EVA BIRINGER
mal den Palm Canyon Drive rauf
und runter zu schlendern, um zu
verstehen, welche Besuchergrup-
pen angesprochen werden sollen.
WWWohlhabende Rentner, die hierohlhabende Rentner, die hier
üüüberwintern, weil ihnen Florida zuberwintern, weil ihnen Florida zu
weit weg ist, der Volksmund nennt
sie Snowbirds. Die LGBT-Commu-
nity, Schnäppchenjäger, Leute, die
ihre Haustiere high machen und
Hippies auf der Durchreise zum
Coachella Festival. Diesen mysti-
schen, uns Gewöhnlichen lediglich
von Instagram bekannten Ort
scheint es wirklich zu geben, je-
denfalls der Busanzeige zufolge.
Ein Tag in Palm Springs fühlt sich
an, als würde man neidisch durch
seinen Facebook-Feed scrollen: Al-
le haben immer Urlaub.
AAAbgesehen davon wohnen allebgesehen davon wohnen alle
in geschmackvollen Häusern. Nir-
gendwo sonst steht auf so klei-
nem Raum so viel Mid-Century-
Modern-Architektur herum.
Selbst der Mitte des vergangenen
Jahrhunderts angestoßene öffent-
liche Wohnungsbau hat passable
Ergebnisse hervorgebracht. Ganz
zu schweigen von Hollywood.
Frank Sinatra, Ava Gardner, Elvis
und Priscilla, sie alle bewohnten
meist einstöckige Bungalows mit
Glasfassade, Kakteengarten und
Eames Chairs. Einerseits, weil
den Paparazzi der Weg von Los
Angeles zu weit war, andererseits
wegen der heißen Quellen, die
Palm Springs zu einer Art Pop-Sa-
natorium machten, einem Zau-
berberg mitten in der Wüste.
Unlängst hat sich Julian Schna-
bel ein in die Landschaft hinein-
gewürfeltes Family Retreatbauen
lassen, rätselhaft und anziehend
wie seine Malerei. In direkter
Nachbarschaft bewohnt Leonar-
do Di Caprio das von Donald
WWWexler entworfene Shore House.exler entworfene Shore House.
WWWährend seiner Abwesenheitährend seiner Abwesenheit
kann man es für knapp viertau-
send Dollar die Nacht bei Airbnb
mieten. Auch außerhalb der make-
America-great-again-weißen
WWWohngebiete – ich habe in dreiohngebiete – ich habe in drei
Tagen keine People of Colourgese-
hen, obwohl es Wikipedia zufolge
3 ,93 Prozent geben soll – herrscht
relaxter Ästhetizismus. Die Ob-
dachlosen, ein verstörender Ein-
bruch von Normalität in einer
dem Hedonismus verpflichteten
Stadt, lungern vor einem Gebäu-
de herum, das aussieht wie Mies
van der Rohes Neue Nationalgale-
rie. Egal, ob es sich um das Tou-
rismusbüro handelt, die Bank
Coachella Valley Savings oder ei-
ne von fünf sagenhaft schönen
Tankstellen, alles ist bestimmt
vom Desert Modernism. In Palm
Springs haben sie kapiert, dass die
WWWelt vielleicht nicht durch Schön-elt vielleicht nicht durch Schön-
heit erlöst, aber erträglich wird.
AAAlbert Frey zum Beispiel,lbert Frey zum Beispiel,
Schweizer Architekt, soll im Alter
von 92 Jahren mit dem Fahrrad
vor einem seiner Häuser vorgefah-
ren sein (im weißen Polyesteran-
zug, dieses Detail scheint wichtig
zu sein), um es, auf Wunsch der
neuen Besitzer, zu renovieren.
Konsequenterweise lautet das
WLAN-Passwort des „Monkey
Tree Hotels“ heute albertfrey. Zur
Sangria-Happy-Hour (täglich von
1 7 bis 19 Uhr) seufzt Sinatra aus
den Lautsprechern und das Licht,
das Licht ist wirklich magisch.
