Die Welt Kompakt - 05.11.2019

(Steven Felgate) #1

8 POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,5.NOVEMBER


Huang Xueqin


D


ie Organisation Repor-
ter ohne Grenzen hat
die chinesischen Be-
hörden aufgefordert, die Jour-
nalistin Huang Xueqinumge-
hend freizulassen. Die Reporte-
rin, die auch unter dem Namen
Sophia Huang bekannt ist, hat-
te über die anhaltenden Protes-
te in Hongkong berichtet, bevor
sie am 17. Oktober dieses Jahres


in der südchinesischen Stadt
Guangzhou festgenommen
wurde. Ihr wird zur Last gelegt,
„Streit und Ärger provoziert zu
haben“ – ein Vorwurf, mit dem
in China viele regimekritische
Journalisten verfolgt werden
und der mit bis zu zehn Jahren
Haft bestraft werden kann.
Huang ist eine wichtige Stim-
me der MeToo-Bewegung in
China und hatte auf sozialen
Medien über ihre eigene Erfah-
rung mit sexueller Belästigung
am Arbeitsplatz berichtet.
„Dass sie für diesen Mut nun
bestraft wird, ist beschämend“,
sagte Christian Mihr, Ge-
schäftsführer der Organisation
Reporter ohne Grenzen. Neben
Huang sitzen in China derzeit
mindestens 120 Medienschaf-
fende in Haft, mehr als in jedem
anderen Land.
Auf der Rangliste der Presse-
freiheit von Reporter ohne
Grenzen steht China auf Platz
177 von 180 Ländern.


©RSF

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In Kooperation mit
REPORTER OHNE GRENZEN


Die ägyptische Armee hat nach
eigenen Angaben seit Ende Sep-
tember mehr als 80 mutmaßli-
che Dschihadisten auf der Si-
nai-Halbinsel getötet. Wie die
Armee am Montag mitteilte,
starben bei verschiedenen Ein-
sätzen der Sicherheitskräfte
insgesamt 83 mutmaßliche
Kämpfer der Dschihadistenmi-
liz Islamischer Staat (IS). Zu-
dem seien 61 „Kriminelle, ge-
suchte Personen und Verdäch-
tige“ festgenommen worden,
hieß es weiter. Bei seinen Ein-
sätzen habe das Militär dutzen-
de Verstecke und Fahrzeuge der
Dschihadisten zerstört. Drei
Soldaten seien getötet oder ver-
letzt worden, teilte die Armee
weiter mit.


S


elten waren die Span-
nungen zwischen den
USA und der Türkei so
intensiv wie in diesen
Wochen, seit die Türkei die mit
Amerika verbündeten Kurden in
Nordsyrien angegriffen hat und
dabei auch US-Soldaten unter
Beschuss gerieten. Die jüngste
Krise, aber auch die Annäherung
Ankaras an Russland, weckt
Zweifel, ob das Nato-Land am
Bosporus tatsächlich noch ein
verlässlicher Partner des Wes-
tens ist. Sicherheitsexperten dis-
kutieren deshalb mit zunehmen-
der Dringlichkeit eine zentrale
Frage: Sind die Atomwaffen, die
die Amerikaner in der Türkei sta-
tioniert haben, überhaupt noch
sicher?

VON CLEMENS WERGIN

Das ist eine Diskussion, die
seit dem Militärputsch in der
Türkei von 2016 an Fahrt aufge-
nommen hat und die nun neu
aufflammt. Auch die Trump-Re-
gierung scheint zunehmend
beunruhigt zu sein über die Si-
cherheit der vermuteten 50
Atomsprengköpfe, die auf der
türkischen Luftwaffenbasis In-
cirlik gelagert werden. Wie die
„New York Times“ berichtet, ha-
ben Beamte des Energieministe-
riums (das für Nuklearsicherheit
zuständig ist) und des US-Au-
ßenministeriums angesichts der
jüngsten Krise Pläne für einen
Abzug der Atomwaffen über-
prüft.

