
pünktliche Abfertigungsprozesse und
hohe Servicequalität ermöglicht.
Zusammen mit den Sicherheitsbehörden
möchten die Flughäfen an intelligenten
und innovativen Sicherheitskonzepten
arbeiten. Neue, passagierfreundliche
Kontrollstellen, wie etwa Easy Security
am Flughafen Köln/Bonn, sind auch an
den anderen Flughäfen umzusetzen.

Welchen Wert erzeugen die
Flug häfen für die Gesellschaft?
Die Flughäfen sind ein wichtiger Motor
für Wirtschaftswachstum, Beschäfti-
gung, Handel und Mobilität in einer glo-
balen Welt. Die deutsche Luftverkehrs-
wirtschaft trägt zirka 2,0 Prozent zum
Bruttoinlandsprodukt bei.

Kölns Flughafenchef Michael Garvens ist seit Jahresbeginn auch Präsident der Arbeitsgemeinschaft
der Deutschen Verkehrsflughäfen (ADV). Deren Mitglieder haben in den letzten 20 Jahren die Zahl
ihrer sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 90 000 mehr als verdoppelt. Sie machen jährlich über
5,5 Milliarden Euro Umsatz und investieren jährlich zwei Milliarden Euro in ihren Ausbau.

Foto: Köln Bonn Airport

„Die Nutzung der


Tagesrandzeiten


ist unumgänglich“


Die Fragen stellte Sebastian Steinke

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VIP-Interview

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