Hier sind die Palmen keine Elefan-
tenstampfer, sondern ranke Yoga-
mädchen, einige verrenken sich
aaauch so. Der Sangria kommt inuch so. Der Sangria kommt in
Plastikbechern, die wiederum in
aaaufblasbaren Plastikflamingoplas-ufblasbaren Plastikflamingoplas-
tikbecherhaltern schwimmen,
denn auch in Kalifornien hat sich
das mit dem Umweltschutz nur
bedingt rumgesprochen.
Es gibt eine Sauna, die ähnliche
Fragen aufwirft wie das Sonnen-
studio, und ein Wasserfitnessge-
rät, in das man sich einspannen
lässt wie ein Pferd. Hier ist die
Stadt eine Cocktailkirsche, ein
VVVersprechen in ersprechen in Sundowner-Pink.
Gäbe es Instagram nicht, es müss-
te erfunden werden für den Blick
vom Bungalow (dessen Front auf
raffinierte Art so verspiegelt ist,
dass man hinaus- aber nicht hi-
neinsehen kann) in Richtung
Pool. Überhaupt die Pools: Auf je-
einsehen kann) in Richtung
ool. Überhaupt die Pools: Auf je-
einsehen kann) in Richtung
den der vierzigtausend Einwoh-
ner kommt einer, zugedröhnte
Haustiere nicht mitgezählt. Selbst
Hollywoodskeptiker verlieben
sich schnell in die Idee rauschhaf-
ter Poolpartys, auf denen Frauen
mit hochtoupierten Haaren
Shrimpscocktails löffeln, beglei-
tet vom Eiswürfelklackern ihrer
Kimono tragenden Männer.
WWWer ein Auto und noch keineer ein Auto und noch keine
vier Sundownerintus hat, besucht
die Skulpturenausstellung „De-
sert X“. Auf dem Weg dorthin un-
bedingt Radio hören, das Fenster
runterlassen, laut mitsingen und
sich wundern, dass Gewinnspiele
von Schönheitskliniken gespon-
sert werden. Viele Meilen weit ein
wenig über dem Tempolimit
durch die Wüste brettern, um sich
einen Regenbogen von Pia Camil
anzusehen oder Julian Hoebers
von Lacan inspirierte Möbius-
schleife, das ist schon eine sehr
eigene, jeglicher Klimaskepsis
enthobene Form von Freiheit. In
Anbetracht der vielen Selfiesticks
kann man sagen, dass die Kunst
vom Publikum gut angenommen
wird. Leider bleibt Kathleen Ry-
ans Ghost Palmunauffindbar.
Ähnlich wie jene, die Palm
Springs zu einer Stadt machen, in
der man auch nachts um drei see-
lenruhig über die Straße geht,
schon allein, weil Fußgänger-
überwege hektisch blinken. Ich
habe niemanden in Kalifornien
jemals bei Rot über die Straße ge-
hen sehen, hier schon. Polizisten
gibt es nur in Form einer Eis-
cremesorte, die 911 heißt, wie die
Notrufnummer. Sie schmeckt
nach Donuts und Filterkaffee.
Palm Springs wurde, das muss
noch erwähnt werden, zur sexys-
ten Stadt der USA gewählt. Heiß
ist sie definitiv.
BERND JONKMANNS/ LAIF
DIE WELIE WELIE WELT KOMPAKTT KOMPAKT MONTAG, 18. NOVEMBER 2019 PANORAMA 31
EVA BIRINGER
GETTY IMAGES/ 500PX UNRELEASED PLUS
/ JIM RICHE / 500PX
Palm Springs, ein Hotspot der geschmackvollen
WWWohnhäuser. Mid-Century-Modern nennt sich ohnhäuser. Mid-Century-Modern nennt sich
diese Architektur. Alles ist schön und entspannt,
getaucht in magisches Licht