Handelsblatt - 08.11.2019

(Barré) #1

VDA-Präsidentensuche


Hildegard Müller


wird zur Favoritin


Der Verband der
Automobilindustrie trifft
zwar keine Entscheidung.
Doch alles läuft auf die
Ex-Staatsministerin hinaus.

M. Fasse, S. Menzel, M. Murphy
München, Düsseldorf, Frankfurt

N


ach mehr als 20 Jahren könn-
te erstmals wieder eine Frau
die Führung des Verbandes
der Automobilindustrie (VDA) über-
nehmen. Auf der Vorstandssitzung
von Deutschlands wichtigstem Indus-
trieverband am Donnerstag ist zwar
noch keine Entscheidung getroffen
worden. Doch alles laufe darauf hi-
naus, dass die frühere Staatsministe-
rin und bisherige Innogy-Vorstands-
frau Hildegard Müller im nächsten
Jahr neue Präsidentin werde, hieß es
nach dem VDA-Treffen in Berlin.
Nach monatelangen internen Que-
relen hatte der aktuelle VDA-Präsi-
dent Bernhard Mattes im September
angekündigt, dass er das Amt zum
Jahresende niederlegen werde. Er
zog damit die Konsequenzen aus der
anhaltenden Kritik an seiner Amts-
führung. Insbesondere große Auto-
hersteller wie Volkswagen haben ihm
wiederholt vorgehalten, dass er kei-
nen allzu engen Kontakt zur Politik
pflege. In den 1990er-Jahren gab es
mit Erika Emmerich, zuvor Präsiden-
tin des Kraftfahrt-Bundesamtes,
schon einmal eine Frau an der Spitze
des VDA.
„Hildegard Müller ist die klare Fa-
voritin“, hieß es im Anschluss an die
VDA-Vorstandssitzung aus Teilneh-
merkreisen. Grundsätzlich stünden
die meisten Unternehmen der Beru-
fung der 52-Jährigen positiv gegen-
über. Müller muss allerdings auch
keine weiteren Wettbewerber fürch-
ten. Am Dienstag hat der frühere
SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel er-
klärt, dass er für den VDA-Posten
nicht zur Verfügung stehe. Der Ver-
band äußerte sich nicht dazu.
Im Vorfeld des VDA-Treffens haben
sich bereits Daimler-Chef Ola Källeni-
us und der mittelständische Unter-
nehmer Arndt Kirchhoff mit Müller
getroffen. Die beiden Manager bilden
die Findungskommission, die nach

geeigneten Kandidaten für den VDA
Ausschau gehalten hat.
Insbesondere aus dem Kreis der
Autokonzerne war zusätzlicher Infor-
mationsbedarf angemeldet worden.
Auf Müller kommen deshalb mehrere
Gespräche mit Konzernchefs zu, da-
runter mit dem VW-Vorstandsvorsit-
zenden Herbert Diess. „Wir haben
uns heute zum ersten Mal im VDA
ausgetauscht“, sagte ein Sitzungsteil-
nehmer nach dem Treffen. Deshalb
sei es zu früh, schon jetzt konkrete
Beschlüsse zu fassen.
Sollten die weiteren Bewerbungs-
runden positiv verlaufen, stünde
Müllers Berufung zur neuen VDA-
Präsidentin nichts mehr entgegen,
verlautete aus Verbandskreisen.
Rechtzeitig zum Jahreswechsel könn-
te sie den Spitzenposten am Ver-
bandssitz im Berliner Markgrafenpa-
lais übernehmen.
Die VDA-Mitglieder erwarten von
einer neuen Präsidentin eine enge
Abstimmung mit der Politik. Durch
die Klima- und Umweltschutzdiskus-
sion hätten politische Themen
enorm an Bedeutung gewonnen,
hieß es aus Industriekreisen. Diese
wachsende Bedeutung von Umwelt-
fragen habe dazu geführt, dass die
Autobranche mit dem Wechsel zum
Elektromotor nun vor der größten
Transformation ihrer Geschichte ste-
he.
Im Verband wird Müller zugetraut,
dass sie die in sie gesetzten Erwar-
tungen absehbar erfüllen kann. Sie
war nicht nur Staatsministerin im
Bundeskanzleramt und Innogy-Vor-
stand. Sie war ebenfalls acht Jahre
lang Hauptgeschäftsführerin des
Bundesverbands der Energie- und
Wasserwirtschaft.
Der VDA-Vorstand hat sich zugleich
dafür ausgesprochen, dass die vom
Verband ausgerichtete IAA ein neues
Konzept bekommen soll. Entschei-
dungen dazu werden allerdings erst
im neuen Jahr fallen. Im Verband
wird etwa darüber diskutiert, eine
Messe mit stärkerem Kongressanteil
zu veranstalten. Außerdem sollen
nicht mehr nur Autos ausgestellt,
sondern grundsätzliche Fragen der
Mobilität behandelt werden. Der VDA
könnte auch den traditionellen
Standort Frankfurt aufgeben.

