Jens Münchrath Washington
L
inientreue, Loyalität und bedin-
gungsloser Gehorsam – das sind
die Eigenschaften, die der ameri-
kanische Präsident von seinen
Mitarbeitern einfordert. Und so
ist es kein Wunder, dass Donald Trump vor
gut anderthalb Jahren Mike Pompeo zu sei-
nem Außenminister machte.
Alle aktuellen Kabinettsmitglieder sind ih-
rem Chef treu ergeben. All jene, die kritische
Fragen stellten, mussten längst gehen – Pom-
peos Vorgänger Rex Tillerson etwa oder zu-
letzt Trumps Sicherheitsberater John Bolton.
Aber was die Loyalität zum Präsidenten an-
geht, übertrifft Pompeo seine derzeitigen Ka-
binettskollegen alle. „Ich streite mit allen, nur
mit Pompeo nicht“, sagte Trump einmal.
Wie sein Chef hält Pompeo nichts von ei-
ner kooperativen Außenpolitik – „America
first“ zählt. Wie Trump lehnt er den Iran-
Atomvertrag ab, an dem sich eine ganze Ge-
neration westlicher Diplomaten abgearbeitet
hatte. Wie Trump befürwortet er den höchst
umstrittenen Abzug der US-Truppen aus Sy-
rien. Wie Trump sieht er in der internationa-
len Klimapolitik nichts anderes als den An-
griff auf das amerikanische Geschäftsmodell.
Das heißt: Alles, was den Europäern wich-
tig ist, lehnt der US-Außenminister ab. Auch
deshalb ist der zweitägige Deutschland-Be-
such des tiefgläubigen Evangelikalen bedeut-
sam – ausgerechnet zum 30. Jahrestag des
Mauerfalls, jenem Ereignis, das wie kein an-
deres an bessere Zeiten im deutsch-amerika-
nischen Verhältnis erinnert. Sicher wird
Pompeo, der bislang nicht durch seinen di-
plomatischen Stil aufgefallen ist und Journa-
listen gern unterstellt, „schwachsinnige Fra-
gen“ zu stellen, seinen Ton mäßigen, wenn er
am Freitag in Berlin eine Rede hält und Bun-
deskanzlerin Angela Merkel trifft.
In Deutschland stationiert
Der 55-Jährige hat schon in jungen Jah-
ren persönliche Erfahrungen in Deutsch-
land gesammelt. Nach seiner Zeit an der Mili-
tärakademie in West Point, die er 1986 als
Jahrgangsbester abschloss, war Pompeo fünf
Jahre als Panzerzugführer an der innerdeut-
schen Grenze stationiert. Auch deshalb be-
suchte der gebürtige Kalifornier am Donners-
tag die Grenzregion in Mödlareuth, wo er sei-
nen deutschen Amtskollegen Heiko Maas traf.
Erst mit Ende 40 fand Pompeo, der
sich weigert, Waterboarding als Foltermetho-
de einzustufen, über die radikale Tea-Party-
Bewegung der Republikaner in die Poli-
tik. Sechs Jahre war er für den Bundesstaat
Kansas Mitglied im Repräsentantenhaus und
galt als kenntnisreicher Sicherheitspolitiker.
Dann setzte Trump den Harvard-Juristen an
die Spitze des Auslandgeheimdiensts CIA.
Seine wichtigsten Karriereschritte verdankt
Pompeo also nur einem Mann: Donald
Trump. Trotzdem könnte seine bedingungs-
lose Loyalität demnächst auf die Probe ge-
stellt werden. Pompeo steht unter Ver-
dacht, tief in die Ukraine-Krise des Präsiden-
ten verwickelt zu sein. In Kürze dürfte er vom
Kongress als Zeuge im Amtsenthebungsver-
fahren vorgeladen werden.
Sollte Pompeo seinen Präsidenten aktiv da-
bei unterstützt haben, als dieser Kiew
zur „Amtshilfe“ drängte, um seinen mögli-
chen demokratischen Rivalen Joe Biden in
Misskredit zu bringen, könnte es eng werden
für Pompeo. Der Außenminister hatte seine
Diplomaten angewiesen, nicht mit dem Kon-
gress zu kooperieren. Allerdings hielten sich
nicht alle Beamten an die Order. Mehrere
Zeugen hatten vor den Ermittlern ausgesagt,
dass sie sich vergebens an Pompeo gewandt
hätten, weil das Weiße Haus eine Nebenau-
ßenpolitik in der Ukraine betrieben habe.
