Astrid Dörner New York
C
arl Icahn hat in seinen gut 50 Jahren
als Wall-Street-Investor schon viele
schwierige Deals eingefädelt. In den
80er-Jahren nahm er die Airline TWA
von der Börse und verkaufte die pro-
fitabelsten Strecken an einen Konkurrenten. Spä-
ter drängte er Paypal und Ebay zur Aufspaltung
und verhinderte den Verkauf des Druckerherstel-
lers Xerox an Fujifilm. Der vermutlich schwierigs-
te Deal steht dem 83-Jährigen jedoch noch bevor:
die Übergabe seines Unternehmens, Icahn Enter-
prises, an seinen Sohn Brett.
Seit Jahren schon ist dieser Schritt im Gespräch,
immer wieder hat er ihn vertagt. Immerhin: Die
Anfänge sind gemacht. Im April soll Icahns Firma
aus dem Büro an Manhattans Fifth Avenue nach
Miami ziehen. Dort verbringt der Investor bereits
den Großteil seiner Zeit, genauso wie sein Sohn
und dessen Lebensgefährtin. Doch die Macht
wirklich abgeben, dazu ist der 83-Jährige noch
längst nicht bereit. „Die wichtigen Entscheidun-
gen werde ich weiterhin selbst treffen“, stellte er
im Gespräch mit dem „Wall Street Journal“ klar.
„Ich bin immer noch der Chef, aber er bekommt
ein Stück von der Action ab.“ Seit mehr als einem
Jahr schon arbeiten Vater und Sohn immer wie-
der an den Konditionen für eine Machtübergabe.
Sie haben sie in einem Vertag festgehalten, der
mittlerweile über 90 Seiten lang ist.
Icahn ist noch immer voll in seinem Element.
Er zählt zu jenen Investoren, die aktiv Einfluss
auf die Unternehmen nehmen – und sich dabei
meistens viele Feinde machen. Icahn liebt den
Konflikt. Unter Unternehmenslenkern ist er da-
her gefürchtet. „Ich bin stur. Wenn ich bei einem
Unternehmen einsteige, dann bleibe ich, bis sich
etwas verändert“, sagte Icahn 2008 in einer Do-
kumentation des US-Fernsehsenders CBS.
Sein Sohn dagegen hat nichts von der lauten,
aufdringlichen Art. Brett gilt als analytisch, intro-
vertiert, ein Freund von Excel-Tabellen, bevor er
Investment-Entscheidungen trifft. Der Senior da-
gegen operiert schon seit je her vor allem nach
Bauchgefühl. Brett liebt Schach. Sein Vater hat
sich schon sein Studium an der Eliteuniversität
Princeton mit Pokerturnieren finanziert.
Statt aktiv Einfluss auf die Strategie eines Un-
ternehmens auszuüben, hat sich Brett lieber als
klassischer Investor betätigt. Seit 2002 arbeitet
Brett in der Firma seines Vaters, zunächst als
Analyst. Von 2011 bis 2016 hatte er seinen eige-
nen Fonds, den er gemeinsam mit einem ande-
ren Mitarbeiter von Icahn Enterprises verwaltete.
Das zunächst 300 Millionen Dollar schwere Port-
folio wurde 2012 auf drei Milliarden Dollar aufge-
stockt und war bei der Auflösung 2016 sechs Mil-
liarden Dollar schwer mit einer jährlichen Rendi-
te von 27 Prozent.
Früh investierten Brett Icahn und sein Ge-
schäftspartner David Schechter in Apple und Net-
flix und machten auch Icahn senior auf die Unter-
nehmen aufmerksam, die er sonst vermutlich
nicht weiter beachtet hätte. Gerade das Invest-
ment in Netflix war sehr profitabel für Carl Icahn:
Er kaufte 2012 Aktien im Wert von 321 Millionen
Dollar und verkaufte die Anteile 2015 – mit einem
Gewinn von knapp zwei Milliarden Dollar. „Das ak-
tivistische Vorgehen ist sehr gut für den Sharehol-
der-Value. Das hat mein Vater bewiesen. Aber ich
glaube nicht, dass man unbedingt diesen Aktivis-
mus braucht, um ein gutes Verhältnis von Rendite
und Risiko zu haben“, räumte Brett Icahn im Ge-
spräch mit dem „Wall Street Journal“ ein. Wäh-
rend sein Vater am liebsten in Unternehmen inves-
tiert, in denen Dinge falsch laufen, um sie am En-
de zu großen Veränderungen zu bewegen, neigt
Brett Icahn eher zu Investments in Unternehmen,
deren Management einfach gute Arbeit macht.