Hildegard Müller: Künftig
Spitzenlobbyistin der
Autoindustrie?

Pressefoto


Bosch


Werk in Bamberg gesichert


Betriebsrat und Führung
einigen sich: Die Produktions -
stätte bleibt, und betriebs -
bedingte Kündigungen sind
bis 2026 ausgeschlossen.

Martin Buchenau Stuttgart


E


ine Arbeitszeitverkürzung und
ein Umstieg auf andere Techno-
logien sollen die Zukunft des
Bosch-Werks in Bamberg sichern. Ar-
beitnehmer und Unternehmen haben
am größten Produktionsstandort des
Autozulieferers in Deutschland eine
entsprechende Vereinbarung ausge-
handelt, wie Betriebsratschef Mario
Gutmann am Donnerstag mitteilte. Da-
mit gewinne man die nötige Zeit, um
das Werk neu auszurichten, das mit
seinen mehr als 7 000 Beschäftigten
komplett am Verbrennungsmotor hän-
ge. „Mit dem Ergebnis sind wir sehr zu-
frieden“, sagte Gutmann.
Vor wenigen Wochen hat Gutmann
noch befürchtet: „Das wird noch
schmutzig.“ Aber jetzt zeigt die Un-
ternehmensführung, dass sie in Bam-
berg nicht so rigoros vorgeht wie im
Diesel-Stammwerk Feuerbach, wo
800 Stellen wegfallen sollen. Auch in
Schwieberdingen stehen noch einmal
800 Jobs zur Disposition. Zudem sind
1 000 Stellenstreichungen bei den
Lenksystemen in Schwäbisch Gmünd
angekündigt.
Bislang haben Konzernchef Volk-
mar Denner und der Chef der Mobili-
ty-Sparte, Stefan Hartung, die Strate-

gie verfolgt, nicht einen großen Ab-
bauplan zu verkünden, sondern die
Kürzungen an den einzelnen Standor-
ten zeitversetzt bekanntzugeben.
In Bamberg schließt die Vereinba-
rung betriebsbedingte Kündigungen
bis ins Jahr 2026 aus, zudem steckt
Bosch nach eigenen Angaben Geld in
den Aufbau neuer Bereiche, etwa in
die Brennstoffzellentechnologie. Dafür
wird die Arbeitszeit verkürzt. Mitarbei-
ter mit einer 35-Stunden-Woche arbei-
ten ab Anfang April nur noch 32 Stun-
den und bekommen entsprechend
sechs Jahre lang weniger Geld.
Die Gewerkschaft IG Metall be-
grüßt die auf das Bosch-Werk in Bam-
berg zugeschnittene Vereinbarung.
„Die Beschäftigten bringen ein gro-
ßes Opfer. Diese Vereinbarung zeigt,
dass Unternehmen, Betriebsräte und
Gewerkschaften im industriellen
Wandel gemeinsam Beschäftigung si-
chern und Standorte weiterentwi-
ckeln können“, sagte der bayerische
Bezirksleiter Johann Horn.
Der Wandel der Autobranche hin
zur E-Mobilität schlägt bei vielen Zu-
lieferern auf die Auftragslage durch.
Viele Unternehmen haben deshalb
bereits Stellenstreichungen angekün-
digt. Konkurrenten wie Continental,
ZF und Mahle haben bereits Werks-
schließungen im Zuge der Autoflaute
angekündigt. Bosch Bamberg soll
nun zu einem Standort für die Pro-
duktion von stationären und mobilen
Brennstoffzellen ausgebaut werden.
Eine Vorserienfertigung gibt es dort
bereits.

Die


Beschäftigten


bringen ein


großes Opfer.


Johann Horn
Bayerischer
Bezirksleiter, IG Metall


     
 
      
  


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