Süddeutsche Zeitung - 08.11.2019

(lily) #1
von markus balser

Berlin – Dass es derzeit bei der Bahn ein-
fach nicht läuft, machte am Donnerstag
schon der Start in die Krisensitzung un-
missverständlich klar. Denn nach Tumul-
ten im Vorfeld der Sitzung begann das Kri-
sentreffen des Aufsichtsrats am Nachmit-
tag mit mehr als einer Stunde Verspätung.
Intensiv versuchten führende Aufsichtsrä-
te, die Wogen im Führungsstreit und in der
Auseinandersetzung über den richtigen
Kurs zu glätten. Schon im Vorfeld war
schließlich durchgesickert, dass der Bahn
ein weiterer Rückschlag droht: Der Kon-
zern muss den eigentlich fest eingeplanten
schnellen Milliardenverkauf der Auslands-
tochter Arriva wegen enormer Probleme
vorerst stoppen.
Für Konzernchef Richard Lutz gilt das
als herbe Niederlage. Der Verkauf hatte im
Zentrum eines Umbauplans für die Bahn
gestanden, der dem finanziell angeschlage-
nen Unternehmen in den nächsten Jahren
etwas Luft verschaffen sollte. Die Erlöse
wollte die Bahn zum Stopfen von Finanz-
löchern und für Investitionen etwa in neue
Züge nutzen. Doch daraus wird wohl
vorerst nichts. Der Aufsichtsrat wolle den
Verkauf wohl abblasen, hieß es. Offen sei,
ob in zwei oder drei Jahren ein neuer An-
lauf genommen werde, hieß es. Damit wird
die Krise des größten deutschen Staatskon-
zerns noch größer.

Denn eigentlich drängt beim Verkauf
des Geschäftsfeldes die Zeit. Die in 14 Län-
dern tätige Bahntochter mit 53 000 Be-
schäftigten, zuletzt 5,4 Milliarden Euro
Umsatz und einem Firmensitz im engli-
schen Sunderland ist zwar einer der weni-
gen Bereiche der Bahn, die Gewinne erwirt-
schaften, doch die Bahn braucht dringend
Geld. Das Geschäft sollte dem Konzern in
diesem oder dem nächsten Jahr bis vier
Milliarden Euro in die Kassen spülen. Auf
2,2 Milliarden Euro taxierte die Bahn zu-
letzt allein für dieses Jahr jene Finanzlü-
cke, die der Konzern mit dem Arriva-Ver-
kauf gerne schließen möchte. In den kom-
menden Jahren braucht die Bahn jeweils
weitere Milliarden. Nun will das Unterneh-
men zunächst über eine Anleihe bis zu
zwei Milliarden Euro frisches Geld aufneh-

men. Wie die Finanzlücke insgesamt ge-
schlossen wird, ist derzeit noch offen. Die
Bahn wollte sich zu den Angaben am Don-
nerstag zunächst nicht äußern.
Auch der Führungsstreit eskalierte am
Donnerstag weiter. Bundesverkehrsminis-
ter Andreas Scheuer (CSU) habe dem ange-
schlagenen Finanzvorstand Alexander
Doll das Vertrauen entzogen, hieß es im
Vorfeld der entscheidenden Aufsichtsrats-
sitzung aus Kreisen des Gremiums. Nach
einem Treffen von Scheuer und Doll habe
Aufsichtsratschef Michael Odenwald dem
Finanz- und Güterverkehrsvorstand den
freiwilligen Amtsverzicht nahegelegt. Dies
sei auch auf Wunsch des Ministers gesche-
hen. Doll wird vorgeworfen, zu spät über
Probleme beim Verkauf von Arriva infor-
miert zu haben.
Am Donnerstag konnten sich beide Sei-
ten jedoch noch nicht auf eine vorzeitige
Vertragsauflösung einigen. Für eine Ab-
stimmung im Aufsichtsrat über Doll hätte
zudem die Tagesordnung geändert wer-
den müssen, was auf Widerstand stieß. Vor-
aussichtlich in zwei Wochen soll es nun ei-
ne weitere Sondersitzung des Gremiums
zu der Personalie geben, hieß es.
Dagegen beschloss der Aufsichtsrat am
Abend, die bisherige Chefin der Berliner
Verkehrsbetriebe (BVG), Sigrid Nikutta, in
den Bahnvorstand zu berufen. Dort soll sie
die verlustreiche Gütersparte DB Cargo sa-
nieren – und diese Aufgabe von Doll über-
nehmen. Die 50-Jährige tritt ihren neuen
Posten bereits zum 1. Januar an. Nikutta
war in der Vergangenheit schon für einen
Vorstandsamt im Gespräch. Aufsichtsrä-
ten zufolge war ihr Wechsel in die Bahn-
Konzernspitze aber am Widerstand von
Lutz und Vorstand Roland Pofalla geschei-
tert. Dass der Personalausschuss des Auf-
sichtsrats sich vergangene Woche nun für
Nikutta ausgesprochen hatte, galt auch als
Niederlage für beide.
Zudem sollte es am Donnerstag auch
um eine äußerst umstrittene Gehaltserhö-
hung für einen Teil der Vorstände gehen.
Das Grundgehalt neuer Vorstandsmitglie-
der im sechsköpfigen Gremium sollte dem-
nach um rund 50 Prozent steigen. In der
Politik hatte dies angesichts der Krise des
Unternehmens heftige Reaktionen und
Proteste ausgelöst. Auch Verkehrsminister
Andreas Scheuer hatte die Pläne öffentlich
abgelehnt und den Aufsichtsrat aufgefor-
dert, die Pläne nicht umzusetzen. Als wahr-
scheinlich galt am Abend, dass der Auf-
sichtsrat die Pläne beerdigt.

