Foto: Stephan Sperl
KOLUMNE – ALIAS KOSMOS
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Einem Phänomen begegnet unsere Lieblingsrussin in
Deutschland immer wieder: kreativen Namen für Friseurläden.
Dabei überzeugen die Friseure mit einem speziellen Humor,
den wirklich nur sie erreichen können. SCHWER AUDIO
D
ieses Mal soll es in meiner Ko-
lumne um lustige Friseurnamen
gehen. Ein tolles Thema, aber ich
bin auch ein bisschen traurig. Denn: Ich
wünschte, ich könnte einfach die Namen
der deutschen Friseursalons aneinander-
reihen. Wie Perlen auf eine Kette. Denn
jeder Name ist eine Perle, die im eigenen
Glanz strahlt. Jedes Schild über der Tür
eines Friseurladens ist schon fast eine
Mini-Kolumne. Lustiger schaffe ich das
auch nicht.
Aber schließlich verdiene ich mein
Geld nicht mit der Glanzleistung ande-
rer. Also schreibe ich jetzt um die Perlen
„drumHairum“. Und zwar gehört es zum
deutschen Kulturgut, dass Friseure ihren
Läden Namen geben, die das Wort Haar
enthalten, neudeutsch Hair. Es ist natür-
lich nicht genug, den Laden „Haarsalon“
zu nennen. Das ist ja total unwitzig. Es
soll ein neues, lustiges Wort entstehen,
das es davor noch nie gab. Die einzige Be-
dingung ist, dass Haar darin vorkommt.
Zum Beispiel so: „Haarbrakadabra“,
„V i e r Haareszeiten“, „ S a h a a r a “, „Liebhaar-
ber“, „Haarmonie“, „Haarnarchie“ und –
mein Favorit – „Vorhair, Nachhair“. Oder
„Komm hair!“, wirklich genial.
Dieses ungeschriebene Gesetz,
Wo r t s p i e l e m i t Haar zu machen, gilt in
Deutschland wirklich nur für Friseurlä-
den. Und das, obwohl sicher niemand la-
chen würde, wenn er mit Haarbrakadabra
auf dem Kopf aus dem Salon herausspa-
ziert. Zwar gibt es immer wieder einzelne
Ve r s u c h e , d i e s e Id e e z u a d a p t i e r e n. Fa h r-
radläden und Hundesalons versuchen das
zum Beispiel immer wieder. Sie sind aber
wirklich nicht von derselben Qualität. Ein
„Hunde salon Doggy Style“ kann einem
„Haarcore“ wirklich nicht das Wasser
reichen. Und ein „Radhaus“ nicht einem
„Hairport“. Da muss noch viel passieren,
damit dieser hohe Wo r t w i t zstandard
auch von anderen erreicht werden kann.
Eine Möglichkeit wäre es, dass die
Besitzer anderer Geschäfte deutsche Fri-
seure bitten, sie bei der Namensfindung
zu unterstützen. Die Friseure zeigen
nämlich, wie kreativ sie auch für andere
sein könnten, indem sie bei der Namens-
wahl auch mit anderen Ausdrücken aus
der Welt des Haarschneidens spielen. So
gibt es in Deutschland zum Beispiel Lä-
den, die „Kamm in!“, „Fönix“ oder „Pony
& Clyde“ heißen. Auch alles sehr sehr
lustige Namen, die man vielleicht sogar
urheberrechtlich schützen sollte.
Mein Kollege Wolfgang, Mitte 50, hat
sich auch von diesen wahnsinnigen Haar-
witzen anstecken lassen. Er war neulich
beim Friseur am Bahnhof in Rüsselsheim,
einer Kleinstadt in der Nähe von Frank-
furt mit sehr hohem Anteil von Men-
schen mit Migrationshintergrund. Es war
kurz vor Ladenschluss. Und als er die bär-
tigen jungen Männer vor der Tür fragte,
ob sie ihm heute noch schnell die Haare
schneiden können, deutete einer von ih-
nen auf den Sessel und sagte ganz herz-
lich: „Setzt du dich, Bruder!“ Während er
Wolfgang die Haare schnitt, unterhielt
er sich weiter mit seinen Freunden – auf
Arabisch. Unter sich nannten sie sich Ha-
bibi, also mein Lieber. Da schlug mein Kol-
lege vor, sie könnten ihren Laden doch
„Haarbibi“ nennen.
Alia Begisheva wurde in Moskau
geboren. Heute lebt die 44-Jährige
mit ihrem kanadischen Mann und
ihren zwei Kindern in Frankfurt
am Main und weiß viel besser als
viele ihrer deutschen Nachbarn,
dass man Papier und Glas nicht in
dieselbe Mülltonne wirft. Für jedes
Heft schreibt sie diese Kolumne.
Deutsch perfekt 13 / 2019
anein„nderreihen
, hier: einen direkt nach
dem anderen schreiben
die P¡rle, -n
, runder, meistens
weißer, sehr wertvoller
Schmuckstein, der in einem
Meerestier wächst
der Gl„nz
, hier: ≈ Schönheit; von:
glänzen ≈ hier: eine glatte
Außenseite haben, die Licht
reflektiert
strahlen
, hier: als sehr schön zu
erkennen sein
die Gl„nzleistung, -en
, ≈ besonders gute
Leistung
dr¢mHairum
, Name eines Friseursa-
lons; von: drumherum =
hier: m ungefähr zum
Thema ...
das Kulturgut
, hier: Wissen und Kön-
nen mit kulturellem Wert
neudeutsch , d ≈ im
heutigen Deutsch
die Haareszeiten
, von: Jahreszeit
der Liebhaarber
, von: Liebhaber = hier:
Person, die eine Sache
sehr liebt
¢ngeschrieben
, hier: von allen akzep-
tiert, aber nicht schriftlich
dokumentiert
der H¢ndesalon, -s
, Friseursalon für Hunde
n“cht das W„sser reichen
kœnnen
, nicht so gut/intelligent
sein wie eine andere
Person/Sache
der W¶rtwitz
, ≈ Talent, Worte intelli-
gent und in witziger Art zu
benutzen
indem
, ≈ dadurch, dass
der P¶ny, -s
, in die Stirn gekämmtes,
glattes Haar
(die St“rn, -en
, Teil des Kopfes zwischen
Augen und Haaren)
urheberrechtlich sch•tzen
, die Garantie geben,
dass ein ästhetisches
Produkt (z. B. Buch, Lied,
Bild, Name) nur der Person
gehört, die es gemacht hat
s“ch „nstecken l„ssen
, hier: mit Enthusiasmus
imitieren
der [nteil, -e
, hier: Zahl
der Migrationshinter-
grund
, ausländische (Groß-)
Eltern
bärtig
, mit Bart
deuten auf
, zeigen auf
„Wo r t s p i e l e m i t Haar müssen sein“
Eine Übung zu diesem
Text finden Sie auf
Seite 45.