In den vergangenen Jahren fuhr Brett sein En-
gagement in der Firma seines Vaters zurück, war
lediglich als Berater tätig und sitzt im Verwal-
tungsrat von Newell Brands, einem Hersteller
von Filzstiften und Klebstoff, an dem Icahn betei-
ligt ist.
Wenn alles nach Plan läuft, soll er jedoch dem-
nächst zurückkommen und einen neuen Fonds
managen. Das letzte Wort wird laut „Wall Street
Journal“ jedoch wieder sein Vater haben. Icahn
Enterprises ist börsennotiert, doch der Star-In-
vestor verwaltet schon seit 2011 nur noch sein ei-
genes Geld. Sein Vermögen liegt dem US-Magazin
„Forbes“ zufolge bei rund 18 Milliarden Dollar.
Im vergangenen Jahr war Icahn der bestbe-
zahlte Hedgefonds-Manager der Welt und ver-
diente 3,07 Milliarden Dollar, oder 350 000 Dol-
lar pro Stunde, wie aus Berechnungen des Fi-
nanzdatenanbieters Loong Palace Hurun
Research hervorging. Schon lange engagiert er
sich mit großen, gemeinnützigen Spenden in sei-
ner Heimatstadt New York. Nach einer 200 Mil-
lionen Dollar schweren Spende für eine private
Hochschule für Mediziner der Mount-Sinai-Klini-
ken trägt diese nun seinen Namen.
Doch Icahn hat genug von New York, den Men-
schenmassen und den hohen Steuern. In Florida
dagegen will er sich mehr Zeit zum Tennisspielen
nehmen und schätzt die rundum entspanntere
Atmosphäre, wie er seinen rund 50 Mitarbeitern
in einem Memo zum Umzug der Firma mitteilte.
Auch der Mann seiner Tochter Michelle arbeitet
im Unternehmen. Sie wiederum arbeitet mit ei-
nem Regisseur zusammen, der eine Dokumenta-
tion über Icahns Leben für einen Kabelsender
vorbereitet. Damit liegt er im Trend: Auch Star-
Investor Warren Buffett, 89, willigte vor drei Jah-
ren ein, eine Dokumentation über sein Leben
machen zu lassen.
Insgesamt will Icahn jedoch nicht den Eindruck
erwecken, dass er sich zurückziehe. „Ich mag, was
ich tue, ich habe in letzter Zeit sogar mehr gemacht
als sonst“, stellte er klar. Fünf aktivistische Kampa-
gnen pro Jahr sind sein normales Pensum, das er
auch künftig aufrechterhalten will. Erst im Sommer
lieferte er sich einen Kampf mit Buffett, dem Chef
der Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway.
Berkshire hatte dem Ölkonzern Occidental eine
wichtige Finanzspritze gewährt, um den Konkur-
renten Anadarko übernehmen zu können. Icahn
hält Occidental-Aktien, die seitdem an Wert verlo-
ren haben. Er hält die Konditionen für Buffetts Fi-
nanzhilfen für überteuert und wirft Occidental-
Chefin Vicki Hollub schwere Fehler vor. „Ich gebe
Warren sicherlich nicht die Schuld, ich gebe dem
Verwaltungsrat von Occidental und Hollub die
Schuld“, wetterte Icahn im Nachrichtensender
CNN. Seinen Geburtstag im Februar hat er mit har-
ten Verhandlungen zugebracht. Er überzeugte den
Kasinobetreiber Caesars, sich an einen Konkurren-
ten zu verkaufen. An Aufhören ist nicht zu denken.
Carl Icahn
Schwierige Übergabe
Der gefürchtete Investor hat damit begonnen, die Geschäfte an
seinen Sohn Brett zu übergeben. Doch nur nicht zu schnell, denn
der 83-Jährige will noch lange nicht in Rente gehen.
Carl Icahn: Der
Star-Investor
zögert mit der
Übergabe.
NBCUniversal/Getty Images [M]
Brett Icahn: Von seinem
Vater Carl soll er das
weitverzweigte
Firmenimperium in den
kommenden Jahren
übernehmen.
Icahn Capital
Familienunternehmen
des Tages
(^60) WOCHENENDE 1./2./3. NOVEMBER 2019, NR. 211