Frankfurt–Die Lufthansa unternimmt
vor dem Hintergrund sinkender Gewinne
erste Schritte, den langen Tarifkonflikt
mit der Flugbegleitergewerkschaft UFO zu
entschärfen. Vorstandschef Carsten Spohr
willigte am Donnerstag erstmals ein, Ge-
spräche über eine Schlichtung zu führen
und ging damit auf eine UFO-Forderung
ein. Die Gewerkschaft verzichtete darauf-
hin darauf, die Streiks bei Lufthansa auszu-
weiten.
Spohrs Schritt ist eine Abkehr von der
bisherigen Strategie des Konzerns. Die Un-
ternehmensführung hatte es über Monate
abgelehnt, mit UFO zu verhandeln. Sie be-
zweifelte, dass der momentane Vorstand
der Gewerkschaft rechtmäßig ins Amt ge-
kommen und UFO damit überhaupt ver-
handlungsfähig sei. Nun aber will Lufthan-
sa mit UFO „vertraulich klären“, wie man
mit den juristischen Themen umgehen wol-
le, so Spohr. Gespräche dazu sollen am Wo-
chenende stattfinden.
Bisher vertreten sowohl UFO als auch
die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi
Flugbegleiter im Konzern. Zudem bildet
sich gerade eine dritte Gewerkschaft na-
mens Cabin Union (CU), eine Abteilung der
Industriegewerkschaft Luftverkehr (IGL).
Spohr betonte, es sei sein übergeordnetes
Ziel, „die Einheit in der Kabine wiederher-
zustellen. Ich will keine weitere Spaltung
der Kabine betreiben.“ Er hatte sich am
Mittwochabend mit Vertretern von Verdi
und CU getroffen. Zuvor hatte das hessi-
sche Landesarbeitsgericht den UFO-Streik
in zweiter Instanz für rechtens erklärt.
UFO hatte ihre Mitglieder bei Lufthansa
für Donnerstag und Freitag zu einem zwei-
tägigen Streik aufgerufen, durch den das
Unternehmen rund 1300 Flüge streichen
musste. Der Konzern hat ein großes Inter-
esse daran, weitere Arbeitskämpfe zu ver-
meiden, denn es gibt genügend andere Pro-
bleme.
In den ersten neun Monaten ist der ope-
rative Gewinn des Unternehmens bei ei-
nem Umsatz von knapp 28 Milliarden Euro
um ein Drittel auf 1,6 Milliarden Euro ge-
sunken, im dritten Quartal allerdings nur
noch um 13 Prozent auf 1,2 Milliarden.
Spohr machte vor allem die Überkapazitä-
ten im Europaverkehr für den Gewinnrück-
gang verantwortlich. Dieser habe es un-
möglich gemacht, höhere Ticketpreise zu
verlangen. Das meiste Geld verdient Luft-
hansa allerdings weiterhin im Geschäfts-
feld Netz-Airlines (Lufthansa, Swiss, Aus-
trian), vor allem weil die Transatlantikflü-