Je enger es für Trump in der Affäre wird,
desto schwieriger ist auch die Lage seines Au-
ßenministers. Am Ende könnte Pompeo so-
gar Opfer seiner eigenen Loyalität werden.
Mike Pompeo: Für ihn
zählt „America first“.
AP
Thomas Kemmerich: Er hat wegen derber
Sprüche den Spitznamen „Cowboy“.
imago images/photothek
Persönlichkeit der Woche
Trumps
Vasall
US-Außenminister Mike Pompeo ist
für seine bedingungslose Loyalität
zum Präsidenten bekannt.
Jetzt besucht er Deutschland.
Thomas Kemmerich
Liberale Glatze
Der Thüringer FDP-Chef hat
seine Partei denkbar knapp in den
Landtag zurückgeführt.
E
r hat viel gewagt und knapp gewon-
nen: Thomas Kemmerich hat in Thü-
ringen einen sehr mutigen und um-
triebigen Wahlkampf geführt. Der 54-Jährige
vertraute dabei auf eine Kampagne, die pro-
vozierte. „Endlich eine Glatze, die in Ge-
schichte aufgepasst hat“, lautete sein Slogan,
mit dem er auch auf Plakaten zu sehen war.
Gerade mal 73 Stimmen waren es, die ihn
laut amtlichem Endergebnis über die Fünfpro-
zenthürde brachten. Die Liberalen sind damit
wieder im Erfurter Landtag, angeführt von ei-
nem „sehr glücklichen“ Kemmerich, der nun
wie im Wahlkampf versprochen sein Bundes-
tagsmandat abgeben will. „Ich bin hier seit
knapp 30 Jahren als Unternehmer tätig und
möchte, dass sich die wirtschaftspolitischen
Bedingungen dieser Region verbessern“ , er-
klärt Kemmerich dem Handelsblatt. Und wei-
ter: „Ich bin angetreten, damit die Regierung
von Ministerpräsident Bodo Ramelow keine
Mehrheit mehr hat.“ Es werde auch keine Tole-
rierung oder Kooperation geben. „Wir werden
aber eine konstruktive Opposition sein.“ Mit
Mike Mohring von der CDU werde er über eine
Minderheitsregierung sprechen.
Mit seinem Wahlerfolg verschafft Kemme-
rich auch dem Spitzenpersonal seiner Partei
Luft. FDP-Chef Christian Lindner und Gene-
ralsekretärin Linda Teuteberg waren nach
den verlorenen Landtagswahlen in Branden-
burg und Sachsen, bei denen die FDP den
Wiedereinzug in die Landtage nicht schaffte,
in die Kritik geraten. Linder wegen seiner Äu-
ßerungen zum Klimawandel, Teuteberg auf-
grund ihrer zurückhaltenden Art.
Er stammt aus Aachen
Der gebürtige Aachener Kemmerich lebt seit
1989 in Thüringen. Der Jurist kam zunächst als
Unternehmensberater nach Erfurt, strukturier-
te ab 1991 das Dienstleistungskombinat „Fri-
seur & Kosmetik“ sowie die Produktionsgenos-
senschaft des Friseurhandwerks zum Friseur-
filialisten Friseur Masson GmbH um. 2000
wandelte Kemmerich das Unternehmen in ei-
ne AG um und wurde deren Vorstandsvorsit-
zender. Die Gesellschaft betreibt heute 23 Sa-
lons und beschäftigt 120 Mitarbeiter. In Thürin-
gen ist Kemmerich seit seinem Parteieintritt
2006 Chef der FDP-nahen Vereinigung Libera-
ler Mittelstand, der er seit November 2011 auch
als Bundesvorsitzender vorsteht.
In der Anhängerschaft hat Kemmerich auf-
grund derber bis lockerer Sprüche und klarer
Ansagen den Spitznamen „Cowboy“. Der
Wahlkampf in Thüringen war dennoch nicht
leicht für ihn. So genießt Kemmerich zwar
„als einer von ihnen“ das Vertrauen vieler
Unternehmer, eine Wahlempfehlung wollte
aber etwa der Verband „Die Familienunter-
nehmer“ nicht für ihn und die FDP abgeben.
Zum Wahlerfolg gratulierte Landesverband-
schefin Colette Boos-John aber prompt: „Mit
der FDP sitzt nun wieder Wirtschaftskompe-
tenz mit in unserem Landtag.“ Tanja Kewes
Namen
des Tages
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(^70) WOCHENENDE 7./8./9. NOVEMBER 2019, NR. 216