Ein mit der Materie befasster
US-Offizieller sagte laut „Ti-
mes“, dass „diese Waffen nun im
Grunde Geiseln Erdogans“ seien.
Sie aus Incirlik auszufliegen,
„würde de facto das Ende der tür-
kisch-amerikanischen Allianz be-
deuten. Sie aber dort zu lassen
würde heißen, eine nukleare Ver-
wundbarkeit zu verlängern, die
schon vor Jahren hätte beendet
werden müssen“.
Schon der Putsch in der Türkei
im Jahr 2016 hatte Atomwaffen-
experten sehr beunruhigt,
schließlich schien der türkische
Kommandeur von Incirlik betei-
ligt zu sein am Coup, und Kampf-
flugzeuge, die das Parlament und
andere Regierungsinstitutionen
bombardierten, sollen von einem
in Incirlik gestarteten Flugzeug
in der Luft betankt worden sein.
Das türkische Militär hatte des-
halb am Tag des Putsches die
Stromversorgung von Incirlik ge-
kappt und den Luftraum um die
Basis gesperrt. „Das hat damals
einige unangenehme Gedanken
aufkommen lassen“, schrieb
Atomwaffenexperte Jeffrey Le-
wis 2016. „Erscheint es wirklich
als gute Idee, amerikanische
Atomwaffen auf einer Luftwaf-
fenbasis zu stationieren, die von

jemandem befehligt wird, der ge-
rade mithalf, das Parlament sei-
nes eigenen Landes zu bombar-
dieren?“
Lewis und andere Experten
plädierten damals für einen Ab-
zug der Waffen. „Es wäre eine gu-
te Idee gewesen, das 2016 zu ma-
chen“, sagt Lewis nun angesichts
der jüngsten Spannungen im Ge-
spräch mit WELT. „Es ist heute
jedoch offensichtlich ein sehr viel
schwierigeres Unterfangen.“ Le-
wis ist Professor am Middlebury
Institute of International Studies
im kalifornischen Monterey. Vor
drei Jahren war er besorgt, dass
türkische Putschisten versuchen
könnten, die Atomwaffen in ihre
Hände zu bekommen. Angesichts
der jüngsten türkisch-amerikani-
schen Krise hat er nun andere
Sorgen, schließlich haben türki-
sche Kräfte bei der Invasion in
Nordsyrien amerikanische Solda-
ten beschossen.
„Was würde passieren, wenn
die türkische Regierung unter Er-
dogan die Waffen beschlagnah-
men würde?“, fragt er nun. Lewis
hält die Wahrscheinlichkeit dafür
zwar für gering, aber immer noch
hoch genug, um einen Abzug der
Waffen zu fordern. „In der Welt
der Nuklearwaffen reden wir über

sehr kleine Risiken, die, wenn sie
eintreten, aber enorme Konse-
quenzen haben.“ Natürlich sind
die Kernwaffen in Incirlik mit Si-
cherheitsmaßnahmen geschützt.
„Es gibt Zäune und Tore und
Wachleute, und die Atomspreng-
köpfe werden in Kammern aufbe-
wahrt, die in den Boden von Flug-
zeugbunkern eingelassen sind.
Die Waffen sind auch mit Schlös-
sern gesichert, deren Codes man
knacken muss, um sie scharf zu
machen“, berichtet Lewis.
Doch keine dieser Sicherheits-
maßnahmen seien darauf ausge-
richtet, staatlichen Akteuren zu
widerstehen, die sich Zugang
verschaffen wollen. „Sogar die
mit Codes geschützten Schlös-
ser sind nur darauf ausgelegt,
den Zugang zur Waffe zu verzö-
gern“, sagt Lewis. Deshalb ist
der Niedergang der türkisch-
amerikanischen Beziehungen so
bedenklich. „Wenn die Bezie-
hung sich in diese Richtung wei-
terentwickelt und wir aufhören,
VVVerbündete zu sein, dann befin-erbündete zu sein, dann befin-
den wir uns in einer Situation,
die sich niemand vorgestellt hat,
der die Sicherheitsmaßnahmen
entworfen hat, nämlich dass die
US-Nuklearwaffen in einem un-
fffreundlich gesinnten Land auf-reundlich gesinnten Land auf-
bewahrt würden.“
Die Nato-Partner beobachten
jedenfalls seit Jahren mit Besorg-
nis, dass die Türkei sich immer
weiter vom Westen entfernt.
„Der Bogen ihres Verhaltens über
die vergangenen Jahre hinweg
war furchtbar“, sagte etwa US-

Ägypten:


8 0 Dschihadisten


getötet


Amerikas gefährlichste


Atomwaffen


Auf der türkischen Luftwaffenbasis


Incirlik lagern Nuklearsprengköpfe –


die am schlechtesten gesicherten


der USA weltweit


„NATO-Area“

Luftwaffenstützpunkt Incirlik

Quelle: Federation of American Scientists,
Satellitenbild: Maxar Technologies/
Google Earth ����

In den �� Flugzeughangars lagern
Atombomben der US-Streitkräfte
in Unterflurmagazinen

Atomwaffen-
Wartungseinheit

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