ge weiterhin hohe Gewinne generieren,
und bei Lufthansa Technik. Die Zweitmar-
ke Eurowings, die auf den Direktverkehr
spezialisiert ist, schreibt weiter deutliche
Verluste, auch Lufthansa Cargo ist derzeit
defizitär.
Daher hat der Lufthansa-Vorstand an
mehreren Stellen Einschnitte beschlos-
sen. Eurowings soll 2020 weniger Kapazi-
tät anbieten als im laufenden Jahr und
sich nur noch auf Kurzstrecken beschrän-
ken. Gewinne werden trotzdem erst für
2021 erwartet. Lufthansa Cargo wird bis
Ende 2020 alle zehn älteren Frachter vom
TypMD-11ausmustern. Die Flotte wird
dann nur noch aus neun größeren Boeing
777Fbestehen. Vier weitere Maschinen
der Aerologic, einem Joint Venture mit
DHL, fliegen darüber hinaus ausschließ-
lich für Lufthansa.
Konzerntochter Austrian, die in den ers-
ten drei Quartalen des Jahres nur einen mi-
nimalen Gewinn (14 Millionen Euro) ge-
macht hat, hat ein hartes Sparprogramm
gestartet und plant, bis zu 800 Stellen zu
streichen. Die Fluggesellschaft steht beson-
ders stark im Wettbewerb mit Billig-Anbie-
tern, weil an ihrem größten Standort in
Wien sowohl Ryanair als auch Wizz Air um
Marktanteile kämpfen. Insgesamt sind
dort 32 Flugzeuge von Low-Cost-Airlines
stationiert, Schwestergesellschaft Euro-
wings nicht eingerechnet.
Bei den Investitionen in die eigene Lang-
streckenflotte hat Lufthansa sich mehr
Spielraum geschaffen. Sie hat feste Aufträ-
ge für 14 der 20 Boeing777-9in Optionen
umgewandelt und ist somit nicht mehr ver-
pflichtet, die Maschinen abzunehmen.
Lufthansa hatte 2013 als erste Fluggesell-
schaft weltweit 20 Jets der neuesten
777 -Generation bestellt.
Spohr gab sich angesichts von neuen
Gerüchten, Lufthansa stehe kurz vor ei-
nem Einstieg bei der unter Gläubiger-
schutz fliegenden Alitalia, zurückhaltend.
Lufthansa werde in Alitalia in der heuti-
gen Form nicht investieren, über einen
Einstieg bei einer sanierten, neuen Firma
gebe es aber Gespräche. Wichtiger sei eine
kommerzielle Zusammenarbeit. Alitalia
kooperiert derzeit allerdings mit Air
France-KLM und der amerikanischen Del-
ta Air Lines, die ebenfalls erwägt, einen An-
teil an der italienischen Fluggesellschaft
zu kaufen. Zuletzt hatte British Airways-
Muttergesellschaft International Airlines
Group (IAG) die spanische Air Europa über-
nommen. jens flottau  Seite 4

Auf der Strecke


DieBahn bläst den milliardenschweren Verkauf der Auslandstochter Arriva nach massiven Problemen ab.
Nun droht dem Konzern eine große Finanzlücke. Auch Vorstandschef Richard Lutz gerät in Bedrängnis

Lufthansa-Chef will


mit UFO sprechen


Die Gewerkschaft verzichtet auf weitere Streiks


Der Verkehrsminister
entzieht dem Finanzchef
das Vertrauen

DEFGH Nr. 258, Freitag, 8. November 2019 (^) WIRTSCHAFT HF2 23
Vorstand auf Abruf: Auch die Bundesregierung drängt
offenbar auf eine baldige Ablösung von
Bahn-Finanzchef Alexander Doll.FOTO: REINER ZENSEN/IMAGO
(^1) A UTO BILD, Ausgabe 12/2019 vom 21.03.2019, auto motor sport, Ausgabe 5/2019 vom 14.02.2019, Auto Zeitung, Ausgabe 24/2018 vom 31.10.2018.
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